Theorie - Das Fälschen von Urkunden

  • Ich schaute mich in Raum um.
    Alle schienen anwesend zu sein.


    Nun denn.


    "Salve,


    zu den Aufgaben der Cohortes gehört es nicht nur durch die Strassen Roms zu patroullieren, Schlägereien zu verhindern oder Razzien durchzuführen.


    Wir werden auch oft zur Kontrolle des Marktes und der Betrieb herangezogen.
    Und gerade im geschäftlichen Bereich gibt es viele Urkunden.
    Zollurkunden, Besitzurkunden, Kaufurkunden, Handelserlaubnisse und viele mehr.


    Ganz allgemein kann man sagen um so öfter eine Urkunde ausgestellt wird, um so unwichtiger ihr Inhalt ist, um so leichter ist sie zu fälschen.
    Im Umkehrschkuss gilt natürlich, um so bedeutender eine Urkunde ist, um so schwerer ist es sie zu fälschen.


    Woran liegt das ?
    Zum einen kann man davon ausgehen, das es von bedeutenden Urkunden Kopien in den Archiven gibt, zum anderen erinnern sich die Austeller und Verantwortlichen naturgemäß an wichtige Urkunden und ihren Inhalt weitaus genauer.
    Auch werden solche Urkunden genauer kontrolliert und untersucht.
    Das macht das Fälschen weitaus aufwendiger.


    Wenden wir uns also den 'kleinen' Urkunden zu."

  • Ich zog eine Zollurkunde hervor.
    Es war eine ganz normale. Einfaches Papyrus mit einem Zollsiegel.
    Darauf waren etliche Waren und Lieferungen vermerkt die verzollt worden waren.


    "Dies ist eine ganz gewöhnliche Zollurkunde. Sie bestätigt unter anderem, das der Händler 12 grosse Amphoren Falaner eingeführt und Ordnungsgemäß versteuert hat.


    Wenn wir also das Geschäft des Händlers prüfen, zeigt er uns die Urkunde und wir zählen die grossen Transportamphoren. Wenn es 12 sind und alle gekennzeichnet ist alles in Ordnung.


    Nun hat unser Händler es aber auf irgendeine Weise geschafft 8 weitere Amphoren ohne Zoll zu organisieren.


    Was nun ?


    Er könnte die Amphoren natürlich irgendwo verstecken bis einige Legale leer sind und sie dann austauschen.
    Aber dazu braucht er ein verstecktes Lagerhaus und da solche meist in
    den schlechteren Viertel sind, muss er sie noch aufwendig bewachen lassen.
    Dieses nachts riessige Amphoren-Wechselspiel ist sehr aufwendig, nicht ganz ungefährlich und insgesamt ziemlich teuer.
    Lohnt sich also nicht.


    Am Besten ist es, sie in seinem normalen Lager mit den anderen zu lagern.


    Wie kann er dies ?


    Zum einen muss er sie kennzeichen.
    Das ist nicht besonders schwierig, da die Kennzeichen meist schnell aufgetragen werden und ziemlich schlampig sind.


    Das wichtigste aber ist die Urkunde."

  • Ich zeigte nochmals allen die Urkunde.


    "Er hat also eine Urkunde mit 12 Amphoren, braucht aber eine mit 20.
    Fälschen ist angesagt.


    Erstes Problem : Die Überprüfbarkeit beim Aussteller oder in Archiven.
    Bei den Mengen an Waren die täglich nach Rom kommen muss er sich keinerlie Gedanken machen das sich irgendjemand an eine bestimmte Urkunde oder Waren erinnert.
    Wenn es nicht gerade etwas ganz exotisches ist.


    Aber natürlich werden die Zölle auch in den Zollbüchern und Archiven vermerkt.
    Allerdings ist die Gefahr, das wir bei einer einfachen Kontrolle anfangen in den Archiven zu wühlen und irgendwelche Einträge suchen gleich Null.
    Wir bräuchten Tage um nur ein Geschäft zu kontrollieren.


    Gut.


    Überprüfbarkeit und Archive sind kein Problem.


    Es geht also nur um die Urkunde.


    Was tut er also.


    Er könnte sich jetzt jemanden über dunkle Kanäle besorgen, der ihm so eine Zollurkunde fälscht. Allerdings hat er dann Mitwisser, die ihn erpressen könnten und was noch viel wichtiger ist.
    Es ist teuer.
    Wahrscheinlich teurer als der gesparte Zoll.


    Was macht also unser Händler ?"


    Ich zog ein kleines scharfes Messer hervor und legte die Urkunde auf den Tisch.


    "Das was ich jetzt mache, nennt man in Fachkreisen eine kleine Rasur."

  • Ich beugte mich über das Papyrus und begann mir dem Messer vorsichtig und gefühlvoll die Oberste Schicht und die Zahl 20 wegzuschaben.


    "Papyrus ist ein sehr teueres Material. Daher werden alte Urkunden oftmals wiederverwendet, indem man die oberste Schicht und Schrift wegschabt. Je nach Qualität kann man ein Papyrus so bis zu fünf mal neu verwenden."


    Ich betrachtete mein Werk, blies über das Papyrus und schabte noch ein wenig weiter.


    "Es ist natürlich dadurch auch möglich nur an einer kleinen Stelle die Schrift zu entfernen, so wie ich es gerade mache."


    Ich betrachtete die freie Stelle an der vorher die Zahl 12 gestanden hatte. Wirklich nicht schlecht geworden.


    "Dann nimmt man etwas Tinte und beschriftet die Urkunde an der Stelle neu. Da es sich bei dieser Methode nur um kleine Stellen und meist Zahlen handelt, ist das mit dem Nachahmen der ursprünglichen Schrift gar nicht so schwierig."


    Ich nahm einen Keil und Tinte, schaute mir die übriggebliebenen Zahlen auf dem Papyrus an, machte ein paar Versuche auf der Tischplatte und schrieb dann 20 an die freigeschabte Stelle.


    Dann blies ich ein paar mal über die Tinte, streute etwas von dem abgeschabten Papyrusstaub über das Papyrus und fächelte es trocken.


    "Der Papyrusstaub bewirkt das die Tinte nicht allzu frisch aussieht."

  • Erneut hielt ich die Urkunde hoch damit sie alle sehen konnten.


    "Seht ihr so schnell und einfach ist das.


    Ihr meint das ist aber einfach als Fälschung zu erkennen !


    Richtig.
    Das ist keine perfekte Fälschung.
    Wenn ihr die Urkunde bei guten Licht betrachtet und wisst wo ihr hinschauen müsst, könnt ihr die Stelle gut erkennen.
    Wenn ihr mit dem Finger über die Stelle fahrt, dann könnt ihr das Rasieren spüren.


    Aber normalerweise schaut ihr auch nicht zu wenn eine Urkunde gefälscht wird.
    Ihr bekommt sie im Halbdunkel eines Lagerraumes zu Gesicht um euch herum Hektik und Jammern über den Aufwand den eine solche Prüfung macht.
    Und ich habe noch nie erlebt, das jemand jede Urkunde, die er in einer solchen Situation bekommt sorgfälltig abtastet.


    Glaubt mir, jeder von euch hat schon mehr als einmal eine auf so einfache Weise gefälschte Urkunde in der Hand gehabt und sie nicht als gefälscht erkannt.


    Was können wir also tun ?"

  • Das Erste und Wichtigste ist :


    Schaut auf die Menschen nicht auf die Urkunden.


    Wenn ihr kontrolliert betrachtet einer mit kritischen Blick die Urkunde und ein anderer den Händler.
    Im Halbdunkel ist es so gut wie unmöglich eine Fälschung mit einem kurzen Blick zu erkennen. Und eine ausführliche überprüfung wäre viel zu aufwendig.


    Aber die Reaktion des Händlers ist sehr interessant.
    Sie sagt viel.
    Wird er nervös, versucht er euch abzulenken, schiebt er bestimmte Dinge als unwichtig beiseite.
    Einer muss immer ihn im Blick haben.
    Und wenn er ihr irgendwo Anzeichen seht, dann lohnt es sich meistens die Urkunde genauer zu untersuchen.
    Nehmt sie an Tageslicht, haltet sie gegen die Sonne.
    Schaut euch die Färbung der Tinte an, fahrt über die Oberfläche. Gibt es unregelmässige Stellen. Wenn ja, wo ?
    Ausgerechnet bei den Zahlen ?


    Es ist wichtig zu wissen wie man solche Fälschungen erkennt, aber noch wichtiger ist die Gesichter, Bewegungen und Reaktionen der Menschen zu kennen und zu verstehen.


    Lest erst in den Menschen, dann in den Urkunden.

  • Auch wenn die meisten Fälschungen solche kleinen Veränderungen sind, so gibt es natürlich auch grössere Fälschungen.


    Da gibt es zwei Kategorien.


    Die diletantischen, die jedem auf den ersten Blick auffallen.
    Und die guten Fälschungen.


    Über die ersteren müssen wir uns nicht den Kopf zerbrechen.
    Wenden wir uns den letzeren zu.


    Die häufigste Methode bei grösseren Fälschungen ist das Abschaben ganzer Urkunden.
    Die grosse Rasur.

  • Eine saubere Rasur, das Abschaben, eine ganzer Urkunde ist naturgemäß aufwendig und schwierig.
    Insbesondere was das Siegel betrifft.
    Es darf natürlich dabei nicht beschädigt werden, gleichzeitig muss aber so sauber um das Siegel herum geschabt werden, damit keine Ränder zu sehen sind.


    Dies ist auch gleich der erste und wichtigste Punkt für euch.
    Wenn euch eine Urkunde seltsam vorkommt, schaut euch das Pergament um das Siegel herum genau an.
    Gibt es dort Ränder, dickere Stellen, zeigt das Siegel kleine Kerben und Schnitte an der Seite ?
    Alles deutliche Zeichen für eine Fälschung.


    Aber wenn dies ein Könner gemacht hat, dann wird es wirklich schwierig eine solche Fälschung zu erkennen.
    Da der Ursprüngliche Text, die oberste Schicht gleichmässig und sauber entfernt wurde, gibt es bei dem neuen Text natürlich keine unterschiedlichen Schriften. Die Urkunde weist auch keine unterschiedlichen Dicken auf.
    Ausser unter dem Siegel.
    Das Problem ist, das durch das Siegelwachs, das in das Pergament eingedrungen ist, ein solcher Unterschied nicht feststellbar ist.


    Nun muss verglichen werden. Die Schrift mit der Schrift andere Urkunden des gleichen Ausstellers. Oder der Aussteller selbst befrag werden.
    Jetzt hilft Menschenkenntnis und gute Beinarbeit.


    Glücklicherweise sind wirklich gut rasierte Urkunden sehr selten. Nur ein Meister seines Faches kann so vollendet um ein Siegel rassieren, das nicht mal die kleinsten Spuren zurückbleiben.

  • Auch Catus ist ein Meister seines Faches, dachte ich. Als von Catus eingeladener Gasthörer hatte ich in der hintersten Stuhlreihe des Vortragsraumes Platz genommen. Catus Ausführungen zeugten von großem Fachwissen und waren zudem interessant und lebendig vorgetragen.


    Dies fesselte seine Zuhörer. Außer mir allesamt Milites, Unteroffiziere und Offiziere der Cohortes Urbanae, welche seine Ausführungen mit großem Interesse verfolgten. Von Catus großem Wissen über die Mittel und Methoden der Kriminellen unserer Stadt konnten sie in ihrer täglichen Arbeit auf jeden Fall mächtig profitieren. Soviel stand fest.

  • Ihr fragt euch nun, warum der Aufwand um eine ganze Urkunde zu rasieren. Wäre es nicht einfacher das Siegel zu entfernen und auf ein neues Pergament aufzubringen.


    Nein, sicherlich nicht.


    Ein Siegel sauber zu entfernen ist hierbei nicht das Problem. Mit einen heissen dünnen Messer geht das sogar ganz gut, ohne das Siegel zu beschädigen.


    Aber das Wiederauftragen.


    Wenn ihr euch eine gesiegelte Urkunde auf der Rückseite anschaut, seht ihr, das das Siegelwachs das ganze Pergament durchdrungen hat. Das Siegel ist so fest auf dem Pergament.
    Wenn nun ein einmal abgetrenntes Siegel neu aufgebracht werden soll, dann gibt es nur eine Möglichkeit. Das Siegel so zu erhitzen das es zwar erhalten bleibt, aber dennoch auf der Unterseite so flüssig ist, das es das Pergament ganz durchdringt.
    Und dieses Kunsstück ist soweit mir bekannt bis heute noch keinem gelungen.


    Entweder wird das Siegel beschädigt oder es hält nicht richtig auf der Urkunde.
    Solche Versuche sind leicht zu erkennen. Schaut euch die Urkunde auf der Rückseite des Siegels an.
    Ist das Wachs, die Durchdringung zu erkennen ?
    Rüttelt leicht an dem Siegel. Ihr werdet sofort den Unterschied erkennen.
    Schaut euch das Siegel an. Ist es unbeschädigt oder sind Spuren eines nochmaligen Erhitzens zu erkennen ?


    Solche Fälschungsversuche sind sehr leicht zu erkennen.
    Das heisst nicht das es nicht immer wieder irgendwelche Amateure versuchen.
    Also auch darauf achten.

  • Als letztes will ich noch auf die Meisterfälschungen eingehen.


    Ich nenne sie mal so, weil hierbei alles gefälscht wird.
    Das Pergament, die Schrift, das Siegelwachs und das Siegel.
    Solche Fälschungen beutzen nicht, wie bei allen bisher genannten Verfahren, echte Urkunden und verfälschen diese.


    Dies ist das Aufwendigste und teuerste Fälschungsverfahren.
    Ihr werdet deswegen auch nur sehr selten bis nie mit solchen Meisterfälschungen in Kontakt kommen.
    Der Aufwand ist so groß, das es sich eigentlich nicht lohnt.


    Warum ist der Aufwand so groß und welche Probleme gibt es damit ?

  • Ein geeignetes Pergament zu beschaffen ist nicht schwierig, Siegelwachs auch kein Problem.
    Ein Handschrift zu gut zu imitieren ist dagegen schon weitaus schwerer, aber natürlich für einen geübten Fälscher eher ein kleineres Problem.


    Der Hacken ist das Siegel.


    Man braucht dazu eine Kopie des richtigen Siegels. Und das ist die Arbeit eines Spezialisten. Ein Siegel zu fälschen bedeutet es zu reproduziren. Aber nicht ohne Grund sind die wichtigen Siegel sehr filigran und verschnörkelt. Ein solches Siegel zu fälschen ist eine sehr aufwendige und kostspielige Arbeit.
    Es gibt nur wenige, die handwerklich dazu in der Lage sind und noch wenigere die einen solchen gefährlichen Auftrag ausführen würden.


    Es ist eine sehr teure Angelegenheit und meistens kann es einer allein nicht alle Arbeitsschritte ausführen. Das heisst es gibt Mitwisser.
    Und das ist immer ein Risiko.


    So etwas lohnt sich nur bei wirklich wichtigen und wertvollen Urkunden.
    Die haben nur ein Problem. Diese habe ich am Anfang schon einmal Angesprochen.
    Archive, der angebliche Aussteller und weiteres.


    Trotzdem gibt es sie.


    Meistens sind es lange verschollenen Besitz- oder Anspruchsurkunden, die auf einmal wieder auftauchen.
    Meistens schon so viele Jahre alt, das der Aussteller und alle die ihn kannten schon längst Tod sind.
    Fast immer wurden ihre Kopieen in Archiven verschlammpt, oder die Archive hatten eine Brandschaden oder so was.


    Bei solchen Urkunden ist immer ein gehörigem Misstrauen angesagt. Besonders wenn sie gerade zum richtigen Augenblick zufällig wieder auftauchen.


    Aber normalerweise haben wir dann nichts damit zu tun. Solche tauchen eher bei Besitzstreitigkeiten und anderen Prozessen vor Gericht auf.

  • So, das war nun eine kurze Zusammenfassung über das Fälschen von Urkunden und wie man solche erkennt.


    Ich habe hier bei mir noch ein paar Anschauungsstücke und wenn ihr noch Fragen habt könnt ihr sie jetzt gerne stellen.

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