Furianus Tiberios: "Agathe Tyche*"

  • Furianus Tiberios: "Agathe Tyche*"


    Die Gattin von Waballat, der sich in Alexandria Athenodoros nannte, da dies die Übersetzung seines palmyrenischen Namens "Geschenk der Göttin Allat" war, besaß eine junge Ornatrix namens Kainis.

    Sie war munter und witzig, zierlich und hellhäutig, grauäugig wie Selene, und Athenodoros mochte sie sehr gerne.

    Ein Jahr später, am 24. Epiphi, im dritten Monat des Schemu, der Erntezeit, brachte sie ein Kind zur Welt. Da seine Mutter unfrei war, war Tiberios es auch, und er war oikogenes, ein im Hause seines Herren geborener Sklave.


    Hier in loser zeitlicher Reihenfolge Geschichten aus jener Zeit, bevor Furianus Tiberios, wie er viel später als freier Mann heißen sollte, nach Rom verkauft wurde. Und was auch geschah, er vertraute auf sein gutes Geschick.


    Sim-Off:

    * gutes Schicksal, aber auch die Stadtgöttin von Alexandria

  • Philippos oder der rechte Augenblick

    Auf einer Kline zu liegen, mochte vergnüglich sein, neben einer zu stehen, war oftmals langweilig, und Tiberios, dem das aufgetragen war, verbrachte die Zeit damit, die ihn umgebenden Menschen zu beobachten.

    Menschen ließen sich lesen wie Schriftrollen, fand er, sie erröteten, atmeten schneller, manchmal griff eine Hand in die andere, ein Blick, ein Lächeln, das die Augen nicht erreichte, eine Geste…. der junge epistolographos, der Briefeschreiber des Athenodoros hatte tatsächlich keine andere Aufgabe, als nur zu warten, ob seinem Herren eine erinnerungswürdige Sentenz einfiel oder irgendetwas, was keinen Aufschub duldete, dann nahm er Wachstafel und Griffel und schrieb es auf.

    Ansonsten gehörte er zum Inventar wie der Beistelltisch, es wurde erwartet, weder zu husten noch sich zu räuspern; sein Glück war, dass seine Gesundheit hervorragend war, noch war er ja jung.

    Die Sklavin Anippe, die die Dienste eines Mundschenks versah, lächelte ihm zu, wenn keiner hinsah.

    Sie war aufmerksam, mischte im richtigen Verhältnis Wasser und Wein, alles mit sorgfältig anerzogenen und gemessenen Bewegungen. Anippe war hübsch, von einer dunklen, trägen Schönheit. Aber auch sie war unauffällig, wenn sie es sein musste, und niemand bemerkte ihre schelmischen Augen und ihren immer zu Streichen aufgelegten Sinn.

    Tiberios, der sie kannte, wartete so halb darauf, dass sie versuchen würde, ihn zum Lachen zu bringen, denn das durfte er nicht, und gerade dieser Widerstreit zwischen Lachbedürfnis und Dienstausübung war dann etwas, das ihm sagte, dass das Leben schön und herrlich war.

    Angst vor Schlägen hatte er nicht; Athenodoros hatte ihn nie geschlagen. Und Anippe heulte und kreischte immer schon vorher so erbarmenswürdig, dass sie meistens auch gimpflich davon kam. Jetzt schloss sie halb die Augen, warf den Kopf hoch, spitzte wichtig die Lippen – und bot eine Imitation ihres Herren, der sich gerade mit einem Mann unterhielt, der der eutheniarchos, der für die Getreideversorgung zuständige Magistrat, war.

    Sein Name war Athenaois, und er hatte seinen Sohn Philippos mitgebracht, der sich auf der dritten Kline fletzte und zuhören sollte; es ging eigentlich um den Ankauf von Seide, aber der heutige Abend war dazu gedacht, Freundschaften zu schließen. Philippos, im letzten Jahr seiner ephebia; sah auch eher so aus, als wäre er lieber woanders. Vermutlich interessierte ihn Seide wenig. Er lag da, trank nur wenig und spielte mit der Quaste des Kissens, mit dem er seinen Ellenbogen abstützte.

    Sein Profil war Tiberios zugewandt, ein etwas mutwilliges Profil mit kleinen Ohren, glatt anliegendem schwarzen Haar, und als er nun den Kopf wandte und Tiberios ansah, bemerkte dieser, dass Philippos große glänzende Augen hatte, schwarz wie Kohlestücke im goldenen Schein des Lichtes der Öllampen.

    Tiberios senkte erschrocken den Blick; es war nicht statthaft, jemanden so anzustarren, dass er es bemerkte, aber Philippos lachte nur : „Ist dir langweilig, kleiner Schreiber?“, fragte er: „Brauchst du eine Beschäftigung? So schreib: Gignoske kairon*". Er gähnte.

    Tiberios notierte das Gesagte in seiner schönsten Handschrift auf, und sein Herr Athenodoros bemerkte:"Er kann dir auch alles auf Latein hinschreiben, wenn du das wünschst.." Tiberios war in einem paedagogium puerorum**, einer Schule für Sklaven, ausgebildet worden.

    Philippos machte gespielt so, als würde er von der Kline fallen, eine Augenbraue zog er hoch: „Für was denn das, Athenodoros?“ Die Römer in Alexandria sprachen für gewöhnlich Koine.


    "Wenn ich mit Römern zu tun habe, ist es nicht immer schlecht, zu wissen, was sie unter sich reden.“


    „Aha. Ein Spitzel also.“, sagte Philippos. Sein Vater anstatt ihm Schranken zu weisen, schenkte ihm ein Lächeln. Philippos war eindeutig nicht im alten griechischen Geist erzogen, und Zurückhaltung kannte er nicht. Ein Flegel. Vielleicht war es aber auch nur der Hochmut eines polites alexandrinos, eines Alexandriner Vollbürgers, gegenüber des Fremden, mochte er noch so wohlhabend sein: "Und wen soll er heute ausspionieren?“

    Jetzt aber schnalzte Athenaois mit der Zunge, eine missbilligende Geste:„Bestimmt niemanden“, meinte er begütend. Philippos klopfte neben sich auf die Kline: „Komm her, Schreiber und Spion“, spottete er: „Wie heißt du?“


    „Tiberios, Herr“


    „Das ist nicht wirklich dein Name, oder? Aber du bist Grieche, oder? Wieso so etwas so Anbiederndes wie Mann vom Tiber?“


    „Ja, Herr….“, den Rest der Frage konnte der junge Sklave nicht beantworten.

    Philippos schaute ihn mit exaltiertem Mitleid an: „ Ich nehme an, dass du dir diesen Namen nicht selbst verbrochen hast?“

    Athenaois lachte auf, und Athenodoros, dem das Gastrecht heilig war, lachte süßsauer mit. Der Name war die Idee von Tiberios Mutter gewesen, der er erlaubt hatte, ihrem Sohn einen Namen zu geben: „Er ist nach Tiberios Claudios Balbillos benannt, der unter Kaiser Neron Praefekt war."

    „Na Balbillos war wenigstens einer von uns. - Wie heißt der Satz, den ich dir diktiert habe, auf Latein?“


    Nosce tempus, Herr“


    Klingt furchtbar.“, eine Geste zu Anippe mit dem Becher: „Spielst du Senet, Tiberios?“**


    Das war Tiberios erste Begegnung mit Philippos. Eines Tages würde er ihn lieben. Aber im Moment hatte der Sklave eher Angst vor ihm, seinen durchdringenden schwarzen Augen und seiner spöttischen Art.


    Sim-Off:

    *erkenne den kairos, den richtigen Moment **über die Existenz solcher Ausbildungsstätten ***aegyptisches

    Brettspiel

  • Dies war Alexandreia, Alexandria.

    Hier hielten sich die Griechen für die Klügsten, die Juden für die Reinsten, die Ausländer für die Geschäftstüchtigsten; die Aegypter, die in Rhakotis, dem Elendsviertel der Stadt, lebten, für die Betrogensten, und alle zusammen für entweder lasterhaft oder fromm oder beides: Alles Vorstellbare war an jeder Straßenecke zu haben beziehungsweise zu kaufen: Die geheimsten Geheimnisse des Hermes Trismegistos, serische Seide oder menschliche Schönheit.

    Über Alexanders heiliger Stadt aber thronte im verheißungsvollen Licht des aufkommenden Tages das Museion,den Musen geweiht, die Forschungsstätte und die große Bibliothek des gesammelten Wissens der Menschheit, die so viele berühmte Namen hervorgebracht hatte: Euklid, Heron,Plotin


    Tiberios hatte das Museion noch nie betreten, natürlich nicht. Er gehörte zu dem vielköpfigen Heer von jungen paides, höflich und dienstbeflissen, darauf ausgerichtet, zu gefallen, und für einen neuen Chiton oder ein neues Duftöl dem Spender zuzulächeln.

    Als man entdeckte, dass er ein gescheites Kind mit einer guten Merkfähigkeit für Zitate und Gedichte war, führte Athenodoros ihn zuweilen vor wie ein dressiertes Äffchen.

    Die Ausbildung, die Tiberios bekommen hatte, war nützlich, und er war stolz darauf. Aber niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihn zu erziehen. Es reichte, wenn er die Hausregeln beherzigte und Anweisungen gewissenhaft ausführte.


    So war der Stand der Dinge, als er Philippos Heim betrat. Dieser wünschte, die Aeneis in Koiné übersetzt zu haben und hatte daher Athenodoros gebeten, ihm den Schreiber als Übersetzer für zwei Monate auszuleihen.

    Nicht Athenodoros teilte Tiberios die Neuigkeit mit, sondern der akolouthos, der Hausvorsteher; und der Sklave packte sein Badebesteck, einen Chiton zum Wechseln und seine theke mit seinem Schreibzeug – mehr an persönlichem Besitz hatte er ohnehin nicht.


    Philippos hatte in der Neapolis im ersten Obergeschosses eines Stadthauses eine Wohnung, und als Tiberios nach einem morgendlichen Fußmarsch anklopfte, empfing ihn ein älterer Sklave:

    Willkommen junger Mann“, sagte er: „Bis der Herr kommt, gestatte mir, dir die Räumlichkeiten zu zeigen. Fangen wir mit dem Xenon an, deinem Gästezimmer – hier kannst du dein Bündel lassen, sollten dir dein Raum nicht zusagen, so kannst du einen anderen wählen. Dann das Balaneion, bestimt wirst du später baden wollen, und natürlich die Bibliothek, wo du arbeiten wirst, nd ach ja, das Andron, das Speisezimmer und wenn du zu essen und zu trinken möchtest, sag einem von uns Dienern Bescheid, wir sind hier zu dritt und angehalten, dir deine Bedürfnisse zu erfüllen.“


    Tiberios hatte zuhause keinen eigenen Schlafplatz, sondern schlief, wo es sich gerade ergab, und da Athenodoros nichts von Schlägen hielt, bestanden seine Disziplinierungen gewöhnlich darin, des Abendessens verlustig zu gehen. Sich nun eines eigenen Zimmers zu erfreuen und dazu sich Nahrung wünschen zu dürfen so viel er herunter bekam, das erschien ihm über alle Maße großzügig, und er wollte gleich die Probe machen:

    „Könnte ich bitte einen Becher Wasser haben?“, fragte er.

    Der Sklave deutete hinter sich: „Hier stehen immer Krüge mit Wasser und Becher, und wenn du Obst oder Gebäck magst, nimm dir.“

    Tiberios trank einen Becher Wasser und aß eine mit Mandeln gefüllte Dattel, dann besann er sich auf seine Pflichten, und er meinte: „Ich werde gleich mit den Übersetzungen anfangen.“

    Der Sklave des Philippos nickte, und zeigte ihm einen Tisch, Wachstafeln, Griffel und sonstiges Schreibzeug; alles noch feiner als das von ihm mitgebrachte; glatter glänzender Papyrus von bester Qualität; sattschwarzeTinte und bereits zurecht geschnittene Schilfrohre.

    Tiberios prüfte alles, dann öffnete er die erste Schriftrolle von einem Stapel, die mit bunten Bändern und Nummern gekennzeichnet waren.

    Arma virumque cano, Troiae qui primus ab oris…*

    Er übersetzte von einer Sprache, die er sehr gut konnte in seine Muttersprache, das war ein reines Vergnügen, und Tiberios arbeitete bis es dämmerte, ohne dass er seinen Auftraggeber zu Gesicht bekommen hätte.


    Sim-Off:

    * Waffen besing ich und den Mann, der zuerst von Trojas Gestaden ….

  • „Meinst du, ertragen zu werden mit geschlossenen Augen, das ist das, was ich suche? Meinst du, ich könnte mir nicht die schönsten pornoi herrufen lassen, und jeder einzelne von ihnen würde mir weismachen, dass er mich, solange es dauert, mit stürmischer Leidenschaft liebt?“


    Philippos war wütend geworden; er funkelte Athenodoros Schreiber an, ging auf an und ab.

    Tiberios stand ganz still, seine Arme hingen an den Seiten herab, blass und geduckt war er gegenüber solchem Zorn.


    Dabei waren die letzten Tage wie ein Traum gewesen und das lag nicht an der angenehmen Umgebung oder daran, dass er bedient wurde, als sei er selbst ein Herr.

    Es lag an Philippos Gegenwart. Er lobte erst seine Handschrift und die Eleganz seiner Übersetzung, dann aber wollte er auch andere Werke, den Anfang von Zenons politeia, einen Abschnitt aus Platons Dialogen,ein Gedicht von Eratostenes oder was gerade an jenem Tag sein Interesse weckte, mit ihm lesen und ihm immer wieder Fragen stellten:

    Was hast du davon behalten? Was denkst du darüber? Kannst du es in deinem Leben anwenden und wenn ja, wie und wo und wann? Und wenn du es verwirfst, warum?


    Es war das erste Mal, dass Tiberios so nach seiner Meinung gefragt wurde, er wusste einiges zwar, aber das meiste hatte immer nur Abschreibübungen gedient. Die Fragen kamen schnell, und Philippos Nähe verwirrte ihn. Seine raschen Bewegungen, seine immer etwas nachlässige Stimme, sein Augenaufschlag, wenn er den Nacken streckte, und wenn er den Kopf wegdrehte, dann erregte etwas seinen Unwillen; Tiberios kannte bald jede Geste, jede Kleinigkeit, als hätte sie sich in seinen Kopf eingebrannt.


    "Das oberste Ziel eines idealen Menschen sei stets die Tugendhaftigkeit und der gelassene Umgang mit den Wechselfällen des Lebens“.*


    „Du meinst galene? Die Seele soll unbewegt wie die Meeresoberfläche an stillen Tagen sein? Ja, das ist gewiss nützlich, wenn ich Ärger bekomme...“


    Für dich das Nützlichste überhaupt.“, antwortete Philippos: „Denn wenn man nicht handeln kann, so ist es das Beste, gelassen anzunehmen, was du nicht ändern kannst.“


    „Aber führt das nicht zu Trägheit? Ich kann so vieles nicht ändern, doch wenn ich alles einfach hinnehmen soll, habe ich nicht einmal mehr Veranlassung, mich morgens von meinem Schlafplatz zu erheben.“


    „Daher ist der erste Teil des Satzes wichtig: Da spricht Zenon von Kition von Tugendhaftigkeit. Was ist Tugend? Das Schöne und das Gute - kalogatheia? arete?"


    Arete- Vortrefflichkeit?“ , Tiberios schaute zweifelnd, ihm erschien das für sich nicht angemessen, er war nur ein Diener.


    „Aien aristeuein, immer der Beste sein. Warum solltest nicht auch du nach dem Besten streben? Verrichte deinen Dienst so gut wie du nur kannst! Nimm keine der schlechten Eigenschaften an, die man Sklaven nachsagt. Nichts liegt an dir, doch das liegt an dir. "


    Tiberios hörte zu, obwohl er bezweifelte, dass er Philippos hehren Ansprüchen gerecht werden konnte. Er ließ sich ganz gerne treiben.Er war gierig nach Süßigkeiten und nahm sich da auch, was ihm nicht gehörte. Er versuchte Problemen aus dem Weg zu gehen, und Bestrafungen natürlich auch. Die despoina, die Herrin, war flink mit ihrer Haarnadel, wenn ihr etwas nicht passte. Auch Sklaven hatten ihre kleinen Möglichkeiten, sich zu rächen: Da verhedderte sich plötzlich kostbares Garn oder - aber das war Anippes Einfall gewesen - ein ziemlich großer Frosch sprang aus ihrer pyxis, dem Schmuckbehälter.


    Tiberios kam es vor, als habe er sehr viele jener schlechten Eigenschaften, die man seinem Stand zuschrieb. Philippos mahnte ihn eindringlich, sich besser zu benehmen.


    Doch nichts liebte der junge Sklave so sehr wie die Stelle aus den Pythagorikà chrysa épe ** über die Freundschaft:


    „Von den andern mache dir den zum Freund, welcher der Vortrefflichste ist.

    Lass dich erweichen von seinen milden Worten und nützlicheTaten…"

    denn das schien ihm, als würde dort Philippos selbst beschrieben, der ihm nun aber bittere Worte an den Kopf warf. Hatte er ihm nicht gesagt, er hätte nichts zu fürchten unter seinem Dach? Weshalb wich Tiberios ängstlich zurück? Er hatte

    Philippos, der nun annehmen musste, er vertraue seinem Versprechen nicht, gekränkt.

    Dieser hob nun die Hand - ein durch und durch schwarzer Blick - und er sagte:

    „Du kannst dich zurückziehen, Schreiber!“, und er drehte den Kopf fort. Wie kalt seine Stimme klang, wie hochmütig er aussah. Es war wie am Anfang, als er sich vor ihm gefürchtet hatte.


    Aber er war nicht mehr ganz der, als der er in das Haus gekommen war. Anstatt sich zu verneigen und wortlos zu gehen, antwortete er mit einem Zitat:

    Entzweie dich nicht mit deinem Freund wegen eines kleinen Vergehens… so geht der Vers bei den Pythagoraern doch weiter, nicht wahr?“ Ihm stiegen Tränen in die Augen.


    Und da drehte sich Philippos zu ihm um, und ein Lächeln wie ein Blitz aus dunkelster Nacht erhellte sein Gesicht:

    „So will ich mich nicht entzweien, denn es gab kein Vergehen!“, sprach er: „Darf ich deine Tränen trocknen und dich trösten – Freund!“, er breitete die Arme aus.


    Tiberios stürzte zu ihm hin. Er zitterte nun am ganzen Körper. Nicht aus Furcht, sondern weil er es die ganze Zeit so ersehnt hatte: Philippos berühren zu dürfen, ihm durch das Haar fahren, von ihm umarmt zu werden. Und Philippos küsste ihn, streichelte ihn, umarmte ihn, flüsterte ihm zu:

    „Sei mein Eromenos*** bitte, auch wenn ich dir nicht nach alter Tradition einen Hasen schenken werde...“ Tiberios ließ sich recht ausführlich trösten...


    Die Wochen flogen dahin. Und wenn er sich über sein eigenes Zimmer gefreut hatte, so benutzte er es nun nie mehr. Philippos und er unterhielten sich lange, sie lasen die Köpfe zusammengesteckt in der Bibliothek, sie badeten und spielten Senet, Tiberios arbeitete an seiner Übersetzung, die er jedoch nicht ganz beenden sollte, weiter; sie liebten sich, und sie schliefen nachts aneinander geschmiegt in Philippos domation, einer dem anderen zur Freude.



    Mit dem Wissen, aus der Welt, die Philippos ihm erschlossen hatte, nie wieder vertrieben werden zu können, wenn er sich nur mühte und um seiner selbst Willen geliebt worden zu sein, schieden sie voneinander, als die vereinbarte Zeit verstrichen war.


    Tiberios weinte beim Abschied sehr, und sein Freund wusste nicht recht, wie er ihn trösten sollte, er klopfte ihm auf die Schulter und schenkte ihm sämtliches Schreibzeug, das er benutzt hatte und auch welche von den Papyrusrollen.

    Philippos war kein sentimentaler Mann. Er gab Tiberios an seinen Herren Athenodoros zurück. Er versuchte weder ihn wieder zu sehen noch ihn freizukaufen. Und doch: Er hatte ihm so viel gegeben, vielleicht sogar mehr, als er beabsichtigt hatte.


    Als Tiberios in sein Zuhause zurückkehrte, machte ihn sein Herr wenig später zum Erzieher seines Sohnes, des jungen Alexandros Dorion.


    Sim-Off:

    * Von Zenon von Kitions, Begründer der Stoa, Werken ist keines erhalten, die Zitate stammen von Schülern oder Geschichtsschreibern
    **Die erst in der Spätantike als solche bezeichnenden Goldenen Verse des Pythagoras
    *** hier griech. Geliebter.

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