[Tigillum Sororium] Ein neuer Drillingskampf?

  • Vom Südwesthang des Esquilin, den Carinae, ging ein Weg hinunter in den Vicus Cyprius, eine Gasse am Fuße des Hügels, die die Subura mit dem Amphitheatrum Flavium verband. An der Kreuzung befand sich seit ewigen Zeiten ein besonders Monument: An einer Stelle ragten zwei Balken in die Gasse, die von einem dritten überspannt waren. Links und rechts davon waren zwei Altäre errichtet - einer für Iuno Soraria, einer für Ianus Curiatius. Der Sage nach hatten die Horatier dies während der Sabinerkriege unter Tullus Hostilius errichtet. Der Grund war ein Duell gewesen - ein Drillingspaar der Horatier für Rom, ein Drillingspaar der Curiatier für die Sabiner. Erstere hatten letztlich mit einem Überlebenden gewonnen, doch weil dessen Schwester um ihren Verlobten von der Gegenseite getrauert hatte, hatte er sie getötet. Die Sage beschrieb, dass es zu einem Gerichtsprozess gekommen war, der den Horatius zu einer Sühne verurteilt hatte: Er musste mit verhülltem Haupt unter einem Joch (dem aufgespannten Querbalken) durchgehen (damals ein Ritual für Kriegsgefangene vor ihrer Freilassung) und ein Opfer an den beiden errichteten Altären vollziehen. Seither stand das Tigillum Sororium an dieser Stelle und erinnerte an diese Kuriosität aus vergangenen Zeiten.


    An diesem nebligen Morgen lag an diesem geschichtsträchtigen Ort allerdings eine recht grausige Opfergabe zu Füßen der Altäre: vom Boden hob sich ein Leichnam mit geschwollenem Bauch ab, splitternackt und wachsweiß. Durch eine klaffende Wunde an der Kehle war all scheinbar ein Großteil seines Blutes ausgetreten. Es war wohl sehr wahrscheinlich, dass er daran verstorben war, auch wenn eine kleine Wollpuppe in seinen weit aufgerissenen Mund gestopft worden war, die ihn sicherlich auch erstickt hätte.


    Noch war es auf dieser Gasse, die zu eng für den nächtlichen Lieferverkehr Roms war und daher nachts ziemlich verlassen, totenstill. Die ersten Passanten, die früh morgens den Weg in Richtung Zentrum nahmen, würden mit etwas Aufmerksamkeit den Toten aber schnell entdecken. Und dem besonders aufmerksamen Beobachter würde auch nicht entgehen, dass der Tote einen ziemlich gepflegten Eindruck machte: Sein Bart war sauber gestutzt und unterhalb von diesem hatte er jedes Härchen entfernen lassen, wie es der Mode entsprach. Und wer ihn untersuchte, konnte vielleicht sogar erkennen, dass der Mann Ringe getragen hatte... wenn man sich denn so nahe an den Toten heranwagte.


    Alles in allem sah es also ganz verdächtig nach einem Verbrechen aus, das nicht in die Kategorie "Habenichts tötet Habenichts" fiel...

    Sim-Off:

    Das wäre dann der "Kick-off" für unseren kleinen CU-Plot... wer möchte, kann den Fall gerne melden und Teil der Geschichte werden :)


    LPC

  • Diocles hatte ausnahmsweise einen Brief aus der Kanzlei in die Domus Artoria tragen müssen, da das Schreiben liegen geblieben und vergessen worden war, und die Kanzleiboten so früh noch nicht unterwegs waren. Die Domus lag am Esquillin, und danach musste der junge Sklave den ganzen Weg bis in die Casa Furia zurück laufen. Noch war es früh am Tage, gerade die Stunde, in der die Fuhrwerke endgültig aus der Urbs abgezogen wurden, aber die Leute sich so allmählich erhoben. Einige bleiche, torkelnde Gestalten kamen aus der Subura; Lupae beiderlei Geschlechts, deren viel zu dick aufgetragene Schminke zerlaufen war, wankten von nächtlichem Tun erschöpft in ihre Verschläge. So langsam kamen auch die ersten Sklaven, fröstelnd in ihren kurzen Tunikas.

    Diocles hielt den Kopf gesenkt und die Arme um sich geschlagen. Er kam aus Byzantion, einer unbedeutenden Provinzstadt, und das kaiserliche Roma fand er furchtbar groß.

    Herbstlich war es schon, und der Frühnebel hing wie graue Fetzen zwischen den Mauern der engen Gassen.

    Plötzlich stand er vor einem Monument, das er noch nie gesehen hatte, unerwartet tauchte es aus dem Grau auf.

    An einer Stelle ragten zwei Balken in die Gasse, die von einem dritten überspannt waren. Links und rechts davon waren zwei Altäre errichtet.

    Was war das? Hatte er sich etwa verlaufen....

    doch was er dann sah, ließ ihn die Sorge um sein eigenes Wohlergehen vergessen:

    Ein Toter lag auf dem Boden, ledig aller Kleidung, bleich und aufgedunsen wie Wachs. Sein Mund stand offen, und die rote klaffende Wunde an seiner Kehle wirkte wie ein zweiter grässlicher Mund.

    Diocles riss die Augen auf und presste seine Hand in den Mund, um nicht loszuschreien. Dabei sagte er sich, dass Tote ganz normal waren...doch.... halb im Grauen, halb fasziniert trat der junge Sklave näher. Irgendetwas hatte der Tote im Mund....

    eine Puppe aus Wolle...was hatte das zu bedeuten?

    Diocles überlegte, ob er die Bluttat nicht irgendwo melden musste. Freilich war er nur ein Sklave, und daher beschloss er, solch eine Angelegenheit nicht alleine anzugehen, sondern seinen Dominus zu fragen, was er tun sollte.

    Er drehte sich um...seine Knie wurden weich, und jetzt merkte er auch, wie sein Magen ihm an die Kehle hüpfte.

    Dennoch zwang er sich noch einmal, hinzusehen:

    Der Tote hatte einen sorgfältig gestutzten Oberlippenbart, wirkte eigentlich auch gepflegt, nicht wie Subura- Abschaum.

    Diocles schüttelte sich.

    Langsam ging er rückwärts, fast unfähig, den Blick von dem Leichnam zu lösen. Aber eigentlich hatte er es eilig,in die Casa Furia zu kommen; sein Dominus würde hoffentlich wissen, was zu tun war.

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    SCRIBA PERSONALIS - AULUS FURIUS SATURNINUS

  • Lurco erreichte gemeinsam mit Pullus den Tatort. Und genau dort lag er, der Tote den Diocles am Tor gemeinsam mit seinem Herrn gemeldet hatte. Zu den Füßen der Altäre lag der Mann. Nackt, leichenblass, geschwollener Bauch und mit durchgeschnittener Kehle. Lurco zückte seine erste Wachstafel und notierte alles fein säuberlich. Pullus behielt die Gegend im Auge, während Lurco sich zu dem Toten hockte.


    Der Kehlschnitt war die tödliche Verletzung gewesen. Bei der Menge an Blut die ausgetreten war, hatte es für den Mann kein Entrinnen gegeben. Auch den immensen Blutverlust notierte Lurco und zeichnete die Blutlache auf. Hineingetreten war noch niemand. Vermutlich weil man einem nackten Mann eh keinen Geldbeutel abschneiden konnte. Keine Gossenratte hatte sich in die Nähe gewagt. Wer wollte auch schon mit einem Mord in Verbindung gebracht werden, wo es vorab nicht einmal etwas zu holen gegeben hatte?


    Lurco beugte sich über den Toten und starrte ihm in den Rachen. Die Zunge war dunkel verfärbt und hatte Ähnlichkeit mit einer dicken Nackschnecke. Interessant war dies nicht, sondern der Umstand, dass im Rachen des Toten ein Püppchen steckte. Es war immer noch an Ort und Stelle. Lurco ergriff das Kinn des Toten und zog dessen Mund bewusst langsam auf um das Püppchen nicht zu beschädigen. Vorsichtig mit zwei Fingern angelte er es aus dem Rachen des Toten.


    Pullus schaute Lurco an und nickte knapp.


    "Ein Zeichen, ich vermute wie die Krähenschädel", sagte Lurco und drehte die Puppe zwischen den Fingern.

    "Möglich. Das Zeichen muss aber nicht für einen Bandenkrieg stehen. Vielleicht hat sich dieser Mann mit Mächten eingelassen, von denen er besser die Finger gelassen hätte. Die Puppe steckte im Rachen, sie haben ihn zum Schweigen gebracht", warf Pullus ein.


    "Richtig, so ist es. Eine Exempel statuiert und die anderen gewarnt, die sich das gleiche herausnehmen wollen. Wer immer die auch sein mögen", sinnierte Lurco.


    Manius legte das Püppchen beiseite und nahm die Hände des Toten zur Hand. Helle, leicht eingekerbte Linien an den Fingern. Also hatte der Mann Fingerringe getragen. Behutsam drehte er die Hände um, die Handflächen waren unversehrt. Lurco betrachtete den Toten sorgfältig von oben bis unten und drehte ihn dann auf den Bauch. Sein Rücken war unversehrt, seine Vorderseite ebenso.Keine Abwehrmerkmale. Es musste ihn schnell und hinterrücks erwischt haben. Die Puppe war ihm nach dem Mord in den Rachen gestopft worden.


    Lurco ging weiträumig den Tatort ab, fand aber keinen weiteren Hinweis. Die Tatwaffe, falls sie der oder die Täter weggeworfen hatten, war schon längst in anderer Hand. So etwas blieb in Rom nicht lange liegen, falls eine Waffe überhaupt auf dem Boden aufschlug, hatte sie sofort einen neuen Besitzer. In der Subura jedenfalls würde keine Waffe lange im Dreck liegen und hier war es sicher nicht anders. Die finsteren Gestalten hielten sich an keine Grenzen, weder weltliche, noch moralische.



    Mordfall, Leichenfund am Tigillum Sororium


    Leiche: männlich, nackt, leichenblass, geschwollener Bauch, gepflegte Erscheinung - Bart gestutzt, Haare gezupft, Hände gepflegt, ehemals beringt.

    Tatort: Roma, Tigillum Sororium, zu Füßen der Altäre.

    Tatzeitpunkt: unbekannt.


    Tathergang:

    Dem Opfer wurde mit einem scharfen Gegenstand die Kehle durchgeschnitten. Aufgrund des hohen Blutverlustes verstarb das Opfer. Keine Abwehrverletzungen an den Händen oder am sonstigen Körper der Leiche zu finden.


    Bemerkung:

    Dem Opfer wurde ein Püppchen in den Rachen geschoben. Es ist davon auszugehen, dass es sich um ein statuiertes Exempel handelt. Das Opfer sollte aller Wahrscheinlichkeit nach zum Schweigen gebracht werden. Ferner diente das Opfer somit auch als Warnung an andere. Wer diese anderen sind, allen voran wer der oder die Täter gewesen sind, muss von uns noch in Erfahrung gebracht werden.

    Zum jetzigen Zeitpunkt können keine Täterhinweise gegeben werden.



    Manius Purgitius Lurco

    Urbaner, Zwölfte Kohorte, dritte Zenturie, siebtes Contubernium



    Pullus kam einige Minuten später mit einem Eselskarren zurück, den er organisiert hatte. Das Tier sah wenig begeistert aus, von seiner Arbeit, besonders als ihm der alte Blutgeruch in die Nase stieg. Mit gemeinsamer Anstrengung wuchteten Pullus und Lurco den Totan auf den Karren und brachten ihn zur Castra, so wie es Maro angeordnet hatte.

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