Officium praefecti urbi | Gespräch mit dem Tresvir capitalis

  • Irrig von der Castra Praetoria kommend, traf Ravilla mit leichter Verspätung in der Praefectura Urbis ein. Da die Sänfte das Transportmittel seiner Wahl gewesen war, schlug Ravilla trotz der Eile keineswegs im verschwitzten und keuchenden Zustand auf, so wenig wie sein Sklave Anaxis, der bei ihm gesessen hatte. Sie wirkten herausgeputzt wie eh und je.


    "Salve, Praefectus Urbi Herius Claudius Menecrates. Ich hoffe, ich komme gelegen?"

  • Im ersten Moment fragte sich Menecrates, warum sein Gesprächspartner samt Sklave das Vorzimmer passieren konnten, ohne dass er ihm angemeldet wurde. Er spähte Richtung Tür, konnte aber nicht viel erkennen, weil die Gäste im Sichtfeld standen. "Ungelegen könnte man nicht sagen, wohl aber etwas spät", erwiderte Menecrates auf die Frage. Hätte er gewusst, dass der Vigintivir zunächst in der Castra nach ihm suchte, wäre er belustigt gewesen. Die Länge der Strecke - zumal in einer Sänfte zurückgelegt, bei der die Träger gewiss nicht rannten - erklärte die erhebliche Verspätung.

    "Na, dann wollen wir lieber gleich anfangen. Setz dich doch." Menecrates wies auf einen Stuhl. Dem Sklaven maß er keine Bedeutung bei. "Mich interessiert, ob du andere Schwerpunkte als deine Kollegen übernommen hast bzw. ob ihr überhaupt inhaltliche Trennungen vorgenommen habt. Vielleicht hast du ja auch Anliegen oder Vorstellungen. Der Letzte in deinem Amtsbereich kam sogar mit Forderungen." Menecrates schmunzelte. Er hatte sich damals mehr gewundert als aufgeregt, denn ob er diesen Forderungen nachkäme, wäre die nächste Frage.

  • Im Vorzimmer war für den Augenblick niemand zugegen gewesen, sei es aufgrund eines menschlichen Bedürfnisses oder im Zuge der Ausübung seiner Funktion, welche den Mitarbeiter dazu veranlasst haben mochte, seinen Arbeitsplatz vorübergehend zu verlassen. Ravilla, wichtig, wie er sich nahm, hatte dies zum Anlass genommen, den Raum kurzerhand zu durchschreiten, anstatt auf die Rückkehr des Mitarbeiters zu warten.1 Mit elegantem Schwung seiner Tunika ließ der Seius sich auf dem dargebotenen Sitzmobiliar nieder. Anaxis sortierte die Falten, zupfte eine Haarsträhne in Form und verwandelte sich hernach etwas abseits selbst in einen adretten Teil des Mobiliars, darauf wartend, dass man seiner bedurfte.


    "Danke, Praefectus. Bisher ist unter den Tresviri capitales keine Trennung nach Schwerpunkten erfolgt. Jedoch erachten wir alle drei eine solche als sinnvoll. Effizienz ist das Stichwort. Viele Köche verderben den Brei, vor allem aber ist es unsinnig, zu dritt im selben Topf zu rühren, während zwei andere Töpfe anbrennen.


    Letztlich strebt ein jeder Tresvir auch nach vorzeigbaren Referenzen, die ihn von seinen Kollegen abhebt. Unsere Amtsperioden sind zeitlich begrenzt und ein jeder von uns dreien ist bestrebt, sie in vorbildlicher Manier zu absolvieren, um hernach den nächsten Schritt in Angriff nehmen zu können. Die anvisierte Effizienz durch individuelle Fallzuweisung dient also der Sicherheit des Staats ebenso wie dem Portfolio des Amtsträgers.


    Ich bin hier, um diese Option zu evaluieren. Gibt es Fälle, die momentan besondere Priorität genießen und welche du mir anvertrauen möchtest oder bei denen ich dir helfen kann?"


    Sim-Off:

    1Ich bitte um Verzeihung, mir war die Existenz des Vorzimmers schlichtweg entfallen. :)

  • Wieder einmal kam Menecrates' bildhafte Vorstellungskraft zum tragen, als Seius von drei Kochlöffeln in einem Topf sprach. Ein kleines Glucksen verriet, dass er sich über die Schilderung amüsierte. Er stellte weiter fest, dass der Vigintivir von ihm keine gepolsterten Steine erwartete, sondern sich anbot, mittels Fleiß voranzukommen. Der Präfekt befand, er konnte mit dem jungen Mann etwas anfangen und entschloss sich zu mehr Gastfreundschaft.

    Im abseitigen Winkel des Raumes residierte ein Sekretär, der Protokolle anfertigte, aber auch für diverse kleine Handreichungen zuständig war. Menecrates winkte ihm, um für Erfrischungen zu sorgen. Es dauerte nur Augenblicke, bis eine Amphore mit Quellwasser und zwei Becher auf dem Tisch standen. Für das Einschenken musste jeder selbst Sorgen, was der Claudier sofort tat. In diesem Moment ließ sich das Getränk für Ravilla identifizieren. Nicht jeder mochte Wasser, aber Menecrates bot niemals Wein an.


    "Besondere Priorität kommt seit Jahren den Christen zu. Daran hat sich bis heute nichts geändert." Nach der Antwort auf die gestellte Frage überlegte Menecrates, wie er weiter vorgehen sollte. Nicht jeder Amtsinhaber bewies Geschick. Befugnisse allein sicherten nicht den Erfolg. Er wies einladend auf die Amphore und nahm selbst einen Schluck, während er überlegte.

    "Ich könnte mir einführend eine Befragung vorstellen, die parallel zu einer Durchsuchung erfolgt, und bei der du dein Geschick unter Beweis stellen kannst. Die Durchsuchung wird von Soldaten vorgenommen. Es kommt mir bei der Befragung nicht auf das Ergebnis an, denn das lässt sich nicht nach Wunsch präparieren, sondern auf dein Vorgehen, die Fragestellungen, die Analyse des Gehörten und die Ableitung von Nachfolgefragen. Wissen die Befragten nichts, was du allerdings als glaubhaft einschätzen müsstest, verliefe die Befragung dennoch erfolgreich und würde meine Einschätzung nicht schlecht ausfallen lassen.

    Bewährst du dich auf diesem ersten Einsatz, betraue ich dich mit einem separaten Fall." Menecrates wartete die Reaktion ab, bevor er fortfuhr.

  • Das Glucksen des Praefectus quittierte Ravilla mit einem amüsierten Lächeln, während er Wasser sich einschenkte und einen kühlen Schluck seinen Mund benetzen ließ.


    "Eine Befragung parallel zu einer Untersuchung bedeutet zur gleichen Zeit am gleichen Ort?" Üblicher waren Befragungen vor dem Tribunal oder in den Kerkern Roms, doch würde Ravilla sich nicht mäklig verhalten. Es handelte sich um eine reine Verständnisfrage.


    Dankbar registrierte er den Hinweis seines Gegenübers, dass dieser weniger am Resultat, als an der Methodik sich interessiert zu zeigen gedachte. Die Tatsache verwies auf ein hohes Maß an Professionalität - nicht, dass von jemandem in der Position des Praefectus Urbi er anderes hätte erwartet. Ravilla war kein Freund von Geständnissen von fragwürdigem Wahrheitsgehalt, die nur der Vollständigkeit dienten, aber nicht der Rechtssprechung im eigentlichen Wortsinn. Die Verlockungen der Folter in Fällen, in denen der Rechtspfleger unter Druck stand, waren ihm bekannt. Mit ihrer Hilfe ließ sich mit genügend Geschick auf der Psyche des Menschen spielen wie auf einem Instrument. Mit genügend Geduld konnte beinahe jedes gewünschte Ergebnis den Lippen des Delinquenten entlockt werden.


    "Deinen Worten entnehme ich, dass es sich bei der Durchsuchung um mutmaßliche oder bekannte Christen handelt. Gern bin ich bereit, meine Tauglichkeit in dieser Angelegenheit deinen prüfenden Augen und Ohren unter Beweis zu stellen. Um eine zielgerichtete Befragung durchführen zu können, müsste mir bitte der Tatvorwurf mitgeteilt werden, der zur Durchsuchung geführt hat, ebenso die relevanten Eckdaten zu diesem Fall."

  • Es plauderte sich angenehm mit dem Seius Ravilla, was für Menecrates eine neue Erkenntnis darstellte. Nach seiner ersten Einschätzung wich der Mann lieber direkten Fragen aus und wand sich. In der Villa Flavia baute sich daher Skepsis auf, während hier die Bedenken bröckelten. Menecrates registrierte dies, während er einen weiteren Schluck nahm und den Vigintivir über den Becherrand anschaute. Seine Stimmung heiterte sich auf, ohne dass der Claudier sagen konnte, was ihn dazu trieb. Dem Seius haftete etwas Spezielles an und Menecrates hätte zu gerne bei dessen Tätigkeit gelauscht, was aber die Breite seiner Aufgaben nicht zuließ. Er musste daher gleich zwei Annahmen seines Besuchers zerschlagen.

    Er stellte den Becher ab und erwiderte, ohne die Spur seines Amüsements verbergen zu können: "Das wurde meinen Worten nicht richtig entnommen." Damit Seius nicht annahm, er würde belächelt, mahnte sich Menecrates zu mehr Ernsthaftigkeit. "Ja, die Christen stellen aktuell das Thema Nummer eins dar, und ja, ich biete dir die Möglichkeit der Empfehlung über eine Befragung im Zusammenhang mit einer Durchsuchung." Sein rechter Mundwinkel entzog sich der Kontrolle und offenbarte wieder Amüsement, bevor er weitersprach. "Die Durchsuchung findet allerdings nicht bei Christen statt. So lauteten nicht meine Worte."


    Er atmete einmal durch und klärte auf. "Die Lage in Bezug auf die Christen ist brisant, daher kann ich dich nicht im ersten Schritt mit einem Christen als Versuchskaninchen konfrontieren. Auf dieses Klientel wirst du aber in deinem zweiten Fall stoßen, sofern du dich in deinem ersten empfiehlst. Dein erster Fall ist allerdings nicht minder brisant, aber das Klientel ist bedeutend einfacher. Nimm die Befragung trotzdem nicht auf die leichte Schulter!" Spätestens jetzt verzeichnete Menecrates' Gesicht keinerlei Belustigung mehr, denn sie erörterten Themen, die im weitesten Sinne genauso Roms Sicherheit betrafen.


    "Ich führe dich kurz in den Sachverhalt ein. Alle weiterführenden Fragen klärst du bitte mit dem ermittelnden Offizier, der die Durchsuchung leitet. Er vertritt meine prüfenden Augen und Ohren." Menecrates musste auch in diesem Punkt die Vorstellungen seines Gastes korrigieren.

    "Wir ermitteln in einer Brandserie, der verschiedene Betriebe und nicht zuletzt eine Urbanerstation in der Subura zum Opfer gefallen sind. Wir haben auch menschliche Opfer zu beklagen - Zivilisten wie Soldaten." Erstmalig im Gespräch versteinerten sich Menecrates' Gesichtszüge. Der Eindruck wich, als er weitersprach.

    "Einer der getöteten Zivilisten übte vor der Tat genau das Amt aus, das du im Augenblick bekleidest. Wir denken, er ist aufgrund seiner Tätigkeit und Observation gerichtet worden." Ein prüfender Blick vergewisserte sich der Reaktion des Tresvir auf die Worte.


    "Befragt werden soll eine Verwandte des Toten. Es gilt herauszufinden, wo er Niederschriften und Notizen aufbewahrte bzw. von welchen Orten er aus arbeitete. Weiter interessiert uns, ob er Andeutungen im Fall gemacht hat, ob es Kontaktpersonen gab, die ebenfalls befragt werden könnten usw. Es ist nicht auszuschließen, dass Römer, auch einflussreiche, Teil eines kriminellen Netzwerkes sind. Iulius Caesoninus, so ist sein Name, war dem auf der Spur."

    Der Name des urbanischen Ermittlers stand noch aus, aber vielleicht gab es zunächst Nachfragen.

  • Ravilla folgte den Ausführungen des zunächst amüsierten, dann ernsten Praefectus mit einem gelegentlichen Nicken. Am Ende sprach er: "Ich fasse zusammen, um erneute Fehlannahmen auszuschließen: Iulius Caesoninus, mein Vorgänger im Amt, wurde vermutlich aufgrund seiner Ermittlungsarbeit zu der Brandserie ermordet. Das Anwesen seiner Gens zu durchsuchen und die Anverwandten zu befragen ist die erste mir anvertraute Aufgabe. Ermittlungsschwerpunkte sind dabei die Analyse seiner Aufzeichnungen sowie die Prüfung potenzieller Vernetzungen krimineller römischer Bürger, auch einflussreicher."


    Ein Wespennest, sollte Ravilla tatsächlich fündig werden. Er würde vorsichtig vorgehen und jeden Schritt mit Bedacht wählen müssen.


    "Die Prüfung erscheint mir gefahrenträchtiger als der anschließende Auftrag", sinnierte er, wobei seine mit etlichen Goldringen besetzten Finger um das Wasserglas herum klimperten. "Ein paar Christen erscheinen mir weniger bedrohlich als die römische Elite. Ich werde mir wohl für den Fall ein paar zusätzliche Leibwächter mieten. Welche Anhaltspunkte führten zu der Annahme, dass es sich um einflussreiche Römer handeln könnte, welche in die Brandserie verstrickt sind? Welches Tatmotiv für die Brände wird angenommen?"

  • Menecrates nickte zuweilen, schüttelte zwischendurch aber auch den Kopf. Allein diese Tatsache produzierte neues Amüsement, das er in sich verschloss, indem er die Kiefer aufeinanderpresste und die Mundwinkel kontrollierte. Er wüsste zu gern, warum ihn das Gespräch erheiterte und nahm sich vor, das im Verlauf der nächsten Treffen herauszufinden. Einen Verdacht hegte er: Seius Ravilla entsprach seiner Vorstellung von einem Beamten oder Magistraten, der nie Praxisluft geschnuppert hatte, nur vom Schreibtisch aus agierte und dessen Äußeres im wilden Gegensatz zu Einsatzorten wie der Subura oder dem Carcer stand.

    Der Claudier bemühte sich sehr, die neutrale Fassade zu bewahren, aber bei der Erwähnung von zusätzlichen Leibwächtern musste er einmal glucksen. Sogleich wurde er wieder ernst. Er schalt sich unprofessionell, albern und unwürdig für sein Amt.


    "Entschuldigung!", erwiderte er deswegen als erstes. Sein Gesicht nahm einen schuldbewussten Ausdruck an, der sich auflöste, sobald er weitersprach.

    "Das Anwesen der Gens zu durchsuchen, übernimmt der ermittelnde Offizier. Wenn ich sage, der ermittelnde Offizier leitet die Durchsuchung, dann beinhaltet das bei uns die praktische Tätigkeit. Mein Fehler." Wahrscheinlich musste er genauer formulieren, wenn er keine Militärangehörigen vor sich hatte. "Dir bleibt - so wie ich es gesagt habe - einzig die Befragung der Angehörigen. Sie gelten als über jeden Zweifel erhaben und sind ehrbare Leute. Zusätzliche Leibwächter werden also nicht nötig sein." Wieder wollte ein Mundwinkel nach oben abrutschen, aber er zwang ihn zurück.

    "Der leitende Offizier ist Cornicularius Purgitius Lurco. Ich empfehle ein Gespräch zur Abstimmung des Vorgehens." Er überlegte, ob dem Vigintivir die Castra als Ort der Kontaktaufnahme bekannt sein würde. Da er lieber nicht zu viel voraussetzen wollte, gab er weitere Hinweise.

    "Sobald es dir möglich ist, kontaktiere den Offizier in der Castra Praetoria. Wenn du bei der Wache sagt, zu wem du willst, wird man dich zum entsprechenden Officium leiten. Du kannst dich auch auf mich berufen." Eine Order würde der Wache vorliegen.

  • Als dem Praefectus Urbi ein Glucksen entfleuchte, winkte Ravilla lächelnd ab. "Es ist erfreulich zu sehen, dass meine Präsenz solch gute Laune zu induzieren vermag. Es wäre doch ein Jammer, würden wir in trister Stimmung schweigend über Unterlagen brüten und nichts als das Rascheln der Papyri wäre in der mausoleumsgleichen Stille zu vernehmen."


    Dessen, dass die Angehörigen des Ermordeten über jeden Zweifel erhaben seien, wollte Ravilla sich nicht so sicher sein. Die meisten Gewalttaten geschahen im Umfeld der eigenen Familie. Freilich widersprach er dem Praefectus Urbi nicht, sondern nickte einmal mehr, freundlich, sich die Lüge nicht anmerken lassend. Da sein Gegenüber in vortrefflicher Stimmung war, gedachte er diese nicht zu ruinieren, sondern zu nutzen.


    "Cornicularius Purgitius Lurco? Wie erfreulich. Ein Freund meines Neffen, mit dem ich bereits das Vergnügen hatte. Er wird also die Durchsuchung leiten, während ich - zeitgleich im Anwesen der Iulii - die Verwandten befragen werde."


    Er hoffte, diesmal endlich richtig verstanden zu haben. Während der arme Claudius an seiner eigenen Zulänglichkeit zweifelte, käme Ravilla dergleichen vernichtende Selbstkritik nie in den Sinn. Vielmehr hatte er die kulturelle Diskrepanz zwischen dem latinisch geprägten West- und dem hellenisch dominierten Ostrom im Verdacht, schuldig an den kommunikativen Missverständnissen zu sein.

  • Es erleichterte Menecrates, den Magistrat mit seiner schlecht kontrollierten Belustigung nicht vor den Kopf gestoßen zu haben. Sein Besucher nahm das Amüsement gelassen, das aus Menecrates' Sicht trotz allem unverzeihlich war. Sie führten ein Dienstgespräch und keine private Unterhaltung. Die hohen Selbstansprüche des Claudiers in Bezug auf Höflichkeit gerieten vermutlich bereits ins Wanken, als Seius Ravilla unpünktlich erschien und zügig durch das Vorzimmer marschierte. Der Vigintivir wirkte verpeilt. Sein äußeres Erscheinungsbild und die Sorge um die körperliche Unversehrtheit taten ihr Übriges.


    Der Praefectus Urbi kannte die Gedanken seines Gastes nicht, daher konnte er ihm auch nicht erläutern, warum er in diesem speziellen Fall die Angehörigen als über jeden Zweifel erhaben betrachtete. Er verließ sich ganz auf die Einweisung seines Offiziers, der wissen müsste, dass Iulia Stella als Vorzeigerömerin galt, die sich bestenfalls mit Frauen traf und abseits der Politik aufhielt. Ihr inzwischen angetrauter Gatte weilte zum Zeitpunkt des Attentats in Germania und kam erst recht nicht in Frage. Es lagen noch keine Beweise vor, aber im Verdacht stand die Krähenbande. Hilfreich wäre es, die beiden Sklaven zu finden, die als erste das Opfer bzw. die beiden Opfer sahen. Menecrates driftete gedanklich ab und rief sich zur Ordnung.


    "Ich bin nicht sicher, ob sich aktuell jemand im Anwesen der Iulii aufhält, den du befragen kannst. Zunächst benötigen wir den Zugang zur Casa, weswegen ihr als erstes die Casa Annaea aufsuchen werdet. Dort wohnt Iulia Stella. Ich denke, du wirst sie vor Ort befragen müssen. Es sei denn, sie kann Zeit erübrigen und begleitet euch in die Casa Iulia. Sei flexibel, improvisiere. Denke voraus, aber auch quer. Verknüpfe selbstständig und entwickle Strategien. So in etwa sind meine Erwartungen." Er lächelte ohne jede Belustigung, denn er erhoffte sich Ergebnisse.

  • In der Tat war Ravilla durchaus mit einem gewissen Maß Humor gesegnet, welcher schwierigen Situationen die Schärfe zu nehmen vermochte. Jedoch empfand er diese als mitnichten schwierig, das Gespräch verlief besser, als er zu hoffen gewagt hatte und der Praefectus Urbi zeigte sich offen und sympathisch, was die Zusammenarbeit angenehmer und vielleicht auch simpler gestalten würde.


    "So danke ich dir für deine Zeit und möchte diese nicht über die Gebühr hinaus strapazieren. Von meiner Seite aus bestehen keine weiteren Unsicherheiten oder Fragen."


    Das Gespräch zu beenden stand ihm indes nicht zu, so signalisierte er lediglich, dass er an diesem Punkt keinen weiteren Klärungsbedarf sah.

  • "Prima!", erwiderte Menecrates und erhob sich. Er trat hinter seinem Schreibtisch hervor und begleitete Ravilla zur Tür.

    "Dann bleibt mir nur, dir viel Erfolg zu wünschen! Ich benötige einen Bericht - selbst dann, wenn es keinen einzigen Hinweis zu berichten gäbe, denn eine erfolglose Befragung liefert auch ein Ergebnis." Er überlegte kurz, dann fügte e an: "Bei persönlicher Abgabe des Berichtes, könnte ich dich gleich in Fall zwei einweisen."

    'Hoppla', dachte Menecrates. Seine weitere Planung, die er wie selbstverständlich vornahm, setzte voraus, dass der Vigintivir Talent bei der ersten Befragung zeigte. Anscheinend hatte sein Unterbewusstsein den Mann längst für fähig befunden, bevor das Auge der Einschätzung folgen konnte. Er schmunzelte über sich selbst. Wahrscheinlich konnte er der Mode junger Leute aus Altersgründen wenig abgewinnen.

  • "So danke ich dir für deine Zeit und werde mein Mögliches geben."


    Auch freute er sich beim Abschied über den mitschwingenden Optimismus, nicht ahnend, dass er sich in Bälde als diesem nicht würdig erweisen sollte.


    Ravilla kam kaum noch dazu, sich in seine neue Position einzuarbeiten, da schlugen die Götter zu: Sol, sein alter Feind, der Lichtspeere durch seine Augen trieb, bis er sich vor Schmerz übergab, und ihn dazu zwang, des Tags alle Fenster zu verrammeln, bis die Milde der Nacht sich auf den Geschundenen legte und es ihm ermöglichte, die notwendigsten Erledigungen vorzunehmen. Doch musste der Mensch auch schlafen.


    In den folgenden Wochen wurde der hochmotivierte Seius durch sein Wetterleiden für einen beträchtlichen Teil seiner Amtsperiode in Schmerz und Gram ans Bett gefesselt, unfähig, die ihm aufgetragenen Arbeiten in persona zu erledigen und selbst des Delegierens nur unter größten Qualen fähig. Wer noch nie einen Mann vor Schmerzen hatte schreien gehört, der kam zu dieser Erfahrung, wenn er an Ravillas Tür vorbeiflanierte, wo er den Kampf gegen seine unsichtbare Krankheit ausfocht, gegen die kein Arzt ein Mittel wusste.

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