Cubiculum Maiordomus


  • Tiberios‘ neues Cubiculum war der schmale Raum hinter dem Officium und von diesem nur durch einen roten Vorhang abgetrennt. So konnte der Maiordomus, selbst wenn er schlief, mitbekommen, ob etwa jemand sein Dienstzimmer betrat; zur Sicherheit gab es außerdem noch ein Glöckchenspiel, ein sogenanntes tintinnabulum über der Tür, das läutete, sobald sie aufgestoßen wurde. Außerdem galten Glöckchen als apotropaion, unheilabwehrende Gegenstände.


    Der Boden des kleinen Raumes war mit Mosaiksteinen in einem schwarzweißen Muster ausgelegt die Wände mit silbernen Girlanden auf rotem und schwarzem Untergrund bemalt.
    Ein Bett auf hohen Füßen, ein Hocker für den bequemen Einstieg und eine Holztruhe für Kleidung und persönlichen Besitz vervollständigten die Einrichtung. In der Truhe bewahrte Tiberios auch seine Ersparnisse auf.


    Am anfang fand es der junge Alexandriner ein wenig seltsam, ohne die Schlafgeräusche der anderen Sklaven die Nacht zu verbringen, aber mittlerweile war er gerne nachts für sich.
    Vor dem Einschlafen las er oft noch etwas aus der Bibliothek oder dachte über den vergangenen Tag nach.

    Wenn er zu Tyche oder Minerva- Allat betete, betete er auch für all diejenigen; die zu seinem Leben gehörten, und ab heute würde er die Laren der gens Furia täglich um Schutz für domina Stella und ihre Diener auf ihrer Reise bitten.

  • In dieser Nacht hatte Tiberios abermals einen beunruhigenden Traum:


    Als er zur Seite sah, bemerkte er, dass jemand neben ihm stand, den er nur sehen konnte, wenn er den Kopf nicht drehte.


    Er fragte: „Wer bist du?“
    und der andere erwiderte: „Du weißt es.“
    Tiberios schaute ihn an und hatte das seltsame Gefühl, dass er es selbst war, der neben ihm stand, nur eine – nicht unbedingt an Jahren ältere, sondern an der Summe aller Lebenserfahrungen reichere – Version seiner selbst, sein daimon.


    „Gehen wir ein Stück“, sagte der Andere.
    Diesmal führte er ihn nicht auf einen Berg, auf dem er einem Adler gleich die urbs aeterna überblickte, sondern tiefe Häuserschluchten entlang, ja noch tiefer, in den Bauch der Stadt, die Kloaken und dann aus der Stadt hinaus in die Nekropole bis zu einem grauen Stein.
    „Lies!“, befahl er, und Tiberios las:



    TIBERIOS SERVUS
    Sohn der Caenis
    geboren in Alexandria
    gestorben zu Roma



    Der junge Grieche wunderte sich einen Moment darüber, dass überhaupt eine Inschrift existierte, denn das war bei Sklaven nicht notwendig, nickte jedoch zustimmend über diese Summe seines Lebens; mehr war er nicht gewesen, ein geringer Gast auf Erden. Er erschrak nicht, denn er war in Alexandria geboren, nach Roma verkauft worden , und dort würde er eines Tages dahinscheiden. Es war ihm immer klar gewesen, ein Sterblicher zu sein. und doch: Sub solis luce miserrimum esse quam umbrarum princeps esse malle.*



    „Ich weiß“, sagte er, als er die Inschrift sah:
    „So wird es wohl eines Tages kommen.“


    „Ich vergaß“, sprach der Daimon, nahm seinen Stilus und ritzte den Stein, als sei er Wachs, als er ergänzte:




    TIBERIOS SERVUS
    Sohn der Caenis
    geboren in Alexandria
    gestorben zu Roma
    Sohn der Caesnis
    geboren in Alexandria
    gestorben zu Roma
    „...in seinem zwanzigsten Jahr“



    Und da erschrak Tiberios doch, der Acheron nein, bitte noch nicht, es gab noch so viel, was er wissen, was er tun wollte; die Hände erhoben, wich er zurück….und wachte auf. Sein Herz klopfte ihm bis zum Halse, und seine Stimmung blieb unruhig und düster, und er war nicht er selbst.


    Sim-Off:

    *Lieber der Elendste unter dem Sonnenlicht sein als der Erste der Schatten.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!