'Metamorphosen' – Werkschau im Atelier des Dolios

  • Mit dem Strauß schien ich schon mal alles richtig gemacht zu haben. Die Iulia schien sich wirklich zu freuen, die kleine Sklavin bekam ganz leuchtende Augen, und zuletzt landete er in den Händen des Custos – was für ein grandios amüsantes Bild! Er sah ungefähr so aus wie ein wilder Löwe, dem jemand ein Schleifchen um den Hals gebunden hat. Mit übermenschlicher Selbstbeherrschung unterdrückte ich das breite Grinsen, das sich da in mir Bahn brechen wollte, denn ich wollte den Hübschen nicht kränken. Meiner Erfahrung nach waren nordische Barbarensklaven in der Hinsicht überaus empfindlich. (Außerdem war es noch nicht so lange her, dass das blonde Rabenaas Sciurus versucht hatte, mich hinterrücks zu erdrosseln, ein Memento, dass auch gut abgerichtete Löwen manchmal unvermittelt schnappen.) Nur ein leichtes und unverfängliches Schmunzeln spielte um meine Mundwinkel.
    “Das freut mich zu hören.“ plauderte ich weiter mit Iulia. Mal davon abgesehen, dass sie ein junges Ding war, das problemlos hätte meine Tochter sein können... fand ich sie ganz nett. Eine elegante Erscheinung, nicht auf den Mund gefallen und kunstsinnig dazu.
    “Ach tatsächlich? Welches Werk denn?“ erkundigte ich mich interessiert. Hatte Dives nicht mal was erzählt von einer besonderen Statue... oder trog mich da meine Erinnerung? Wie schade, dass Dives sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen hatte, und dass Licinus' Pflichten im Dienste der Garde ihn noch immer fern von Rom hielten. (Oder besser so? Die beiden kannten mich zu gut, als dass ich unter ihren Augen einer Iulia unbefangen den Hof hätte machen können.)
    “Ich überlege auch, eines für unserer Peristyl zu erwerben. Wir hatten da einen Rossebändiger, der aber leider beim letzten Frost Risse bekommen hat und wohl nicht mehr zu retten ist.“
    Darauf holte ich es nach, Icarion vorzustellen, das war ich ihm schuldig:
    “Dies ist im übrigen mein Libertus Decimianus Icarion. Mein Declamator...“ Und scherzend fügte ich hinzu: “...und Arbiter elegantiarum.“
    “Es ist mir eine Ehre, werte Dame.“ Er verbeugte sich leicht.


    Wie es schien, konnte Icarion sich heute entspannt zurücklehnen, denn eine klare Stimme war bereits formvollendet am deklamieren. Sie gehörte einem Jüngling mit dunklem Lockenschopf, der gerade vor einem schaurigen Vogel-Mensch-Mischwesen stand. Das war aber vielleicht zu grausig für die junge Dame (nicht, dass sie wieder in Ohnmacht fiel). Unsere Gruppe schlenderte über den Hof, und wir trafen zuerst auf: Kainis verwandelt sich in Kaineus.
    “Was für ein außergewöhnliches Farbspiel!“ Diese Schattierungen waren wirklich hinreißend.

  • Graecina war guter Dinge. Man hätte sogar behaupten können, sie war ausgelassen. Alles was sie sich von ihrem zukünftigen Ehemann gewünscht hatte, fand sie in Decimus Serapio vereint. Allerdings blieb da ein klitzekleines Detail übrig, bei dem der Decimus nicht kompatibel war. Das war ihr Glaube. Niemals durfte er es erfahren! Zumindest nicht vor ihrer Hochzeit, sollte diese denn zustande kommen. Später vielleicht. Vielleicht würde er sie verstehen können. Im schlimmsten Fall würde er sie dafür verstoßen oder sie gar ausliefern.
    Graecina war sich der schweren Zeiten bewusst, in der sie als Christin lebte. Seit geraumer Zeit schon verschlechterte sich die Stimmung gegen die Christen in der Stadt. Ein Funke genügte und die christliche Gemeinde würde in Flammen aufgehen. Doch an all das wollte sie heute nicht denken. Wie jedes junge Mädchen aus guter Familie hoffte sie darauf, eine gute Partie zu machen.


    Zu allem Überfluss war der Decimus auch noch ein Kunstfreund. Was hätte sich die junge Iulia noch mehr wünschen können? Sie würden stets ein Gesprächsthema haben, welches sie in all den Jahren ihrer Ehe begleiten würde. Nicht jede römische Matrone konnte von sich behaupten, dass sich ihre Interessen mit denen ihres Ehegatten deckten.


    „Oh, es ist der tanzende Faunus. Wenn du mich einmal in der Domus Iulia besuchen kommst, kann ich dir die Statue ja einmal zeigen.“ Sie errötete plötzlich, als sie darüber nachdachte, was sie soeben zum Besten gegeben hatte. Wenn er sie mal besuchen kam… aha?! Wenn sie so weiter plapperte, dann würde das wohl niemals geschehen. Trotz allem versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen.

    „An welches Werk hattest du denn gedacht?“ Vielleicht wurde es ja hier im Atelier ausgestellt. Sie war schon sehr gespannt darauf, was sie in den Räumen des Meisters zu sehen bekam.
    Zunächst aber lernte sie erst einmal den jungen hübschen Begleiter des Decimus kennen. Der vermeintliche Sklave war ein Libertus und in der Tat verfügte er über einen exquisiten Geschmack!
    Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen Decimianus Icarion!“ Sie nickte ihm freundlich zu und wandte sich dann zu ihrer Begleitung um. „Dies ist Sulamith. Sie ist zwar meine Leibsklavin, doch ich sehe in ihr eher eine sehr gute Freundin.“ Einen Moment zögerte sie, dann wandte sie sich zu 'ihrem' Custos. "Und dies hier ist Angus, einer unserer Custodes." Den Custos wollte sie nicht außer Acht, auch wenn er nur ausgeliehen war.


    Sie betraten den Hof. Erst jetzt fiel Graecina der junge Mann mit dem Lockenkopf auf. Er kam ihr irgendwie bekannt vor. Allerdings konnte sie zunächst nicht einordnen, woher sie ihn kannte. Doch dann fiel der Groschen und sie erinnerte sich wieder. „Ist das da nicht Tiberios?“ Passend zum Thema der Werkschau trug er junge Grieche gekonnt Passagen aus Ovids Metamorphosen vor. Ihr war nicht ganz wohl bei dem Gedanken ihn hier wieder zu treffen, denn er kannte ihr und Sulamiths Geheimnis.* Doch noch mehr beunruhigte mich das erste Kunstwerk, zu dem wir schlenderten. Kainis verwandelt sich in Kaineus. Unweigerlich musste ich an Sula und an das denken, was ihr erst vor wenigen Wochen zugestoßen war. Im Gegensatz zu Kainis hatte sie sich nicht in einen Mann verwandelt. Doch ich hoffte, sie bewies nun die Stärke eines Mannes, wenn sie das Kunstwerk sah.
    „Oh ja, wirklich wunderbar!“, bestätigte ich dem Decimus und riskierte einen kurzen Blick auf die Hebräerin.


    Sim-Off:

    * wird hier noch weiter ausgespielt!

  • Sulamith verweilte an der Seite ihrer Freundin und lauschte schweigend ihrer Konversation mit dem Decimus. Graecina wirkte sehr gelöst, ja fast schon ein wenig zu überschwänglich. Alle Bedenken, die sie wegen dieses Treffens hatte, schienen wie weggeblasen. Hauptsache sie war glücklich und würde es auch immer bleiben. Die Hebräerin würde sie in ihre Gebete mit einschließen, damit der Allmächtige all ihre Wünsche in Erfüllung gehen ließe.
    Aber auch auf sie selbst machte der Decimus einen guten Eindruck. Doch noch war es viel zu früh, eine genaue Einschätzung zu machen. Sie kannte ihn ja kaum und konnte daher nicht wissen, wie er sich im Alltag verhielt. Letztendlich würde sie auch in seiner Nähe leben müssen, wenn es zu einer Verbindung kam. Ein Indiz aber, dass er zu seinen Sklaven gut war, war die Tatsache, dass er seinen Begleiter schon recht früh in die Freiheit entlassen hatte. Decimianus Icarion stand fast noch in der Blüte seiner Jugend. Sie nickte ihm freundlich zu, als der Decimus ihn vorstellte.


    Bis zu jenem Moment schien auch alles gut für Sulamith zu laufen. Es ging ihr gut, wie seit langem nicht mehr. Zwar war sie noch immer sehr zurückhaltend, sprach nur, wenn man sie etwas fragte oder wenn sie etwas für sehr dringlich erachtete. Doch dies gehörte alles nur zu ihrer Fassade. In ihrem Inneren aber hausten noch immer die Dämonen, die sie des Nachts regelmäßig mit Alpträumen peinigten und sie am Tage immer wieder mit Angstzuständen marterten.
    Als sie den Hof betraten und Graecina den Namen Tiberios aussprach, zuckte sie plötzlich zusammen. Mit dem jungen Griechen assoziierte sie jene Nacht des unaussprechlichen Grauens, das ihr widerfahren war. Sie lenkte kurz ihren Blick zu ihm, nur um ihn ganz schnell wieder abwenden zu können.


    Als ob dies noch nicht genügt hätte, um sie an die schlimmsten Momente ihres Lebens zu erinnern, hielten sie kurze Zeit später an einem der Werke an, dessen Titel sie ebenfalls erschaudern ließ. Kainis verwandelt sich in Kaineus. Sie kannte die Geschichte des Mädchens Kainis, die von Poseidon vergewaltigt worden war. Aus Reue hatte der Meeresgott ihre Bitte entsprochen und sie in den hässlichen, aber starken und unverwundbaren Mann Kaineus verwandelt.
    Ihr Körper verkrampfte sich bei diesem Anblick. Niemand hatte Reue für das empfunden, was ihr angetan worden war. Niemand hatte sie verwandelt.

  • Zitat

    Original von Valeria Maximilla


    Tiberios blieb etwas verblüfft mit einem Sesterz in der Hand zurück, als ihn die kleine junge Römerin sehr herablassend behandelte. Vermutlich hatte sie ihm seine leichte Ironie übel genommen. Aber was sollte es, man konnte nicht erwarten,von Römern immer freundlich behandelt zu werden, darüber machte sich der junge Alexandriner keinen Kopf.


    Zitat

    Original von Iulia Graecina


    Zitat

    Original von Sulamith.


    Tiberios spürte den Blick von domina Iulia Graecina auf sich, aber er würde sie weder grüßen, noch zu erkennen zu geben, dass er sie kannte, bevor sie das Wort an ihn richtete. Auch wenn der furische Sklave schon gemerkt hatte, dass die edle Iulia privat über solche Dinge etwas anders dachte, so war Sulamith wohl mehr ihre Freundin als ihre Dienerin - zumindest hatte er den Eindruck gewonnen - hielt er es für klüger, in der Öffentlichkeit den gebotenen Respekt zu wahren.


    Das galt im Moment auch für ihre Begleiterin Sulamith. Tiberios hoffte sehr, dass er die Hebräerin später noch begrüßen und sprechen konnte. Was geschehen war, tat ihm sehr Leid. Eine Sklavin oder ein Sklave konnte freilich jederzeit zu sexuellen Handlungen gezwungen werden, wenn auch nur von den Eigentümern, keinesfalls von Fremden.
    Für die zarte Sulamith musste Titus' Brutalität ein Schock gewesen sein. Oder vielleicht war das bei Mädchen im Allgemeinen und bei Sulamiths Volk im Besonderen noch schlimmer?
    Tiberios zweifelte daran, ob die iulische Sklavin seine sehr sachliche Sicht auf diese Dinge verstehen würde.


    Als Sulamith kurz in seine Richtung blickte, lächelte er und hob unmerklich und scheu die Hand zum Gruß.


    Der gutaussehende älteren Römer, der Iulia Graecina begleitete. (Der Mann, der Angus einen Blumenstrauß geschenkt hatte? Tiberios schüttelte den Kopf, vermutlich trug ihn der Custos nur für seine Domina, aber Angus in Gedanken etwas zu necken machte Spaß) war Tiberios völlig unbekannt, auch dass hielt ihn davon ab, sie anzusprechen.
    Der Römer und die Iulia mit ihren Sklaven blieben nun vor der Statue "Kainis verwandelt sich in Kaineus" stehen.



    Tiberios, der von Valeria Maximilla aufgehalten worden war, wollte sich in den Garten begeben, um die Pieridenverwandlung zu betrachten, doch da kam er an dem wohl monumentalsten Werk der Werkschau vorbei, vor dem sich schon bereits viel Publikum drängte:


    Die Kentaurenhochzeit, die Kentauromachie oder Lapithen gegen Kentauren, oder wie man die Szene sonst es nennen wollte.


    Aber auch hier ging es wieder wie im Kaineus- Mythos um Gewalt gegen eine junge Frau. Die Lapithen luden die Kentauren zu der Hochzeit von Peirithoos und Hypodamaia ein, und die üblen Gäste versuchten, die Braut auf ihrer eigenen Hochzeit zu vergewaltigen.
    Kaineus erscheint noch einmal in der Geschichte, denn er stirbt ganz am Ende des ausführlichst geschilderten Blutvergießen und wird in einen Vogel verwandelt, dachte Tiberios und anstatt Ovids Worte der grausigen Schlacht zu deklamieren, begann er mit dem Schluss:


    "...abnuit Ampycides medioque ex aggere fulvis
    vidit avem pennis liquidas exire sub auras....,

    Nicht so Ampyx' Sohn: der sah, wie hervor aus dem Haufen
    Flog in die lautere Luft mit gelbem Gefieder ein Vogel,
    Welchen zuerst damals und zuletzt damals ich erblickte.
    Wie er den Vogel gewahrt, der kreisete um der Gefährten
    Lager gemächlichen Flugs und mit schallendem Kreischen hinabrief,
    Da sprach Mopsos, zugleich mit dem Geist und den Augen ihm folgend:
    "Sei mir gegrüßt, du Ruhm und Stolz des lapithischen Volkes,
    Trefflichster Mann vormals, nun einziger Vogel, o Kaineus!"


    Die Metamorphose in einen freien Vogel, der für immer der Erdenschwere davon fliegen kann, dachte Tiberios, vielleicht würde dieser Schluss Sulamith tröstlich sein.

  • Natürlich blieb eine Reaktion auf meinen Anblick als Blumenstraußträger nicht aus. Der Decimus, der mich zuvor schon gemustert hatte, als ob er ein gewisses Interesse an mir hätte, schmunzelte bei mich an. Er musste wirklich über ein hohes Maß an Selbstbeherrschung verfügen, über meine Erscheinung nicht einfach loszuprusten. Ich jedoch hielt die Blumen in meiner Hand als seien sie eine Auszeichnung. Natürlich schmälerten sie mein kompetentes Auftreten als Custos, denn ein Leibwächter sollte abschreckend wirken und nicht wie ein Schoßhündchen aussehen, damit kein Irrer es wagte, die zu beschützende Person anzugreifen. Keineswegs jedoch beeinträchtigten sie meine Reaktionsfähigkeit oder meine Entschlossenheit, einen Angreifer niederzumachen.


    So ließ ich alles über mich ergehen, blieb artig hinter Domina Graecina und Sulamith stehen und verfolgte eher beiläufig das Gespräch der beiden Römer. Lediglich als sich herausstellte, dass der Sklave, der den unseligen Blumenstrauß seinem Dominus gereicht hatte, gar kein Sklave war, sondern ein Libertus, wurde ich hellhörig. Was der Schönling wohl alles machen musste, um diese Belohnung zu erhalten? Den Hintern für seinen Dominus hinhalten? Oder war er eher mit der Zunge geschickt gewesen?


    Während ich weiter meinen Dienst verrichtete und auf die Umgebung achtete, fiel mein Blick völlig ungewollt wieder auf den Griechen. Wie der Zufall es wollte trafen sich unsere Blicke. Was musste Tiberios von mir denken, mit den dämlichen Blumen in meiner Hand? Daran wollte ich erst gar nicht denken. Verdammt, nun zwinkerte er mir auch noch zu, als wäre ich einer vom anderen Ufer! Ich verzog meinen Mund zu einem Lächeln, das eher gequält daherkam.
    Hoffentlich war diese Schmach bald vorbei! Doch wenn die Domina und der Decimus in diesem Tempo jedes einzelne dieser Kunstwerke begutachteten, dann konnte dies noch Stunden dauern.
    Ich persönlich konnte nichts an diesen Skulpturen finden. Wie schon zuvor bei den Blumen, war die Iulia entzückt von diesem Zeugs. Ich fragte mich höchstens, wer beim Teutates war eigentlich Kainis oder Kaineus?

  • Auch der junge Titus Valerius Messalla, begab sich nach einem morgentlichen Besuch der Bäder und einem üppigen Frühstück in einer kleinen, von zwei kräftigen Sklaven getragenen Senfte zur Werkausstellung, nur noch begleitet von seinem nur etwas weniger älteren Leibsklaven Herodes.


    Dort angekommen lustwandelt er gedankenverloren zwischen den ganzen Kunstwerken umher. Wirkliches Interesse hatte er nicht, aber die Ausstellung bot zumindest ein klein wenig Zeitvertreib.

  • Zitat

    Original von Iulia Graecina, Sulamith, Angus


    Hola! Iulia ging ja ganz schön ran! Wenn ich sie einmal besuchen kam, würde sie mir den tanzenden Faunus zeigen. Ich blinzelte verblüfft, für den Moment überkommen von einem plötzlichen, machtvollen Fluchtimpuls!
    Dann...

    ~ ~ ~


    ...dann warf ich den schwer drapierten Stoffberg meiner Toga von mir, erklärte der Iulia:
    “Ich muß weg! Warum? Das kann ich leider nicht sagen Nur soviel: dringende Prätorianerangelegenheiten!“
    Leichtfüßig entfloh ich aus dem Innenhof, draußen auf der Straße stand schon mein Streitwagen bereits, ich sprang auf, ließ die Zügel auf die Rücken meiner edlen Rösser schnalzen.
    “Vamos, vamos meine Schönen!!!“
    Sie sprinteten los, und rasant fuhr ich mein Zweigespann durch die Straßen der Stadt, die Hufe schlugen Funken, Menschen spritzten auseinander, japsten und starten mir nach.
    “Mein lieber Faustus...“ seufzte Großtante Drusilla resigniert in ihrer Villa in den Albaner Bergen und wackelte mahnend mit dem Zeigefinger. Doch ich bretterte unbeirrt vor die Stufen des Senates, hielt mit einer kühnen Kehrtwende den Wagen direkt vor Manius.
    “Spring auf!“
    “Faustus, was tust du?“ rief Manius, und all die Senatoren waren in ihren Posen erstarrt, als hätte Dolios sie in Stein gemeißelt: 'Der Senat von Rom, nachdem die Medusa vorbeiging'.
    “Was ich schon vor zehn Jahren hätte tun sollen!“
    Ich packte seine Hand und halb entführte ich ihn, halb sprang er selbst in die Biga, und ...HUI... jagten wir hinaus aus der Ewigen Stadt, waren schon am Hafen, wo die Sonnenbarke für uns bereit lag. Wir sprangen an Bord, ein Berg schockierter Fratzen türmte sich am Ufer hinter uns, doch wir lachten nur und fuhren Richtung Achaia, frischen Wind in den Segeln. Manius' Hände lösten mein straffes Cingulum militare, es fiel klimpernd auf Deck, am Himmel über uns wölbte sich ein prächtiger Regenbogen und dann...

    ~ ~ ~


    ...dann riss ich mich entschieden zusammen, zerrte den Tagtraum in einen entlegenen Winkel meines Geistes, legte ihn dort rabiat in Ketten und machte stur weiter Konversation mit dem munteren Mädchen.
    “Ähm, vielleicht ein Bukephalos. Oder falls mir hier etwas passendes ins Auge springt...“ Ich ließ meinen Blick schweifen. “Vielleicht etwas ganz neues.“
    Aber den 'Kaineus', so kunstvoll er war, hätte ich nicht mal geschenkt haben wollen. Nach der ersten Bewunderung hatte das Bildnis bei näherer Betrachtung etwas seltsam verstörendes an sich. Es erinnerte mich irgendwie unangenehm an die Sperenzchen unseres verwöhnten (Ex-)Mundschenks Silas. Ja, angesichts der flehend erhobenen Arme des mamornen Mädchen-Jünglings, der Verletzlichkeit und Verletztheit dieser Figur, gar nicht passend zur Härte des Steins, kam ich mir auf einmal wie der letzte Wüstling vor (was nun wirklich blödsinnig war, schließlich hatte ich gegenüber dem unnahbaren ach-so-Spröden noch nicht einmal auf mein Recht bestanden.)
    Der kleinen Sulamith schien die Statue auch nicht zu gefallen, und selbst der Barbar, 'Angus' hatte ich mir gemerkt, sah irgendwie gequält aus.


    “Wollen wir uns die Kentauromachie ansehen?“
    In dem Gedränge vor dem Herzstück der Ausstellung war ich froh, meinen dunklen Custos in meinem Rücken zu wissen. Um Galanterie bemüht, hatte ich gerade wenig Sinn für die Kunst und achtete mehr darauf, dass Iulia auch gut sehen konnte.
    “Hmm....“ Die kraftstrotzenden Tiermenschen, das wilde Schlachtgetümmel, die zerstampfenden Hufe... das war leider gar nicht nach meinem Geschmack. Die Darstellung war mir bei weitem zu echt, die Zentauren erinnerten mich fatal an parthische Kataphrakte. Ich merkte schon: das hier war Kunst, nicht Peristyl-Dekoration.
    “...ähm, sehr... kraftvoll.“ kommentierte ich ohne Überzeugung. “Nicht wahr?“

    Zitat

    Original von Tiberios


    Wieder ertönten wohlklingende Verse, wieder aus dem Munde des lockenköpfigen Wortgewandten. Ich applaudierte ein wenig, als er geendet hatte.
    “Trefflich vorgetragen.“
    Auf einen minimalen Wink von mir zückte Icarion die Börse und gab dem Jüngling einen Sesterz als Trinkgeld. Das animierte wohl die Umstehenden dazu, es ihm gleichzutun, denn nun bekam der Redner von allen Seiten Münzen gereicht.

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  • Irgendso ein hübscher Griechenknabe deklamierte irgendwelche Gedichte...waren sie von Horaz oder von Vergil? Titus Valerius wusste es nicht, hörte auch nur mit halben Ohr hin. Offengestanden hatte er leichte Kopfschmerzen und fühlte sich etwas müde. Den Abend zuvor hatte er mit ein paar befreundeten Studenten in einer Taverne ein paar Kelche zuviel gebechert und vielleicht war auch das der Grund für seinen Kater und die miese Stimmung.

  • Zitat

    Original von Angus


    Angus schien Tiberios erkannt zu haben und lächelte gequält auf sein Zwinkern. Der junge Grieche nickte ihm zu, er verstand die Situation schon richtig. Manchmal musste ein Sklave eben Dinge tun, die ihm nicht ganz in den Kram passten.
    Ihn selbst hätte ein Blumenstrauß in Händen nicht gestört. Zu gern hätte er die Rosen und Orchideen in der Casa Furia auf den Tisch gestellt, um seine domina zu erfreuen.


    Zitat

    Original von Faustus Decimus Serapio
    Wieder ertönten wohlklingende Verse, wieder aus dem Munde des lockenköpfigen Wortgewandten. Ich applaudierte ein wenig, als er geendet hatte.
    “Trefflich vorgetragen.“
    Auf einen minimalen Wink von mir zückte Icarion die Börse und gab dem Jüngling einen Sesterz als Trinkgeld. Das animierte wohl die Umstehenden dazu, es ihm gleichzutun, denn nun bekam der Redner von allen Seiten Münzen gereicht


    Als als nun der elegante Begleiter des Römers die Börse zückte und Tiberios einen Sesterz reichte, folgten mehrere Leute dem Beispiel,
    Der junge Alexandriner hatte jedoch mit Aufmerksamkeit von Fremden geschweige denn Bezahlung nicht gerechnet. Er deklamierte einfach aus Spaß an der Kunst.
    Tiberios errötete vor Verlegenheit über das Lob und Freude über den Geldsegen, trat vor Faustus Decimus Serapio und Ikarion hin und verbeugte sich:
    „Ich danke dir, dominus für das Lob und für deine Großzügigkeit !“, sagte er strahlend, während er die Sesterzen in seinem Beutel verwahrte.


    Zitat

    Original von Titus Valerius Messalla


    Tiberios' Blick streifte einen gutaussehenden römischen Jüngling, der auf ihn eher müde oder vielleicht auch gelangweilt wirkte. Aber das tat seiner Freude keinen Abbruch.

  • Zitat

    Original von Titus Valerius Messalla
    Irgendso ein hübscher Griechenknabe deklamierte irgendwelche Gedichte...waren sie von Horaz oder von Vergil? Titus Valerius wusste es nicht, hörte auch nur mit halben Ohr hin. Offengestanden hatte er leichte Kopfschmerzen und fühlte sich etwas müde. Den Abend zuvor hatte er mit ein paar befreundeten Studenten in einer Taverne ein paar Kelche zuviel gebechert und vielleicht war auch das der Grund für seinen Kater und die miese Stimmung.


    Valeria Maximilla langweilte sich ein wenig. Ihr war heiß. Dabei war erst Frühling, wie sollte das im Sommer werden?
    Die Valeria bereute es, nicht mit Wölfchen und ihren vier Dienern in einen der wunderschönen großen Gärten Roms gegangen zu sein. Dort konnte man sich in die Nähe eines Springbrunnens setzen und warten, dass der Wind etwas Sprühregen zu einem hinüberwehte. Das war köstlich. Oder mit geschlossenen Augen auf einer Bank dösen und den Sklaven Telemachos zu bitten, ihr weiter Ovid zu vorzulesen. Telemachos, der gerade mit Maximillas grauem Wolfshund unterwegs war, hatte die reinste Vorlesestimme. Und dann kühle Posca und Süssigkeiten, bis es Zeit war, sich auf den Heimweg zu machen.


    Maximillas Blick fiel auf einen jungen Mann, der ihr bekannt vor kam. Es war Titus Valerius Messala, ein Verwandter aus ihrer weitverzweigten Sippe.
    Sie schlenderte heran. Mit ihrem Fächer fächelte sie sich Luft zu.
    „Salve, Cousin Titus“, sagte sie:
    So etwas wie „Auch hier?“ fiel Maximilla nicht ein. Stattdessen fuhr sie fort:
    „Ich stelle es mir wirklich unangehm vor, von Proserpina in einen Uhu verwandelt zu werden.“

  • Zitat

    Original von Tiberios


    Der zarte Jüngling errötete überaus hold. Ich liebte die Poesie ja deutlich mehr als es statthaft war, und ein so beseelter Vortrag wie dieser vermochte mich intensiver zu fesseln als die kunstvollsten Marmorbildnisse. Fast vergaß ich, dass ich nicht zum Spaß hier war.
    "Wir haben zu danken." entgegnete ich jovial. Die Tafel, die er um den Hals trug, kennzeichnete den Jüngling als Sklaven, jedoch nicht des Dolios. "Wie lautet dein Name? Ich bin der Eques Decimus Serapio. Verleiht dich dein Herr bei Gelegenheit?"
    Und zu Icarion gewandt meinte ich: "Wäre er nicht eine Bereicherung beim Programm der nächsten Cena?"
    Mein Libertus lächelte verhalten.
    "Gewiss, Patron, sein Vortrag ist sehr enthusiastisch."
    Womöglich war Icarion verschnupft, weil eigentlich er mein Declamator war. Aber der Mensch braucht nun mal hin und wieder etwas Abwechslung.
    "Vielleicht eine gemeinsame Rezitation?" schlug ich vor. "Senecas Version der Medea zum Beispiel, zumindest die Höhepunkte daraus..."
    Die hatte Icarion mir schon vor längerem versprochen.
    "Was meinst du, verehrte Iulia Graecina" bemühte ich mich, der reizenden jungen Dame an meiner Seite wieder die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken, "Wäre das vielleicht auch eine Zerstreuung nach deinem Geschmack?" So ganz ohne Bühnenblut.

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  • „Mein Name ist Tiberios, Sklave des Gnaeus Furius Philus, doch da er auf Reisen ist, unterstehe ich domina Furia Stella, dominus eques Decimus Serapio“, erwiderte Tiberios erfreut darüber, dass ein solch vornehmer Römer seinen Vortrag würdigte.
    Außerdem verhieß als Rezitator verliehen zu werden, Applaus und Trinkgelder, was für den Alexandriner beides unwiderstehlich war.
    „Bestimmt wird es meine Domina erlauben.“, fügte er an.


    Dass der elegante junge Begleiter des Eques nicht ganz angetan war, entging Tiberios nicht, und er verbeugte sich auch kurz in seine Richtung:
    „Die Medea des Seneca mit dir gemeinsam zu rezitieren und dass du mir die Rollen zuweist, die dir angemessen erscheinen, wäre mir eine große Ehre“, sagte er höfllich lächelnd, denn der Mann war ein libertus und offensichtlich ein Vertrauter seines Patrons.
    Gleichzeitig gab Tiberios ihm jedoch zu verstehen, dass er sich problemlos jede Rolle von Medea bis zum Chorus zutraute.


    Dann trat er einen Stück zurück und wartete, ob dominus Decimus Serapio noch einen Wunsch hatte.

  • Es war Graecinas Arglosigkeit geschuldet, dass sie so frei sprach und dabei keinerlei Hintergedanken damit verband. Diese Leichtigkeit hatte sie sich aus ihren Kindertagen zu Hause auf Kreta bewahrt. Sie kam immer dann zum Vorschein, wenn sie sich wohlfühlte oder die Gewissheit hatte, am rechten Platz zu sein. Und ganz eindeutig war hier beides der Fall.
    Dennoch war ihr dieser kleine Lapsus aufgefallen. Nun war nur zu hoffen, dass der Decimus nun nicht mit fliegenden Fahnen die Flucht ergriff. Nein, das tat er nicht! Er übersah großzügig ihren Übermut und fuhr mit ihrer Konversation fort über das Werk des großen Meisters, seine Kaufabsichten und über die Kunst im Allgemeinen.


    „Oh, ein Bukephalos! Sehr interessant! Ein vor Kraft strotzendes Pferd, welches sich vor seinem Herrn aus Freiheitsliebe ein letztes Mal aufbäumt, bevor er seinen Willen bannt. Eine grandiose Vorstellung!“ Mit diesem Bild vor Augen stellte sich Graecina die Zähmung des Bukephalos durch seinem Herrn, dem großen Alexander vor.


    Herausgerissen aus diesen Gedanken wurde sie von der Statue des Vogelmenschen. Sie kam nicht umhin, ihren Blick zu Sulamith zu lenken in deren Gesicht sie eine gewisse Abscheu erkennen konnte. Was musste in dem Moment in der Hebräerin vorgehen? So gerne hätte sie ihr beigestanden, denn sie wusste um ihre Verletzlichkeit. Wie gerufen kam dann Decimus‘ Vorschlag, sich nun der Kentauromachie zuzuwenden. „Sehr gerne! Ich bin schon sehr gespannt darauf,“ entgegnete sie begeistert.
    Jenes Werk hatte nun auch die Mehrzahl der Besucher angelockt, was es der kunstinteressierten Iulia zunächst etwas schwierig machte, das Werk ungestört zu bewundern. Doch Graecina war genügsam. Es lag ihr fern, sich vorzudrängen oder sich von ihrem Custos Platz schaffen zu lassen. Dies übernahm dann der Decimus höchstpersönlich, denn dieses Mal hatte er nicht sein verrücktes Sklavenmädchen dabei, die den Besuchern mit der Rache des Tribunus Cohortis Praetoriae hätte drohen können, wie damals im Theater.
    Ein verschämtes Lächeln zeichnete sich auf Graecinas Antlitz ab, als sie schließlich das Herzstück der Ausstellung in all seiner Pracht und Herrlichkeit sehen konnte. In der Tat war die Schlacht der Lapithen und Kenauren sehr kraftvoll. Gleichzeitig waren die Details der Darstellung sehr filigran herausgearbeitet. „Oh ja, geradezu ein Meisterwerk!“, bestätigte sie ihm. Ohne jeden Zweifel war die junge Iulia sehr beeindruckt und auch dankbar, dass sie hier sein durfte. Da ihr jedoch der literarische Hintergrund bekannt war und dadurch auch der der Anlass für diese unermessliche Schlacht zwischen dem Menschen und Tiermensch, wandte sie sich wieder unauffällig der Hebräerin zu. Doch dieses Mal schien sie die Darstellung nicht in gleichem Maße mitzunehmen, wie zuvor die des Kaineus. Sulamith hatte sich ihrerseits dem furischen Sklaven zugewandt. Zwar hielt sein Anblick die Erinnerung wach an jenen schrecklichen Abend. Doch war er es auch, der sie in gewisser Weise beschützt hatte, so gut es ihm eben möglich gewesen war.


    Während sich Iulias Blicke noch in den Einzelheiten des Reliefs verloren, schwenkte ihr Begleiter zu einem anderen kulturellen Lichtpunkt des heutigen Tages über. Es war der Sklave Tiberios, der die Besucher der Ausstellung mit seinem außerordentlichen Reichtum an literarischen Texten beglückte, die er fehlerfrei rezitieren konnte. Besonders aufmerksam fand sie es, als der Decimus diese Kunst mit einem kleinen Trinkgeld belohnte. Graecina pflichtete ihrem Begleiter bei und spendete dem jungen Sklaven ebenfalls einen Sesterz, sowie ein wohlwollendes Lächeln.
    Decimus indes schien ganz begeistert von den Fähigkeiten des Jünglings zu sein und schien echtes Interesse an ihm zu haben. Er schlug ihm eine gemeinsame Rezitation von Senecas Medea vor. Ausgerechnet Medea! Aber natürlich Medea! Letztendlich hatte sie sie zum ersten Mal zusammengeführt. „Der gute Tiberios verfügt gewiss über eine Menge Qualitäten. Eine gemeinsame Rezitation wäre zweifellos ein wunderbarer Genuss. Dennoch hoffe ich dieses Mal auf eine etwas unblutigere Variante.“, fügte Graecina scherzhaft hinzu.

  • Warum nur schien mir das Bild, das Iulia heraufbeschwor so überaus symbolhaft?
    Ein vor Kraft strotzendes Pferd, welches sich vor seinem Herrn aus Freiheitsliebe ein letztes Mal aufbäumt, bevor er seinen Willen bannt.
    Ach, so haderte ich, wenn ich doch bloß ums Heiraten herumkäme....!!! Aber es half ja nichts. Ich musste das jetzt einfach durchziehen. Und die Iulia war bisher von allen Optionen, die mir Großtante Drusilla vorgeschlagen hatte, eindeutig die sympathischste: ein nettes Mädchen, gutgelaunt und aufgeweckt. Die Iulier waren uns gesellschaftlich nahezu ebenbürtig, also passte auch das. Dafür, dass sie nicht Valentina war, konnte Iulia Graecina ja nichts.


    Der holde Jüngling Tiberios stellte in Aussicht, dass seine Herrin ihn bestimmt verleihen würde.
    "Sehr schön." freute ich mich. Silberzüngig wandte er sich auch an meinen lieben Icarion, welcher das höfliche Lächeln erwiderte, von etwaigem Missfallen war ihm nichts mehr anzumerken.
    Auch Iulia Graecina pflichtete formvollendet bei, dass es eine gute Idee sei, unser Kennenlernen mit einer weiteren Darbietung der größten Ehekatastrophe aller Zeiten fortzuführen. :D
    Ich schmunzelte über ihren selbstironischen Kommentar und schärfte Icarion und Tiberius scherzhaft ein: "Keinen Tropfen, hört ihr." (Natürlich hätte ich zwei so geschmackvollen Wesen ohnehin kein Blutvergießen bei einer Rezitation zugetraut.)
    Trocken erwiderte Icarion: "Wir werden uns zügeln, Patron." Und an den Jüngling gewandt:
    "Du wirst von mir hören. Bis dahin, vale, Tiberios."


    Nach dieser Begegnung flanierten wir weiter, besahen uns noch einige erstaunliche Kunstwerke: die Heliaden, und ihre spektakuläre Karambolage mit dem Sonnenwagen, diverse verfolgte Nymphen, dann den Jäger Aktaion, von einem Geweih gekrönt und von seinen eigenen Hunden zerfleischt...
    "Warum nur erscheinen all diese Metamorphosen so... schmerzhaft?" fragte ich mich irgendwann. Doch gerade da tauchten vor uns die liebevoll ihre Äste verschlingenden Mensch-Baum-Gestalten von Philemon und Baucis auf. "Fast alle."
    Eine Steinbank am Rande des Getümmels war noch frei.
    "Wollen wir uns einen Moment setzen?" Icarion besorgte uns je einen Becher verdünnten Weines, natürlich den besten, den das Atelier zu bieten hatte, und ich stieß mit Iulia an.
    "Bene tibi, Iulia Graecina."
    Der Wein war trinkbar. "Welche Statue hat dir am besten gefallen? Und... ähem, vielleicht möchtest du mir ein wenig von dir erzählen." Wer bist du, Iulia Graecina? Hast du das Zeug zur Matrone der Casa Decima?
    "Stammst du aus Achaia, wie es dein Name vermuten lässt?"

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    Klient - Decima Lucilla

  • Tiberios verbeugte sich tief vor dominus Faustus Decimus Serapio, weil er ein eques Romanus war, vor domina Iulia Graecina, (der gegenüber er mit keinem Wimpernzucken verriet, dass er sie kannte), weil sie eine edle römische Dame war, und vor Icarion libertus mit einem leichten Kopfnicken.

    Als dominus Serapio jedoch „keinen Tropfen“ sagte, schaute der junge Alexandriner einen Moment lang etwas besorgt und scheu zu der jungen Sklavin Sulamith hinüber.
    Er hielt sie für jemanden, der besonderes Zartgefühl verdiente, und ganz im Gegensatz zu den Gepflogenheiten auf der Bühne, wurde Medeas Kindermord bei der Darstellung von Senecas Werk ausführlich mit rezitiert.
    Er tröstete sich damit, dass domina Iulia Graecina schon wissen würde, was sie ihrer vertrauten Sklavin zumuten konnte.


    Tiberios lächelte den anmutigen Ikarion an: „Ich freue mich sehr darauf, vale Ikarion“, sagte er sanft, hob leicht die Hand - und schlug dann absichtlich eine andere Richtung ein, um die Herrschaften alleine zu lassen.


    Sein Geldbeutel war nun sehr prall gefüllt, was es dem furischen Sklaven auch nicht ratsam scheinen ließ, allzu spät und schon gar nicht im Dunkeln nach Hause zu gehen.Da die Werkschau noch einige Zeit geöffnet bleiben würde, dachte er aber daran, an einem anderen Tag wiederzukommen.


    Auf jeden Fall wollte er auch noch domina Duccia Clara, die immer so freundlich zu ihm war, und Tusca Aufwiedersehen sagen, vielleicht befanden sie noch im hortus.


    Er ging rasch an den Heliaden und auch an dem sich unter den Lefzen seiner eigenen Hunden in Todesqualen windenden Aktaion vorbei; aber vor Philemon und Baucis blieb er doch stehen, sah in ihre sich zugewandten steinernen Gesichter und wie sie in alle Ewigkeit ihre Zweige ineinander verflochten.


    Und weil wir so lange in Eintracht miteinander gelebt haben, o so lasset uns beide in einer Stunde dahinsterben; dann schau ich niemals das Grab des lieben Weibes, noch muß mich jene bestatten, dachte Tiberios an die bittenden Worte, die das alte Ehepaar an die Gottheiten gerichtet hatte und dachte dann weiter: Wie müsste es sein, so zu lieben und so geliebt zu werden?

    Schmerzlich, dachte er dann, als er die anderen Metamorphosen ansah, bei denen es so oft um gescheiterte oder missverstandene Liebe ging, und ganz gewiss hatte auch eine Medea geglaubt, dass Iason mit ihr alt werden würde?


    Tiberios schloss kurz die Augen. Es war vielleicht besser ledig zu bleiben, und der apatheia, der Leidenschaftslosigkeit der stoischen Philosophie, nachzustreben.
    Ab und zu die Gunst der Aphrodite sollte genügen. So bliebe er ein geistig freier Mann, wie das Sprichwort von Menander choris gynaikos andri kakon ou gignetai beziehungsweise non ullum sine muliere fit malum viro nahelegte.


    Im Hortus fand Tiberios zwar die Pieriden, die unglücklichen Musen der Konkurenz, die sich in Elstern verwandelten, vor, aber domina Duccia Clara und ihren weiblichen Custos Tusca sah er nicht.
    Also würde er den Heimweg antreten.


    Sim-Off:

    *„Nichts Schlechtes widerfährt dem Mann, der ledig bleibt.“

  • Ja ein Bukephalos wäre ein treffliches Kunstwerk, dachte Graecina. Der Stolz des kraftvollen Tieres, welches unweigerlich dazu verdammt war, seine Freiheit zu lassen, berührte die junge Iulia. Beiläufig fiel ihr Blick kurz auf ihren Custos, der immer noch mit dem Blumenstrauß des Decimus bewaffnet war und dies mit einer fast stoischen Gelassenheit ertrug. Wenn sie sich recht erinnerte stammte er aus Gallien oder Britannien. Spontan fiel ihr dabei ‚der sterbende Gallier‘ ein. Vor längerer Zeit hatte sie einmal eine Kopie der Skulptur des nackten und zu Boden gesunkenen keltischen Kriegers bestaunen dürfen, die an den Sieg der Pergamener über die Galater erinnern sollte. Ebenfalls ein kraftvolles Bildnis.


    Die Werkschau hatte noch mit einigen weiteren Höhepunkten aufwarten können. Manche der Kunstwerke sprachen den künstlerischen Geschmack Graecinas an, mache berührten sogar ihr Innerstes und einige dagegen verabscheute sie einfach nur (darunter fiel eindeutig auch die Darstellung von Kainis‘ Metamorphose). Doch resümierend hatte ihr der Besuch der Werkschau viel Freude bereitet, nicht zuletzt da der Decimus sie begleitet hatte und er sich als wahrer Kunstfreund entpuppt hatte. Dies war beileibe nicht alltäglich in dieser Stadt. Ein Grund mehr darauf zu hoffen, dass eine eheliche Verbindung zwischen ihm und ihr zustande kam. Ein Mann, der über so viel Empfindsamkeit verfügte wie er würde zu guter Letzt auch ihren Glauben tolerieren können. Natürlich würde Graecina auch weiterhin Stillschweigen darüber bewahren, bis sie sich ganz sicher sein konnte. Denn im Grunde kannte sie ihren Begleiter ja kaum. Ebenso wenig wie er sie. Doch das sollte sich ändern! Wie bestellt fanden die beiden eine Steinbank vor, die ideal für sie geschaffen zu sein schien, um sich dort niederzulassen und um ein wenig plaudern zu können.


    „Gerne doch,“ willigte Graecina ein, nahm Platz und strich die Falten ihrer Tunika glatt. Der Libertinus Icarion besorgte den beiden zwei Becher mit verdünnten Wein, auf das sie miteinander anstoßen konnten. Sulamith postierte sich derweil im Hintergrund, jedoch in greifbarer Nähe. Der Custos tat es ihr gleich.
    Graecina nippte zunächst artig an ihrem Becher und nahm dann einen kleinen Schluck. Auch ihr schien das Getränk zu munden.


    „Oh, es gab einige, die mir gefallen haben. Doch besonders hübsch fand ich die Darstellung des Pygmalion und der Galatea,“ begann sie wieder plappernd zu antworten, ohne darüber auch nur einen Gedanken drüber zu verschwenden, wie ihr Gegenüber ihr Urteil aufnehmen würde. Die Skulptur, die den Bildhauer Pygmalion darstellte, der seine zum Leben erweckte Statue einer Frau umarmend küsste, hatte fast unscheinbar in einer Ecke gestanden, doch sie hatte die Iulia auf eine ganz skurrile Weise angesprochen. Die Möglichkeit, genau den Ehepartner zu finden, der exakt den eigenen Vorstellungen entsprach, war doch sehr verlockend. Wohl denen, die dem oder der „Richtigen“ begegneten. Doch was war mit jenen, die mit diesem Glück nicht gesegnet waren?


    „Und welche Statue konnte dich am meisten begeistern?“, fragte sie gleich darauf. Vielleicht konnte sie so dem Decimus eine Begründung für ihre Wahl schuldig bleiben. Doch ihr Begleiter wollte in der Tat noch mehr von ihr wissen. War dies ein gutes Zeichen? Mit Sicherheit war es das!


    „Oh, ich stamme aus Kreta. Die Familie meiner Mutter stammte von dort. Nachdem mein Vater noch vor meiner Geburt Rom den Rücken gekehrt hatte, ließ er sich mit meiner Mutter und meinen Brüdern dort nieder und übernahm dort das Landgut in Lappa und auch die Geschäfte des Handelshauses in Gortys. Ich wurde in Lappa geboren und verbrachte die ersten vierzehn Jahre meines Lebens auch dort. Nach dem Tod meiner Mutter sandte mich meine Tante nach Rom zu meinen Verwandten. Seit fast drei Jahren bin ich nun hier und genieße das Leben in der Großstadt und entdecke immer noch Neues, zum Beispiel diese wunderbare Werkschau, “ antwortete sie lächelnd, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. „Wenn ich mich recht entsinne gehörst du den Prätorianern an, nicht wahr.“ Um genauer zu sein war er sogar Gardetribun. Die kleine Sklavengöre, die ihm damals als Begleitung im Theater gedient hatte, hatte dies schließlich lautstark herausposaunt und damit einige der Anwesenden regelrecht in Schockstarre versetzt.

  • Pygmalion und Galatea, wenn es ein Kunstwerk gab das sinnbildlich für alle zusammen hier stand, dann war es wohl dieses. Ich warf Icarion einen kurzen bezeichnenden Blick zu. Er kannte mich gut genug und entschwand.
    "Kreta, ah ja, wie schön." plauderte ich liebenswürdig. "Dort war ich leider nur einmal ganz kurz, als Etappe auf dem Weg nach Alexandria. Ich erinnere mich an ganz phänomenale weiße Berge, und eine Menge Delfine waren dort oft um das Schiff." (Ausserdem erinnerte ich mich an karge Gestrüpp-Hänge und aufdringliche Händler, die mir drittklassige Purpurstoffe als Souvenir hatten aufschwatzen wollen.)
    "Ja, Roma ist unvergleichlich." Ich erwiderte ihr nettes Lächeln. "Ebenso wie du bin ich als Jugendlicher aus der Provinz, ich stamme aus Tarraco, hierhergekommen. Dann bin ich zur Legio Prima gegangen, habe im Partherfeldzug gekämpft, wurde danach hierher zu den Stadtkohorten versetzt. Das war noch die Zeit in der ein jeder sich sub aquila hochdienen mußte, weißt du, anders als heute." Ich verkniff mir einen abfälligen Kommentar zu den dekadenten heutigen Verhältnissen.
    "Nach meiner Erhebung zum Eques habe ich in Ägypten bei der XXII. gedient, danach wurde ich zur Garde berufen. Im Bürgerkrieg habe ich diese als Präfekt gegen die Putschisten geführt, damit war ich nach deren Sieg natürlich erst mal... auf Eis. Unter unserem Imperator Aquilius" dabei kippte ich den Weinbecher und goss einen ordentlichen Schluck Trankesopfer in den nächsten Blumentopf, "- ein Hoch auf unseren Kaiser, möge er hundert Jahre alt werden – wurde ich wieder eingesetzt. Also... ich war immer viel unterwegs und oft fern von Italia stationiert, auch eine erfolgversprechende Verlobung hat sich dadurch leider wieder... zerschlagen, darum bin ich bisher noch nicht verheiratet." so schloss ich etwas schüchtern, es war ja auch peinlich in meinem Alter solo zu sein, außerdem war da in so Momenten immer die vage Befürchtung, dass weibliche Wesen mir meine Unzulänglichkeiten an der Nasenspitze ablesen könnten.
    "Ich, ähem, also ich suche eine Frau, die... sich darauf einlassen kann, einen Soldaten zum Mann zu haben." Wenn ich das Mädchen jetzt nur nicht verschreckt hatte, aber in diesem Punkt zumindest wollte ich ehrlich sein. Rasch und nervös sprach ich weiter: "Und die mir natürlich Kinder schenkt und dem Haushalt vorsteht – wobei der reibungslos läuft, unsere Vilica ist sehr tüchtig. Und die mir loyal den Rücken stärkt. Ja, ähem, also das ist mir wichtig. Dafür biete ich... ein schönes Stadthaus und eine Villa auf dem Ianiculum, beträchtliche Latifundien und Zugang zur Nobilitas - mein Vater ist ja Consular – und... nun, ich werde natürlich auch alles mir mögliche tun um meine, ähem, zukünftige Frau glücklich zu machen. In meiner Gens gibt es eine Tradition sehr tätiger Frauen, meine Schwester hat zum Beispiel die Scola Atheniensis geleitet, und auch die Acta, ebenso meine Tante, also, ich hätte auch nichts dagegen wenn meine Zukünftige sich auch ausserhalb des Hauses betätigt, zum Beispiel priesterlich, solange eben der Haushalt und die Kindererziehung nicht darunter leiden. Das... ja, also das sind meine Vorstellungen."
    Ich versuchte meine Aufregung in einem großen Schluck Wein zu ertränken. Im Grunde waren es auch nur Verhandlungen, aber eben doch für ein sehr bedeutsames Geschäft.
    "Wie sind die deinen, Iulia Graecina?"

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  • Graecinas Augen begannen zu glänzen als Decimus die weißen Berge erwähnte, an deren Ausläufern ihre Heimatstadt Lappa lag. Vor ihrem inneren Auge erschienen Bilder aus ihrer Kindheit, die sie behütet in dem liebenswerten Bergstädtchen mit den weißgetünchten Häusern verbracht hatte. Da waren die uralten Olivenhaine gewesen, die ihr beim Spiel mit ihren viel älteren Brüdern und Sulamith Schatten gespendet hatten. Oder die Blüten der Oleanderbäume in Tante Calvenas Garten , die Sula und sie sich gegenseitig in die Haare gesteckt hatten. Oder das erfrischende Nass der Quelle unweit der Stadt, deren Wasser im Sommer wie Tropfenfäden die Felsen hinab floss.
    Ja, es war eine schöne und unbekümmerte Zeit auf Kreta gewesen, an die sie sich gerne zurückerinnerte und die sie in manchen Momenten auch schmerzlich vermisste. Doch im Augenblick überwog eindeutig ihre Freude, dass sie scheinbar zur rechten Zeit am rechten Ort war. All ihre Bedenken, die sie am Morgen noch gehegt hatte, hatten sich längst in Luft aufgelöst.


    Wie sich herausstellte stammte auch ihr Begleiter ursprünglich nicht aus Rom, sondern aus einer der Provinzen. Hispania, quasi am anderen Ende des mare nostrum. Auch er war dem Ruf der urbs aeterna gefolgt. Doch wie sie seinen Ausführungen entnehmen konnte, hatte es ihn nie lange in Rom gehalten. Ein bewegtes Leben hatte er bisher geführt, welches ihn in die unterschiedlichsten Winkel des Imperiums geführt hatte. Staunend folgte Graecina seinen Worten, denn im Gegensatz zu ihm, der bereits die halbe Welt gesehen hatte, war die Reise nach Rom der einzige Höhepunkt in ihrem Leben gewesen. Von Ägypten oder gar dem Orient hatte sie nur träumen können. Manchmal hatte sie die Kaufleute aus fremden Ländern gesehen mit denen ihr Vater Geschäfte gemacht hatte, wenn sie in Gortyn weilte.


    Ebenso erwähnte er auch eine Episode seines Lebens, die sicher nicht zu den besten und erfolgreichsten gehörte. Im Bürgerkrieg hatte er auf der falschen Seite gestanden, wie sie bereits von ihrer Sitznachbarin im Theater gehört hatte. Sie hatte ihn als schlimmsten Schergen der Tyrannei des Ungeheuers Salinator tituliert. Doch die junge Iulia war davon überzeugt, dass sich Menschen ändern konnten, wenn man ihnen die Chance dazu gab. Diese Chance hatte ihm Kaiser Aquilius gewährt und er hatte sie genutzt, wie Graecina erfreut schlussfolgte. Allerdings unterließ sie es, sich die Frage zu stellen, womit er sich nun als Präfekt beschäftigte.
    „Auf unseren Imperator Aquilius!“ erwiderte sie und hob ebenfalls ihren Becher, jedoch vermied sie das Trankopfer.
    Fast schon entschuldigend beendete der Decimus seine Biographie mit der Tatsache, dass sein bewegtes Leben bisher keine eheliche Verbindung zugelassen hatte. Doch dies wollte er nun ändern. Er kam dabei auch direkt auf den Punkt und redete nicht lange um den heißen Brei herum, denn er hatte genaue Vorstellungen, wie seine zukünftige Frau sein sollte.
    Wie Graecina seinen Worten entnehmen konnte, war es in seiner Familie Usus, den Frauen gewisse Freiheiten einzuräumen. Das hörte sich alles sehr verlockend an. Aus seinem Mund klang es nicht nur wie ein gewöhnlicher Handel zwischen zwei Familien, bei dem die Frau das begehrte Handelsgut war. Nein, er wollte alles tun, um seine Frau glücklich zu machen. Graecinas Herz begann schneller zu schlagen. Alle Wünsche und Hoffnungen bezüglich ihres Zukünftigen schienen sich in Decimus Serapio zu vereinen.


    „Nun, meine beiden Brüder waren auch beide Soldaten. Leider starben sie viel zu früh…“ begann sie und zögerte einen Moment bis sie weitersprach. „Doch meine Mutter und meine Tante haben mich gelehrt, welche Pflichten ich als Matrona zu erfüllen habe und an welche Tugenden ich mich halten soll... ähm also was ich eigentlich sagen wollte…“ fuhr sie mit einem ernstem Ausdruck fort. Doch wieder zögerte sie kurz, denn sie spürte ihre Anspannung. Dann sah dabei kurz zu Sula, als erwarte sie ihre Bestätigung. Die Sklavin jedoch antwortete nur mit einem zarten Lächeln.
    „Also meine Vorstellungen sind äh… Um ehrlich zu sein, hatte ich Angst vor diesem Treffen heute. Denn ich hatte damit gerechnet, auf einen Greis mit schlechtem Atem zu treffen. Nun ja, du bist zwar etwas älter als ich… viel älter… aber ähm... glücklicherweise hat sich der schlechte Atem nicht bewahrheitet.“ Sie spürte die Röte in ihrem Gesicht aufsteigen. „Nein, ganz im Gegenteil, du liebst die Kunst, du hast Augen für das Schöne und du bist sehr hochherzig… Also ich denke, mehr kann sich ein Mädchen wie ich nicht wünschen, als deine Frau zu werden... wenn du mich willst.“

  • Iulia stimmte in meinen patriotischen Spruch mit ein, und auch sonst gefiel mir was sie sagte. Zwei Brüder hatte sie gehabt, also war der Schoß ihrer Mutter fruchtbar gewesen. Eine soldatische Tradition in der Familie – sehr sympathisch, dann würde sie gewiss verstehen, dass der Dienst für mich an erster Stelle stand. Ihre Sklaven behandelte sie auch ohne Hochmut, ihr Umgang mit der kleinen Leibsklavin erinnerte mich an das Verhältnis meiner Schwester zu ihrer Elena damals.
    Worauf ich jedoch nicht gefasst war, war die unverblümte Ehrlichkeit, die mir mit einem Mal entgegenschlug. Einen Greis mit schlechtem Atem hatte sie befürchtet? Das war mir dann doch... etwas zu viel Information. Denn, bei aller Bescheidenheit, so war ich doch durchaus stadtbekannt, hatte mir einen Namen in der Öffentlichkeit gemacht und hörte ungern, dass dieser unter jungen Dingern solche Schreckensbilder auslöste.
    "Ah so?" machte ich indigniert, und hätte fast betont, dass ich sehr viel von Zahnpflege hielt, und jeden Morgen ein Sträußchen frische Minze kaute!! Ich hatte vielleicht Rückenschmerzen, wie jeder Legionär der in die Jahre kommt, aber mein Zähne waren einwandfrei! (Naja, fast.) Waren wir hier auf dem Sklavenmark oder was...? (Ach nein, auf dem Heiratsmarkt.)
    Sie lebt wohl sehr behütet. Rom vergisst schnell. Ich war zu lange unterwegs.
    Sie merkte wohl, dass dies nicht so ganz angebracht gewesen war, denn sie errötete wie der holde Morgen und machte mir Komplimente, ja ermutigte mich um ihre Hand anzuhalten. Hochherzig nannte sie mich, das hörte ich gerne... Sie schien mich ja doch, auch über meine Zähne hinaus, ganz gut zu finden.
    "Ähm...." Das ging alles auf einmal so rasend schnell. Jetzt war ich es, der sich hilfesuchend umwandte, aber Icarion hatte ich ja eben fortgeschickt. Dafür machte mir mein Custos aufmunternde Zeichen, die wohl so etwas wie 'schnapp sie dir' bedeuten sollten.
    "Das zu hören, Iulia Graecina, von einer so hinreißenden und freimütigen jungen Dame wie dir, kann einen jeden Mann nur mit Glück erfüllen!" Ich fürchte, dass mein Lächeln etwas verkrampft war. "Du bist wahrlich ein strahlender Stern am Firmament der römischen Jungfernschaft. - Lass uns nichtsdestotrotz... einer solch bedeutsamen Angelegenheit die ihr gebührende Bedenkzeit widmen."
    Es war eine so befremdliche Vorstellung, dieses zarte Wesen an meiner Seite zu haben, mit ihr das Lager zu teilen. Ich hatte kalte Füße, zugleich wollte ich die ganze Sache, die ich so viele Jahre mit den verschiedensten Strategien vor mir hergeschoben hatte, einfach nur noch hinter mir haben.
    "Stehst du eigentlich unter einer Patria potestas oder bist du sui iuris?"

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  • Graecina konnte nicht glauben, was sie da gerade gesagt hatte! War das wirklich sie gewesen, die mit voller Lauterkeit gepaart mit kindlicher Naivität so offen gesprochen hatte? Offensichtlich ja! Was musste Decimus nur von ihr denken? Zwar entgegnete er darauf nichts, doch deutete so einiges darauf hin, dass er durch ihre Ehrlichkeit peinlich berührt war. Wer wollte denn eine Frau, die so offenherzig alles aussprach, was ihr gerade in den Sinn kam?!


    Schnell hatte sie dann umschwenken können und bedachte ihn mit einigen Komplimenten, die nicht einfach so daher gesagt waren, sondern in ihrem eigenen Empfinden wurzelten. Trotz allem keimte in ihr der Gedanke auf, dass sie damit alles vermasselt hatte. Auch wenn ihr Gegenüber nicht sofort die Flucht ergriff. Was so ein paar ehrliche Worte doch alles anrichten konnten! Mit ihren letzten Worten hatte sie ihm buchstäblich den Gladius auf die Brust gesetzt, auf die Gefahr hin zuzustechen, sollte er ihr Angebot ablehnen.


    Der arme Mann schien sich hilfesuchend nach seinem freigelassenen Begleiter umzusehen, ähnlich wie es die Iulia zuvor getan hatte. Unglücklicherweise hatte er seinen Icarion selbst losgeschickt… - um was zu tun? Sein Custos aber konnte jedoch kurzfristig dessen Platz einnehmen und ermutigte ihn mit seinen Blicken. Es war wohl seiner Lebenserfahrung geschuldet, die ihn dennoch besonnen handeln ließ und er sich daher zunächst eine Bedenkzeit erbat.


    Graecina, für die diese Situation absolutes Neuland bedeutete, da sie sich bisher nur wenig bis gar nicht mit der Frage beschäftigt hatte, wessen Gemahlin sie dereinst werden solle, wirkte für einen Moment etwas enttäuscht. Hatte sie ihn mit ihrer übereilten Ehrlichkeit komplett überrumpelt? Tante Calvena hätte ihr sicher den Rat gegeben, den Decimus zunächst noch ein wenig zappeln zu lassen, damit sie sich nicht unter Wert verkaufte. Tante Calvena aber weilte weit weit weg auf Kreta, und war für den Moment unerreichbar.
    „Äh ja, natürlich… ein wenig Bedenkzeit… ähm ja.,“ entgegnete sie ihm und versuchte dabei ihre Anspannung zu unterdrücken. In ihrer Vorstellung sah sie bereits den Brief, der sie in ein paar Tagen erreichen würde und indem er ihr erklärte, er sei indisponiert und er bedauere es zutiefst, ihr einen Korb geben zu müssen. Dann würden ihre schlimmsten Befürchtungen vielleicht doch noch wahr werden – ein Greis mit schlechtem Atem würde ihr Zukünftiger werden. Sie seufzte bei dieser Vorstellung leise. Besser sie sprach von nun an keinen ihrer Gedanken mehr aus. Auch wenn die Frage, ob sie es vermasselt hatte, sie doch sehr beschäftigte.


    Lediglich seine nächste Frage löste so etwas wie einen kleinen Hoffnungsschimmer in ihr aus, so dass das Leuchten in ihren Augen wieder leicht aufflammte. „Nun, da mein Vater leider schon verstorben ist, stehe ich unter keiner Patria potestas. Jedoch ist mein nächster männlicher Verwandter, Iulius Caesoninus, mein Tutor.“ Ihr Cousin würde mit Sicherheit einer Verbindung mit Decimus Serapio nicht im Wege stehen, wenn dies ihrem Willen entsprach.

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