[Atrium] Die Iulia im Griechenpelz - Ankunft

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    Auch Maahes war gerade zugegen, als der Ianator ein wenig Eile in den Raum brachte. Dabei erhaschte er nur einen sehr flüchtigen Blick auf die Frau, die nach Einlass begehrte. Was er jedoch mitbekommen hatte war, dass nach dem Herrn geschickt werden sollte, was Maahes gerne übernahm. Vibilius unterdessen deutete auf eine Kline in der Nähe des Impluviums, damit die Angekommene einen Moment Platz nehmen konnte. Natürlich würde er sich auch nach einer Erfrischung umsehen.

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    Mit einem wohligen Seufzen ließ sich Triaria auf die Kline sinken. Sitzend, ihre Füße berührten noch immer den Boden. Und zum ersten Mal seit dem Aufbruch aus Athen spürte die junge Römerin die Erschöpfung in ihren Beinen. Nun, da sie ihr Ziel erreicht hatte, fiel nahezu die gesamte Anspannung von ihr ab und eine wohlige Müdigkeit breitete sich in ihr aus. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen; - der Moment dauerte indes lange genug an, dass Kednes ihr schließlich auf die Schulter tippte.
    Der alte Ägypter hatte Triarias Gepäck auf den Boden des Atriums gestellt und stand, ganz seiner Rolle als Leibwächter entsprechend, mit verschränkten Armen neben der Kline. Im Gegensatz zu seiner Herrin wirkte er voll konzentriert. Denn trotzdem sie sich in der Domus Iulia befanden - oder gerade deshalb - galt seine ganze Aufmerksamkeit dem Schutz Triarias. Schließlich konnte auch hier Gefahr für sie lauern, bis man sich der Aufrichtigkeit der Hausherren sicher war. Unwillkürlich empfand Triaria seine Fürsorge als übertrieben, andererseits war ihr bewusst, welche Stütze Kednes ihr stets bot und dass seine Anwesenheit - gepaart mit seiner beeindruckenden, muskulösen Statur - das Fundament ihres Selbstbewusstseins bildete. Sie lächelte sanft und ließ ihn gewähren.
    Es schien, als habe ihre Ankunft den routinierten Ablauf des Haushaltes aus dem Takt gebracht, denn Sklaven eilten durch das Atrium, um Botschaften zu überbringen und andere Aufgaben zu erledigen. Im Haus ihrer Tante war die Zahl der Sklaven weit geringer gewesen, was für den Reichtum der römischen Iulier sprach. "Wir haben es geschafft", sagte Triaria an ihren Begleiter gewandt und ließ das Atrium auf sich wirken.

  • Nachdem Caesoninus in seinem Raum Meldung erhalten hatte, dass anscheinend jemand neues im Haus aufgetaucht war, war er neugierig von seinem Schreibtisch aufgestanden, um sich in das Atrium zu begeben. Im ersten Moment hatte er nämlich irrigerweise angenommen gehabt, es sei mit "eine Iulia" entweder Phoebe, oder Stella gemeint und er deshalb sehr verwirrt darüber gewesen, wieso man ihm das meldete, dass anscheinend eine der beiden Damen nachhause zurückgekehrt waren (von wo auch immer her), doch dieses Versehen währte nur den Bruchteil einer Sekunde, sodass er sich dann doch entschloss die Sache persönlich zu prüfen.


    So also betrat Caesoninus jetzt das Atrium und bemerkte sogleich den aktuellen Mitelpunkt des Interesses des Hauses. Hier vor ihm stand tatsächlich eine fremde, ja sogar eine sehr anmutige junge Frau. Ein kurzer Blick in die Halle verriet, dass von der Familie anscheinend nur er hierher geholt worden war, um ihr Familienmitglied zu begrüßen. Keine Spur von Senator Centho, Avianus, Licinus, oder einer der Iulias. Nun gut, sie würden sie bestimmt spätestens beim Abendessen kennenlernen, während er jetzt den Job der Begrüßung wahrzunehmen hatte. Er breitete als symbolische Geste die Arme aus und sprach: "Salve! Willkommen in der Domus Iulia! Ich bin Gaius Iulius Caesoninus. Darf ich dir eine Erfrischung anbieten?"
    Er selbst hatte leider überhaupt keine Ahnung, wer das sein könnte, welche hier vor ihm stand, aber hübsch war sie wirklich alle Mal.

  • Das also war Gaius Iulius Caesoninus. Nun kannte sie seinen vollständigen Namen. Triaria erhob sich von der Kline, was ihr überraschenderweise einige Schwierigkeiten bereitete. Kednes war erfahren genug, ihr in diesem Moment keine helfende Hand zu bieten. Denn eine solche Peinlichkeit noch bei der Vorstellung hätte ihr die Schamesröte ins Gesicht getrieben. Stattdessen richtete sich Triaria kerzengerade auf, zauberte ihr freundlichstes Lächeln hervor - das wirklich sehr herzlich aussah - und kam ihrem Gastgeber einige Schritte entgegen. Für wenige Sekunden kam ihr der verrückte Gedanke, Caesoninus wolle sie mit seinen ausgebreiteten Armen symbolisch im Schoß der Familie willkommen heißen. Aber natürlich war seine Geste nicht ganz so direkt gemeint. Im gebührenden Abstand, wie es sich für eine Dame geziemte, blieb Triaria vor Caesoninus stehen und vollführte einen formvollendeten Knicks, der sowohl Dankbarkeit als auch Ehrerbietung zum Ausdruck brachte. "Vielen Dank für deine freundlichen Worte und die offene Porta. Das Angebot einer Erfrischung nehme ich gerne an, denn es war eine lange Reise. Erlaube mir, mich zunächst vorzustellen." Eine kurze Pause folgte, kaum einen Atemzug lang, dann fuhr die junge Römerin fort: "Mein Name ist Iulia Triaria. Ich verbrachte lange Jahre in Athen und bin nicht sicher, ob mein Name in diesem Haus noch einen vertrauten Klang besitzt." Selbstverständlich nicht ... doch die Formulierung bot einen einladenden Ansatz zum Gespräch.

  • Caesoninus nickte und winkte Maahes heran. „Bringe uns eine Erfrischung.“ Dann wies er einladend auf eine Sitzgruppe in einer Ecke des Atriums. „Bitte, so nimm doch Platz.“ Ceasoninus setzte sich ihr gegenüber. Zu seiner linken (bzw. zu Triarias rechten) Seite befand sich ein kleines Tischchen. „Nun, also.. ich muss zu meiner Schmach zugeben, dass ich nicht den geringsten Schimmer habe, wer du bist, doch dem lässt sich natürlich abhelfen.“ Er sah sich im Atrium um und klatschte zwei Mal in die Hände. „Man bringe den Stammbaum!“ Ein soeben herbeieilender Sklave schlitterte, kam zum stehen, nickte kurz mit leichter Verbeugung, machte am Absatz kehrt und lief wieder los. Dann konnte sich Caesoninus wieder ihrem Gast, oder viel mehr ihrer aller neuen Mitbewohnerin und Familienmitglied zuwenden. „Bitte verzeih diese kleinen Unterbrechungen. Du stammst also aus Athen? Sehr interessant, ich selbst war leider noch nie dort. Wie ist es so dort und wie vergleichbar ist es mit Rom“ fragte er interessiert.

  • Maahes war seinem Herrn von dessen Cubiculum aus gefolgt, hatte sich aber wohlweislich natürlich im Hintergrund gehalten, als dieser nun die angekommene Iulia begrüßte, welche sich für das Willkommen bedankte. Sie stellte sich als Iulia Triaria vor, welche aus Athen angereist war. Maahes vermutete, dass es sich um eine entfernte Verwandte handeln musste, doch letzten Endes hatte er nach wie vor keinen Schimmer, wer sie sein könnte. Sein Dominus offenbar ebenso wenig, denn er verlangte nach dem Stammbaum der Familia, welchen ein vorbei huschender Sklave ihm nun bringen sollte. Um ein Haar hätte Maahes gegrinst, denn in einer subtilen Weise amüsierte es ihn. Der Ägypter hatte sich vorgenommen, sich einen jeden in der Umgebung seines Dominus gut zu merken und die Augen und Ohren offen zu halten. Er selbst hatte von Politik und ihren diversen Fallstricken und Verzweigungen keinerlei Ahnung, doch war es nicht verkehrt sich ein damit zu befassen. Seit er dem Wein abgeschworen hatte, was ihm bis zu diesem Tage nicht leicht fiel und ihn oftmals nervös und reizbar machte, wollte er sich ein wenig mehr um Anerkennung in diesem Hause bemühen, was wohl die einzige Karriereleiter war, der einem Sklaven wie ihm offen stand.
    Maahes beeilte sich aber nun, die gewünschte Erfrischung herbei zu tragen. Dazu musste er zunächst einmal in die Küche, wo für den Fall der Überraschung eines Gastes immer ein Tablett für einen solchen Notfall bereit stand. In die Karaffe goss er frischen, lieblich duftenden Wein, stellte noch eine Karaffe Wasser hinzu, ebenso zwei Becher aus Soda-Kalk-Glas, welche recht edel wirkten und Wohlstand repräsentierten. Dazu fand eine kleine Rippenschale mit frischem Obst: Pfirsichen und Weintrauben. Dann machte er sich wieder zügig auf den Weg zu den Herrschaften, welche wohl noch ein Gespräch verwickelt waren. Das Tablett setzte er ab, goss Wein in beide Becher und verdünnte diesen dann. Die Rippenschale fand auf einen Tisch, sodass beide Parteien gut an sie herankommen konnten. Einen Becher reichte er der Iulia, den anderen seinem Herrn.

  • Der Stammbaum, nach dem Caesoninus verlangte, machte Triaria keine Sorgen. Ihr Name stand selbstverständlich auf diesem Dokument. Er musste darauf stehen; - es sei denn, ihre Tante hatte ihr in all den vergangenen Jahren eine Lüge vorgespielt. Doch war das in etwa so wahrscheinlich wie der plötzliche Abstieg Bellonas aus den himmlichen Gestaden, um nach einem heroischen Opfer zu verlangen. 'Andererseits', ging es Triaria durch den Kopf, 'kenne ich bis heute nicht den Grund, weshalb ich in Athen aufwuchs und nicht in Rom.' Vielleicht hatte man ihre Existenz verleugnen wollen. 'Unsinn', schalt sie sich selbst für diese allzu paranoiden Gedanken. Nach außen hin nickte sie verständnisvoll, ergriff ihren Becher Wein - wobei sie recht unverholen den attraktiven Sklaven musterte, der ihn angereicht hatte - und sagte: "Meine leiblichen Eltern sind Lucius Iulius Augustinus und Neria Olympias. Das erleichtert womöglich die Suche in dem wohl doch recht umfangreichen Stammbaum."
    Triaria schmunzelte, ihre Selbstsicherheit kehrte zurück und sie nippte an dem Becher. Der Wein war genießbar. Womöglich schmeckte er gar vorzüglich, aber sie war schlicht keine Freundin dieses bei vielen so beliebten Getränks. "Nun", begann sie, während sie mit überschlagenen Beinen eine betont feminine Haltung einnahm, "Athen ist eine große Stadt." Beinahe konnte Triaria ihren Begleiter Kednes lachen hören, während sie das offensichtlichste an der griechischen Hauptstadt beschrieb. "Künstler, Philosophen und Staatsmänner reichen sich dort die Hand. Athen ist ein Ort der Bildung. Stolz, in gewisser Weise jedoch auch bedrückt. Es fällt den Griechen noch immer schwer, natürlich nur im Flüsterton gesprochen, das Recht der römischen Herrschaft anzuerkennen. Es ist weder offener Widerstand noch klare Ablehnung und doch ... spürbar. Wie steigende Kälte in der Abenddämmerung. Verzeih, mir fällt keine treffendere Beschreibung dafür ein." Triaria lächelte entschuldigend. "Für das einfache Volk ist Athen wohl eine Stadt wie jede andere. Der Alltag bestimmt das Leben. Geschäfte - derer es viele gibt - säumen die Straßen zwischen oftmals beeindruckenden Bauwerken vergangener Tage. Denn Athen lässt einen stets wissen, eine alte Stadt zu sein. Ich kenne Rom kaum, daher fällt mir ein Vergleich schwer." Die junge Römerin hob den Blick und überlegte. "Dem ersten Eindruck nach würde ich sagen: Rom quillt über vor Lebendigkeit, während Athen bedächtig agiert."

  • Nachdem er Maahes weggeschickt hatte, hörte er Iulia Triarias Erzählung weiter an. Bei der Erwähnung der Namen ihrer Eltern klingtelte etwas, aber was genau das konnte er nicht sagen. „Hm, Lucius Iulius Augustinus...“ murmelte er. Er kam bei seinen Überlegungen nicht wirklich weit, weil es gefühlt hundert Iulii mit dem Praenomen „Lucius“ gab und je gegeben hatte. Alleine jetzt zurzeit ganze zwei mit Praetor Antoninus und Senator Centho. Sein Cursor kam mit den Erfrischungen wieder in den Raum und lud seine Ladung ab. Es waren vorzügliche Dinge, wohlschmeckend, erfrischend und gleichzeitig repräsentativ. Mit anerkennendem Blick nickte er ihm zu. „Danke, Maahes.


    Bei der darauffolgenden Erzählung über Athen hatte Triaria ihre Beine übereinandergeschlagen. Amüsiert musste er daran denken, dass eine gewisse weibliche Person im Haus diese Pose überhaupt nicht gutheißen würde, doch zum Glück schaffte er es rechtzeitig ein Grinsen zu unterdrücken. „Ja, das mit den Dichtern und Denkern habe ich auch schon öfters gehört und ganz ehrlich, wenn die Griechen keinen beleidigten Stolz mehr wegen uns hätten, wären sie keine echten Griechen mehr. Jahrhundertelang waren es die großen Poleis gewohnt ihr eigener Herr zu sein, frei, um es mit einem Wort zu sagen. Es gab ständig Reibereien zwischen den einzelnen Stadtstaaten, klar, aber alles wurde immer mit jedem auf Augenhöhe ausgemacht. Und dann kommen diese barbarischen Makedonen und unterwerfen sie einfach! Ja, nicht nur das, diese Schmach wird später sogar noch größer, als nach den Makedonen nicht die Freiheit, sondern das nächste Joch von uns Römern winkt. Ich denke, da wäre ich ebenfalls beleidigt, wenn das MIR passieren würde., sagte er und jetzt gestattete er es sich doch zu grinsen ob seines Scherzes. „Im übrigen weiß ich es grade gar nicht so genau, aber ich denke doch, dass Athen ein wenig älter als Roma ist. All ihre Kultur und ihr „bedächtiges agieren“ haben ihnen letztendlich doch nichts gebracht durch ihre daraus resultierende Schwäche und damiteinhergehende Untertänigkeit zu Roma zu ihrem und unserem Schutze.


    Kaum dass Caesoninus geendet hatte trabte auch schon der Sklave von eben, wieder mit einer riesigen und dicken Papyrusrolle unterm Arm herbei. Mindestens so dick und lang wie beide seiner aneinandergelegten Unterarme. Caesoninus wendete den Kopf. "Ahja, die Heraldikabteilung rückt an."
    Mit Schwung stand er auf und nahm den Papyrus mit dem Stammbaum entgegen. Dann legte er ihn auf den Tisch neben sich und entrollte die Schriftrolle. Vor ihrer beider Augen entfalteten sich zweihundert Jahre iulischer Familiengeschichte. Namen waren in gestochener, sehr feiner Schrift darauf zu lesen, sie alle irgendwie über Linien miteinander verbunden. Einzelne Namen fanden sich zu Gruppen zusammen, Verwandtschaften wurden sichtbar und nach längerem Studium der Rolle die einzelnen Äste dieses großen und alten Familienbaumes.
    Caesoninus beugte sich mit beiden Händen auf die Tischplatte aufgestützt über den Papyrus. "So, na dann wollen wir einmal sehen, ob wir deine Eltern hier irgendwo finden. Du kannst währenddessen gerne weitersprechen."

  • Erst Caesoninus' Grinsen verriet Triaria, dass ihr Gegenüber sich lediglich einen Scherz erlaubt hatte. Unwillkürlich waren ihre braunen Augen um eine Nuance schmaler geworden bei der Beschreibung des 'Jochs' durch die Römer über die Griechen. Dann aber lächelte sie verstehend und nickte. Sie öffnete schon den Mund, um zu einer Erwiderung anzusetzen, als ihr Gastgeber unvermittelt aufstand und sich über den auf einem Tisch ausgebreiteten Stammbaum beugte. Mit dem leisen Klicken ihrer Zähne verschwanden die Worte wieder und sie streckte sich voller Neugierde soweit nach vorne, wie es der Anstand und die Grazie zuließen.
    Caesoninus' Aufforderung, einfach weiter zu sprechen, ließ sie die Augenbraue heben und sie tauschte einen Blick mit Kednes, der nach wie vor unbewegt schräg hinter ihr stand, umgeben vom Gepäck ihrer Reise. Bevor sie jedoch zum ursprünglichen Thema zurückkehrte, wandte sie sich an den Sklaven - Caesoninus hatte ihn Maahes genannt - und hob dabei ihre Arme soweit, dass die Schürfwunden an den Ellbogen zutage traten. Halb an ihren Gastgeber gerichtet fragte sie: "Wäre es wohl möglich, eine Schale Wasser und ein wenig Tuch zu bekommen? Roms Straßen erwiesen sich als ungeahnt raues Pflaster und nicht jeder Weggefährte als vertrauenswürdig." Inzwischen, da sie zur Ruhe kam und die Aufregung langsam verblasste, begannen die Wunden - so unbedeutend sie waren - auch zunehmend zu schmerzen. "Ich gestehe, ich weiß nicht, welche Stadt die Ältere ist. Athen ist geteilt in Bezirke. Dort wohnen die wahren Athener, wie sie sich selbst nennen. Hier die Römer und andernorts die Griechen aus verschiedenen Teilen des Landes, etwa Korinth oder Sparta. Ist Rom auch in dieser Weise geordnet?"

  • Während Caesoninus intensiv den Stammbaum vor ihm studierte, hörte er Triaria weiterhin zu. So war das also mit Athen. Doch was hatte sie von einer Schale Wasser und Roms rauem Pflaster gesagt? Fragend sah er hoch auf ihren Ellenbogen. Dort waren ordentliche Schürfwinden. Caesoninus starrte sie an, während sich seine Hände (auf die er sich immer noch stützte) zu Fäusten ballten und sich seine Augen verengten. „Wer hat dir das angetan? Wer hat es gewagt Hand an eine Iulierin zu legen?“ In Richtung seines Cursors bellte er: „Maahes! Eine Schale Wasser und Verbandszeug! Und bring eine Heilsalbe mit! Los!


    Vergessen war jetzt das Studium des Stammbaums, wie auch ihr kleines Pläuschchen über Athen. Jemand hatte es gewagt ein Mitglied seiner Gens zu verletzen, was heftige Wut in Caesoninus hervorrief. Niemand, aber auch NIEMAND verletzte ungestraft einen Iulier, oder besonders eine Iulierin, wenn er in der Stadt war!
    Während er auf die Vebandsutensilien wartete, eilte er zu Triaria und hockte sich hin, um die Schürfwunden besser begutachten zu können. „Wer war das Iulia Triaria? Sag mir seinen Namen und er wird dafür bezahlen!
    Sie hatte ja schon angedeutet, dass es jemand unvertrauenswürdiges gewesen war, weshalb Caesoninus ein harmloses Versehen ausschloss. Hier hatte jemand die Dignitas seiner Gens angegriffen und Caesoninus würde nicht eher ruhen, ehe dieses Vergehen wieder gesühnt wäre!

  • Caesoninus' heftige Reaktion überrumpelte Triaria. Natürlich, die Verletzung hatte auch sie erzürnt, aber es würde verheilen und letztlich hatte jede Faser in ihr nur noch danach verlangt, endlich die Domus Iulia zu erreichen; - in der sie nun war. Sie starrte den Mann überrascht an, ihr Mund öffnete und schloss sich, ohne dass sie die richtigen Worte finden konnte. Ein Teil von ihr begann zu ahnen, dass die Verletzung selbst nicht der primäre Grund für seine Wut war, sondern der Affront der Tat selbst. Eine Iulierin war verletzt worden. Triaria, die bisher in Athen ein eher unbedeutendes, wenn auch behütetes Leben geführt hatte, war mit dieser Perspektive nicht vertraut. Eine Iulierin zu sein war eine Ehre, ein Privileg, eine Gabe der Götter, doch ihr war nicht in den Sinn gekommen, dass sie unantastbar sein könnte. In Rom galten - wie es schien - andere Gesetze. "Nun", begann sie und schluckte, "der Mann hieß ... hieß ...", sie rang um den Namen, bis Kednes ihr zur Hilfe kam. Mit fester Stimme sagte er an Caesoninus gewandt: "Areus, Dominus. Ein Transportunternehmer aus Ostia."
    "Ja, richtig!", pflichtete Triaria dem Sklaven bei und ein Lächeln schob sich auf ihre Lippen. "Areus war sein Name. Ein zwielichtiger Kerl, der mich auf seinem Wagen nach Rom brachte. Am Stadttor verweigerte er sich einer Inspektion und versuchte vor den Wachen zu fliehen. Dabei ging sein Maultier durch; - ein uraltes Tier, es muss Zeuge von Jupiters Geburt gewesen sein. Ich fiel aus dem Wagen und ..." Sie deutete mit den Augen auf ihre Ellbogen. "Aber es ist nicht so schlimm. Ich glaube, die Torwache hat ihn gefangen genommen?" Fragend wandte sie sich wieder an Kednes, der zustimmend nickte. "Er hatte eine Begegnung mit einem Schild." "Ich erinnere mich. Verzeih, werter Caesoninus, es war nicht meine Absicht, deinen Zorn zu erwecken und dich mit derlei zu belästigen." Sachte und mit dem gebotenen Abstand einem fast unbekannten Mann gegenüber berührte Triaria Caesoninus' Unterarm mit den Fingerspitzen.

  • Darum bemüht eine möglichst ruhige Fassung vor Triaria zu bewahren (so gut das eben ging) lauschte er Triarias Bericht. Ein zwielichtiger Typ namens Areus aus Ostia? Und er war "nur" vor der Wache geflohen und dabei war Iulia verletzt worden, ohne selbst im Fokus gestanden zu haben? Nun gut, das machte die Sache schon wesentlich weniger skandalhaft. Ihrer Erzählung nach waren ihre Verletzungen schon fast aus Versehen geschehen, doch trotzdem musste er dafür bezahlen, wenn auch jetzt nicht mehr mit seinem Leben. So beruhigte sich Caesoninus wieder (oder versuchte es zumindest), während er sprach: "Bitte, nenn mich Gaius. Du gehörst doch zur Familie." Er atmete tief durch, während er sich wieder setzte. "Areus aus Ostia also und es war ein Versehen...gut, dann ist es ja nur halb so schlimm." trotzdem deutete er einem Sklaven kurz, damit er näher trat und befahl ihm: "Suche Wonga und bestell ihn in mein Officium!" Der Unfreie verneigte sich und eilte los, um den schwarzen Hünen zu finden. Vor Iulia Triaria sollte so die Sache jetzt entgültig erledigt sein. Um den Rest würde er sich später dann hinter den Kulissen kümmern. So atmete er abermals durch und wandte sich wieder ihrer aller Neuankömmling hier im Haus zu. Es war lange her, dass Caesoninus das letze Mal so heftig und schnell wütend gewesen war. "Nun, Iulia, du wirst nach der langen Reise bestimmt müde sein und dich pflegen wollen. Willst du dich im Balneum frisch machen, während ich Gemächer für dich herrichten lasse?" Das schien ihm im Augenblick das beste zu sein. Für den Stammbaum interessierte er sich im Moment herzlich wenig. Darum würde er sich ebenfalls später noch einmal kümmern, nachdem er wieder entgültig ruhig war.

  • Die Aussicht auf ein Bad - womöglich gar im warmen Wasser - ließ Triaria frohlocken. Mit einem Mal fühlte sie sich schrecklich schmutzig; - wenn sie auch von etwas Staub abgesehen eigentlich recht gebührlich aussah. Sie nickte zustimmend und zog ihre Finger von Caesoninus' Arm zurück. "Vielen Dank, ... Gaius", sagte sie und lächelte. Tief in ihrem Inneren brannte lodernd die Neugier darüber, wer wohl dieser Wonga sein musste, nach dem Caesoninus verlangte. Der Name allein hatte einen brutalen Klang und wahrscheinlich hing es mit dem Zwischenfall am Stadttor zusammen, von dem Triaria ihrem Gastgeber soeben berichtet hatte. Doch sie hütete sich, weitere Fragen zu stellen. 'Es geziemt sich nicht', hatte ihre stets Tante gewarnt, denn eine römische Dame interessiere sich nicht für Gewalt. Triaria selbst sah das naturgemäß ein wenig anders, verstand aber, sich auf subtilere Wege zum passenden Zeitpunkt zu beschränken.
    Caesoninus schien seine Beherrschung zurück erlangt zu haben und Triaria neigte sachte den Kopf zur Seite. "Darf ich dich zu späterer Stunde - oder auch morgen, so es deine Zeit erlaubt - um einen Moment der Aufmerksamkeit bitten? Mich begleitet eine Frage, die nicht dringend zu klären ist, deren Antwort ich jedoch hier in Rom zu finden hoffe." Das Funkeln in Triarias braunen Augen wollte nicht gänzlich dazu passen, dass die Frage weniger bedeutsam sei. Doch weder ihre ruhigen, feminin gezeichneten Gesichtszüge noch die klare Modulation ihrer Stimme unterstrichen diesen Eindruck.

  • Caesoninus nickte. Also ein Bad und Zimmer für die Dame sollten es werden. Er winkte wieder einmal einen der Sklaven zu sich heran, dem er befehlen wollte schon Mal ein Cubiculum für Iulia Triaria bereit zu machen. Instinktiv hatte er dabei an Raum XV gedacht, da das direkt neben Iulia Stellas Zimmer lag. So wären die beiden Frauenzimmer Nachbarinnen, was sie bestimmt freuen würde. Doch halt, hatte Licinus den Raum nicht für sich und Esquilina in ein kleines privates Speisezimmer umgewandelt? Natürlich wollte er ihnen dieses kleine Idyll nicht nehmen (wenn er überhaupt die Befugnis dazu gehabt hätte), also doch einen anderen Raum. Als der Sklave ganz bei ihm angelangt war, gab Caesoninus also folgenden Befehl: „Hol dir Audata als Verstärkung und richtet gemeinsam Raum VI her.
    Zwei anderen Unfreien deutete er ebenfalls herzukommen. „Du, sorge dafür, dass im Balneum ein heißes Bad eingelassen wird. Und du wartest noch hier und folgst uns dann, verstanden?“ Beide nickten und der zum wassereinlassen berufene eilte davon, damit sich Triaria möglichst bald frisch machen konnte, während der andere an Caesoninus‘ Seite zurückblieb. Während sie also jetzt auf das Wasser warteten, setzte er sich wieder und hörte sich Iulias Bitte an. Sie hätte eine Frage an ihn. Gut da war kein Problem dabei ihr diesen Gefallen zu tun, auch wenn sie diese gern auch jetzt schon hätte stellen können. Doch vielleicht war es etwas, das nicht für all die vielen Sklavenohren bestimmt war, die derzeit im Atrium harrten. Irgendwie hatte sie schon ein schönes Gesicht. Und erst diese Haare und die Wangenknochen. Und die Augen, ja die...
    Caesoninus schloss kurz die Augen. Für einen Moment hatte er sich in den Tiefen dieser Augen verloren gehabt. Konzentration, Kerl!
    Ja, mhm.. natürlich darfst du mir später deine Frage stellen. Wie wäre es vor der Cena bevor alle im Triclinium sein werden?

  • 'Raum VI', ging es Triaria durch den Kopf, während ihr Gastgeber den Sklaven mit befehlsgewohnter Stimme Anweisungen erteilte, 'die Domus Julia ist noch größer, als ich dachte'. Natürlich hatte sie keine Ahnung, wie groß oder weitläufig das Gebäude tatsächlich war. Dimensionen abzuschätzen war nie ihre Stärke gewesen, selbst im Vergleich mit nebenstehenden Bauwerken.
    Als Caesoninus für einen Moment die Augen schloss wurde Iulia Triaria unvermittelt aus ihren müßigen Gedanken gerissen. Sie blinzelte, unsicher, wie sie reagieren sollte. Womöglich war sie zu forsch gewesen, weilte sie doch erst sehr kurze Zeit im Haus der Iulier; - kaum lang genug, dass ein von der Krone fallendes Blatt den Boden erreichen konnte. Doch seine Antwort ließ sie sich wieder entspannen. Triaria lächelte erfreut und verwendete einige Augenblicke darauf, Caesoninus zu betrachten. Das konnte ihm kaum entgehen. Die Ruhe im Atrium und das Fehlen jeden gesellschaftlichen Anlass' ließ Triaria ihre damenhafte Zurückhhaltung für zumindest einen Atemzug lang vergessen. Caesoninus' blondes Haar war es, was sie in ihren Bann zog. Ein Mann mit goldenem Haar war ein seltener Anblick. Sein Gesicht dagegen war markant und drückte männliche Dominanz aus. Wäre sie ihm unbekannterweise begegnet, Triaria hätte in ihm wohl einen Soldaten vermutet. Der muskulöse Körperbau widersprach dieser These nicht. Alles an ihm - seine Sprache, seine Mimik und Gestik, seine Haltung - verriet Übung am eigenen Selbst. Für Triaria war er ausgesprochen attraktiv, der Familienname aber schloss jede weitere Überlegung in diese Richtung aus. Jedenfalls vermittelte er ihr Sicherheit, der kurzen Begegnung zum Trotz. Und das empfand sie als sehr beruhigend.
    Sie nickte auf seinen Vorschlag hin und erhob sich von der Kline. "Vielen Dank für dein Angebot, Gaius, das ich gerne annehme." Die sich aufdrängenden Gedanken an die Cena unterdrückte sie indes erfolgreich, denn allein die Vorstellung machte sie schon nervös!

  • Er nickte. Was es wohl sein mochte? Ein wenig war er ja schon neugierig. Was konnte das wohl sein, das sie mit ihm erst später klären wollte und nicht sofort auf den Tisch kam? Vielleicht ein Geheimnis? Oder eine ungewöhnliche Bitte? Man mochte sehen!
    So warteten sie eine Weile, bis der zum Bademeister berufene Sklave wieder das Atrium betrat und sich verbeugte.
    Das Badewasser ist bereit, oh Dominus“, meldete er und zog sich anschließend wieder zurück.


    Caesoninus war zufrieden. „Sehr gut! So folge mir, ich zeige dir den Weg zum Balneum“, sagte er und stand auf.
    Als sich sein Herr dem Ausgang des Atriums näherte, hatte sich auch unaufgefordert der zum Warten anbefohlene Sklave hinter Caesoninus in Bewegung gesetzt, um gleich einem Schatten lautlos zu folgen.


    >>>>>

  • Das Bad war fertig. Triaria hatte das Gefühl, als könne sie das warme Wasser bereits auf ihrer hellen Haut spüren. Und so schloss sie sich Caesoninus an, wobei sie unverhohlen neugierig die Einrichtung der Domus Iulia bewunderte. Dieses Haus war um so vieles größer und prächtiger als die Villa ihrer Tante. Eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf fragte, ob dies wohl der Ausdruck von Luxus oder doch nur römischer Standard sei? Triaria brachte die Stimme sofort zum Schweigen. Was für eine sinnlose Frage ... Ersteres natürlich!
    Kednes, der schweigsame Ägypter, folgte seiner Herrin und ihrem Gastgeber mit einigen Schritten Abstand. Das Gepäck ließ er auf einen Wink Triarias hin stehen. Ein anderer würde sich zu gegebener Zeit darum kümmern. Sein Blick auf dem Weg zum Balneum war indes weniger von Neugierde, als vielmehr von Wachsamkeit geprägt. Es war offensichtlich, dass er dem Idyll nicht im gleichen Maße traute wie sein Schützling. 'Allzu schnell voller Vertrauen', dachte er still bei sich. Nicht, dass er Caesoninus oder irgendeinem Iulier grundsätzlich schlechte Absichten unterstellte. Andererseits schien Triaria zu vergessen, dass sie einen Grund zur Vorsicht hatte, solange dieser nicht aufgeklärt war. Was sie vergaß, war daher seine Aufgabe ...


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