Den Tag nach der Moralpredigt seines Vaters verbrachte Nero allein in seinem aufgeräumten Zimmer. Er starrte die Truhe an, doch öffnete sie nicht. Dann starrte er über Stunden an die Wand, unfähig, ein Körperteil zu rühren oder etwas zu sagen. In seinem Geist nagte die Frage, ob sein Vater recht damit haben könnte, was er alles sei. Dass er Schande bringen würde über das Haus seiner Familie, über seinen Vater und über seine verstorbene Mutter. Dass er es verdiente, ad bestias zu enden. Zu weinen hatte er sich schon als Kleinkind abgewöhnt, da niemand je auf seine Tränen reagiert hatte, doch innerer Schmerz zog ihm seine Kehle so sehr zusammen, dass er bisweilen Mühe hatte, zu atmen.
Als die Sonne unterging, gelang es ihm, aufzustehen, weil der Nachttopf ihn mittlerweile sehr dringend rief. Und danach packte er seinen Beutel mit den üblichen Dingen: einem zweiten wollenen Überwurf, falls er draußen einschlief, einige kleine Amphoren mit Wein, seine keltische Bronzepfeife und das parthische Kraut, eingeschlagen in ein Ledermäppchen, und ein wenig Geld, das nur für diesen einen Abend reichen würde. Falls ihn jemand ausraubte, wäre das bei dieser Summe kein dramatischer Verlust. Essen nahm er keines mit. In mehrere Tunicae gehüllt, die dem kalten Winterwetter Rechnung trugen, mit einem Wollmantel und mit Socken in den Caligae und den Beutel über der Schulter, machte Nero sich auf zu dem einsamen Streifzug hinaus in die Dunkelheit.
Die Amphoren klimperten bei jedem Schritt auf seinem Rücken. Der Nachtwind schleuderte ihm Schneeflocken entgegen, so dass er die Kapuze seines Wollmantels über das blonde Haar zog, als er in die Gassen der Subura einbog, stockfinster um diese Zeit, lediglich spärlich beleuchtet von der Beleuchtung der vorbeidonnernden Fuhrwerke oder jenem Licht, was durch die Fenster nach außen drang. Sein Ziel war die halbhohe Mauer im Hinterhof einer Insula, in der sich eine Taberna befand. Dort saßen oft Leute, die sich keinen Tabernabesuch leisten konnten und darum draußen ihren mitgebrachten Wein tranken. Er wusste nicht, ob er dort jemand treffen würde, den er kannte. Nach der ersten Amphore wäre das auch gleichgültig.