'Metamorphosen' – Werkschau im Atelier des Dolios

  • Als das Lachen des Lockenkopfs an Idunas Gehör drang, blickte sie erschrocken in Tiberios Richtung. Oh nein. Sie wusste es. Die Verse waren nicht in der richtigen Tonhöhe vorgetragen und manche Silben hatte die Cheruskerin regelrecht verschluckt. Zumindest war dies das empfinden der iulischen Sklavin.
    “Oh. Ähm. Es tut mir Leid. Diese Verse sind mir gerade durch den Kopf gegeistert.“
    Verlegen senkte sie auch schon ihren Kopf und knabberte auf ihrer Unterlippe. Wie peinlich. Doch der furische Maiordomus schien ehrlich amüsiert zu sein. Und dies nicht im negativen Sinn.


    “Dominus Iulius Caesoninus hat mir die Erlaubnis gegeben die Bibliothek in der Domus Iulia zu besuchen. Da muss ich diese Verse wohl gelesen haben.“
    War Idunas leises Stimlein zu vernehmen. Während ihre geröteten Wangen mit ihren roten Locken um die Vorherrschaft konkurrierten.
    “Bücher und ganz besonders alte Sagen und Verse üben Faszinazion auf mich aus.“
    Gab Iduna zu und blickte zu Tiberios empor. Ob er sie verstand? Vielleicht empfand er genauso wenn es um die alten Sagengeschichten ging.


    Als Iduna dann Tiberios Arme um ihren Schultern spürte und wie seine Lippen kurz ihre Stirn striffen, musste die Germanin leise kichern. Doch dann wurde sie wieder ernst und genauso ernst blickte sie zu dem furischen Sklaven empor.
    “Oh nein Tiberios. Du warst hier schon einmal. Und kennst dich aus. Ich weiß doch gar nichts.“
    Dabei blickte Iduna noch immer mit diesem ernsten Gesichtsausdruck zu Tiberios empor.


    “Ich stelle mir die Nymphen singend im Wasser spielend vor. Wer möchte schon auf ewig verzaubert sein?“
    Nachdenklich gesprochen entwichen diese Worte den Lippen der Rothaarigen. Während ihr Blick an Tiberios vorüber glitt und erneut auf der Statue ruhte. Und dennoch vernahm sie Tiberios Worte deutlich. So dass sie sich dem Maiordomus abermals zuwandte.
    “Das bedeutet die Römer haben von den Griechen gelernt?“
    Zumindest interpretierte Iduna die Worte des Lockenkopfs als solches.


    “Wie meinst du das, meine Stimme weiter ausgebildet? N.. Nein. Bisher niemand. Niemand meiner Domini weiß davon.“
    Woher auch? Bei den Flaviern galt die rothaarige Germanin als stumme Zierde bei den Festlichkeiten. Und bei den Iuliern sollte Iduna ihre Stimme auch nie erheben. Da waren ihre Finger gefragt, wenn sie das Cubiculum ihres verstorbenen Dominus vfür die Nachtruhe vorbereitete.

  • „Die Bibliothek der Domus Iulia würde ich zu gerne auch einmal sehen.“, gestand Tiberios:
    „Bevor ich Maiordomus wurde, war ich der Bibliothekar der Casa Furia. Das mache ich immer noch, aber mehr nebenbei. Ja, Geschichten mag ich auch.
    Überhaupt alles, was in Schriftrollen steht. Weißt du, Iduna, ich denke immer, was man gelernt hat, dass kann einem keiner wegnehmen. Sklaven haben ja nicht wirklich Eigentum, außer in ihrem Kopf.“
    , er lachte wieder:
    „Dir gehört Vergil und auch ein Teil von Ovid, wenn du sie auswendig weißt. Eine Nymphe zu sein – wie wäre das wohl?
    Gibt es in Germanien Nymphen oder ist es ihnen dort zu kalt?“


    Auf die Frage, ob die Römer von den Griechen gelernt hätten, erwiderte der furische Sklave:
    „Tatsächlich haben die Römer von vielen Völkern gelernt – und machen etwas Eigenes daraus. Von Karthago den Schiffsbau, von den Galliern die Konstruktion von Wagen, von den Griechen unter anderem die Heilkunst. Sie lernen von all den Unterworfenen immer etwas.“.


    Auf Idunas letzte Frage hin antwortete er:
    „Ich dachte, du könntest mit deiner netten Stimme eine Vorleserin werden. Das ist eine angenehme Tätigkeit für eine Sklavin – nur dass du ab und zu nachts geweckt wirst, weil dein dominus oder deine domina nicht schlafen kann.
    Jetzt aber wirklich zu Baucis und Philemon!"


    Da tauchten vor ihnen die liebevoll ihre Äste verschlingenden Mensch-Baum-Gestalten von Philemon und Baucis auf, die sich für alle Ewigkeit ihre steinernen Gesichter zuwandten.


    Die Steinbank gegenüber war frei, weil nicht sehr viele Besucher auf der Ausstellung waren.


    "Wollen wir uns einen Moment setzen?", fragte Tiberios.
    Und dann erzählte er Iduna die Geschichte, welche viele Menschen kannten, auch wenn sie nichts von Ovid wussten:


    „Und der Wunsch des alten Ehepaars, in der selben Stunde zu sterben, wurde ihnen gewährt.“, endete Tiberios:
    “In der Stunde ihres Todes verwandelte sich Philemon in eine Eiche und Baucis in eine Linde, und sie flochten ihre Zweige ineinander."


    Sinnend sah er Iduna an und formulierte die Frage, die er sich schon bei seinem ersten Besuch vor den Statuen gestellt hatte:
    „Wie müsste es sein, so zu lieben und so geliebt zu werden?“

  • “Die Bibliothek der Iulier ist gewaltig. Zumindest größer als die der Flavier.“
    Antwortete die Rothaarige und seufzte schließlich leise. Denn in den letzten Tagen und Wochen hatte Iduna kaum Zeit für müßige Stunden in der Bibliothek gehabt. Was auch kein Wunder war. Schließlich hatte ihr Dominus seine Verlobung mit Octavia Flora forciert und obendrein seine Reise nach Germania geplant. Als Iduna bewusst wurde, dass diese Ereignisse nun niemals stattfinden würden, wandte sie ihren Blick gen Boden und biss sich auf ihre Unterlippe. Offensichtlich nahm sie der Verlust ihres Dominus doch stärker mit als sie nach außen hin zugab. Zum Glück war es Tiberios Stimme die erneut erklang und der Iduna aufmerksam lauschte. Denn die Worte des Lockenkopfs lenkten sie von ihrem inneren Schmerz ab.


    “Wie ich bereits sagte Tiberios. Du bist ein vielseitiger, junger Mann. In deinem Alter bereits Bibliothekar und Maiordomus zu sein. Das ist eine beachtliche Leistung.“
    Eine Leistung die Iduna würdigte, in dem sie lächelnd in ihre Hände klatschte.
    “Die Geschichten und Gedichte werde ich auch niemals wieder vergessen. Manchmal spreche ich einige Verse meiner Tochter vor. Und dann gluckst Aislin immer voller Freude. Hm.. eine Nymphe würde in meiner kalten, kargen Heimat nicht überleben. Nymphen gehören in die Wälder, an Quellen oder Seen.“
    Antwortete die Germanin und neigte leicht ihren Kopf auf die Seite.
    “Bitte korrigiere mich wenn ich falsch liegen sollte Tiberios.“


    “Die Römer sind ein lernfähiges Volk und entwickeln sich stetig weiter.“
    Mit einem nachdenklichen Ausdruck in ihren Augen antwortete Iduna mit folgenden Worten dem furischen Sklaven.
    “Eine Vorleserin? Meinst du ich sollte Domina Graecina diesen Wunsch vortragen? Vielleicht erfüllt sie mir meinen Wunsch. Ich habe nichts einzuwenden wenn uch mitten in der Nacht geweckt werde. Das bin ich von meiner Tochter gewöhnt.“
    Schmunzelte Iduna mit einem hellen funkeln in ihren Augen.
    “Ich weiß allerdings nicht wie ich meinen Wunsch Vorleserin zu werden gegenüber Domina Iulia Graecina formulieren soll.“
    Jetzt blickte die iulische Sklavin mit einem unsicheren Gesichtsausdruck in Richtung des Dunkelblonden.


    Doch nicht lange. Denn die nächsten Statuen lenkten Idunas Aufmerksamkeit fort von Tiberios. Musternd ließ die Rothaarige ihren Blick auf den beiden Baumstatuen ruhen, in deren Rinde menschliche Gesichter geritzt waren. Was das wohl zu bedeuten hatte?


    Nachdem sich die beiden Sklaven auf einer Steinbank nicht unweit der beiden Baumstatuen niedergelassen hatten, spitzte Iduna auch schon ihre Ohren und lauschte Tiberios ausgebildeter Stimme. Als der Lockenkopf mit seiner Geschichte endetet, blickte Iduna nnachdenklich in seine Richtung. Wobei ihre Augen verräterisch schimmerten.
    “Eine solche Liebe muss wunderschön sein. Selbst der Tod kann diese Liebenden nicht trennen. Im Tode auch noch vereint. Ein Herz und eine Seele.“

  • Tiberios überlegte und stützte das Kinn in eine Hand. Wie konnte Iduna ihrem Wunsch Ausdruck verleihen, eine
    lectrix, eine Vorleserin, zu werden?


    "Sorge dafür, dass erstens Domina Graecina deine klare, klangvolle Stimme beim Vorlesen hört - zum Beispiel wenn du Aislin vorliest.
    Verwende zum Vortrag anspruchsvolle Literatur, auch wenn deine Tochter davon nichts versteht."
    , riet er:
    "Und stelle zweitens die Nützlichkeit einer Frau als Vorleserin für eine Dame heraus, denn sie kann auch des Nachts in ihrem cubiculum verweilen, ohne dass es dummes Gerede gibt.
    Das sind sozusagen die zwei Punkte, die für deine Herrin interessant sein könnten: Du hast die Fähigkeit dazu und du bist von Nutzen.
    Das dritte Argument, dass Du es selbst gerne möchtest, ist unwichtig, aber wenn Iulia Graecina dir die Erlaubnis erteilen sollte, so zeige ihr Dankbarkeit und Eifer.
    So würde ich vorgehen."


    Wieder sah er zu dem Statuenpaar:
    "Wie liebevoll sie sich ansehen.", sagte der junge Grieche leise:
    "Ich glaube, Philemon und Baucis sind so berühmt und anrührend, weil solch eine Liebe übehaupt nicht existiert."

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    SKLAVE - IUNIA PROXIMA

    Einmal editiert, zuletzt von Tiberios ()

  • Aus dem Augenwinkel beobachtete die Rothaarige den furischen Maiordomus und lauschte seiner Stimme. Sie sollte sich also unentbehrlich für Domina Iulia Graecina machen und ihre klangvolle Stimme nicht länger verstecken? Denn bisher hatte Iduna ihre Stimme lediglich erhoben wenn sie etwas gefragt wurde. Um eine knappe Antwort zum Besten zu geben. So hatte es der Flavier von ihr gefordert und an diese Anweisung hatte sich Iduna auch im iulischen Haushalt gehalten. Ihrem Dominus schien es recht gewesen zu sein, denn sonst hätte Dominus Iulius Caesoninus bereits etwas gesagt. Als Iduna an ihren verstorbenen Dominus denken musste, senkte sie ihren Kopf und blinzelte hastig. Nein. Unter keinen Umständen würde sie vor Tiberios in Tränen ausbrechen. Dies war einer iulischen Sklavin nicht würdig.


    Und so kämpfte die Cheruskerin mit ihrer Selbstbeherrschung und presste ihre Finger fester gegen ihre Oberschenkel.
    “Ich werde deine Ratschläge beherzigen und ein Gebet an meine Göttin sprechen das sie mir ihren Schutz gewährt und mir beisteht.“
    Das Domina Iulia Graecina ihren Wunsch ablehnen könnte, wollte sich die Rothaarige einfach nicht vorstellen. Und so blickte sie mit ihren noch immer tränenfeucht schillernden Augen in Tiberios Richtung.
    “Unsere Zukunft ist so ungewiss. Und das versetzt mich in Angst.“
    Was auch verständlich war. Schließlich war Sulamith Domina Iulia Graecinas Leibsklavin und eine zweite Leibsklavin würde die junge Iulia wohl nicht benötigen.


    Auch Idunas Blick glitt erneut in Richtung des Statuenpaars.
    “Du wurdest in der Liebe bereits tief verletzt. Nicht wahr Tiberios?“
    Leise sprach Iduna diese Worte aus und schielte aus dem Augenwinkel in Tiberios Richtung.
    “Die Liebe von Philemon und Baucis ist lediglich eine Sage. Ich glaube nicht das es eine solche Liebe geben kann.“

  • Tiberios nickte ernst, der Beistand der Himmlischen war zum guten Gelingen einer Sache notwendig:
    „Vielleicht solltest du Fortuna, wie sie in Roma heißt, bei deinem Volk trägt sie gewiss einen anderen Namen, ein kleines Opfer bringen.“, schlug er vor.
    Vermutlich hatte Iduna kein hohes peculium, aber etwas Honig oder Milch konnte sie bestimmt auftreiben:
    Gerade wegen eurer ungewissen Zukunft ist es gut, wenn Du zeigst, was Du kannst.“, nickte er. Wäre Iduna eine gute lectrix, würde sie nicht in der Menge der Haussklaven verschwinden und am Ende noch im Pulk verkauft werden.
    Tiberios hoffte, dass seine Worte aufmunternd wirkten, obwohl sie nur teilweise der Wahrheit entsprachen. Wenn die Umstände ungünstig genug waren, konnte man auch bei großem Nutzen für seine domini auf dem Sklavenmarkt landen.
    Aber selbst dann war es besser, Gemütsruhe zu bewahren und an die eigene Fortuna zu glauben, anstatt zu weinen und sein Schicksal zu beklagen, zumal man es so oder so nicht ändern konnte.
    “Du wurdest in der Liebe bereits tief verletzt. Nicht wahr Tiberios?, bei dieser Frage schüttelte der furische Sklave unwillig den Kopf:
    „Schließ nicht von dir auf andere“, sagte er, aber als Iduna sagte: „“Die Liebe von Philemon und Baucis ist lediglich eine Sage. Ich glaube nicht das es eine solche Liebe geben kann.“
    da stimmte er zu:
    „Ich glaube auch nicht daran, das haben wir wohl gemein. Nicht auf dieser Welt. Doch in der Welt der Ideen von Platon wird es solch eine Liebe wohl geben, und sie bildet die strahlende Schablone für all die unvollkommenen Lieben, die die Menschen unglücklich, doch eine kurze Zeit auch sehr glücklich machen.“

    Jetzt lächelte Tiberios, weil er sich an Glück erinnerte.

  • “Meine Schutzgöttin ist die Erdmutter Frija. Aber vielleicht hast du Recht und ich sollte bei der Erdenmutter demütig um Glück bitten.“
    Antwortete die Germanin und ließ ihren Blick für einen kurzen Augenblick nachdenklich auf der Statue der beiden Liebenden ruhen. Wenn sie und der Kelte nicht diesen Streit gehabt hätten, würden sie dann genauso empfinden wie Philemon und Baucis? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Und für einen kurzen Moment spürte die Rothaarige wie ihr Herz dumpfer in ihrer Brust pochte. Wie wäre ihr Leben verlaufen, wäre sie nicht vergewaltigt worden? Dann hätte sie aber auch niemals den Kelten kennen und lieben gelernt. Und wäre wahrscheinlich nie Mutter einer kleinen Tochter geworden.


    Mit einem wehmütigen Lächeln auf ihren Lippen drehte Iduna ihren Kopf in Tiberios Richtung.
    “Ich werde mich anstrengen damit Domina Iulia Graecina auf mich aufmerksam wird.“
    Bei diesen Worten leuchteten ihre Augen vor Freude hell auf. Und wenn sie Domina Iulia Graecina davon überzeugen könnte ihre Vorleserin zu werden, dann würde Iduna ihrer Göttin jeden Tag ein Dankesopfer darbringen. Doch so weit war sie noch lange nicht. Erst einmal musste sie die Iulia auf sich aufmerksam machen. Schließlich wusste Iduna auch das Iulia Graecina in Sulamith eine hervorragende Leibsklavin hatte und Idunas anfängliche Euphorie schwand.


    Als Iduna das Wörtchen Liebe ansprach und Tiberios äußerst unwillig reagierte, zuckte die Cheruskerin leicht zusammen.
    “Entschuldige Tiberios. Ich wollte nicht zu neugierig sein. Ich dachte nur.... Vergiss meine Worte.“
    Da schüttelte nun auch Iduna ihr Köpfchen und schielte aus dem Augenwinkel in Richtung des furischen Maiordomus.
    “Das geschriebene Glück und die geschriebene Liebe kann so, wie sie auf Pergament dargestellt wird überhaupt nicht existieren.“
    Da schmunzelte die iulische Sklavin und schüttelte zeitgleich ihren Kopf.
    “Weißt du noch mehr dieser alten Geschichten?“
    Neugierig war sie ja schon die rothaarige Germanin. Als sie sich leicht in seine Richtung neigte.

  • "Ob ich noch mehr dieser altenGeschichten weiß?", Tiberios nickte eifrig:
    "Aber ja, wir Griechen lieben Geschichten - alte und neue, heitere und traurige, tröstliche und erschreckende - von Liebe und Verderben, von Menschen, Göttern und Heroen. Es gibt nichts Besseres als eine Geschichte, einen Vortrag oder ein Theaterstück. Vorne am Eingang erzähle ich euch die nächste Metamorphose, die des Unterweltdaimon Askalaphos"


    Aber wieder dachte der furische Sklave darüber nach, wie er Iduna helfen könne, eine Position als lectrix zu ergattern, da sie so viel Freude am Vortragen hatte (so wie er auch).
    "Dürft ihr Sklaven in der Domus Iulia Besucher von außerhalb empfangen?", fragte er daher etwas zögerlich, denn ihm war es während der Abwesenheit der Domina verboten:
    "Wenn ja, könnte ich dich besuchen und eine Schriftrolle mitbringen, und wir lesen gemeinsam mit verteilten Rollen ein Stück. Wer weiß - vielleicht kommt einer der iulischen Herren oder Herrinnen vorbei und wird auf deine süße Stimme aufmerksam?"

  • Tatsächlich bestätigte Tiberios das er noch mehr dieser alten Geschichten wusste. Und für einen kurzen Augenblick konnte man leichte Trauer in Idunas Seelenspiegeln erkennen. Der furische Sklave hatte wahrlich ein Talent. Zugleich stellte sich die Rothaarige die Frage, welches Talent sie besaß. Tiberios hatte zwar ihre schöne Stimme gelobt. Was aber wenn Domina Iulia Graecina taub für ihre Stimme war? Zum Glück holte Tiberios Stimme die Germanin aus ihrer nachdenklichen Stimmung. Und auch das freudige leuchten kehrte in ihre Seelenspiegel zurück.
    “Seid ihr Griechen bereits mit einem Buch auf die Welt gekommen?“
    Kicherte Iduna und neigte ihren Kopf auf die Seite.


    “Ich wünschte mir, ich könnte auch solche Geschichten erzählen. Aber davon hält mein Stamm nichts.“
    Bei diesen Worten zuckte Iduna kaum merklich mit ihren Schultern.
    “Dafür hat mir die Zweitfrau meines Vaters den Umgang mit den verschiedensten Kräutern beigebracht. Und der alten Coqua durfte ich in der Domus Iulia auch schon zur Hand gehen.“
    Aber war das wirklich das was sich Iduna wünschte? Eine Kräuterfee werden? Oder doch eine ausgebildete lectrix?
    “Ich würde wirklich gerne noch eine Geschichte hören.“
    Bat die Rothaarige und berührte wie zufällig Tiberios Hand. Bevor sie ihre Hand rasch zurück zog und den Lockenkopf entschuldigend anblickte.


    “Ob wir Besuch empfangen dürfen? Da muss ich erst Domina Iulia Graecina fragen.“
    Denn seit dem Tod ihres Dominus und seiner Cousine waren die Bewohner der Domus Iulia noch vorsichtiger als ohnehin schon.
    “Oh. Was für ein wunderschöner Gedanke Tiberios. Aber ich muss erst Domina Iulia Graecina fragen. Ich kann dir erst nach meinem Gespräch mit der Domina eine Antwort geben.“
    Und dennoch war ersichtlich das sich Iduna wahrlich freuen würde, wenn man ihr diesen Wunsch erfüllen würde.

  • Tiberios fasste nach Idunas Hand, so beseelte ihn der Gedanke, ihr zu einem besseren Leben zu verhelfen:
    "Und wenn du die Iulier fragen gehst und ich begleite dich jetzt gleich?", fragte er:
    "Mehr als mich fortschicken können sie nicht, das macht mir nichts aus. Doch wenn es Domina Iulia Graecina ist ...ich habe gehört, sie sei eine gütige Domina. In eurer Bibliothek gibt es bestimmt etwas, das wir mit verteilten Rollen lesen könnten. Du sagtest doch, du darfst Lektüre leihen?
    Auf dem Weg erzähle ich dir den Askalaphos, wenn du möchtest."

    Er lächelte Iduna an.

  • Als es nun Tiberios war der nach ihrer Hand griff, starrte Iduna für einen kurzen Augenblick mit großen Augen in seine Richtung. Schließlich drang Tiberios Vorschlag an Idunas Gehör und die Wangen der Germanin röteten sich leicht.
    “Aber... es würde mich sehr enttäuschen wenn Domina Iulia Graecina oder Maiordomus Phocylides meinen Vorschlag ablehnen.“
    Ja. Und vielleicht würde Iduna dann tatsächlich in Tränen ausbrechen. Auch wenn sie ihre Gefühle meistens äußerst gut unter Kontrolle hielt. Schließlich ließ sie sich von Tiberios Begeisterung anstecken und ein helles Leuchten hielt in ihren Seelenspiegeln Einzug.


    “Ja. Ich darf mir Lektüren leihen. Die Bibliothek ist für uns Sklaven nicht verboten.“
    War das etwa bei den Furiern so? Fragend neigte die Cheruskerin ihren Kopf auf die Seite und strich sich eine ihrer Locken hinter die Ohren.
    “Dann sollten wir uns auf den Weg machen. Ich freue mich schon.“
    Tatsächlich konnte man in Idunas Augen reine, ungetrübte Freude entdecken. Als sie sich auch schon von der steinernen Bank erhob und den furischen Maiordomus auffordernd anblickte.
    “Warst du schon einmal in der Domus Iulia?“
    Wollte Iduna neugierig wissen und verließ zusammen mit Tiberios die Werkschau.

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