[Atrium] Die Kunst des Opferns

  • Mit all dem Zeug im Arm folgte Carbo dem Ianitor über die Schwelle der Domus Iulia.
    Staunend blickte er sich im Atrium um. So also lebten Roms bessere Kreise!
    Persönlich hatte er diese ja schon fallweise kennengelernt, so wie im Falle des ehrenwerten Senators und Pontifex Flavius Gracchus, doch ihre Häuser hatte er bislang doch noch nicht gesehen.
    Carbo drückte die Gegenstände in seinem Arm etwas fester. Jetzt bloß nichts fallen lassen! Wie peinlich wäre das wohl. Der Sklave wies Carbo an, doch solange hier zu warten, während er Caesoninus
    holen ginge, also machte es sich Carbo bis dahin gemütlich, sich dabei trotzdem unablässig umsehend.

  • Es dauerte nicht allzu lange, bis der Ianitor auch wieder schon mit dem Iulier zurückkehrte. Natürlich blieb er nicht bei ihnen stehen, sondern eilte gleich zur Porta weiter, um seine Arbeit wieder zu verfolgen, während Caesoninus seinerseits gemütlich ins Atrium schlenderte und dort den neugierigen Carbo bereits vorfand. "Salve Norius Carbo! Es freut mich, dass du den Weg hierher gefunden hast! Wie geht es dir? Bereit für die nächste Runde?"
    Dieser kleine Unterricht bereitete auch Caesoninus Freude, erinnerte sie ihn doch an seine Zeit als Aedituus am Forum Iulium. Außerdem verband ihn diese Tätigkeit weiterhin mit den Angelegenheiten des Cultus Deorum, ein schöner Gedanke, der in seinem Herzen einiges an Wärme verbreitete.

  • Während er wartete, versuchte sich Carbo so viele Details der Raumausstattung wie möglich einzuprägen. Irgendwann -so nahm er sich fest vor- wollte er auch so wohlhabend sein, dass er so ein Atrium in seinem Haus besitzen würde. Das war sein Wille, sowahr er der Nachkomme großer norischer Häuptlinge war!
    Besonders die Muster des Fließenbodens gefiel ihm gut und auch die eleganten Tische hatten etwas für sich.
    Gerade war der Junge am überlegen, ob er all das Zeug in seinen Armen nicht einfach auf einem dieser Tische abladen sollte, als da auch schon der Ianitor samt Iulius Caesoninus zurückkam.
    Freude zeichnete sich auf Carbos Gesicht ab ob des Anblicks von seinem Lehrer, so dies ja bedeutete, dass es mit dem Unterricht endlich weiterging.


    "Salve, Gaius Iulius! Mir geht es gut, danke und ja natürlich, das bin ich! Wo werden wir studieren? Hier?" Also wenn es nach ihm ginge, hätte Carbo nichts dagegen, das Atrium war groß und anmutig, auf jeden Fall besser als das Kellerverließ unterhalb des Tempels der Venus Genetrix, wo sie ihre erste Stunde gehabt hatten. Hier ließ es sich gewiss besser (und komfortabler!) lernen.

  • "Gar keine schlechte Idee, dann bleiben wir doch gleich hier und machen es uns gemütlich!" grinste Caesoninus und steuerte schon die Sitzgruppe in der Nähe an.
    Dort dann sitzend winkte er einem vorbeikommenden Sklaven. "Mache er uns zwei Becher verdünnten Weines und bringe er sie!" Anhand dieser ulkigen Wortwahl merkte man, dass Caesoninus heute guter Laune war. Der angesprochene Unfreie beeilte sich gleich darauf dem Wunsch nachzukommen, während sich Caesoninus wieder etwas ernster jetzt Carbo zuwandte.


    "Fangen wir also an. Ich sehe du hast alle Gegenstände vom letzten Mal mitgebracht. Am besten wir beginnen damit, dass du mir noch einmal alles über jeden einzelnen Gegenstand erzählst was du noch weißt, ja?"

  • Nichts leichter als das für ihn! Grinsend über diese (inzwischen) leichte Aufgabe breitete Carbo alle Gegenstände auf dem kleinen flachen Tisch zwischen ihnen aus und zwar ein Weihrauchsteinchen, ein Tuch, ein Messer, eine Schale, eine Zwiebel, eine gefaltete Toga und eine Sandale.


    "Der Weihrauch steht immer am Anfang einer Opferhandlung. Man entzündet ihn und ruft Ianus an, um das Tor zu den Göttern zu öffnen. Dann daneben das Tuch ist das mallium latum, es wird dem Opferherrn nach der Handwaschung nach der Darbringungsformel gereicht."


    Carbo nahm das Messer in die Hand und zeigte es Caesoninus. "Dieses Messer wird culter genannt, das Opfermesser. Es wird vom Opferherrn dazu benutzt das Opfertier symbolisch zu entkleiden. Ansonsten trägt es einer der Opferdiener in der Position des cultarius, der am Ende auch das Tier ersticht. Das gibt natürlich viel Blut, das mit einer Schale aufgefangen werden muss. Je mehr desto besser und es sollte nichts verschüttet werden", sprach Carbo mit einem Kopfnicken in Richtung Schale, während er das Messer wieder zurücklegte. "Aber es gibt auch spezielle Opferschalen namens Patera. In die werden die entnommenen Eingeweide zur Eingeweideschau gelegt. Außerdem kann man mit ihnen Trankopfer durchführen, wie ich das schon einige Male getan habe."


    Jetzt hob er die Zwiebel hoch. "Die Zwiebel steht für alle unblutigen Opfer die man so machen kann. Die Zwiebel zum Beispiel ist der Göttin Venus heilig, neben Heilkräutern und Lauch. Jeder Gott hat andere Vorlieben. Bei großen blutigen Opfern bilden sie die Voropfer, bei unblutigen sind sie das Hauptopfer."
    Carbo legte die Zwiebel wieder zurück. Jetzt blieben nur noch die beiden Kleidungsstücke übrig. "Die Sandalen sollen mich daran erinnern sie wegzulassen, da man Opfer immer barfuß durchführen sollte. Die Toga soll ganz weiß sein. Im lateinischen Ritus zieht man sich einen Zipfel der Toga über den Kopf und im griechischen bedeckt man sein Haupt mit einem Kranz. Achja und Frauen müssen ihre Haare offen haben!"


    Das letzte hatte er beinahe vergessen gehabt zu erwähnen. Diese Aufgabe war also schon mal geschafft, er fühlte sich ganz stolz darüber, dass er gleich sofort alles gewusst hatte nach all der Lernerei.

  • Zufrieden nickte Caesoninus. Das hatte Carbo alles sehr gut wiedergegeben. Ohne es zu wissen hatte er damit schon einmal einen großen Schritt hinein in diese neue Welt getan die nun nie wieder so kompliziert erscheinen würde wie zu anfangs.
    "Das hast du sehr gut gemacht, ich beglückwünsche dich. Wir wollen uns heute vor allem auf das kleine unblutige Opfer konzentrieren, vor allem, da du ein solches ja schon einmal selbst durchgeführt hast, erinnerst du dich?"


    Caesoninus schnippte mit den Fingern und zwei Sklaven erschienen. Einer brachte eine Schriftrolle, einen Kuchen und eine kleine Statuette und entfernte sich anschließend wieder, der andere begann die von Carbo am Tisch ausgebreiteten Gegenstände einzusammeln und wegzutragen. Sie gehörten ja Caesoninus und außerdem würden sie sie nicht länger benötigen. "Neue Gegenstände, neuer Fall! Aber noch sind wir nicht so weit, daher erst mal beiseite damit." und mit diesen Worten schob er die neuen Sachen an den Rand des Tisches, weiter aus ihrem Gesichtsfeld weg. "Beschreibe mir aus deiner Erinnerung heraus, und vielleicht gleich in Verbindung mit deinem neuen Opferwissen von letzter Stunde, wie der grobe Ablauf eines kleinen unblutigen Opfers in etwa aussehen könnte?"

  • Einen Moment überlegte Carbo kurz, dann antwortete er: "Hm, das war... ahja! Zuerst wäscht man sich, dann geht man hinein und opfert Ianus. Dann hebt man die Hände wie die Griechen und opfert die heiligen Gegenstände der passenden Göttin mit einer Spruchformel. Abschließen kann man mit einer Wendung nach rechts und einem Trankopfer, dann zieht man sich wieder zurück. Stimmt das so in etwa?"

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