[Triclinium] Speis und Wahlkampf

  • Nachdem Caesoninus die Einladung an seinen alten Mentor überbringen hatte lassen, eilte er sogleich nachhause, um Locusta und Phocylides zu instruieren, dass heute hoher Besuch in der Domus Iulia seine Aufwartung machen würde. Der Senator, ehemalige Kommandeur der Academia Militaris Ulpia Divina und Konsular Spurius Purgitius Macer. Wie staunte da die alte Coqua! Doch natürlich ließ sie sich nicht lumpen und versprach ein exzellentes Abendmahl vorzubereiten, während der Mairodomus dafür Sorge tragen würde, dass alles blitzsauber und wohlgerichtet wäre, wenn der Gast erst aufgetaucht wäre. So ließ Caesoninus sie alle also auf sein Geheiß fleißig werkeln, während er sich in sein Cubiculum zurückzog, um wieder ein wenig weiterzuarbeiten. Immerhin war Wahlkampf.


    Als sich dann schön langsam der Abend näherte, ließ er sich wieder bei den anderen blicken, auch um zu kontrollieren, wie weit die Vorbereitungen für die Cena angediehen waren. Es war alles zu seiner vollen Zufriedenheit. Sehr gut, dann konnte es ja bald beginnen! Auch in der Culina sah es schon vorzüglich aus, mehrere Gänge waren vorbereitet und es schien an Essen wahrlich nicht zu mangeln. So also begab sich Caesoninus zur rechten Stunde dann ins Triclinium, um seinen Gast zu erwarten.

  • Geführt durch den Türhüter erreichte Macer kurz nach seinem Eintreffen in der Domus Iulia das Triclinium, wo er auf den Gastgeber traf. "Salve, Iulius Caesoninus", grüßte er ihn höflich und förmlich, denn immerhin war sein ehemaliger Tiro heute sein Gastgeber in der Rolle eines Kandidaten für den Cursus Honorum. Etwas Respekt und höfliche Floskeln schien Macer daher angebracht. "Ich danke für die Einladung und bin schon sehr gespannt, mehr über deine Kandidatur zu erfahren."

  • Caesoninus kam mit einer einladenden Geste Macer entgegen. "Salve, Consular Purgitius Macer! Es ist mir eine außerordentliche Freude, dich heute hier begrüßen zu dürfen. Bitte, nimm doch Platz." Und führte seinen Gast zu den Klinen, um sich seinerseits auf einer niederzulassen. Dann klatschte er in die Hände, das war das Zeichen, dass die Sklaven den ersten Gang bringen mochten. Eine erlesene Abfolge von kleineren salzigen Leckereien. "Falerner mit Wasser verdünnt", orderte er außerdem, als einer der Unfreien herbeieilte, die heute Servierdienst hatten. Fragend sah er Macer an, "Was darf ich dir zur Erquickung der Kehle kredenzen?".


    Als auch das geklärt war, konnten sie sich wieder seinem Wahlkampf zuwenden. Fast schon war es wieder ganz so, als ob sie wieder in seinem alten Tiro Fori wären, nur dass sie ihre Debatten dieses Mal eben in der Domus Iulia und nicht im Hause Macers führen würden. Irgendwie ein vertrauter Gedanke. "Nun, du wirst dir gewiss sein können, dass ich schon ganz aufgeregt bin angesichts der kommenden Wahl, an der ich das erste Mal selbst teilnehmen werde. Schon seit Tagen tüfftle ich an Wahlkampfaktionen und an der im Senat zu haltenden Rede. Ich hatte da und dort einige Schwieigkeiten, jedoch denke ich, dass schön langsam ein Ende dabei herausschaut." Die Diener kamen jetzt wieder mit den bestellten Getränken, was Caesoninus nur allzu gern begrüßte. Mit Wein im Gaumen ließ es sich doch gleich noch einmal so gut reden. Nach einem ersten kleinen Schluck (ausgezeichnet wie immer) fuhr er fort: "Du weißt ja noch von früher, dass ich mich nie so recht entscheiden habe können, was wohl das beste Teilamt des Vigintivirats für mich sein könnte, doch nach gründlicher Überlegung habe ich mich dazu entschlossen, es auf die Tresviri capitales und die Decemviri litibus iudicandis einzuschränken und dann es auf die Entscheidung des Senats ankommen zu lassen zu welchem Amt ich letztendlich bestimmt werde, gesetzt dem Falle, ich sollte gewählt werden. Was sagst du dazu?"

  • Macer machte es sich auf der angebotenen Kline bequem, orderte ebenfalls verdünnten Wein und lauschte dann den Worten des Gastgebers, der gleich ins Thema des Abends einstieg. Auch der erste Gang ließ nicht lange auf sich warten, so dass Macer schloß, dass sie heute Abend unter sich waren und keine weiteren Gäste erwartet wurden. Genüsslich verspeiste er eine der Leckereien und ließ den Iulier in Ruhe ausreden, bis dieser ihm eine Frage stellt.


    "Dem Senat eine Wahl zu lassen und gleichzeitig eine Einschränkung vorzunehmen, ist sicher eine gute Idee", stimmte er dann zu. "Sich überhaupt nicht festlegen zu wollen ist zweifellos schlechter, weil es Unentschlossenheit oder Desinteresse suggeriert. Einen einzigen klaren Wunsch zu äußern zeugt von Tatkraft, weckt aber auch schnell Zweifel, ob man die anderen Ämter denn überhaupt ausfüllen könnte oder wollte, sollte man bei der Postenverteilung nach der Wahl nicht wunschgemäß bedacht werden können. Sich für zwei Ämter begeistern zu können, zerstreut diese Zweifel meines Erachtens sehr effizient." Macer nahm einen Schluck Wein, bevor er weiter sprach. "Warum gerade diese beiden Ämter?", fragte er dann, auch wenn die Auswahl durchaus klassisch war und eine beliebte Kombination.

  • Nachdem Wein und erste kleine Leckereien von beiden verzehrt und die ersten Worte ausgetauscht worden waren, war es an der Zeit für den ersten größeren Gang. Auf ein Schnippsen Caesoninus' trugen Sklaven für jeden von ihnen eine ordentliche Portion numidisches Huhn herein und stellten sie vor den hohen Herrschaften bereit.


    "Ich hoffe, du magst Huhn. Zumindest ich kann gar nicht genug davon bekommen, vor allem in dieser numidischen Variante", grinste er, ehe sich Caesoninus wieder dem Thema widmete: "Warum also gerade diese beiden Ämter? Das ist eigentlich schnell erklärt. Bei den quattuorviri viis in urbe purgandis ist derzeit kein Ruhm abzuholen nach den revolutionären Neuerungen von Annaeus Florus Minor und was die tresviri aere argento auro flando ferunde angeht, so verstehe ich nicht wirklich etwas von Münzprägung. Bleiben also nur noch die tresviri capitales und die decemviri litibus iudicandis über. Mit beiden Teilämtern kann ich mich identifizieren. Das Testamentswesen steht in Berührung mit dem kultischen, was für mich als Mitglied des Cultus Deorum passend ist, zudem ich mich sehr für Verwaltung und Organisation interessiere. Und die Beaufsichtigung von Gefangenen und die Beseitigung verbotener Schriften kommt dem Staatsschutz zugute, was meinem Verständnis entspricht, mich für Rom einsetzen zu wollen."

  • Macer hatte keinerlei Einwände gegen Huhn und hatte es auch zu Hause regelmäßig auf dem Speiseplan. "Eine gute Wahl", stimmte er dem nächsten Gang daher zu und versäumte es nicht, auch später noch einmal die Kochkunst des Domus Iulia zu loben, nachdem er einige Bissen gekostet hatte.


    Da der Iulier nicht mehr sein Tiro war, verzichtete er diesmal auf einen Hinweis zur stilistischen Verbesserung der Antwort, sondern befasste sich gleich mit dem Inhalt. "Ich bin mir recht sicher, dass die wenigsten Tresviri der Münzprägung wirklich etwas von diesem Handwerk verstehen, wenn sie das Amt antreten. Aber ich kann auch verstehen, dass es nicht unbedingt die attraktivste Wahl ist, sich für ein Amt zu bewerben, wenn man bestenfalls Interesse und Lernbegierde ein die Waagschale werfen kann. Kannst du beim Testamentswesen oder der Beseitigung verbotener Schriften mehr Verständnis oder erste Erfahrungen ins Feld führen?", erkundigte Macer sich dann und versuchte sich zu erinnern, wann er das erste Mal in seinem Leben mit einem Erbvorgang ernsthaft in Berührung gekommen war. Erfahrung bei der Beaufsichtigung von Gefangenen fiel zweifelsfrei in seine Militärzeit, aber auch da hatte er keine Erinnerung an konkrete Ereignisse.

  • Auf Macers Antwort in Bezug auf das Münzwesen gab er von sich: „Es erscheint mir befremdlich, solltest du Recht behalten, dass etwas so essenzielles, wie das Münzwesen, wirklich Jahr für Jahr in die Hände von Amateuren gelegt werden sollte, wenn die Anwärter wirklich nichts von diesem Handwerk verstehen. Für die Münzprägung finde ich sollten Fachleute ran und keine einjährig amtierende Neulingspolitiker, die mal hier, mal dort mit dem Edelmetallgehalt einiger Münzen herumspielen, um sich einen Namen zu machen und Roms Wirtschaft nebenbei ins Chaos zu stürzen, findest du nicht?“ Das war durchaus ein Thema, das Caesoninus bewegte. Wenn man von etwas nichts verstand, sollte man auch die Finger davon lassen.


    Als sich dann Macer nach seinen Fähigkeiten im Testamentswesen erkundigte, bekam er folgende Antwort: „Das Testamentswesen ist ein Verwaltungsakt und in der Verwaltung habe ich durchaus praktische Erfahrung durch meine Tätigkeit als Aedituus. Das dürfte mir auch bei den Tresviri Capitales helfen. Was das Bücher verbrennen angeht, so stelle ich mir das nicht allzu schwer vor. Es wird bestimmt sowas wie ein Verzeichnis von verbotenen Schriften geben und bei Werken die nicht daraufstehen, sieht man es ja ebenfalls am Inhalt, ob sie illegal sind oder nicht, dann werden sie eben beseitigt.

  • Die Mischung aus Pragmatik und Unerfahrenheit, die der Iulier mit seinen Antworten darbot, ließ ein leichtes Schmunzeln auf Macers Gesicht erscheinen, das aber in keiner Weise überheblich oder spöttisch wirkte. Im Gegenteil, Macer schätzte die unbedarfte und tatkräftige Art, mit der sein ehemaliger Tiro zu Werke ging, auch wenn er möglicherweise nicht gänzlich wusste, worum es überhaupt ging. Auch Macer nahm für sich schließlich nie in Anspruch, von allem eine Ahnung zu haben und ließ sich auch davon nicht abhalten, trotzdem seinen Beitrag zu leisten. So auch diesmal, indem er seine Sicht auf die Aufgaben der Tresviri der Münzprägung darlegte. "Ich denke nicht, dass unsere Vorfahren die Aufsicht über die Münzen jungen Männern in die Hände gelegt haben, damit diese aus Langeweile am Edelmetallgehalt der Münzen herumspeilen. Nein, ich denke, der Gedankengang war ein gänzlich anderer und fußte tatsächlich darauf, hier absichtlich junge Männer einzustellen, die noch keine Erfahrung haben. Genau wie du mit deiner Antwort gerade offenbar hast, ist diesen nämlich durchaus die Bedeutung der Münzprägung bewusst und dass man mit einer Änderung großes Chaos auslösen kann. Letzteres wird aber keineswegs im Sinne dieser jungen Männer sein, denn sie haben ihre ganze Karriere noch vor sich und werden sie sich sicher nicht dadurch verderben wollen, dass in ihre Amtszeit eine Unregelmäßigkeit bei der Münzprägung fällt. Da sie jedoch von jenem Handwerk naturgemäß keine Ahnung haben, bleibt ihnen nichts anders übrig, als sich jeden Schritt einzeln, penibel und im Zweifelsfall mehrfach erklären zu lassen und immer wieder nachzufragen, wenn sie ihren Kontrollpflichten nachkommen wollen. Und welchen besseren Schutz gegen Manipulationen gäbe es, als wenn ständig ein junger Mann um die Ecke kommen könnte, der genau wissen möchte, was dort gerade vor sich geht, warum es vor sich geht, wer es angeordnet hat und der im Zweifelsfall alles, was er sieht und erfährt, gleich voller Stolz seinen Kollegen erzählt und womöglich auch noch seinen Eltern, älteren Geschwistern, Vorgesetzten, Hausskalven und Freunden? Und der selbstverständlich jeden noch so dezenten Bestechungsversuch entrüstet von sich weisen wird, weil er noch voller Idealismus ist und noch nicht abwägt, welches Risiko er zu seinem Vorteil in Kauf nehmen kann?" Macer stellte sich alle diese Vorgänge genauso lebhaft vor, wie er sie gerade erzählt und war überzeugt, dass zumindest der größte Teil davon nicht nur seiner Phantasie entsprang. "Würde man hingegen einen erfahrenen Politiker mit der Aufsicht betrauen, wäre die Gefahr viel größer, dass er seine Macht für seine Zwecke nutzen möchte und gleichzeitig erfahren genug ist, seine Spuren zu verwischen und die Folgen zumindest so zu gestalten, dass sie seiner ohnehin schon erfolgreichen Karriere keinen entscheidenden Schaden zufügen können."


    Macer machte eine kurze Pause, um auch das Essen genießen zu können, bevor er das Gespräch weiter führte. Dabei verkniff er sich die Bemerkung, dass nahezu alle Tätigkeiten der Magistrate einschließlich der eben besprochenen Überwachung der Münzen Verwaltungsakte sind und ging stattdessen gleich auf einen späteren Punkt sein. "Ja, sicher gibt es ein Verzeichnis der verbotenen Schriften. Soweit ich weiß, obliegt die Entscheidung, welche weiteren Werke verboten werden, jedoch den Praetoren oder sogar höheren Stellen. Die Vigintiviri sind hier nur die ausführende und kontrollieren Instanz, im Prinzip ähnlich wie bei der Münze. Kein junger Magistrat wird sich bei einer so simplen Aufgabe wie dem Abgleich eines Buchtitels mit einer Liste einen Fehler leisten wollen, selbst wenn er zu seinem Vorteil ausfällt, zumal es zweifellos zumindest den insgeheimen Wettstreit zwischen den amtierenden Vigintiviri geben wird, wer die meisten Bücher, die meisten verschiedenen Titel, den größten Fund auf einmal und so weiter für sich verbuchen kann."

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