Peristyl | Dum spiro, spero

  • Zwei Tage war es nun her, dass Marcus sein wahres Gesicht gezeigt hatte. Sie war zu ihm gegangen, um sich nach dem Stand ihrer Heimkehr zu erkundigen. Gegangen war sie desillusioniert. Gekommen war sie als freie Germanin, gegangen als Sklavin. Sie sah sich selbst noch immer nicht als das Eigentum eines anderen Menschen, eines Römers. Trotzdem war sie klug genug um zu wissen, dass sie damit ziemlich allein stehen würde. Rom war voller Römer und die würden es wohl kaum gut mit ihr meinen. Sie konnte sich schon ausmalen, wie die Herrin des Hauses reagieren würde, würde Eldrid darauf hoffen, bei ihr ein offenes Ohr zu finden. 'Verzeih, Herrin, das ist alles ein Irrtum. Eigentlich bin ich frei!'

    Marcus Claudius Marcellus hatte ganz allein bestimmt, dass sie nun eine Sklavin war. Ganz offensichtlich konnte er das tun. Sie begriff es einfach nicht - warum tat er das? Nur, damit sie nicht fortging? Weil er sie gern anschaute? Das war aus seinen Worten schon ein wenig hervorgegangen, aber wie irrsinnig war das? Sie war doch kein Schmetterling, den man sich schnappte, tötete und wegpackte, um ihn immer wieder anschauen zu können. Und jetzt?

    Jetzt kniete sie hier und schrubbte den Boden einer römischen Villa. Immer noch sah sie sich nicht in ihrer Rolle und trotzdem war ihr klar, dass Verweigerung ihr einfach gar nichts brachte. Es war ja auch nicht die Arbeit die sie scheute, Eldrid war auch daheim stets brav und arbeitsam gewesen. Sie hatte bei ihrer Mutter Dinge über Kräuter und Wunden gelernt, sie war im Dorf beliebt gewesen und auch ihr Vater hatte nie ein böses Wort gegen sie sprechen müssen. Sie war kein Mensch, der Ärger anzog oder Wut provozierte. Dennoch fragte sie sich, ob das nicht der Moment war, in dem sie das vielleicht einmal ändern sollte. Sie konnte doch dieses Unrecht nicht einfach wortlos ertragen und bis an ihr Lebensende die Boden irgendwelcher reichen Römer schrubben, nur weil es denen gerade in den Kram passte. Nur wie?
    Kurz hielt sie inne und kam aus dem Vierfüßlerstand heraus, um sich mit ihrem Hintern auf die Fersen zu setzen. Sie wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und sah sich um. Über dem großen Wasserbecken befand sich eine Öffnung, durch die sie den blauen Himmel sehen konnte. Ach, hätte sie doch nur Flügel, dann könnte sie diesem Gefängnis entkommen. Einfach die Arme ausbreiten und davon fliegen, noch einmal lachend auf ihre Kerkermeister hinuntersehend. Sie sah sich um, hatte nicht einmal die Hälfte des verschwenderisch großen Raums geschrubbt. Ein Langhaus war nicht so groß wie dieses Atrium hier - und die Fläche wurde nicht einmal wirklich sinnvoll genutzt. Auch den Boden schrubben musste man dort nicht auf diese Weise.


    Verschnupft, da ihr schon wieder die Tränen in die Augen schossen, beugte sie sich wieder vor und bürstete weiterhin den Boden mit der nassen Bürste. Ihre Knie waren feucht von der Arbeit und ihre Hände mittlerweile schon ein wenig aufgeweicht. Komfort gönnte man ihr hier keinen mehr, die Zeit war vor zwei Tagen ausgelaufen. Bis dahin war sie noch ein Gast gewesen. Sie hätte viel früher gehen sollen. Sie hätte ihm nicht vertrauen dürfen. Traue niemals einem Römer! Das hatte Sarolf immer gesagt und nie war ihr älterer Bruder ihr weiser vorgekommen als heute. Ein paar Tränen vermischten sich mit dem Wasser auf dem Boden, ehe sie ihre Emotionen wieder in den Griff kriegte.

    Genau das wollte Marcus hiermit erreichen. Er wollte ihren Willen brechen - und das würde sie nicht zulassen. Sie würde das alles durchstehen, aber sie würde niemals ihren Willen verlieren. Irgendwann würde ihre Chance kommen und sie konnte zu ihrer Familie. Bis dahin würde sie das alles hier ertragen. Grimm erfüllte sie wieder. Ja, an ihr würde er sich die Zähne ausbeißen. Sie wusste, ihre Situation war ausweglos und sie würde manches hinnehmen müssen, aber sie würde nicht... das werden, was er gerne in ihr sehen wollte. Was auch immer das war. Mit neuer Kraft polierte sie den marmornen Boden weiter.

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