Wo ist meine Schwester?

  • Seitdem mir meine Nichte Didia Servilia nach ihrer Ankunft in Rom von der Entführung ihrer Mutter und meiner geliebte älteren Schwester Iulia Iunilla berichtet hatte, ließ mir der Gedanke an meine Schwester einfach keine Ruhe mehr.


    Ich dachte an unsere unbeschwerte Kindheit, daran wie wir im Garten des Domus unserer Eltern miteinander gespielt hatten. Als sie dann älter war, heiratete sie nach Ägypten und seitdem hatten wir uns nur noch selten gesehen.


    Wo mochte sie jetzt sein? Wie war es ihr in der Zwischenzeit ergangen? War sie tatsaächlich versklavt worden? Lebte sie überhaupt noch? All diese Gedanken schossen mir durch den Kopf.


    Ich beschloß mit meiner Nichte zu sprechen. Vielleicht konnte sie mir noch weitere Anhaltspunkte über die Entführung ihrer Mutter geben, um dann erfolgsversprechende Nachforschungen starten zu können.


    Das Gespräch mit Servilia würde ich vorsichtig angehen müssen, da der Verlust ihrer Eltern sie sicher noch stark belastete.

  • Ich traf mich mit Falco in seinem Arbeitszimmer. Hier war es angenehmer und ruhiger als im Atrium. Ich erzählte ihm, was ich ihm sagen konnte, aber das meiste hatte ich ihm bereits gesagt.


    Meine Mutter wurde entführt und ich weiß nicht wohin. Die dortigen Behörden haben auch nichts unternommen, um sie wiederzukriegen. Sie sagten, es sei aussichtslos und sie wollten nicht die Gefahr eines drohenden Konflikts heraufbeschwören. Ich habe überhaupt keine Anhaltspunkte, wo sie sein kann, kein Hinweis. Sie kann überall sein. Womöglicherweise ist sie irgendwo ganz weit im Osten, in der Mongolei, oh Falco, sie werden ihr doch nichts angetan haben ?" :(;(

  • Ich versuchte Servilia zu trösten. Ihr Schicksal war wirklich hart. Erst hatte ihr Vater die Familie verlassen und nun war auch ihre Mutter aus ihrem Leben verschwunden. Entführt und keine Spur von ihr.


    "Servilia, ich bin mir ganz sicher, deine Mutter lebt. Ich kann dir nicht sagen warum, aber ich habe das sichere Gefühl, das sie am Leben ist. Wir standen uns immer sehr nah, nur durch die Entfernung zwischen Aegyptus und Rom sahen wir uns in letzter Zeit nur selten.
    Da ich meine Schwester sehr gut kenne, bin ich mir auch sicher, das sie sich nicht in ihr Schicksal ergeben wird, sondern alles versuchen wird, wieder ihre Freiheit zu erlangen."


    Ich löste unsere Umarmung wieder und schaute Servilia ins Gesicht. "Servilia, meine liebe Nichte, ich verspreche dir, das wir Nachforschungen einleiten werden und ich alles daransetzen werde, das deine Mutter und meine Schwester bald wieder hier bei uns in Rom ist.


    Servilia, wie ich hörte, hast Du bereits auf eigene Faust mit Nachforschungen begonnen und bei den Cohortes Urbanae im Castra Praetoria um Unterstützung angefragt. Die Cohortes Urbanae sind leider nur für die Angelegenheiten in Rom zuständig und können uns leider nicht helfen. Ich kann verstehen, das du ebenfalls alles unternehmen willst, um deine Mutter wiederzubekommen. Aber laß uns unsere Schritte absprechen und begib dich nicht selbst in Gefahr."

  • Ja, das werde ich.


    Wirst Du selber nach Ägyptus reisen oder wirst du einen Boten schicken ? Wahrscheinlich wird es schwer werden um diese Jahreszeit ein Schiff und einen Kapitän zu finden, der nach Ägyptus segelt. Eine Überffahrt über das Mare nostrum wäre nicht sehr ruhig und ziemlich gefährlich.

  • "Ich würde gern selbst reisen. Ich muß vorher aber klären, inwieweit ich das mit meinen zahlreichen Verpflichtungen hier in Rom in Übereinstimmung bringen kann. Sollte mir dies nicht möglich sein, werde ich zunächst wohl jemanden beauftragen müssen, erste Nachforschungen über den Verbleib deiner Mutter anzustellen.


    Du hast recht, die Jahreszeit erschwert unser Unterfangen zusätzlich. Der Seeweg wird mit jeder Woche, die verstreicht, gefährlicher. Noch hält sich das Wetter allerdings.


    Hast Du einen Vorschlag, Servilia, wo wir bei der Suche ansetzen können? Gab es Zeugen der Entführung? Eine Beschreibung der Entführer vielleicht, da es ja am hellichten Tage geschah?"

  • Ich kann dazu nicht viel sagen, weil ich ja nicht dabei war. Unser Haussklave Milo hat es mir gemeldet. Er war gerade auf dem Markt einkaufen. Er sagte, diese Männer sprachen eine fremde Sprache, die er noch nie vernommen hatte. Sie mußten wohl von weit hergekommen sein und sie waren vermummt, so dass man ihre Gesichter nicht sehen konnte. Von den Passanten ist keiner eingeschritten. Aber so ist das in Ägyptus, da hält sich man lieber raus aus fremden Angelegenheiten. Nur Milo versuchte einzuschreiten. Er hat richtig Courage bewiesen. Aber sie waren ja zu fünft und haben ihn niedergeschlagen und sind auf ihn eingetreten.

  • "Wirklich sehr mysteriös die Angelegenheit. War es Zufall, das Deine Mutter entführt wurde oder war sie von vornherein das Ziel dieser Entführung? Diese Frage stelle ich mir. Hatte deine Familia Feinde in Aegyptus?


    Entschuldige bitte, liebe Nichte, das ich Dir all diese Fragen stellen muß. Ich weiß, das der Schmerz über den Verlust in dir sehr tief sitzt und meine Fragen die Wunden immer wieder neu aufreißen. Aber jeder noch so kleine Anhaltspunkt kann möglicherweise entscheidend dafür sein, ob wir deine Mutter, und meine Schwester, jemals wieder in unsere Arme schließen können."

  • Ich hatte ja anfangs vermutet, dass mein Vater dahintersteckt, aber ich wüßte keinen Grund warum er das tun sollte.
    Feinde hatten wir direkt keine. Doch viele haben uns verachtet. Wir waren halt Fremde, nicht sehr reich, da mein Vater uns auch sehr schnell verlassen hatte und sich nicht mehr blicken ließ. Meine Mutter war gezwungen jede Arbeit anzunehmen, um uns über Wasser zu halten. Ich half manchmal auf dem Markt aus.

  • "Ja, mit deinem Vater werde ich wohl dennoch in dieser Angelegenheit sprechen müssen. Auch wenn er nichts mit der Entführung zu tun haben sollte, so kann er vielleicht doch Hinweise geben."


    Ich dachte mir, wer weiß, ob er nicht doch eine Rolle bei der Entführung spielt. Als Günstling des Statthalters von Aegyptus war er jedenfalls nicht einflußlos und verfügte sicher über die Mittel, eine derartige Entführung zu inszenieren. Aber warum? Ein Motiv dafür, das sah ich auch noch nicht.


    "Servilia, inwieweit möchtest du dich an der Suche nach deiner Mutter beteiligen? Du kennst Aegyptus, insofern wäre es von Vorteil. Andererseits hast Du gerade erst eine strapaziöse Seereise hinter dir und magst vielleicht an den Ort deines Leids ohnehin nicht zurück kehren."

  • "Ich dachte es mir, Servilia, das du dich an der Suche nach deiner Mutter selbst beteiligen möchtest. So soll es auch geschehen. Deine Orts- und Sprachkenntnisse werden dabei von Vorteil sein."

  • "Nun brauchen wir nur noch ein seetüchtiges Schiff - geeignet für die rauhe See um diese Jahreszeit - und einen wagemutigen Kapitän dazu, der die Überfahrt riskieren würde, Servilia."


    In diesem Moment fiel mir etwas ein. Im Hause des Senators Octavius Anton hatte ich gehört, das einer von Antons Familienmitgliedern Kapitän sein solle und das dieser ein neues hochseetaugliches Schiff, welches vor kurzem frisch vom Stapel gelaufen ist, befehligen würde. Vielleicht war dies die Lösung des Problems der Überfahrt nach Aegyptus.


    Servilia, ich habe da eine Idee.."

  • * Das Gespräch wird fortgesetzt, nachdem Marcus Octavius Nauticus, der Kapitän der Tempestas die Casa Didia wieder verlassen hatte. *



    "Servilia, du hast das Gespräch mit Nauticus ja mitverfolgen können. Die Frage der Reisemöglichkeit ist also geklärt. Ich hoffe, du kannst dich mit dem Gedanken einer weiteren Seereise um diese Jahreszeit anfreunden. Aber sei unbesorgt. Nauticus ist ein hervorragender Kapitän. Nun gilt es die Reisevorbereitungen zu treffen."

  • Servilia lugte durch die offenstehende Tür meines Arbeitszimmers, wo ich gerade mit der Anfertigung einiger Schriftstücke beschäftigt war.


    "Servilia, komm doch rein." rief ich ihr zu. "Für meine liebe Nichte habe ich immer Zeit."


    Ich bot Servilia einen Sitzplatz an.

  • Ich kam herein und nahm auf den von Falco mir zugewiesenen Stuhl platz.


    "Ich grüße dich, Falco.
    Ich komme zu dir, weil ich mit dir über die Aegyptus-Reise reden möchte, wenn du gerade nicht mit anderen wichtigeren Dingen beschäftigst bist."

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