Ein kleines Lagerfeuer am Ufer des Flusses

  • Adalrich hatte die Ereignisse des Tages soweit verarbeitet und inzwischen war er sich auch sicher, das niemand seiner Familie vor Ort zugegen war. Da die Wachen zu später Stunde ohnehin niemanden ins Lager der Flotte lassen würden, hatte sich der junge Germane dazu entschieden die Nacht am Flussufer zu verbringen und am nächsten Morgen seinem Schicksal zu folgen. Adalrich hatte sich bewusst für einen Lagerplatz etwas abseits der immer noch lärmenden Marktstände und der zahlreichen Saufgelage entschieden und schwelgte etwas in Erinnerungen, als er ein verdächtiges Geraschel im Unterholz vernahm.


    "Wer ist da?", blickte er in die Dunkelheit ohne etwas oder jemanden erkennen zu können. "Hier gibt es nichts zu holen."

  • Sich einen Weg durch das dichte Unterholz zu bahnen war nicht gerade nach dem Geschmack von Tiro. Ohnehin verstand er diese unerträgliche Naturverbundenheit der Germanen nicht wirklich. Sicherlich war so ein Wald schön anzusehen und vielleicht sogar kunstvoll zu zeichnen, doch darin herum zu klettern war weniger reizvoll. Nach einer ihm schier endlosen Zeit erkannte Tiro letztlich einen Feuerschein nahe des Flussufers. Allerdings konnte er nur wenig mehr als den Umriss einer Person ausmachen und wenngleich Tiro ein geselliger Zeitgenosse war, wollte er nicht unvermittelt an die falschen Leute geraten.


    Zum Glück war sein Talent im Anschleichen genauso kümmerlich wie seine Kondition und einige ungeschickt gesetzte Schritte später war die Gestalt am Flussufer über seine Annäherung informiert. An der Stimme erkannte Tiro sogleich, das er den richtigen Lagerplatz gefunden hatte.


    "Ich weiß das es bei dir nichts zu holen gibt.", versicherte Tiro in Richtung des Mannes.


    "Ich bin es. Lucius Annaeanus Tiro.", rief Tiro und fügte vorsichtshalber hinzu. "Du weißt doch noch, der Kerl der dich vor Arbitio gerettet hat."

  • Adalrich brauchte nicht wirklich nachzudenken wer ihm da entgegen kam. Natürlich hatte er diesen zierlich gebauten Mann nicht vergessen der sich ungefragt in seine Auseinandersetzung mit diesem Hünen eingemischt hatte und der die Lage in friedlicher Weise gemeistert hatte.


    "Du hast mich nicht gerettet. Ich hätte meine Haut schon teuer verkauft.", stellte Adalrich etwas brüskiert klar. "Was willst du hier?"

  • "Natürlich hättest du das, Adalrich.", beschwichtigte Tiro den jungen Mann und trat einige Schritte näher in Richtung Ufer.


    Während er dem knisternden Feuer näher kam, spürte Tiro erst richtig wie kühl es bereits geworden war. Die Witterung hier im Norden war ebenso wenig nach seinem Geschmack, wie die oft rüpelhaften Manieren der hier lebenden Menschen. Tiro vermutete auch das es ihm nicht alleine so erging, hatte er doch bei so manchem Gesprächspartner der schon länger hier seinen Dienst tat, eine gewisse Melancholie festgestellt. Die meisten vermissten die warmen Gefilde ihrer Heimatregionen und die Köstlichkeiten der heimischen Küche. Bei diesen Gedanken gesellte sich neben der Kälte noch ein anderes Unwohlsein hinzu. Tiro verspürte das er schon länger nichts mehr gegessen hatte und seine letzten Münzen waren für die Beschwichtungen der Rüpel draufgegangen.


    "Eigentlich wollte ich mich nur etwas an deinem Feuer wärmen. Es ist verdammt kalt und leider hat meine großzügige Unterstützung für deine Person meine Mittel für eine warme Unterkunft etwas geschröpft.", stand Tiro nun schon fast gänzlich im Freien.

  • Er hatte den Namen des jungen Germanen also doch noch gehört.


    "Ich hatte nicht um deine Unterstützung geben.", stellte Adalrich etwas trotzig klar. "Aber Gastfreundschaft wird bei den Nemeti groß geschrieben."


    Der Germane deutete seinem unerwarteten Gast sich zu setzen um sich zu wärmen und griff nach einem nahe dem Feuer in den Boden gesteckten Stock an dem ein gegarter Fisch befestigt war, um diesen dem Gast zu reichen.

  • Tiro nahm die Einladung gerne an und war mit einem großen Satz am Lagerfeuer angelangt. Dort setzte er sich auf einen wohl der einst angeschwemmten Baumstamm und betrachtete die ihm entgegen gestreckte Speise mit einer gewissen Skepsis. Fisch war nun nicht wirklich seine Leibspeise und sicherlich war er recht rudimentär zubereitet worden, wenn man das bloße Garen überhaupt als Zubereitung nennen wollte. Allerdings wollte Tiro die Gastfreundschaft des jungen Germanen nicht zurückweisen und außerdem hatte er ohnehin einen ordentlichen Hunger, der die Schwelle der Überwindung rapide nach unten sinken ließ.


    "Ich danke dir.", nahm Tiro den Stock samt Mahlzeit entgegen.

  • Das ganze Auftreten des Gastes verdeutlichte das er wohl eher selten in der Natur unterwegs gewesen war und einen gewissen Hang zum Komfort hegte. Scheinbar legte er auch viel Wert auf Manieren in jederlei Hinsicht, nicht anders konnte sich Adalrich die umständliche Art und Weise erklären, wie der Mann seinen Fisch zu verspeisen versuchte. Und sichtlich stammte er auch nicht aus dieser Gegend, nun gut, die meisten Römer stammten nicht von hier, doch dieser Mann sah noch irgendwie etwas anders aus.


    "Bist du Römer? Dein Name und deine Manieren sprechen dafür. Aber irgendwie bist du nicht so hochnäsige wie die meisten Römer die ich bisher getroffen habe."

  • Während Tiro versuchte seine Würde zu wahren, während er den überraschenderweise recht wohlschmeckenden Fisch zu verzehren suchte, musterte ihn Adalrich mit neugierigem Blick. Die folgende Frage des jungen Germanen hatte Tiro dabei schon vorausgeahnt, war sie ihm doch gerade in letzter Zeit schon des öfteren gestellt worden. Zwar trug Tiro einen römischen Namen und trug römische Kleidung, doch sein Leben als Servus hatte ihm - anders als vielen frei geborenen Römern - eine gewisse Demut gelehrt.


    "Im engeren Sinne bin ich wohl ein Römer.", erwiderte Tiro kurz.


    Der fragende Blick seines Gegenüber ließ ihn dann jedoch eine etwas ausführlichere Antwort geben.


    "Wenn du es genau wissen möchtest. Ich bin ein Libertinus. Ein freigelassener Sklave. Und ich glaube ich habe griechische Wurzeln."

  • Ein Freigelassener also, das ergab Sinn und würde manches erklären. Bislang hatte Adalrich zumeist nur mit Sklaven der Römer zu tun gehabt, wenngleich dieser Mann deutlich gepflegter aussah als jene Untergebenen mit denen es Adalrich bislang zu tun gehabt hatte. Vermutlich war er kein Arbeitssklave gewesen, er schien eine gewisse Bildung zu haben und sein Äußeres wirkte für das Auge angenehm. Vielleicht war er ja ein Lustsklave gewesen und irgendein vornehmer Römer oder auch eine Römerin hatten ihn sich als wärmenden Zuspruch in einsamen Nächten gehalten.


    "Wieso glaubst du das du griechische Wurzeln hast? Haben deine Eltern dir denn nicht erzählt woher ihr stammt?", hakte Adalrich nach.

  • Als der Germane seine Frage stellte, blieb Tiro sein letzter Bissen schier im Halse stecken. Das war ein wunder Punkt des LIbertinus den Adalrich - unwissentlich - angesprochen hatte und der in ihm einen unsäglichen Schmerz auslöste.


    "Ich habe meine Eltern nie kennen gelernt. Scheinbar war meine Mutter als sie mit mir schwanger war an meinen Herrn verkauft worden und ist bei meiner Geburt gestorben. Ich wuss als Mündel einer anderen Sklavin auf. Was ich über meine Herkunft weiß, habe ich von den anderen Sklaven und natürlich meinem Herrn erfahren."


    Tiro biss ein weiteres mal ab, um seinen Schmerz herunterzuschlucken und seine Verletzlichkeit in diesem Moment zu kaschieren.


    "Daher glaube ich das ich griechische Wurzeln habe."

  • Adalrich hatte offensichtlich einen wunden Punkt getroffen, was ihm leid tat. Der sonst so fröhliche Tiro wirkte nun in sich gekehrt und sichtlich betroffen.


    "Tut mir leid. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen.", wollte sich Adalrich rechtfertigen. "Etwas Wein?"

  • Tiro griff dankend nach dem wenig reizvollen Schlauch und nahm ohne zu Zögern einen kräftigen Schluck daraus. Der Inhalt überraschte den Mann allerdings, denn der Wein schmeckte besser als er es erwartet hatte.


    "Schon gut, Adalrich. Die Vergangenheit ist vergangen.", wischte sich Tiro den Mund.


    "Doch sag mir nun. Wie hat es sich hierher verschlagen. Und woher hast du dieses wohl schmeckende Köstlichkeit?", deutete Tiro auf den Schlauch.

  • Adalrich war froh als sich die Stimmung wieder aufhellte und so gab er bereitwillig Auskunft über seinen bisherigen Lebensweg. Er erzählte seinem Gast von seiner Familie, dem Gehöft, seiner Kindheit und dem Gewerbe seines Vaters und letztlich auch von seinem Entschluss in die weite Welt aufzubrechen. Es war ungewöhnlich für den jungen Germanen so redselig zu sein, doch irgendwie ließ ihn die Gegenwart von Tiro jedwede Scheu vergessen.


    "... und so bin ich hier gelandet.", schloss Adalrich seine Erzählung und reichte Tiro neuerlich den Schlauch mit dem Wein. "Den Wein habe ich, nun ja, sozusagen gefunden."

  • Gefunden? Eine recht schöne Beschreibung für Diebstahl, wie Tiro dachte. Allerdings wollte er den jungen Germanen hierfür nicht verdammen, alleine schon weil er doch nun selbst ein Nutznießer dieses Umstandes war. Und so ergriff er neuerlich den Schleuch und ließ das wohltuende Elixier des Lebens in sich hinein strömen.


    "Und was hast du nun vor? Das Leben eines Wegelagerers ist kurz und du wirkst mir auch nicht gerade prädestiniert dafür."

  • "Ich möchte zur Classis. Etwas von der Welt sehen. Neue Erfahrungen sammeln.", fasste Adalrich seinen Entschluss kurz und knapp zusammen.


    Auch wenn er Tiro erst seit einigen Stunden kannte - wobei kannte schon zu viel gesagt war - wusste er, das seine Worte diesen offensichtlich amüsierten.


    "Was gibt es da zu feixen?"

  • Tiro fühlte sich ertappt, doch auch wenn Adalrich grollte wusste er, dass dieser es nicht wirklich ernst meinte mit seinem Unmut.


    "Verzeih mir bitte, Adalrich.", beschwichtigte Tiro die Situation.


    "Es ist nur so, ... die Classis hier ist wohl eher weniger geeignet um die weite Welt zu sehen. Es sei denn du hast von diesem Abschnitt des Rheins noch nicht allzu viel gesehen."

  • Adalrich begann zu grübeln. Der Mann mit dem er sein Essen und Trinken teilte hatte wohl recht. Doch wohin sollte er denn sonst gehen, wenn nicht zur Classis. Die Auxiliartruppen hatten ihn bereits abgelehnt. Die Legionen nahmen keine Stammesmitglieder auf. Das Händlerdasein war nichts für ihn und den Pfad des Wegelagerers wollte Adalrich sicherlich nicht einschlagen. Der junge Germane hasste es wenn er in seiner offensichtlichen Naivität ertappt wurde und so suchte er möglichst das Thema von sich selbst auf Tiro zu lenken.


    "Das spielt doch keine Rolle.", grummelte er. "Was machst du eigentlich hier? Wolltest du schon immer einen echten Barbaren sehen?"

  • Tiro schüttelte den Kopf. Wenn er hätte echte Barbaren sehen wollen, hätte er Rom nie verlassen müssen. Auf den Sklavenmärkten wimmelte es nur so von diesen Männern und Frauen aus dem befremdlichen Norden.


    "Ich will auch zur Classis."

  • Jetzt war es an Adalrich sich belustigt zu zeigen.


    "Zur Classis? Du?", verzog der junge Germane sein Gesicht zu einer Grimasse. "Hast du eigentlich schon mal harte Arbeit verrichtet? Ich bin nicht so überzeugt das dieses Leben das richtige für dich wäre. Und wozu überhaupt? Du bist doch schon ein Römer, was bringt es dir also?"

  • Tiro senkte den Kopf und blickte in die Flammen.


    "Das hat etwas mit meinem ehemaligen Herrn zu tun. Aber darüber möchte ich nicht sprechen."


    Die sonst so freudige und aufgeschlossene Art des Tiro wich einer gewissen Melancholie.

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