Geselliges Vergnügen und muntres Gespräch muß einem Festmahl die Würze geben.

  • Abermals war es nun die Zwergin die verstummte und schweigend den Worten der Römerin lauschte. Denn tatsächlich wusste Cressida nicht was sie auf diese Worte erwiedern sollte. Also schwieg sie lieber und beobachtete die Tiberia mit zur Seite geneigtem Köpfchen.
    “Es gibt zu viele Menschen die Leid bringen. Die Waagschale ist dann unausgeglichen. Da muss sich erst das Gleichgewicht wiederherstellen. Die Urbs Aeterna vergiftet Herzen Stella. Diese Stadt ist böse.“


    Dann kicherte die aurelische Sklavin und zwinkerte der Römerin zu. Blieb jetzt nur abzuwarten ob die Kleinwüchsige ihre Worte ernst gemeint hatte oder lediglich in Prosa sprach. Denn manchmal passierte es das Cressida ihre Worte so aussprach, als würde sie gerade vor Publikum stehen. Was in diesem Augenblick in gewisser Hinsicht auch zutraf. Zwar saß sie alleine mit der jungen Römerin am Tisch. Aber um sie herum saßen lärmende Römer. Die sich zwar überhaupt nicht für sie beide interessierten. Aber dies war der Zwergin in diesem Augenblick vollständig egal.


    Dann erwiederte die Römerin das sie ihr zustimmte und Cressida nickte mit einem äußerst nachdenklichen Glanz in ihren Augen.
    “Es gibt einige die sich voll und ganz von ihren Feinden vereinnahmen lassen. Dann wissen sie selbst nicht mehr was richtig und was falsch ist. Diese Stadt spuckt Gift wie eine Schlange.“
    Bei diesen Worten hatte Cressida unbewusst nach Stellas Hand gegriffen und streichelte mit ihrem Daumen federleicht über deren Handrücken. Dabei ließ die Zwergin ihren Blick durch das Innere der Tabernae gleiten. Als wäre diese Berührung etwas vollkommen normales für die aurelische Zwergin.


    “Herzen können allzu leicht zerbrechen. Und bleiben zerstört im Staub der Einsamkeit zurück.“
    Bei diesen Worten hatte sich Cressidas Blick dann doch wieder auf die junge Römerin geheftet. Wobei sie Stellas Handrücken noch immer zärtlich liebkoste.
    “Wenn ... du möchtest, können wir sofort aufbrechen. Und du begleitest mich einfach zur Villa Aurelia. Der Eintopf ist so gut wie leer und bezahlt ist er auch schon.“
    Kaum ausgesprochen. Rutschte die Zwergin von der niedrigen Bank und schielte aus dem Augenwinkel in Stellas Richtung.

  • Stella war überfordert. Und Überforderung war für die Tiberia nicht gut. Ihr Verstand reagierte dann panisch und wollte stets die Flucht ergreifen, da selbst emotionale Zuwendung in einer solchen Situation zu viel wurde. Cressida versuchte ihr Bestes, tat ihr Möglichstes, doch Stellas Herz war noch immer in einer eigenen Agonie gefangen. Stella hatte lernen müssen, dass es manchmal besser war, alleine zu sein. Trauer war ein mächtiger Feind, der Leben leblos machen konnte. Zeitweise Ausbrüche aus diesem Herzschlag waren nur vorübergehend, solange die Suche nach jenem Heilsort nicht beendet war. Stella brauchte ein Zuhause und keinen Fluchtpunkt. Kurz bevor Cressida von der Bank sprang, zog Stella ihre Hand zurück. Im guten Glauben an den eigenen Schmerz blickte sie wortlos zu Cressida. Ja, Rom war böse. Überall war Gift, welches jede Handlung unmöglich machte. Stella begriff, dass die Idee, einen Moment frei von dem Verlust zu sein, falsch war. Vieles erschien falsch, unmöglich und der leise Abschied von Cressida war in diesem Moment alles, was Stella anbieten konnte. Nein, sie konnte nicht zur Villa Aurelia gehen. Sie wollte nicht mehr darüber sprechen. Cressida war zu gut, zu liebevoll und mitfühlend, so dass Stellas eigener Schmerz nicht mehr als Last verteilt werden sollte. Stella gierte nach Einsamkeit, auch wenn sie jene Einsamkeit stets verdammte. Verdammnis lag nicht allein im Verlust, sondern im unerfüllten Leben, welches mahnend und wegweisend verblieb. "Ich muss eine Zeit für mich sein, Cressida." Eine lange Zeit. Pluto würde ihr in der Stille antworten. Nein, ein behäbiges Nein, durchfuhr ihren Schädel, dass alles, was sie sich erhoffen konnte, nur vertraute Einsamkeit war. Freundschaften, Besuche und Gespräche standen ihr nicht zu, nicht nach dieser Erinnerung. Nicht nach dem Weckruf an ihre eigene Agonie, die ihren Herzschlag mit Vergeltung füllte. Stella würde das finden, was ihr Vater verloren hatte und sie würde frei leben. Aber jetzt noch nicht. Sie musste sich von Cressida verabschieden aber konnte sich nicht von ihrer eigenen Seelenlast verabschieden. "Und ja, Herzen bleiben im Staub der Einsamkeit zurück," sagte Stella müde, während ihr Gesicht erstarrte. Frost wirkte auf die Tiberia ein, lebendiger Frost machte jede Bewegung langsam und mechanisch. "Ich danke dir," bewegte sich die junge Tiberia von der Bank, heimgesucht von der Erinnerung und den Ängsten, die unbeabsichtigt beschworen worden waren. Leise und still trat sie an Cressida vorbei und wandte sich dann noch einmal, egal, was sie jetzt glauben wollte oder dachte. Stella rang sich ein mitleidges Lächeln ab, welches mehr sich selbst galt, als der armen Cressida. "Danke." Mit diesem Wort verschwand Stella im Schatten, wie es ihr einst von ihrem Vater beigebracht wurde. Zu Verschwinden war eine gnadenvolle Fähigkeit für leidende Seelen, die in einem vergebenen Streit kämpften. Ein Kampf, der nur gemäßigt wurde aber niemals endete. Trauer war eine Kette, die sie sich selbst schmiedete. Mit geisterhaften sowie lautlosen Schritten ließ Stella los und rannte in den Tag davon, der ihr heute nichts mehr bereiten würde, außer jene Agonie. Es war ein Fluch. Denn Stella hatte keine Antworten auf ein normales Leben und würde in falschem Eifer mehr zerstören als Gutes bewerkstelligen.

  • In einer gar fließenden Bewegung war die Zwergin von der niedrigen Bank gerutscht und blickte nun mit großen Augen zu der jungen Römerin empor. Denn eine leise Ahnung flüsterte Cressida das sie alleine den Weg zur Villa Aurelia anstreben würde. Und die Römerin die Taberna vor ihr verlassen würde. So war es schließlich auch und Cressida blickte Stella mit großen Augen nach. Ihre Worte hatte die Sklavin noch deutlich in den Ohren. Und Cressida verbeugte sich, auch als die Tiberia bereits das Weite gesucht hatte. Oder sollte sie wohl besser andeuten, die Flucht ergriffen hatte?
    “Mach es gut .. Freundin Stella.“
    Dabei hatte die Zwergin ihre Finger miteinander verschränkt und diese gegen ihre Brust gepresst. Bevor sie sich aus ihrer tiefen Verneigung aufrichtete und sich nachdenklich durch ihre dunklen Strähnen strich. Dieses Gespräch mit der jungen Römerin würde Cressida noch eine äußerst lange Zeit begleiten. So brachte sie in gar schlafwandlerischer Manier den Eintopf zurück zur Theke und begegnete unterwegs dem aurelischen Nomenklator. Von diesem ließ sie sich zwischen den Tischen hindurch schieben, ohne mit Tisch- oder Stuhlbeinen zu kollidieren.


    Vor der Taberna Apicia atmete Cressida tief durch. Drehte sich langsam herum und schlug den Weg zur Villa Aurelia ein. Das Gespräch würde die Sklavin wohl nicht so schnell vergessen.

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