Vor jeglicher schweren Strafe, selbst von Sklaven, fand ein richterliches Verfahren statt.
In der Basilica an der Mänischen Säule befanden sich drei Tribunale, auf denen die erhöhten Sitze der Tresviri standen. Hier saß nun Ravilla mit seinen beiden Kollegen. Ihre Arbeit umfasste den polizeilichen Teil, womit sie sich von den Aedilen unterschieden, deren enge Mitarbeiter sie waren. Sie schritten ein aufgrund erbrachter Anzeige, aber auch ohne diese. Gegen Sklaven, aber auch gegen römische Bürger konnten sie ermitteln und über diese urteilen. Summa summarum lag das hauptstädtische Kriminalwesen in ihrer Hand.
Nach Sitte aller römischen Beamten richteten sie einzeln, wobei die Erlaubnis des gegenseitigen Einspruches vorlag. Jene Übeltäter, welche des Nächtens von den Gehilfen der Tresviri aufgegriffen worden waren, oder diejenigen, welche von den Geschädigten vor sie geführt wurden, brachte man vor das Tribunal eines der Drei. Umgeben von einem Beirat hörte dieser sich geduldig Anklage und Verteidigung an. Genaues Zuhören stellte fortan Ravillas wichtigstes Handwerkszeug dar, lange noch, bevor er die Stimme erheben und das Urteil sprechen würde.
Römische Bürger, Fremde und Sklaven erschienen gleichermaßen vor den Dreien. Spezielle Redner übernahmen die Verteidigung, sofern der Angeklagte einen solchen für sich gewinnen und diesen bezahlen konnte. Allein die Wahl des Redners entschied nicht selten das Schicksal von Kläger und Angeklagtem. Cicero hatte von diesen Rhetoren in Verachtung gesprochen und sich selbst nie dazu herabgelassen, vor den Tresviri sein Genie zu beweisen. Dass auch die Zahlung beträchtlicher Summen die Waagschale in die eine oder andere Richtung zu kippen imstande war, war kein Geheimnis, was den Begriff des Rechts in philosophische Ebene hob. Ravilla nahm diesen Umstand mit Gelassenheit. Nichts anderes war er aus der kappadokischen Heimat gewohnt, wo das Machtgefüge der Tempelfürsten keineswegs anders funktionierte.
Er tauschte mit seinen beiden Kollegen Blicke und auch ein Lächeln, im vollen Bewusstsein, heute das eine oder andere Lächeln auszulöschen - als Sohn kappadokischer Tempelfürsten nichts, das sein eigenes Lächeln mindern könnte.
Der erste Kläger trat vor das Tribunal der Drei.