Ein neugieriger Besucher

  • Von der Erbschaft war ich so überrascht worden, dass ich mich in den nächsten Tagen gedanklich fast nur damit beschäftigte.

    An der Casa Helvetia war ich vorbeigegangen. Leider musste ich sehen, dass sie zur Zeit unbewohnt war. Abgesehen, dass sie für mich
    alleine viel zu groß war. Es schien als ob sie für mehrere Familie erbaut worden war. Außer Commodus wohnte Curio dort und ein Geschäft
    mit Heilmittel, samt dazugehöriger Wohnung, gab es auch noch dort.

    Irgendwann hatte ich genug und beschloss einen Ausritt zu machen. Mogontiacum hatte ich hinter mir gelassen und kam nach einiger Zeit zu einem riesigen Gelände, welches wie hier so oft, von einer mannshohen Steinmauer umschlossen war, zum Schutz gegen Überfälle.

    Irgendwann gelangte ich zu einem Torhaus. Hinter dem ganzen verbarg sich wohl ein Latifundium.

    Ich war neugierig geworden. Verbarg sich dahinter etwa das Anwesen der Duccia, die Villa Duccia? Einige Zeit verweilte ich dort und überlegte ob ich einfach den Weg durch das große Torhaus nehmen sollte um abzuwarten bis mir jemand begegnete. Ich hatte doch ohnehin vor mich dort über die Landwirtschaft in Germanien kundig zu machen.

    Langsam näherte ich mich dem Torhaus, vielleicht gab es einen Wächter oder einen Ianitor wie in Rom.

  • Das Torhaus selbst war um diese Jahreszeit tatsächlich eher sporadisch besetzt und auch an diesem Tag saß niemand im Tor selbst, in erster Linie, weil es nicht direkt nötig gewesen wäre. Wenn jemand das Gelände der Villa Duccia betrat, musste er - selbst wenn nicht vorher schon die beiden großen, schwarzen Wachhunde auf ihn aufmerksam machten - schließlich sowieso erst einmal ein Stück den Weg vom Tor bis zum Haupthaus entlang gehen, wo sich zu dieser Jahreszeit ständig irgendwer herumtrieb. Und so lief auch in dem Moment, als der Fremde sich dem Tor näherte, gerade eine junge Frau mit einem leeren Eimer, in dem bis eben noch Futter für die Hunde gewesen war, am Eingang vorbei und hielt inne, als sie den Neuankömmling sah. "Salve", begrüßte sie ihn dann freundlich, als er näher kam und blickte ihn fragend an. "Kann ich dir helfen? Bist du hier, um jemanden zu besuchen?"

  • „Salve“ antwortete ich freundlich, „ein schönes Anwesen“. Eilig stieg ich von meinem Pferd ab, denn von oben herab zu einem zu sprechen fand ich als sehr unhöflich. "Das ist doch bestimmt die Villa Duccia, über die man selbst in Rom redet. Nun besuchen direkt wollte ich keinen. Mich interessiert die Landwirtschaft in Germanien“.
    Verlegen lächelnd fügte ich hinzu: „Dachte das wäre hier der richtige Ort dafür.“

    Ich spürte wie mir leichte röte ins Gesicht stieg. Was soll denn das, ärgerte ich mich über mich selber, da redete man ohne Hemmungen mit der Prominenz in Rom und dann so etwas.

    „Ach Entschuldigung“ stammelte ich. „Ich darf mich vorstellen, Tiberius Helvetius Faustus ist mein Name.“ Damit war mein Gesprächsstoff vorerst versiegt. Um die junge Frau nicht anzustarren, obwohl ich musste zugeben, es war durchaus ein erfreulicher Anblick, blickte ich nicht gerade geistreich durch die Gegend.

  • Die junge Frau runzelte überrascht die Stirn. "Ich nehme an, du könntest mit ein paar der Angestellten hier reden. Der eine oder andere kann sicher ein paar deiner Fragen beantworten", begann sie zögerlich und warf einen etwas unsicheren Blick in Richtung des Wohnhauses. "Aber ich denke, da solltest du zuerst eine der Damen des Hauses um Erlaubnis fragen." Sie deutete vage in die Richtung hinter sich. "Eine der beiden müsste-"

    "Ilda!", ertönte es da deutlich, wenn auch noch nicht richtig unfreundlich vom Weg zum Haus und im nächsten Moment kam Octavena selbst in Richtung des Torhauses geschritten. "Wo bleibst du? Du wirst in der Küche gebraucht!" Sie verlangsamte ihre Schritte, als sie den Fremden entdeckte und hob fragend die Brauen.

    "Petronia, das ist Tiberius Helvetius Faustus, er würde gerne mit ein paar der Angestellten über ... Landwirtschaft sprechen", beeilte sich Ilda die Anwesenheit des Fremden zu erklären, offensichtlich noch immer etwas verwirrt von seiner Frage. "Helvetius, das ist Petronia Octavena, die Hausherrin."

    "Salve." Octavena nickte in Richtung des Neuankömmlings und wandte sich dann noch einmal kurz Ilda zu. "Ich kümmere mich hierum, geh' du zurück in die Küche, die anderen brauchen deine Hilfe." Die junge Frau nickte eilig und während sie sich auf den Weg zurück zum Haus machte, wandte sich Octavena nun mit meinem höflichen Lächeln dem Mann vor sich zu. "Entschuldige. Eine unserer Mägde ist krank und deshalb fehlt uns heute ein Paar Hände, das macht im Moment einiges etwas hektisch." Sie sah ihn fragend an. "Habe ich das richtig verstanden? Du bist hier, weil du gerne mit ein paar unserer Angestellten über Landwirtschaft sprechen würdest?"

  • Bei den Göttern, da hatte ich gedacht in Germanien wäre es langweilig und plötzlich finde ich es doch sehr unterhaltsam hier. Ich versuchte ein Lächeln ehe dann doch wieder nur ein etwas schüchternes: "Salve", von mir kam. Das reicht ihr bestimmt nicht als Antwort ermahnte ich mich. "Nein oder ja so in etwa." Was für eine seltsame Erklärung, ich muss nochmal von vorne beginnen. "Wenn ich mich vorstellen darf", begann ich, "mein Name ist Tiberius Helvetius Faustus. Ich kam nach Germanien um etwas neues kennen zulernen. Da ich selber ein kleines Gut besaß und der Betrieb der Duccia selbst in Rom einen Namen hat, dachte ich, es wäre sinnvoll sich gleich vor Ort zu informieren. Es muss kein Angestellter sein, es kann auch ein Familienangehöriger sein." Letztes ergänzte ich zögernd, war dann doch zufriedener mit mir.

  • Ein amüsiertes Lächeln huschte über Octavenas Züge und sie stemmte eine Hand in die Seite, nun doch auch etwas neugierig über das Anliegen des Fremden. "Es ist natürlich schön, dass unser guter Ruf bis nach Rom reicht", erwiderte sie dann und verkniff sich die Bemerkung, dass sie trotz allem nicht erwartet hätte, dass den Ducciern und ihrem Stammsitz ausgerechnet ein Ruf als Bauern bis nach Rom vorauseilte. "Aber unter den Familienangehörigen hier wirst du wohl im Moment niemanden finden, der dir weiterhelfen kann. Hier leben von der Familie im Moment nur Duccia Venusia, meine Kinder und ich. Aber du kannst drüben bei den Weiden gerne einmal rumfragen, da solltest du jemanden für dein Anliegen finden. Such am besten nach Gerolf. Und sag ihm ruhig, dass ich dich geschickt habe." Sie war gedanklich schon wieder fast zurück auf ihrem Weg nach drinnen, hielt dann aber noch im selben Moment wieder inne, als ihr ein weiterer Gedanke kam. "Helvetius ist dein Name sagtest du? Bist du dann ein Verwandter von Helvetius Curio und seinem Bruder? Oder was hat dich von Rom ausgerechnet nach Mogontiacum verschlagen?"

  • Ein Schmunzeln musste ich mir doch unterdrücken, es war schon merkwürdig mein Auftreten und meine Fragen. „Der Name Helvetio Curio war mir bis zu meiner Ankunft hier gänzlich unbekannt. Ich bekam die Nachricht aus Rom das Helvetius Commodus verstorben ist und ich sein Erbe bin. Nein meine Familie hier und in Rom kenne ich nicht. Mein Anliegen für diese Reise war eher neue Wege für mich zu finden. Ich suche neue Erfahrungen“. Unsicher lächelte
    ich nun die Octavia an.

    Ein oder eine Außenstehende würde es bestimmt nicht verstehen. Ich der schon seit meiner späten Kindheit oder gerade im Mannesalter kommend für mich, für meine Schwester und für das Gut verantwortlich gewesen war, später in Rom einen verantwortungsvollen Posten inne hatte, verstand mich ja selber nicht.
    „Ich danke dir für die Auskunft und werde weiter sehen. Leb wohl, mögen die Götter dich schützen“. Warum ich mich jetzt in dieser Form verabschiedete wusste ich auch nicht. Es mochte daran liegen,
    dass die Frau mir sympatisch war.

  • "Dann wünsche ich dir viel Erfolg bei deinen neuen Erfahrungen." Octavena lächelte noch einmal freundlich in Richtung des Fremden, ehe sie sich nun wirklich wieder zum Gehen wandte. "Leb wohl."

    Damit ging sie zurück zum Haus, jedoch nicht ohne zumindest noch auf dem Weg zurück noch einmal mit einer Mischung aus Überraschung und Neugier einen Blick über die Schulter zu werfen. Was für eine seltsame Begegnung, dachte sie noch, schob dann doch den Gedanken wieder zur Seite. Denn seltsam oder nicht, sie hatte jetzt erst einmal Wichtigeres zu tun.

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