Atrium | die neue Hausherrin

  • Nach seiner sehr überstürzten Hochzeit in Rom war das frisch getraute Paar anders als die Braut es wollte, mit dem Schiff von Ostia über Genau nach Mantua gereist. Seine Frau fürchtet sich vor dem Meer, aber Quintus war erstens praktisch veranlagt, denn man brauchte bei gutem Wind nur einen Tag für die Strecke Ostia Genua und dann mit dem Wagen noch mal 3–4 nach Mantua, während man schon mit dem Wagen von Rom nach Genua 4 Tage brauchte. Es war also eher der Notwendigkeit, schnell zu reisen, geschuldet als dem Gedanken, dass es seine Frau ängstigte, dass sie mit dem Schiff gefahren waren. Auch wenn ihn der Gedanke, dass es sie ängstigte, doch ansprach.

    Endlich wieder auf seinem Gutsbetrieb angekommen, schauspielerte er weiter und ließ die versammelte Mannschaft an Sklaven im Atrium antreten. „Dies ist meine Frau Valeria Lucilla, eure neue Domina. Ihr Wort ist Gesetz in diesem Haus wie meines.“ Sagte er, mit der entsprechenden Stränge an die Sklaven gerichtet, und musste sich bei dem Gedanken daran zusammenreisen, wie man sie ihm angedreht hatte. Aber er musste gute Mine zum bösen Spiel machen. Und die Tradition verlangte, dass er die Honoratioren und Bekannten, mit denen er ja ein gutes Auskommen wollte, zum Abschluss der Hochzeitsbräuche einlud.


    Lucilla patmai.png hatte wie ihr Mann die letzten Tage wie in einem Delirium verbracht. Als ihr Vater vor zwei Wochen von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, hatte sie gedacht, er würde sie töten. Er war so unfassbar wütend gewesen, es war wie in einem Alptraum gewesen. Man hatte sie eingesperrt und von ihrem Lycius hatte sie seither nichts gehört. Ihr armer, geliebter Lycius. Sie hoffte, dass er noch lebte, aber sie klammerte sich mehr an diese Hoffnung, als dass sie es glaubte. Ihr Vater hatte sie nicht getötet, weil es im Machspiel zu früh war, sie vom Brett zu nehmen. So hatte er sie einfach nur ins Abseits geschoben. Aber Lycius war keine Figur in dem Machtspiel ihres Vaters.

    Vor einer Woche hatte man ihr in ihrem Cubiculum verkündet, dass sie in zwei Tagen einen Patrizier heiraten werde, und das wars.

    Sie hatte den Mann, der jetzt ihr Mann war, erst bei der Hochzeit gesehen, diese wie von einem Blitz herzuckende Hochzeit, und nun war sie hier. Im Abseits, weit weg von Rom und allen, die sie kannte.

    Sie fürchtete sich denn, ihr Mann hatte sie zwar bei allen Anlässen überaus zuvorkommend, aber sie sonst nur kalt und abweisend behandelt. Kein Wort, keine Berührung, nicht mal die Brautnacht hatte er eingefordert. Lucilla war da aufgegangen, als er wusste, dass sie schwanger war. Aber dass ihr Vater den jungen Mann erpresst hatte, sie zu heiraten, das konnte sie sich nicht vorstellen. Dass ihr Mann sie als politisches Werkzeug nutzen wollte, das hatte sie sich vorstellen können, aber dass ihr Vater ihm metaphorisch den Dolch an den Hals gesetzt hatte und ihm gedroht hatte, wenn er in dem kleinen Spiel nicht mitspielte, dann stehe es schlecht für ihn, das ahnte sie nicht.

  • In der Tat hatte Quintus seine Frau nicht angerührt, auch wenn sie liebreizend aussah. Stattdessen hatte er weiter seine Sklavinnen benutzt, auch wenn er noch aus einem für ihn unerklärlichen Grund darauf achtete, dass sie es nicht mitbekam. Die neue germanische Sklavin vom Markt in Rom hatte für ihn herhalten müssen, und sie hatte er beim Akt aus Wut auf seine Frau und ihre Familie geschlagen. Erst mit der Hand ins Gesicht, dann auf den Hintern und die Oberschenkel. Dass er der Familie seiner Frau gegenüber so hilflos war, hatte auch sexuelle Wut in ihm angestaut, die aber nach einigen Malen mit der Germanin verraucht war. Die Schiffsreise hatte ihn vollends abgekühlt, er mochte die See und das Reisen mit dem Schiff.

    Sein Paedagogus und Freund Paullus Volturcius war von dieser Hochzeit völlig aus dem Häuschen. So eine Braut, und das so schnell. Er war mehr als begeistert, auch weil die Braut ja so hübsch und wohl erzogen war. Wenn der Wüsste, aber Quintus hatte beschlossen, es nicht zu verraten. Das Risiko war zu hoch, auch wenn er Paullus vertraute wie keinem anderen. Auch wollte er nicht, dass sein alter Paedagogus die Achtung vor ihm verlor. Mit einer Familie oder nur seinem Vater im Rücken, einem ehemaligen Legaten, hätte man ihn nie so unterdrucksetzen können. Aber was hätte er tun sollen? Ja, dann macht doch, dann sagt allen euren Freunden und Verwandten, dass sie mir und dem Namen Tiberius schaden können, so viel sie wollen. Das macht uns Tiberii nichts aus. Nein, die Tiberii hatten in den letzten Jahren genug auf sich genommen. Diese Hochzeit, die so lange nicht herauskam, wie sie zustande gekommen war, polierte den Namen sogar wieder etwas auf. Er überlegt, ob er den kleinen Bastard erwürgen sollte, wenn er geboren war, oder besser noch mit einem Kissen ersticken. Kinder starben oft.


    Lucilla patmai.png wusste von den finsteren Gedanken ihres Mannes nichts und selbst wenn. Was hätte sie tun können? Auch wenn sie sich nichts mehr wünschte, als das Kleine als Erinnerung an ihren geliebten Lycius zu behalten. Sie war so durcheinander durch die Ereignisse der letzten Tage, dass sie erst mal einige Zeit brauchen würde, um sich klar zu werden, wie es weiter ging.

    Als sie mit ihrem Mann endlich mal alleine war, ging sie auf die Knie und umschlang in der Gebärde der Schutzflehenden seine Knie. „Ich weiß, dass du weißt, in welchen Umständen ich bin. Ich weiß, ich bin dir nur gegeben worden, damit ich weit weg bin von Rom, aber glaub mir, ich weiß sonst nicht weiter.“


    Quinus war überrascht von plötzlicher Unterwürfigkeit seiner Frau. Mit kaltem Herzen sah er sie an. „Sie haben mich erpresst, dein Vater und deine edlen Verwandten. Sie haben gesagt, sie würden es mir übelnehmen, wenn ich ihnen in dieser Lage meine Freundschaft verweigere. Es war völlig klar, was Sie damit gemeint haben. Die Tiberii stehen schon lange nicht mehr gut da in Rom. Ein zwei Intrigen noch und unser Name wäre weg aus der Geschichte, also heul nicht rum. Du und dein Kind seid sicher und weit weg von Rom, du bist jetzt hier die Domina, also steh auf und verhalte dich so.“


    Lucilla patmai.png war schockiert über das, was sie hörte, und wünschte sich, dass sie es nicht glauben könne aber sie glaubte es sofort. Das klang nach ihrer Familie. Noch fester umschlang sie die Knie ihres Mannes. „Ich habe es nicht gewusst, glaub mir und vor allem vergib mir.“ Es war eh schon alles zu spät, aber auch ihr Mann tat ihr leid, denn er war genau wie sie ein Opfer der Umstände und ihrer Familie.

  • Ja, nichts gewusst, nichts gewusst – was machte das schon? Fakt war! Wenn sie die Knie beieinander gelassen hätten, wie es sich für eine adelige Dame ihres Standes gehört hätte, dann wären sie jetzt nicht hier, wo sie jetzt nun mal waren. Quintus zog sie hoch, denn auch wenn er Unterwürfigkeit mochte, war es ihm zu viel, denn es erinnerte ihn daran, wie sie in diese Situation gekommen waren. „Steh auf und versuche wenigstens einen Rest deiner Ehre zu behalten. Ich habe dich geheiratet und meine Frau soll ein Beispiel für mein Haus sein, kein weinerliches Schauspiel von einer Frau. Versuch wenigstens die adelige Dame zu sein, die man erwarten kann, wenn man eine Frau aus dem Haus Valerii Messalla erwartet.“ Sagte er Barsch und ging.


    Lucilla patmai.png saß noch lange alleine da und weinte. Sie hatte schon so viel wegen dieser Sache geweint, aber wie so strafen Sie die Götter so? Sie hatte doch nur einen Mann geliebt. Cupido selbst muss den Pfeil auf Sie abgeschossen haben, denn Sie war ihrem Lycius so verfallen gewesen. Die Liebe war wie ein Traum gewesen, ein Traum ohne ihre Familie, ohne Verpflichtungen. Sie war glücklich gewesen mit ihrem starken Lycius, der Sie gehalten hatte, nachdem sie sich geliebt hatten. Nun aber saß Sie hier in Mantua in ihrem Unglück mit einem Mann, der Sie verabscheute dafür, dass er Sie hätte heiraten müssen, weil Sie schwanger war. „Iuno, Schutzgöttin aller Frauen, warum strafst du mich so?“ Schickte sie ein Stoßgebet an die oberste Göttin.

  • Lucilla patmai.png war verzweifelt und abgeschlagen, was sollte sie tun? Aber am Ende kann ihre Erziehung durch den als Tochter aus dem Haus Valeria war sie ihr Leben lang darauf gedrillt worden, ihren Willen durchzusetzen und alles für die Macht der Familie zu tun. Natürlich verabscheute sie ihre Familie für das, was sie ihr und auch ihrem Mann angetan hatte. Es war aber wirklich das, was sie ihr Leben lang so mitbekommen hatte. Wenn der Familie Gefahr droht, dann tue ich alles, was nötig ist, die Familie zu schützen. Die Hauptsache war, dass die Position der Familie nicht gefährdet wurde. Wenn du einen anderen für deine Zwecke nutzen kannst, such dir einen Schwächeren als dich heraus. Finde heraus, wie du ihn nutzen kannst, und dann versuche es erst mit guten Worten, und wenn das nichts nützt, erpresse ihn. In diesem Fall war sie selbst die Gefahr für die Familie, die beseitigt werden musste. Aber da man sie vielleicht später noch mal gebrauchen konnte, war sie nur weit weg geschickt worden. Das führte ihr wieder vor Augen, dass es für Lycius keine Hoffnung gab. Was sie wieder schwanken und verzweifeln ließ, aber sie musste sich selbst schützen, und deswegen würde sie innerlich eine Mauer um ihr Herz errichten müssen. Und das tun, was sie von ihrer Mutter gelernt hatte: ihren Mann als Werkzeug zu benutzen, um sich zu schützen und zu bekommen, was sie wollte. Sie war jung, kaum dem Kinderalter entwachsen, ja, aber wenn sie überleben wollte, dann musste sie jetzt verdammt schnell erwachsen werden.

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