Was die Zukunft bringt

  • Margas Ansprache – naja, es war eher ein Kopfwaschen gewesen – hatte in jedem Fall schon mal dies gebracht: dass auch Iring klar geworden war, dass sie mit der Familie reden mussten. Rhaban sah das genauso... und überließ ihm geflissentlich den Vortritt. Iring wusste genau, woran das lag: gerade das Gespräch mit Octavena, vor deren Zimmertür er jetzt stand, wartete mit dem ein oder anderen diffizilen Kliff auf, das umschifft werden wollte, und so geschickt Rhaban war, wenn es ums Verhandeln ging, so wenig hatte er Lust darauf, solche Gespräche in der Familie zu führen. Zum Teil weil das eben andere Gesprächsarten waren... zum Teil aber wahrscheinlich auch, weil ihm bei Familienmitgliedern schlicht der härtere Teil seines Arsenals fehlte.


    Sei’s drum: es war auf jeden Fall mal wieder Iring, der so was übernahm, und jetzt an Octavenas Tür klopfte. Was genau der Grund war, warum er – unabhängig davon, für wie geeignet er sich selbst hielt – nicht glaubte, dass Rhaban tatsächlich Curator werden wollte. Oder sollte. Iring unterdrückte das Grummeln, das in ihm aufsteigen wollte, und wartete eine Antwort ab, bevor er die Tür öffnete und einen Schritt hinein machte. „Heilsa, Octavena.“ Germanischer Gruß, wie immer eigentlich in diesem Haus, aber dann wechselte er zu Latein. „Hast du einen Moment Zeit für mich?“

  • Manchmal überraschte es Octavena ein wenig, wie viel Chaos ihre Kinder eigentlich so verursachen konnten, wenn man nur kurz wegsah. Selbst jetzt noch, wo sowohl Ildrun als auch Farold eigentlich aus dem Gröbsten raus waren und Octavena zum Glück nicht mehr die Energie von Kleinkindern zu bändigen hatte, schafften alle beide es auf die eine oder andere Weise, dass ihre Mutter konstant das Gefühl hatte, hinter den beiden herzuräumen. Was sie in diesem Moment, als sie gerade mal wieder ein paar von Farolds Holzfiguren vom Boden aufsammelte, ganz besonders nervte, weil sie ihn ohnehin ständig ermahnte, die nicht überall zu streuen, ganz besonders nicht in ihrem Schlafzimmer. Das hatte sie schon versucht, als das hier noch ihr gemeinsames Schlafzimmer mit Wijton gewesen war, aber mit diesem Anliegen war sie damals wie heute so wenig erfolgreich, dass am Fuß des Bettes eben doch wieder eine Spielzeugtruhe stand. Und nicht einmal in die räumte ihr chaotischer Sohn seine Sachen auf.


    Octavena seufzte leise und hob gerade eine weitere Figur vom Boden auf, als es an der Tür klopfte. "Herein!", rief sie und erwartete eigentlich halb Ilda oder vielleicht noch Dagmar, die Octavena wahrscheinlich erzählen würde, dass nach dem Chaos im Schlafzimmer wahlweise Ildrun oder Farold schon den nächsten Unsinn ausgefressen hatten. Das hätte jedenfalls zu ihrem Tag gepasst. Als sie sich dann aber aufrichtete und umdrehte, um zu sehen, wer eintrat, stand Iring vor ihr und Überraschung erschien kurz auf ihren Zügen. "Salve, Iring", sagte sie noch halb über ihre Schulter und öffnete kurz die Spielzeugtruhe, um die Figuren in ihrer Hand darin zu verstauen, ehe sie sich dann umdrehte und ihm vollends ihre Aufmerksamkeit zuwandte. "Kein Problem, wie kann ich dir helfen?"

  • Als Iring die Tür öffnete, war Octavena gerade dabei, Spielzeug aufzuräumen. Er ließ einen kurzen Blick darüber schweifen und mutmaßte, dass die Figuren wohl von Farold waren – Ildrun schien ihm mittlerweile ein bisschen zu alt für so was. Er grinste flüchtig. „Gibt es eigentlich einen Raum, in dem Farold seine Sachen nicht verteilt?“ Er mochte die Kinder, er verbrachte auch Zeit mit ihnen, passte ab und zu auf sie auf, aber die Wahrheit war, dass er zumindest bisher nicht so ganz gewusst hatte, was er mit ihnen anfangen sollte. Was die zwei kaum zu stören schien – er war Familie und vertraut, und beide hatten kein Problem damit, sich ein Spiel auszudenken, dass er dann einfach mitspielen sollte. Aber er konnte mehr mit ihnen anfangen, wenn die zwei gerade in der Stimmung waren über irgendwas zu diskutieren, oder wenn sie Fragen hatten, die er ihnen beantworten sollte.


    „Du weißt ja, dass Rhaban und ich die letzten Monate viel unterwegs waren, um die Freya Mercurioque einigermaßen zu sortieren und zusammenzuhalten.“ Was einiges an Arbeit bedeutet hatte... es gab Partner, die hatten gleich ganz abspringen wollen, andere hatten geglaubt die Gelegenheit nutzen zu können um günstigere Konditionen für sich herauszuschlagen, wieder andere hatten versucht hintenrum ihr Ding zu machen, auf Kosten der Freya, und so ging es weiter. Alle halbwegs einzufangen, war ein Kraftakt, mit Rhaban und er gerade erst angefangen hatten, argwöhnte Iring. Bis die Socii wirklich überzeugt waren, dass ausgerechnet die beiden jungen Duccii den Laden im Griff hatten, würde es wohl noch etwas dauern. „Dafür müssen wir bei der Freya langsam für klare Verhältnisse sorgen. Und auch bei uns in der Familie das ein oder andere klären.“ Er widerstand der Versuchung, sich zu räuspern. Es war nicht sonderlich angenehm, mit seiner Schwägerin über Dinge zu reden, die ihren verstorbenen Mann betrafen – etwas, dass sie jetzt seit Monaten aufschoben. Aber genau deshalb mussten sie das langsam mal angehen. „Darüber wollte ich auch mit dir reden. Wann hättest du denn Zeit dafür?“ Iring würde am liebsten sofort mit ihr darüber sprechen, einfach damit er es hinter sich hatte, aber das war ein Gespräch, das wahrscheinlich doch ein bisschen länger dauern würde, und allein deshalb war es nur angebracht, ihr die Möglichkeit zu geben den Zeitpunkt zu bestimmen.

  • "Wenn du einen finden solltest, gib mir Bescheid." Ein flüchtiges Grinsen erschien auf Octavenas Lippen, verschwand dann aber genauso schnell, wie es aufgetaucht war, als ihr klar wurde, dass es bei seinem Erscheinen um deutlich mehr ging als beiläufige Witzeleien über Farolds Chaos.


    "Wenn du willst, habe ich jetzt Zeit." Oder sie nahm sich viel mehr Zeit, aber das Ergebnis war dasselbe. Diese ominöse Ankündigung, dass es Dinge gab, die in der Familie zu klären waren, bedeutete ziemlich sicher, dass es um etwas ging, das mit Witjon zu tun hatte. Ganz besonders, wenn Iring das Gespräch so begann, wie er es tat, und Octavena noch ausdrücklich die Wahl ließ, doch lieber später darüber zu reden. Sie hatte natürlich auch mitbekommen, dass Witjons Nachfolge in der Freya noch immer ungeklärt war. Wie so manches, das die Lücken betraf, die er hinterlassen hatte. Um das Thema hatte sie allerdings trotzdem bisher einen weiten Bogen gemacht, weil sie einerseits fand, dass das nicht ihre Angelegenheit war, und weil es andererseits, was viel wichtiger war, bedeutet hätte, sich mit Dingen auseinander zu setzen, die Octavena bisher fast schon fluchtartig gemieden hatte. Womit sie ja auch durchgekommen war - bisher. Der Tod ihres Mannes hatte sie nun einmal nicht kaltgelassen und unabhängig von der stoischen Fassade, die sie meistens nach außen trug, war das auch nicht wirklich ein Geheimnis. In jedem Fall ahnte sie, dass, was auch immer jetzt kam, zumindest das Potential hatte, unangenehm zu werden, und dann war es besser, dieses Gespräch gleich hinter sich zu bringen.


    "Setz dich." Octavena wies auf die beiden Korbsessel in einer Ecke, die irgendwann die Wiege, die dort früher gestanden hatte, ersetzt hatten, ehe sie selbst betont ruhigen Schrittes auf einen der beiden zusteuerte. Einmal sitzend streckte Octavena den Rücken durch und zwang sich zu einem kleinen Lächeln, auch wenn das mehr Theater war, um die Anspannung zu überspielen, die in ihr aufzusteigen drohte. "Also: Worum geht es?"

  • Für einen Moment überlegte Iring, ob er sich nicht lieber noch ein bisschen weiter über Farold unterhalten wollte – aber so weit ging es dann doch nicht. Sich über Kinder zu unterhalten, das war etwas, womit er definitiv noch deutlich weniger anfangen konnte als mit Kindern selbst, jedenfalls dann wenn sie noch klein waren und irgendwelche Spiele spielen oder sonst etwas machen wollten, was er nicht ganz verstand. Nein, dann lieber ein Gespräch wie dieses. Unangenehm war es ja vor allem, weil er mit Octavena eben über Dinge reden wollte, die Witjon betrafen, und weil das immer noch ein empfindliches Thema war. Vermutete er jedenfalls, immerhin hatten sie alle in den vergangenen Monaten es vermieden, seinen Tod übermäßig zu thematisieren... oder den der anderen Familienmitglieder. Was Iring ziemlich entgegen kam, weil er sich dann selbst einfach nicht damit beschäftigen musste.


    Sah man aber mal von Witjon ab, war das hier in erster Linie geschäftlich, und das war etwas, was er konnte. „Sehr gut“, lächelte er, als Octavena meinte gleich Zeit zu haben, und setzte sich in einen der beiden Korbsessel, auf die sie wies. „Also, unsere Socii und die übrigen Handels- und Vertragspartner haben uns in den letzten Monaten alle vor allem eins mit auf den Weg gegeben: wir müssen die Führung der Freya klären. Noch ist Witjon als Curator eingetragen, und das können wir nicht so lassen. Von den eingetragenen, stimmberechtigten Socii* stützen die meisten unseren Anspruch, dass das auch weiterhin einer der Duccii macht – wir, genauer gesagt Lando, haben die Freya gegründet, und wir sind nach wie vor die mit dem größten Anteil an Betrieben. Witjon hat von Lando übernommen, und hat dann in den letzten Jahren Rhaban und mich in der Freya herangezogen. Aber er hat es aber immer aufgeschoben, uns offiziell in irgendeiner Funktion einzusetzen.“ Erst recht in einer Funktion, mit der er deutlich gemacht hätte, wem er den Vorzug gab, was beispielsweise eine mögliche Nachfolge anging. Iring räusperte sich. Er hatte davor überlegt, was genau er sagen sollte, und hatte beschlossen gehabt, mit offenen Karten zu spielen. Außenstehende ging das nichts an, aber die Familie sollte Bescheid wissen. „Im Moment ist es so, dass Rhaban und ich beide Curator werden möchten. Wir bringen beide Vor- und Nachteile mit dafür, wir... naja. Sind uns nicht ganz einig. Bevor wir den Soccii aber einen Vorschlag präsentieren, möchten wir das aber sein, und das wollen wir auch mit der Familie besprechen.“ Weil Marga sie mit dem Kopf drauf gestoßen hatte. „Außerdem gibt es ja noch mehr – Dagny hat in den letzten Monaten angefangen mitzuarbeiten, und du hast Witjons persönliche Betriebe geerbt, die ja einen großen Anteil von unseren ausmachen. Im Moment ist von unserer Familie aber nur Dagmar Socius und repräsentiert damit in der Freya alleine den duccischen Part dort.“ Er lächelte leicht. „So, das erst mal zur Freya. Da würd ich gern deine Meinung dazu wissen. Und dann wäre da noch die Frage, was du machen möchtest. Ich finde, du solltest auf jeden Fall Socius werden – willst du das? Und was ist mit deinen Betrieben, weißt du da schon, wie es in Zukunft laufen soll?“


    Sim-Off:

    *Sim-off derzeit nur Venusia, ich gehe aber aus logischen Gesichtspunkten davon aus, dass es sim-on mehrere gibt

  • Octavena hörte Iring zunächst einmal schweigend zu und auch wenn sehr schnell klar wurde, dass er hier gerade mehrere Themen aufmachte, die sie bisher alle mehr oder weniger bewusst gemieden hatte, so war sie doch dankbar, dass er dabei immerhin klar und deutlich war. Seine ruhige, nüchterne Art machte es Octavena leichter, aus seinen Worten in ihrem eigenen Kopf klar benennbare Probleme zu machen, ohne sich zu sehr von den wunden Punkten aus dem Konzept bringen zu lassen, die damit in Verbindung standen. Für Probleme konnte man ganz pragmatisch nach Lösungen suchen und sobald sie nach Lösungen suchen konnte und damit etwas tun konnte, waren die meisten Dinge leichter zu bewältigen.


    "Ich sehe, du kommst heute also direkt mit den ganz einfachen Themen an", sagte sie, als er geendet hatte, und versuchte sich damit an einem halbherzigen Witz, der sie aber nicht einmal selbst wirklich überzeugte. Also ließ sie das direkt wieder und seufzte stattdessen, während sie sich einen Moment nahm, um zu überlegen, wie und was sie ihm worauf am besten antworten sollte. Gerade weil sie ihm hier keine einfachen Antworten geben konnte, jedenfalls nicht wirklich, Iring aber auch recht hatte, dass sie diese Dinge klären mussten.


    "Also gut", seufzte sie schließlich und sah ihn direkt an. Er war so nett gewesen, ehrlich zu ihr zu sein und einfach gerade heraus zu sagen, was er zu sagen hatte, also würde sie ihm umgekehrt denselben Gefallen tun. "Um einmal eins nach dem anderen anzugehen: Ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn ausgerechnet ich mich in die Frage einmische, wer von euch beiden Curator werden soll." Sie war noch immer Witjons Witwe und die Frage, wer Curator werden sollte, war auch eine Frage seiner Nachfolge und Octavena war sich schlicht nicht sicher, ob sie, wenn sie sich entweder für den einen oder anderen Bruder aussprach, nicht eher mehr Schaden als Nutzen anrichten würde. Gerade weil es da eben nicht nur ums Geschäft ging, sondern auch um die Familie und die Dynamik, die sie alle in Zukunft haben würden. Und weil sie in den letzten Jahren in der Regel mehr Einblick als irgendwer sonst darin gehabt hatte, warum Witjon welche Entscheidungen in Bezug auf die Familie getroffen hatte, was zwar jetzt nicht mehr viel zur Sache tat, aber im schlimmsten Fall jeder Äußerung ihrerseits ein falsches Gewicht gegeben hätte. "Das müsst ihr untereinander ausmachen. Wie du selbst sagst, sowohl du als auch Rhaban habt eure Stärken und Schwächen und ich denke, dass jeder von euch beiden im Zweifelsfall in einiges wird reinwachsen müssen. Das wird wahrscheinlich nicht immer einfach und das muss euch beiden klar sein." Das war vermutlich nicht die Art Antwort oder auch nur Meinung, die er sich erhofft hatte, jedenfalls nahm Octavena das an, aber es war die, die sie ihm gerade geben würde. Sie mochte allgemein wenig Ahnung von der Freya haben, aber sie kannte die beiden Brüder lang genug und wusste genug darüber, was es ganz allgemein bedeutete, Verantwortung für andere zu übernehmen, um zu meinen, was sie sagte. Im Stillen tippte sie zwar ohnehin darauf, dass Iring sich in dieser Sache durchsetzen würde - einmal weil er der ältere der beiden war und weil Octavena sich ihn mit seiner ganzen Art eher in dieser Position vorstellen konnte - aber diesen Gedanken würde sie ihm sicher nicht auf die Nase binden. Nicht nur, weil sie sich auch irren konnte, sondern auch, weil das wahrscheinlich nur kontraproduktiv gewesen wäre. Manche Dinge würden sich von allein fügen müssen und selbst wenn nicht, würde die nötige Intervention von anderen kommen müssen. Zumindest in dieser Angelegenheit.


    "Was den Rest angeht …" Sie seufzte. Es gab keinen angenehmen Weg, dieses Thema anzugehen, also würde sie es einfach ausspucken. "Ich muss zugeben, dass ich mich bisher nicht so intensiv mit Witjons Erbe auseinandergesetzt habe, wie ich das wahrscheinlich hätte tun sollen." Das war die nette Variante, das auszudrücken. Tatsächlich hatte Octavena sich schlicht weitgehend davor gedrückt. Zuerst weil schon der Gedanke weh getan hatte und dann weil sie kaum gewusst hatte, wo sie eigentlich anfangen sollte, und sich dann nur mit dem allernötigsten beschäftigt. Das alles war keine Aufgabe, mit der sie je für sich gerechnet hatte. Sie hatte sich immer darauf verlassen, dass, selbst wenn Witjon sterben sollte bevor Farold auch nur ansatzweise erwachsen war, dann einfach Audaod das Ruder übernehmen würde. Aber Audaod war genauso tot wie sein Vater und damit waren diese Dinge plötzlich ihre Verantwortung. Und tatsächlich war sie sich nicht einmal sicher, ob oder wie weit sie dem gewachsen war. Dazu passte schon, dass in Octavena innerlich etwas zusammenzuckte, als Iring von "ihren" Betrieben sprach. In ihrem Kopf waren das noch immer Witjons Betriebe. Sein Erbe, das nur bei ihr gelandet war, weil die Götter sich irgendeinen zu gleichen Teilen bitteren wie absurden Scherz mit ihr erlaubten. "Die Wahrheit ist, dass ich …" Sie zögerte und verzog kurz das Gesicht, zwang sich dann aber weiter zu Ehrlichkeit, auch wenn das bedeutete, sich eine Blöße zu geben, was sie eigentlich hasste. "Ich habe es schlicht vermieden, mir bei dem Thema zu viele Gedanken über die Zukunft zu machen. Ich verstehe nicht viel von der geschäftlichen Seite und ich habe eigentlich auch nie ernsthaft damit gerechnet, überhaupt in der Position zu landen, in der ich jetzt bin." Ihre Hand glitt unbewusst zu der Stelle an der anderen, an der sie immer noch den Ring trug, den ihr Witjon damals bei ihrer Hochzeit angesteckt hatte. Kurz drehte sie den Ring hin und her, stoppte sich dann aber wieder selbst, als sie sich dabei ertappte, und legte stattdessen beide Hände in den Schoß. "Aber ich weiß natürlich selbst, dass das eigentlich nicht so weitergehen kann." Noch ein Seufzen. "Was ich damit sagen will: Ich kann dir nicht sagen, was meine Pläne sind, weil ich keine habe. Aber wenn du denkst, dass das sinnvoll ist, und es der Familie hilft, wenn ich Socius werde, dann mache ich das." Sie lächelte ein wenig und fühlte sich mit einem Mal ungewohnt unsicher. Aber hier ging es eben um Familie und nicht zuletzt das Erbe ihrer Kinder, da führte wohl einfach kein Weg mehr dran vorbei. "Ihr müsst dann nur wahrscheinlich ein wenig Geduld mit mir haben."

  • Iring hatte den Eindruck, dass Octavena selbst eigentlich nicht nach Lachen zumute war, aber er lächelte trotzdem pflichtschuldig, als sie sich an einem Witz versuchte. Es hieß, dass sie die Situation auflockern wollte, und das konnten sie nicht nur beide vertragen – es erleichterte ihn auch, weil es vielleicht das ein oder andere etwas einfacher machte. Und wenn es nur das Gespräch an sich war. „Ja, man kann ja nicht immer nur über die schweren Brocken wie Platon sprechen“, erwiderte er, immer noch mit jenem Lächeln, bevor er dann zum eigentlichen Grund seines Hierseins kam. Octavenas Antwort auf sein erstes Anliegen war alles anderes als befriedigend. Er hatte es im Grunde schon befürchtet – aber unbefriedigend war es trotzdem. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn sie einfach gesagt hätte: Witjon hatte es so und so geplant. Oder wenn sie einfach nur sagte was sie fand, denn selbst das könnte schon als Hinweis darauf gedeutet werden, was Witjon gewollt hatte – immerhin konnte man zumindest davon ausgehen, dass sie sich ihre Meinung aufgrund von dem bildete, was sie von Witjon über die Freya wusste. Iring seufzte. „Ich habe damit schon gerechnet, ehrlich gesagt. Ich habe mir etwas anderes erhofft, aber ich hab damit gerechnet. Ich wollte trotzdem fragen, und Rhaban und ich werden auch mit den anderen reden, aber am Ende... müssen wir das wohl unter uns ausmachen, wie du sagst.“ Eine Sache hatte dieser erste Wortwechsel immerhin schon ergeben: Octavena hielt es auch für ausgemacht, dass es einer von ihnen beiden wurde. Hätte Witjon etwas völlig anderes, jemand völlig anderen, im Sinn gehabt, wäre das jetzt der Augenblick gewesen es zu sagen. Nicht dass Iring damit gerechnet hatte, aber darüber war er trotzdem ein kleines bisschen erleichtert. Wäre es so gewesen, hätte das erst mal alles durcheinander geworfen, und sie hätten sich neu sortieren müssen und überlegen, was sie nun damit anfingen.


    Über die Betriebe zu sprechen, die sie von Witjon geerbt hatte, schien Octavena unangenehm zu sein, aber auch das mussten sie mal angehen. Was sie sagte, überraschte Iring wenig – er und Rhaban hatten sich nicht nur um die Freya, sondern auch so gut es ging um die duccischen Betriebe gekümmert, die da waren, auch um die, die im Besitz von Witjon gewesen waren, zumindest um die alltäglichen Aufgaben, die angefallen waren. Natürlich hatten sie gemerkt, dass Octavena ihnen da bisher nicht hinein geredet hatte. Iring deutete erst mal ein leichtes Achselzucken an. „Wir haben uns auch nicht sofort so um die Freya gekümmert, wie wir das hätten tun sollen. Deswegen mussten wir dann ja wochenlang herumreisen und uns persönlich um die Socii kümmern“, erwiderte er. Es war als Trost gemeint, aber es stimmte auch: diese Reisen über den Sommer, in alle Teile der Provinz, wären nicht nötig gewesen, wenn sie einfach sofort für eine Nachfolge gesorgt hätten. Nur: sie hatten sich vielleicht Zeit gelassen, aber sie gingen es jetzt endlich an. Weil es sein musste, aber auch weil sie es wollten. Ob Octavena hingegen auch wollte, darüber war Iring sich nicht so sicher. Ihre Worte, diese und auch die nächsten, rührten auch an den Grund, warum das bei ihr so war... und zu einem der Gründe, warum Iring dieses Gespräch so unangenehm war. Er wollte ihr nicht weh tun. Er wollte den Schmerz über Witjons Tod nicht aufwühlen. Aber so konnten sie halt auch nicht weiter machen. Im Moment lief bei Witjons Betrieben alles, da war nichts, wo der tatsächliche Besitzer eingreifen müsste, aber irgendwann würde auch der Tag kommen, an dem Octavena gefragt war. Natürlich konnten Rhaban und Iring ihr auch dann helfen, beraten, eine Entscheidung vorschlagen – aber es war schlicht besser, wenn sie sich selbst auskannte, und nicht einfach das tat, was andere ihr sagten. Das mochte ihm und seinem Bruder mehr Einfluss sichern, aber Iring hielt das einfach für falsch.


    „Also...“ Er räusperte sich und überlegte ein bisschen, bevor er fortfuhr. „Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Du musst nicht Socius werden, wenn du nicht willst, aber ich denke schon, dass es besser wäre, wenn unsere Familie in der Freya auch entsprechend mit Personen vertreten ist. Wir stimmen uns dann familienintern sowieso vorher immer ab, wenn in der Freya Entscheidungen anstehen, damit wir da eine Einheit bilden. Was heißt: du kannst dich da einarbeiten, musst es aber nicht, um Socius zu sein. Auch wenn es natürlich besser ist, wenn du Ahnung von der Sache hast.“ Er machte eine kleine Pause, bevor er fortfuhr: „Unabhängig davon aber geht es ja auch um die Betriebe. Du kannst einen von uns dafür einsetzen, dass wir uns darum kümmern, mit den nötigen Berechtigungen. Dann halten wir dich auf dem Laufenden, besprechen das Nötige mit dir, und du musst dich mit nichts weiter beschäftigen. Aber...“ Er bemühte sich, die folgenden Worte vorsichtig zu formulieren. Er wollte nicht, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlte, oder dass sie glaubte er würde sie für schwach oder so halten, wenn sie anders entschied. „Ich persönlich würde es für besser halten, wenn du selbst zumindest ein bisschen einsteigst. Genau wie bei der Freya. Es wenigstens ausprobierst. Wenn es zu viel sein sollte, kannst du immer noch jemanden mit Berechtigungen ausstatten, der dir was abnimmt. Wenn du merkst es interessiert dich einfach nicht, kannst du dich auch immer noch zurückziehen. Ich helf dir gern, ich kann dir da alles erklären, was du wissen musst. Rhaban genauso, und Dagny hilft sicher auch gern. Da sie erst in den letzten Monaten so richtig eingestiegen ist, kann sie das vielleicht sogar noch besser als wir, weil bei ihr alles frisch ist. Und vielleicht macht es dir ja Spaß.“ Bei den letzten Worten lächelte er leicht.

  • Iring bestätigte Octavenas Verdacht, dass er auf eine klarere und einfachere Antwort von ihr gehofft hatte, diskutierte aber auch nicht mit ihr. Das war wahrscheinlich ein gutes Zeichen, genauso wie die Tatsache, dass er und Rhaban ohnehin vorhatten, auch noch mit dem Rest der Familie zu reden. Das bedeutete, dass die beiden eigentlich schon von allein darauf gekommen waren, dass ihnen diese Entscheidung niemand mehr so einfach abnehmen konnte oder würde, wie Witjon das gekonnt hätte. Trotzdem ärgerte sich Octavena insgeheim ein wenig, dass sie ihrem Mann nicht mehr Druck gemacht hatte, in dieser Sache klare - oder wenigstens klarere - Verhältnisse zu schaffen. Sie hatte immer ein wenig den Verdacht gehabt, dass sich dieses Heranziehen der beiden Brüder, ohne ihnen tatsächlich eine offizielle Position zu geben, früher oder später rächen würde. Denn während Audaod als Witjons ältester Sohn und Erbe immer weit weg in Rom gewesen war und auch keine Anstalten gemacht hatte, heim zu kommen, waren Iring und Rhaban eben da gewesen. Selbst wenn Audaod irgendwann beschlossen hätte, nach Mogontiacum zurückzukehren, hätte das sicher auf die eine oder andere Weise für Spannungen in der Familie gesorgt. Die Art Spannungen, bei denen Octavena, wenn Witjon schon nicht von allein tätig geworden war, sonst eigentlich meistens versucht hatte, ihnen elegant aus dem Hintergrund heraus entgegenzusteuern, noch bevor sie akut werden konnten. Sie wusste zwar nicht, ob es in diesem Fall überhaupt etwas gebracht hätte, Witjon in dieser Sache ins Gewissen reden zu wollen, aber dass sie es nicht einmal versucht hatte, ärgerte die trotzdem. Gleichzeitig war es inzwischen nur noch müßig, darüber nachzudenken. Die Situation war wie sie war und daran würden nur die Lebenden noch etwas ändern können, nicht die Toten.


    "Tut mir leid", erwiderte sie und warf Iring ein entschuldigendes Lächeln zu. "Falls es hilft: Ich habe wirklich Vertrauen in euch. Aber genau deshalb ist es eben besser, wenn ich mich da raushalte."


    Octavena meinte ihre Worte schon in diesem Moment so wie sie sie sagte - sie hatte wirklich Vertrauen in Iring und Rhaban. Witjon hatte sich schon etwas gedacht, als er die beiden mit ins Geschäft eingebunden hatte, und den Rest, der sicher auch viel mit Dingen auf ganz persönlicher Ebene zu tun hatte, würden sie schon noch herausfinden. Trotzdem bestätigte Iring - vielleicht sogar unbewusst - wenig später genau dieses Vertrauen mit seiner nächsten Antwort. Octavena registrierte dabei sehr genau, wie er seine Worte abwägte und sich offensichtlich Mühe gab, sie weder zu drängen noch ihr Vorwürfe zu machen - obwohl sie beides verstanden hätte. Genau deshalb war sie ihm aber auch dankbar für seine Rücksicht, so merkwürdig es sich auch für sie anfühlte, darauf angewiesen zu sein. Nicht nur, weil er ihr hier einen leichten Ausweg, sondern ihr vor allem einen Einstieg anbot. Und während sie ihm zuhörte, wurde Octavena mehr und mehr bewusst, dass sie diesen Einstieg auch wollte. Sie hatte sowieso ein schlechtes Gewissen, weil sie sich so wenig mit Witjons Erbe auseinandergesetzt hatte, und eigentlich war es wirklich nicht ihre Art, vor einer Herausforderung wegzulaufen, ganz im Gegenteil. Sie war immer stolz darauf gewesen, sich im Zweifelsfall allem zu stellen, was ihr das Leben entgegenwarf. Stolz darauf, diejenige zu sein, auf die sich andere ohne nachzudenken verlassen konnten, weil sie in der Regel nicht lange fackelte, sondern einfach machte. Aber das hier … das hier war komplizierter.


    "Ja, vielleicht." Octavena lachte leise, als Iring meinte, dass es ja auch sein konnte, dass sie Spaß daran haben würde, wenn sie einmal anfing, sich selbst um die Betriebe zu kümmern. Tatsächlich nahm ihr unter anderem dieser Gedanke einen guten Teil ihrer Anspannung. Sie hatte das Thema gemieden, weil sie allgemein versucht hatte, zu vermeiden, zu viel an Witjon zu denken. Sein Tod mochte noch immer kein ganz einfaches Thema für sie sein, aber sie merkte selbst, dass es ihr trotz allem inzwischen schon deutlich besser ging als noch vor ein paar Monaten. Sie war dabei, langsam ihren Blick freiwillig wieder auf die Zukunft zu heften. Nicht aus Zwang, weil einfach kein Weg daran vorbeiführte, sondern weil sie es wollte. Vielleicht war jetzt wirklich der richtige Moment gekommen, um einen weiteren Schritt in diese Richtung zu gehen. Sich den Teil ihrer Selbst zurückzuholen, der sich eben nicht von einer Herausforderung einfach so einschüchtern ließ. Auch wenn das bedeutete, dass sie auf Hilfe angewiesen sein würde. Schließlich nickte Octavena langsam. "Du hast wahrscheinlich recht, ich sollte es wenigstens versuchen, mir selbst einen Überblick zu verschaffen ... Ich will mich ja auch selbst um diese Dinge kümmern und vor allem kümmern können", sagte sie dann und merkte, wie die Unsicherheit, die sie eben noch erfasst hatte, nun wirklich wieder verschwand. "Ich werde garantiert auf das Hilfsangebot zurückkommen müssen und es kann sein, dass ich euch drei dann mit mehr als einer vielleicht noch so banalen Frage nerven muss, aber ... gut, dann arbeite ich mich selbst in das alles ein, was ich wissen muss. Sowohl in Bezug auf Witjons Betriebe als auch bei der Freya." Sie lächelte ein wenig und zögerte einen Moment, sprach dann aber den nächsten Gedanken einfach gerade heraus aus. Weil er ihr tatsächlich wichtig vorkam. Abgesehen davon war sie gerade ohnehin schon so ehrlich gewesen wie selten in den letzten Monaten, dann machte das jetzt auch keinen Unterschied mehr. "Und ... Danke. Mir ist selbst klar, dass du mir das nicht hättest anbieten müssen."

  • Iring lächelte ein wenig vage, aber aufrichtig zurück. „Mach dir nichts draus. Wie gesagt, ich hab’s mir ja schon gedacht. Danke für dein Vertrauen, das bedeutet mir viel.“ Was allerdings auch irgendwie eine Bürde war. Welche Lösung auch immer sie fanden, sie musste sich dann als tragfähig erweisen. Octavena, die Familie, die Socii erwarteten das. Iring unterdrückte ein Seufzen, und beschloss für sich in diesem Moment zu versuchen, die brüderliche Rivalität, wenn es irgendwie ging, außen vor zu lassen. Und Rhaban davon zu überzeugen das gleiche zu tun. Was die Freya nicht brauchte – generell nicht, aber unter den aktuellen Umständen gleich dreimal nicht –, waren diese Art von Zwistigkeiten.


    Beim nächsten Thema schien Octavena erst etwas zu zögern, und Iring wartete geduldig. Dass sie nicht sofort antworten würde, damit hatte er gerechnet – er war recht gut darin, Menschen einzuschätzen und zu lesen, und sie kannten sich nun schon seit Jahren. Weshalb er aber auch glaubte, dass sie letztlich zustimmen würde. Octavena hatte viel Verantwortungsbewusstsein, sie war nie eine von den Hausherrinnen gewesen, die alles delegierten, und gleichzeitig war sie aufgeschlossen und durchaus neugierig, fand er. Er konnte sie sich gut dabei vorstellen, die Geschäfte von Witjons Betrieben zu übernehmen – und er glaubte, dass es vor allem ihr gut tun würde. So oder so hatte sie schon mal nicht rundheraus abgelehnt, und als sie dann sprach, kam es so, wie er es sich gedacht hatte. „Sehr gut. Ich finde, du triffst die richtige Entscheidung, und wie gesagt: wenn es doch nichts für dich ist, dann kannst du es ja immer noch abgeben – und dann weißt du immerhin im Grundsatz wie es läuft. Und komm ruhig mit allen Fragen, mach dir keine Gedanken deswegen. Farold hat uns alle gestählt.“ Ein Grinsen glitt über sein Gesicht, ein bei ihm ziemlich seltener Anblick – wenn dann schmunzelte er oder lächelte, aber grinsen kam nicht so oft vor.


    Im Anschluss, bei ihrem Dank, stutzte er dann ein wenig. „Doch, das habe ich“, erwiderte er schlicht. „Wir sind eine Familie. Das ist...“ Er suchte nach Worten, fand aber ausnahmsweise mal nicht wirklich welche, die ausdrückten, was er meinte. Warum das für ihn selbstverständlich gewesen war. Also sagte er schließlich einfach nur das: „... selbstverständlich. Es tut mir nur leid, dass wir das nicht schon längst geklärt haben, aber... wir haben die Zeit alle irgendwie gebraucht.“ Auch Rhaban und er. Sie hatten Wochen gebraucht, bis sie wirklich realisiert hatten was das für die Freya bedeutete. Da das Handelsconsortium gut aufgestellt und vor allem gut und straff organisiert gewesen war, war das nicht so schlimm gewesen... aber trotzdem hatten sie dann einiges aufzuholen gehabt, als sie die Schockstarre nach Witjons Tod endlich überwunden gehabt hatten. Weshalb es dann ja auch nötig gewesen war, den Sommer mit Reisen durch die Provinz zu den verschiedenen Socii zu verbringen. Viel länger hätten sie den Laden nicht schleifen lassen dürfen.


    „Wir können nachher in Witjons Arbeitszimmer gehen.“ Dass Rhaban und er dort inzwischen auch arbeiteten, war bekannt und abgesprochen – immerhin lagen dort alle wichtigen Unterlagen unter anderem der Freya. Trotzdem war es für ihn immer noch eben das: Witjons Arbeitszimmer. Und er kam sich immer noch manchmal so vor, dass er in diesem Raum nichts zu suchen hatte, nicht allein. „Da sind alle Unterlagen, zu den Betrieben, und auch alles was du dir für die Freya vielleicht mal anschauen solltest. Ich stell dir da gerne das Wichtigste erst mal zusammen, für einen ersten Überblick.“


    Und dann war da war noch ein Thema, das er ansprechen wollte. Musste. Sie würde es sowieso merken, wenn sie sich die Unterlagen zu dem Erbe ansehen würde, aber unangenehm war ihm das jetzt trotzdem. „Eines noch: Witjon hat in den letzten Jahren nach und nach alles an sich gezogen. Das war auch sicher richtig so in der Zeit, nach Alriks Unfall, nachdem Phelan fortgegangen ist und so.“ Er räusperte sich. „Jetzt es ist nicht nur die Freya, die ein wenig in der Luft hängt, weil wir uns erst um die Nachfolge kümmern müssen... er hat auch für so ziemlich alle Familienmitglieder Betriebe und Grundstücke als Verwalter übernommen. Wie gesagt, in der Zeit war das sicher richtig“, beeilte er sich noch mal zu versichern, „aber die Situation hat sich inzwischen wieder geändert. Jetzt sind wieder mehr hier, die die Verantwortung dafür auch übernehmen können und wollen. Da würde ich es grundsätzlich für besser halten, wenn wir den duccischen Besitz wieder etwas mehr aufteilen würden auf die Familienmitglieder. Geerbt hast alles du, weil er offiziell als Besitzer eingetragen war, aber... also, lange Rede kurzer Sinn: ich wollte dich fragen, was du davon hältst. Ob du einer Aufteilung zustimmen und das in die Wege leiten würdest. Du kannst dir die Unterlagen dazu gerne alle anschauen, um zu sehen, was Witjon selbst gehört hat und was er nur als Verwalter übernommen hat, darüber hat er recht genau Buch geführt.“

  • Octavena wusste zwar nicht, ob sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte oder sich nur in die nächste Sache stürzte, durch die sie sich durchimprovisieren würde, aber als Iring Farold und seine ewige Fragerei erwähnte, lachte sie trotzdem. "Immerhin etwas."


    Ihr Dank dagegen überraschte ihn offensichtlich, Octavena nahm das aber nur stumm hin und erwiderte nichts darauf. Es war ihr wichtig gewesen, das wenigstens auszusprechen, aber sie wusste auch, dass Iring und die anderen in der Regel nicht verstehen konnten, warum diese Art Hilfe für sie eben nicht so selbstverständlich war, wie er es darstellte. Oder warum es ihr schlicht leichter fiel, wenn andere sich auf sie verließen, als umgekehrt. Stattdessen nickte Octavena einfach zu dem Vorschlag, sich die Unterlagen gemeinsam anzusehen. "Gerne", erwiderte sie und kurz schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass es wahrscheinlich gut war, dass es die Zeit gedauert hatte, die es gedauert hatte, bis Iring dieses Gespräch mit ihr gesucht hatte. Gerade das Arbeitszimmer war ein Raum, den Octavena doch noch immer stark mit Witjon verband und vor dem sie sich vor ein paar Monaten noch deutlich mehr gescheut hätte als jetzt. Überhaupt hätte es dann sein können, dass dieses gesamte Gespräch anders gelaufen wäre. "Wenn du mir zeigen kannst, wo ich anfangen sollte, wäre das sicher gut. Dann kann ich von da aus weiter sehen."


    Beim nächsten Thema entspannte Octavena sich wieder vollkommen und lehnte sich ein wenig in ihrem Sessel zurück, während Iring redete. Tatsächlich überraschte sie das, was er ihr erzählte, nicht einmal vollkommen. Sie hatte gewusst, dass in den letzten Jahren viele Fäden bei Witjon zusammen gelaufen waren. Das Ausmaß, das Iring jetzt beschrieb, überstieg zwar das, womit Octavena gerechnet hatte, aber im Kern ergab selbst das Sinn. "Dagmar hat so etwas Ähnliches schonmal erwähnt", antwortete sie also, als er geendet hatte, und nickte knapp. "Ich wusste zwar nicht, um wie viel Witjon sich da tatsächlich gekümmert hat, und dachte sowieso, dass er weitgehend wirklich nur als Verwalter eingetragen war, aber eigentlich wundert mich das alles auch nur begrenzt." Die Andeutung eines Lächelns zuckte um ihre Mundwinkel. "Es passt zu Witjon." Sie seufzte. Noch ein Punkt auf ihrer so plötzlich wachsenden Liste von Dingen, mit denen sie sich auseinandersetzen musste, ohne ernsthaft eine Ahnung davon zu haben. "Und natürlich habe ich nichts dagegen, den Besitz wieder aufzuteilen. Ich sehe mir das alles dann auch gerne selber im Detail an, wir können das aber auch gemeinsam durchgehen und du erklärst mir, was ihr da wo von mir braucht." Octavena hob fragend die Brauen und lächelte nun doch ein wenig schief. "Ich vermute mal, du hast ohnehin schon irgendeine grobe Idee, was die Aufteilung anbelangt?" Das war nur geraten, aber es war offensichtlich, dass Iring nicht nur mit Geduld, sondern auch mit einem klaren Plan, worüber er mit ihr reden wollte, zu ihr gekommen war. Er hatte dieses Gespräch vorab offenbar gut durchdacht, das musste Octavena ihm lassen. Und nachdem es hier zumindest seiner Beschreibung nach wohl nicht nur um Besitz ging, dessen Eigentümer sich einfach wieder selbst darum kümmern konnten, hätte es sie eigentlich mehr gewundert, wenn er ausgerechnet dieses Thema davon ausgeklammert hätte.

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