[Taberna Apicia] Terpanders Zimmer

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    Nachdem sein Herr und dessen Begleiter ihn allein gelassen hatten, kam Terpander zur Ruhe. Er rasierte sich den Bart, schnitt Haare und Nägel und pflegte seine Füße, die dankenswerter Weise nicht wund waren. Seit seiner Kindheit war er es gewohnt, starken körperlichen Belastungen ausgesetzt zu sein und Hornhaut nicht zu entfernen, sondern sie zu pflegen und mit Öl geschmeidig zu halten, so dass sie nicht riss und seine Füße und Hände schützte. So hatten seine Füße den hunderte Meilen langen Marsch recht gut überstanden.


    Erschöpft rieb er sein frisch rasiertes Gesicht, aber nahm dennoch die Mühe in Kauf, Eimer mit heißem Wasser zu schleppen um sich einen Zuber zu befüllen. Nach der langen Reise benötigte er nicht nur die Reinigung, sondern auch die Entspannung. Er tauchte vollständig unter, als er seine Haare wusch, während seine Beine zum Rand hinaushingen, ehe er wieder zurückrutschte und auftauchte. Scato war anständig gewesen zu ihm, mehr noch, freundlich. Und sein Kamerad schien ein netter Bursche zu sein mit angenehm konservativen Einstellungen. Umschmeichelt von heißem Wasser, mit einer Zukunft vor Augen, die sich besser anhörte, als er zu hoffen gewagt hatte, schlief Terpander während des Bades ein. Vielleicht lag es an der Ungewissheit, unter der er gelitten hatte oder daran, dass er aus seiner gewohnten Umgebung gerissen worden war oder daran, dass er hier im Haus völlig allein unter Fremden war, dass ihm kein ruhiger Schlaf vergönnt war.


    Ein heftiger und sehr langer Traum versetzte Terpander zurück in die Zeit, als er noch nicht als Sklave gelebt hatte, sondern als freier Mann. Und es war ein Alptraum.

  • »Manchmal heißt der Alptraum ich.«
    - unbekannt -


    Terpanders Alptraum


    Kapitel 1 - Terpanders Verbrechen


    Es begab sich zu der Zeit, da Terpander noch einen anderen Namen trug und ein anderer war. Man schrieb das Jahr DCCCLXIII A.U.C (110 n. Chr.) und er war gerade vierzig geworden. Seine nackten Füße traten bei jedem Schritt in braunen Sand. Zähe Dornbüsche trotzten an den Berghängen der Sommerhitze, doch das Gras des Frühlings war längst versengt. Damals hieß er Lysander und diente als Soldat in der Cohors I Flavia Bessorum als Hoplit, eine teilberittene Auxiliareinheit, zu der er gerade aus dem Heimaturlaub mit einem Freund unterwegs war. Hintereinander marschierten sie über eine die staubige, kaum zu erkennende Straße. Im Sommer glich die Landschaft bisweilen einer Halbwüste. Am Himmel jedoch braute sich seit einigen Stunden ein Sommergewitter zusammen und der Wind frischte angenehm auf und fuhr in die Kammbüsche ihrer Helme. Kyriakos war zwanzig und vertraute der Führung des Älteren. Beide Männer trugen die Ausrüstung eines Hopliten: rote Tunika, damit ihre Feinde sie niemals bluten sehen würden, Bronzekürass, Beinschienen und die Sarissa, wie man die lange Stoßlanze nannte. Für den Fall, dass die Lanze brach, hing zusätzlich ein Schwert am Waffengürtel. Dort hing ausnahmsweise auch eine Weinflasche. Auf dem Rundschild prangte das Zeichen ihrer Polis, der griechische Buchstabe Lambda, welches für Lakonien stand, wie sie ihre Heimat nannten und deren Hauptort das berühmte Sparta war.


    »Dort ist das Lager.« Lysander blieb an einer Felskante stehen und blickte in die Ferne.
    Kyriakos gesellte sich zu ihm. Seine ganze Ausrüstung war neu. Man sah ihr an, dass sie noch keine Schlacht gesehen hatte. »Fast geschafft«, freute Kyriakos sich.
    Lysander schmunzelte. »Und du hast es jetzt fast zwei Wochen ohne einen Tropfen Wein ausgehalten. Ich wusste, dass du das kannst.«
    »Ich hatte einen guten Grund, darum hat es geklappt. Zu Hause war mir langweilig, jetzt wird alles gut. Lass uns gehen.«
    Kyriakos vertraute Lysanders Führung, denn dieser hatte ihm niemals Anlass gegeben, ihm zu misstrauen.
    »Hast du nicht Lust auf einen abschließenden Übungskampf?«, fragte Lysander. »Den Letzten, bevor es ernst wird?«


    Sie waren schon vor Jahrhunderten Teil des Imperium Romanum geworden, doch ihre Kultur lebte fort. Selbst ihre Götter hatten sie behalten dürfen. Nur eines verlangten die einstigen Eroberer: dass der Augustus über ihren Göttern stand. Lysander war das recht, denn im Gegensatz zu den Göttern konnte der Kaiser seine Augen nicht überall haben. Ohne Kleider standen sie sich kampfbereit gegenüber. Regeln gab es nur wenige.


    »Greif an«, ermunterte Lysander seinen Gegner. Dabei schloss und öffnete er mehrmals die Finger, um sie zu lockern, wobei die Muskeln an den Armen sich spannten. Er war ganz ruhig. Kyriakos ebenso. Die Filzlocken an seinem schwarzen Schopf waren noch kurz, die von Lysander reichten mittlerweile bis unter die Schulterblätter. Nur Krieger durften ihr Haar lang tragen und Kyriakos stand noch ganz am Anfang. Sein noch kurzes Haar durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er bereits gefährlicher war als so manch alter Hase. Alle Freundschaft wich aus dem Blick von Kyriakos, als er nach vorn schnellte wie der Pfeil von einer Bogensehne.


    Ihre Körper prallten wie zwei Urgewalten aufeinander, ihm Kampf verkeilt, dann wieder voneinander lassend, um mit harten Schlägen und Tritten zu antworten und sich erneut in einer Umklammerung zu begegnen. Lysander ließ keinerlei Schonung walten, seine Angriffe waren rücksichtslos bis hin zu brutaler Rohheit. Kyriakos merkte, dass etwas nicht stimmte, als ein Fausthieb seine Nase zu Trümmern schlug, dass die Angriffe seines Mentors so ungehemmt stattfanden, als wären sie Feinde. Er fragte nicht, er antwortete in der Sprache der Gewalt. Für sein junges Alter war er extrem gut, stark und geschmeidig wie ein Panther, er kämpfte hart und mit vollem Einsatz, ohne dass ein einziger Laut seine Lippen verließ. Lysander kam an seine Grenzen. Kyriakos hätte dereinst Großes bewirken können, doch heute endeten seine Träume von einer ruhmreichen Zukunft. Sie mussten enden, weil Lysander es wollte.


    Hätte Lysander ihn nicht selbst ausgebildet, wäre es ihm nicht gelungen, den Angriffen standzuhalten. Kyriakos hätte ihn umgebracht, auch wenn er keine Waffe in der Hand hielt. Jeder von ihnen konnte das mit bloßen Händen und Kyriakos hatte verstanden, dass heute in der Tat die letzte gemeinsame Lektion stattfand. Sein Zorn über den für ihn vollkommen unerklärlichen Verrat nützte ihm nichts. Lysanders Fäuste waren wie Schmiedehämmer, deren Treffer nun endlich langsam Wirkung zeigten. Abwechselnd schlug er ihm in den Magen, gegen den Kehlkopf und gegen die Schläfen, ungeachtet dessen, was er selbst einstecken musste. Er war zäh wie die Dornbüsche am Wegesrand, während Kyriakos kämpfte wie das Sommergewitter, dessen Donner nun erstmalig über das Land rollte. Der Wind riss am trockenen Sand, der sich mit dem Schweiß ihrer Haut verklebte. Vereinzelte Tropfen klatschten auf sie nieder, als der erste Blitz den Himmel spaltete. Zeus sah ihrem Kampf zu, das wusste Lysander nun. Kurz war er abgelenkt. Ein Tritt gegen das Knie hätte den Kampf fast beendet, wenn er besser getroffen hätte, doch so blieb Lysander auf den Füßen. Noch immer schlug und trat Kyriakos zurück, obgleich er kaum noch etwas sah. Es war schade um sein Gesicht.


    Einundzwanzig schnell aufeinanderfolgende Fausthiebe auf die selbe Stelle benötigte Lysander, um Kyriakos fast bewusstlos zu prügeln. Endlich stürzte er in den Dreck, wo er, ohne sich abzufangen, liegen blieb. Er regte sich nur noch schwach. Seine eigene Mutter hätte den jungen Krieger nicht mehr erkannt. Sein Schicksal war besiegelt. Zornig schleuderte Zeus weitere Blitze. Lysander tat, als hätte er sie nicht gesehen.


    Keuchend ließ er von der Kopfseite des Besiegten ab und widmete sich nun den Füßen, die Kyriakos nun versuchte, gegen die Steine zu stemmen, um wieder auf die Beine zu kommen. So schob er sich mit dem Gesicht nach unten durch den Dreck. Lysanders Fäuste waren von den Schlägen so sehr geschwollen, dass er die Finger kaum noch bewegen konnte, doch das würde ihn so wenig aufhalten wie alles andere. Er brauchte ihre Geschicklichkeit nicht, sondern pure Kraft. Entschlossen umfasste er den ersten Fuß. Ein Geräusch wie ein Peitschenknall zerriss die Stille, als er ihn gewaltsam überdehnte. Kyriakos schrie nicht, wie ein anderer es getan hätte, er knurrte wütend auf. Erneut bäumte er sich auf, doch es nützte nichts. Der zweite Peitschenknall folgte und Lysander ließ von ihm ab. Schwerverletztem Raubwild gleich zeigte Kyriakos die dunkelroten Zähne und versuchte vergebens, wieder auf die Beine zu kommen.


    »Ich bring dich um«, heulte Kyriakos voller Wut. »Du hast mich zum Krüppel gemacht wie einen verdammten Heloten! Unsere Männer werden dich jagen, dafür sorge ich, du wirst einen vielfachen Tod sterben, noch bevor deine Augen sich zum letzten Mal schließen und selbst deine Seele wird vernichtet werden, bevor sie den Hades erreicht! Es gibt Flüche, die machtvoll genug sind und Zeus ist Zeuge deiner Tat!«


    Die Achillesfersen zu durchtrennen war eine effektive Möglichkeit, Sklaven, Gefangene und Gesetzesbrüchige dauerhaft in der Bewegungsfreiheit einzuschränken. Weder Rennen noch Springen war nach einer derartigen Behandlung noch möglich, geschweige denn, rasche Richtungswechsel. Mit kleinen, plumpen Schritten würde Kyriakos fortan über den Erdkreis tippeln, seiner Identität als Krieger beraubt. Das, wofür er vom siebten Lebensjahr an aufgezogen worden war, war nicht mehr.


    »Wer wird dir glauben, wenn du berichtest, ich hätte dir das angetan?«, fragte Lysander, während er gegen sein Keuchen ankämpfte. »Ich bin ein ehrbarer Soldat, deine Sehnen sind beim trunkenen Herumtorkeln gerissen. Du siehst ja, wie viel Geröll hier herumliegt. Ich war nur zufällig in der Nähe. Jeder weiß, dass du gern über den Durst trinkst, sobald du an Wein gerätst. Natürlich ist das unangenehm und da versucht man, die Schuld woanders zu suchen.« Er hob den Weinschlauch auf. Langsam beugte er sich in Richtung des Kopfes von Kyriakos, noch immer auf der Hut, denn selbst jetzt konnte der andere noch gefährlich werden. »Trink aus, sonst verlierst du noch einiges mehr als nur deine Fähigkeit, zu laufen. Wenn du keine Widerworte hören lässt, werde ich dafür sorgen, dass man dich bald findet.«


    Eine Hand schlug mit der Geschwindigkeit einer zustoßenden Giftschlange nach Lysanders Gesicht. Er spürte den Wind auf seinen Augäpfeln, die Fingernägel verfehlten sie nur um Zentimeter. Aus der Wut von Kyriakos wurde Verzweiflung, weil er Lysander verfehlt hatte. Er schleuderte mit der anderen Hand einen großen Stein nach ihm. Der Ältere neigte rasch den Kopf zur Seite und der Stein zischte knapp an seinem Ohr vorbei. Genug war genug, seine Geduld war erschöpft. Kyriakos würde gehorchen, im Guten oder im Bösen. Wortlos griff Lysander nach dem Arm, der den Stein geworfen hatte und verdrehte ihn auf den Rücken, so dass der Oberkörper des Besiegten flach in den Dreck gepresst wurde. Das Knie presste er ihm schmerzhaft ins Kreuz. Nun war Kyriakos endgültig fixiert. Lysander begann, ihm die Hand zu überdehnen, bis auch diese Sehnen reißen würden.


    Kyriakos schrie und tobte, doch es nützte nichts. »Bring mich um«, kreischte er jetzt.


    »Du kennst deine Aufgabe«, befahl Lysander, während er den Zug immer weiter erhöhte. »Wenn nötig vernichte ich dir auch beide Hände und selbst dabei muss ich es nicht bewenden lassen. Du hast noch viele andere Körperteile.«


    »Vergiss es«, rief Kyriakos. »Ich kann mir später auch selbst ein Ende bereiten, dafür brauche ich deine Hilfe nicht.«


    »Das kannst du nicht. Wir fliehen nicht, auch nicht in den Freitod, sondern sterben durch die Hand des Feindes. Andernfalls wirst du es sein, dessen Seele vergeht und auf Erden wie auf der anderen Seite wird man deinen Namen vergessen.« Ob die Auflösung der Seele in dem Fall stimmte, wusste er nicht, aber das weltliche Vergessen war gewiss. Die Sehnen waren am Anschlag, das spürte er. Er wollte den Schaden so gering wie möglich halten, aber er würde ihn so groß wie nötig werden lassen.


    Endlich griff Kyriakos nach dem Weinschlauch. Lysander wartete lange genug, bis der Wein seine volle Wirkung entfaltet hatte. Der einstige Krieger verlor den Rest seiner Würde. Sturzbetrunken rollte Kyriakos langsam den Kopf hin und her.


    Auch Lysander war von dem Kampf schwer gezeichnet. Er erhob sich, wankte, wobei Blut vor ihm in den Sand tropfte, ehe er sich schwer atmend zu voller Größe aufrichtete. Inzwischen goss es in Strömen, die Spuren des Kampfes und das Blut würden bald davongespült sein. Er griff den roten Umhang von Kyriakos und deckte ihn fast liebevoll zu. All die Zeit über hatte Kyriakos nicht um Gnade gefleht und kein einziges Mal nach dem Grund gefragt. Kein Warum, er hatte es einfach hingenommen. Er war in jeder Hinsicht ein perfekter Krieger gewesen. Nun war er ein Krüppel und ein Nichts.


    »Lebe, Kyriakos«, befahl er. »Lebe in Schande, aber lebe.«


    Lysander wandte sich ab, um seine Ausrüstung zu nehmen und zu verschwinden - und hielt inne. Er musste mit Erschrecken feststellen, dass sie keineswegs so allein waren, wie er angenommen hatte. Es gab Zeugen seiner ungeheuerlichen Tat.

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    SKLAVE - SISENNA IUNIUS SCATO

    11 Mal editiert, zuletzt von Terpander ()

  • Sehen weckt Begierde



    Viridomarus hatte eine lange Reise hinter sich. Parfüm und Sklaven waren sein Geschäft und beides brachte ihm gutes Geld ein. Die Natur hatte ihren Tribut gefordert und so hatte sich Viri von seinem kleinen Tross entfernt um austreten zu gehen. Ein Mann von Welt wie er bewegte sich niemals alleine fort, schon gar nicht auf Geschäftsreise.


    Gerade als er die karge Landschaft gewässert hatte, während ihn seine beiden Sklaven aufmerksam abschirmten, vernahm er einen Tumult. Den Geräuschen nach handelte es sich um einen Kampf und das mitten im Nirgendwo.


    Viri schaute sich argwöhnisch um und bekam ein Tuch zur Erfrischung für seine Finger und sein bestes Stück gereicht. Auch in Ausnahmesituationen musste man auf seine körperliche Pflege achten. Der feiste Thraker gab seinen gestählten Sklaven ein Zeichen. Für einen Mann seiner Statur schlich er erstaunlich flink und geschickt dem Ort des Kampfes entgegen.


    Ein Kampf bedeutete stets, dass es einen Gewinner und Verlierer gab. Und für jeden guten Geschäftsmann der sein Nässchen richtig in den Wind hielt, sprang bei solchen Zufallserlebnissen immer etwas heraus. Man musste nur wissen, was man verkaufte - Informationen, Schweigen, oder den Verlierer selbst.


    Hinter einem Felsen hockend starrte Viridomarus auf einen Kampf, den die beste Arena hätte bieten können. Zwei gestählte Statuen von Männer gingen aufeinander los und schenkten sich nichts. Oh wie Viri solche Schauspiele liebte. Es juckte ihn schlagartig in beiden Säcken, vor allem im Geldsack wo er sich die Kerle so ansah.


    Leichte Beute jedoch sah anders aus. Sein Pausbäckchengesicht teilte sich zu einem lautlosen, breiten Grinsen, während er mit seinen beiden Sklaven die Vorführung der beiden Fremden genoss.


    Aber was war das?
    Scheinbar hatte er etwas verpasst, oder etwas schlug hier völlig um!


    Der Ältere der beiden Krieger kämpfte auf einmal so, als hinge sein Leben davon ab. Mischte den Jüngeren auf, zerschlug ihm das Gesicht und dann - bei den Göttern, verkrüppelte er ihn auch noch!
    Der Jüngere war verloren, als Krieger würde er nie wieder taugen und das wusste er. Er flehte darum erlöst zu werden, aber der Ältere gewährte ihm keine Gnade. Sogar seine beiden Sklaven die sonst eine außerordentliche Gleichmut an den Tag legten, schauten erstaunt und mit fragenden Gesichtern auf den Kampf.


    Wobei war das noch ein Kampf? Es war ein Abschlachten, ein Mord, eine Vernichtung einer Person ohne das diese starb. Wen hatte er hier vor sich? Weshalb diese Qual und diese Erniedrigung dieses jungen Mannes?


    "Lebe, Kyriakos", befahl der Ältere und fügte an "lebe in Schande, aber lebe".


    Der Mann wandte sich zum Gehen, nahm seine Ausrüstung, drehte sich um und stand Viridomarus und seinen beiden Knochenbrechern gegenüber.


    "Salve Fremder. Ein schöner Tag für einen Mord, nicht wahr?", grüßte Viridomarus mit einem Lächeln, dass überhaupt nicht zur Situation passte.

  • Der Blick Lysanders war der eines Wolfs, der seine Beute taxierte. Er schätzte seine Chancen ab. Den feisten Mann rechnete er nicht als Gegner. Die anderen beiden, die vermutlich seine Sklaven ware, wirkten trainiert, aber das musste nichts heißen. Genau so war es möglich, dass ihr Erscheinungsbild lediglich der Abschreckung diente, ohne dass Kampffertigkeiten dahintersteckten. Sein Blick glitt über ihre Kleidung und Ausrüstung und blieben dann auf den Augen ihres Besitzers ruhen. Der Mann war wohlhabend, er würde keine Leibwächter kaufen, die ihn nicht tatsächlich auch verteidigen konnten.


    Noch immer regnete es, aber das Gewitter zog langsam weiter. Zeus hatte aufgehört, Blitze zu schleudern, das göttliche Werk war vollbracht. Der Verräter hatte seine Henker gefunden. Das leiser werdende Donnergrollen klang fast hämisch und der Regen verebbte. All die Spuren würden bleiben, das Blut und der zertrampelte Sand, in dem Kyriakos lag, der sich schwach regte. Bald würde er vermutlich einschlafen.


    Lysander, dessen nackter Leib verdreckt von Blut und Sand war, richtete sich noch etwas weiter auf. "Zieh weiter, Mann. Ein Duell ist nicht deine Angelegenheit", befahl er dem Dicken. Beseitigen konnte er ihn nicht, das verhinderten die beiden Brecher an seiner Seite. Aber er konnte hoffen, ihn einfach fortzuschicken, indem er behauptete, dass alles seine Ordnung hatte. Noch einmal rumpelte es, dann hörte der Regen auf, noch bevor er richtig begonnen hatte.

  • Lysanders hörte Füße über den nassen Boden huschen und einige Augenblicke später stand eine Gruppe Männer hinter dem dicken Kerl, der in einer väterlichen Geste die Wurstfinger über seinem mächtigen Bauch verschränkte. Sein Lächeln wurde einmehmender und breiter.


    "Ein Duell, nein das ist nichts für mich - aber ein Geschäft. Und wir beide kommen gerade ins Geschäft mein Freund. Du siehst gesund und kräftig aus, Bärenkräfte und den Blick eines Wolfes. Ich glaube heute ist Dein Glückstag. Du möchtest nicht wegen Mordes verurteilt werden und die Löwen in der Arena am Gaumen kitzeln. Dafür liebe ich das Kitzeln im Geldbeutel", antwortete Viri und gab einem der Männer ein Zeichen.


    Mit einem dumpfen Geräusch schlug ein Sklavenkragen vor Lysander im Dreck auf.


    "Umlegen mein Freund, sonst geschieht das noch mit Dir. Das wollen wir doch nicht, wo Du so ein Prachtexemplar von einem Mann bist. Ich bin Dein persönlicher Glücksgott, ich rette Dir das Leben. Du hast die Ehre mich zu begleiten und die Kasse klingeln zu lassen. Schaut was der Halbtote zu bieten hat", befahl Viridomarus.


    Einer der Sklaven machte sich daran die Habseligkeiten des jüngeren Mannes einzusammeln und sich abwartend neben den Älteren zu stellen, den sein Herr mitnehmen wollte.

  • Vor seinen Füßen landete das Halseisen im Sand. Lysander beobachtete entgeistert das Treiben der Männer. Die Handlanger des Dicken, der offenbar ein Sklavenhändler war, sammelten alles ein, was an Ausrüstungsgegenständen herumlag. Sie zogen sogar den Umhang vom Körper seines verletzten Kameraden, so dass er ungeschützt zurück blieb. Zu seinem Glück war Kyriakos ein zäher Bursche. Er konnte Lysander dankbar sein, dass er ihn betrunken gemacht hatte, so dass sie ihn für einen Halbtoten hielten und vermutlich liegen lassen würden.


    Lysander hob das Halseisen auf. In einer blitzschnellen Bewegung schleuderte er es wie einen Diskus. Es raste durch die Luft und landete mit einem Knall an der Stirn eines der beiden Leibwächter. Lysander sah nicht mehr, ob es ihn von den Beinen holte, weil er den Schwung der Drehung weiterführte und in die entgegengesetzte Richtung hangabwärts sprintete.

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  • Mit einem grauenerregenden, schmatzenden Laut grub sich der Sklavenring in den Schädel des getroffenen Mannes. Getroffen und gefällt stürzte er zu Boden. Er würde nie wieder aufstehen. Viri schaute auf ihn herab.


    "Hinterher. Immer das Gleiche, ich werde nie verstehen, was Personen dazu antreibt, sich vorher die Beine aus dem Bauch zu rennen. Es endet doch eh immer gleich. Nun für Dich nun nicht mehr", sagte Viri und zog seinem toten Sklaven den Ring aus dem Schädel.


    Mit spitzen Fingern hielt er ihm einem seiner anderen Sklaven hin.
    "Eine Schande ist das", sagte er theatralisch und faltete die Hände über seinem Bauch.


    Lysander hingegen wurde von Viridomarus Meute verfolgt. Die Männer waren erstaunlich schnell. Dies war leicht zu erklären, Lysander hatte einen Kampf hinter sich und die Sklaven seines Häschers waren ausgeruht. Bedrohlich kamen sie näher, der Abstand verringerte sich zusehends.

  • Eines der ersten Dogmen, die ein junger Krieger in Sparta lernte, war, dass man nicht zurückwich. Es gab keine Kapitulation und keine Flucht, nur Sieg oder Tod. Auch Lysanders vermeintliches Davonlaufen hatte nur den Zweck, die Front der Gegner aufzulockern. Dass er keine Chance hatte gegen eine solche Übermacht, war ihm bewusst. Alles, was er vermochte, war Zeit zu gewinnen und möglichst viele von ihnen zu töten oder zu verletzen, um den Gegner zu schwächen. Als er Schritte ganz dicht hinter sich hörte, bremste er ruckartig und warf sich nach hinten. Der Häscher, der ihm auf den Fersen war, rannte in seinen Rücken. Mit einem dumpfen Laut wich die Luft aus seiner Lunge, als Lysanders Ellbogen sich in seinen Magen grub. Lysander krümmte sich zusammen, so dass der Mann über ihn flog und kopfüber den Hang hinabsegelte. Dann wandte er sich dem nächsten zu. Lysander kämpfte bis aufs Äußerste mit seinen körpereigenen Waffen, er nutzte alles: Fäuste, Füße, Ellbogen, Knie, Zähne und Fingernägel. Er versuchte das Gleiche, wie kurz zuvor Kyriakos - seine Gegner durch seine Gefährlichkeit davon zu überzeugen, dass er getötet werden müsse.

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  • Die Gruppe seiner Verfolger hatte zugenommen und sie wussten was sie taten. Zwar war einer der Verfolger ausgeschaltet worden und lag nun stöhnend im Dreck, aber davon ließen sie sich nicht abhalten. Lysander wurde eingekreist und die Schlinge zog sich immer enger.


    Vorsichtig kamen sie näher, sie wussten was für ein Mann dies war. Dann stürmten einige auf verschiedenen Richtungen auf Lysander zu. Eine bewusste Täuschung denn einen Augenblick später fiel ein schwer geknüpftes Netz über ihn. Der Boden wurde ihm unter den Füßen weggerissen, als zwei Häscher daran zogen. Ein Dritter eilte herbei und legte ihm eine Schlinge um den Hals, obwohl er im Netz steckte. Verschnürt wurde er auf die Beine gezogen, die nicht mehr viel Bewegungsspielraum hatten.


    So stand er erneut dem Händler gegenüber der ihn freundlich anlächelte.


    "So schnell kann man sich einig werden. Du schuldest mir das Leben von zwei guten Männer und Du bist nicht mal einer. Wir werden sehen ob Du Deine Schulden tilgen kannst. Du hast viel auf dem Kerbholz, solltest Du nicht verkauft werden, weißt Du was auf Dich wartet als gedungener Mörder der Du bist. So dann wollen wir mal. Aufbruch, Rom erwartet meine Rückkehr", flötete Viridomarus und seine Begleiter führten ihn zurück zu seinem restlichen Tross.


    Der beleibte Mann nahm in seiner Sänfte Platz und schon ging die Reise Richtung Rom.

  • Zeus bestrafte ihn, der göttliche Wille wurde von Menschenhand vollzogen. Lysanders Zukunft war in wenigen Minuten zunichtegemacht worden. Er war nicht länger Soldat, der zum Tross eilen würde, um einen trunkenen und verletzten Kameraden bergen zu lassen, er war Verräter. Verschnürt wie ein Rollschinken und mit einer entwürdigenden Schlinge um den Nacken wurde Lysander abtransportiert. Nur seine Beine schauten unter dem Netz raus, so dass er gehen konnte. Weder vermochte er seine Arme zu bewegen noch irgendjemanden zu beißen. So wurde er ruhig, um seine Kräfte zu sparen. Sich nun zu gebärden, machte keinen Sinn, er würde warten auf einen besseren Moment.


    Als der Tross sich nach Rom in Bewegung setzte, blickte er ein letztes Mal in Richtung von Kyriakos, der noch immer reglos im Sand lag, verstümmelt und zerstört - völlig umsonst nun. Eiskalte Wut erfüllte Lysander, Wut auf seine Götter, die nicht wollten, dass er sein Dasein selbst gestaltete und seinen Plan für die Zukunft zerstört hatten, bevor er eine Chance gehabt hatte, ihn zu verwirklichen. Mehr noch loderte seine Wut auf sich selbst, weil er versagt hatte in diesem Versuch. Zurück blieben zwei Scherbenhaufen - der von seinem und der von Kyriakos´ Leben.

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  • Der Schleier der Trunkenheit vernebelte seinen Blick, doch Kyriakos hatte alles mit angesehen. Vollkommen still, wie totgeschlagen, lag er im feuchten Sand. Die Schmerzen in seinen Füßen und in seinem Gesicht war er vollkommen zu ignorieren imstande. Nach seiner Gesundheit nahm man ihm nun auch seine gesamte Ausrüstung, sogar die abgelegte Kleidung wurde ihm entwendet und der Umhang, der seinen Körper bedeckt hatte. Kyriakos ignorierte das alles und rührte keinen Finger. Der Wein trübte seinen Verstand, doch bestimmte Dinge waren so verinnerlicht, dass sie auch in diesem Zustand funktionierten. Als Lysander verschnürt und abtransportiert wurde, trafen sich ihre Blicke. Im gleichen Moment vernahm Kyriakos das Ziel der Reise - Rom. Dort würde Lysander in der Schande leben, die er Kyriakos angedacht hatte. Recht so. Was aus Kyriakos hingegen werden würde, musste die Zeit zeigen. Vielleicht würden seine Füße wieder heilen, wenn sie rasch genug behandelt wurden? Er wollte liegen bleiben, bis die Männer fort waren und danach sofort zur Einheit humpeln. Doch er schlief ein, als der Sklavenhändler gerade seine Sänfte bestieg und wachte für die nächsten Stunden nicht mehr auf.

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