Ein Peregrinus kauf ein

  • Quarto schlenderte durch die Galerien der Trajansmärkte. Sie schmiegten sich halbkreisförmig an den Westhang des Quirinalus, wie die Ränge eines Amphitheaters. Die Läden und Magazine türmten sich bis zu fünf Stockwerke hoch und reichten teilweise bis tief in den Fels des Hügels hinein. Auf dem Vorplatz reihten sich die Zelte und Stände weiterer Händler.
    Zwischen den geschäftig umhereilenden Käufern, Sklaven und Krämern fiel Quarto durch seine Langsamkeit auf. Gemächlich und in aller Ruhe besah er sich alles, denn er hatte Zeit.


    Nach einer Weile entdeckte er einen Tuch und Kleidungshändler und sprach ihn an:
    “Salve!“
    “Salve! Kann ich helfen?”
    Der Händler sah sich seinen neuen Kunden, leicht Naserümpfend an. Ob der ein ordentliches Geschäft versprach?
    ”Da bin ich fast sicher. Ich suche eine neue Tunika.“
    “Oh ja, dass scheint mir angebracht.“
    “Mein Guter, ich weiß sehr wohl das diese hier nichts mehr taugt. Also halte Dich nicht mit großen Reden auf, sag mir was Du hast.“
    “Es darf wohl eher etwas Einfaches sein, nehme ich an?“
    “Schlicht ja. Günstig auch. Billig: Nein!“
    “Also eine Tunica rectra?“
    ”Selbstredend, oder sehe ich wie ein Senator aus?”
    “Ähm… Nein!“
    Der Händler begann im hinteren Teil seines Ladens in einem Regal zu wühlen. Schließlich zog er ein Kleidungsstück heraus.
    “Wie wäre diese hier. Gute Wolle und günstig.“
    Das, was er Quarto anbot, war eine schief genähte, wurmstichige Tunika. Zudem schlecht gebleicht und deshalb schmutzig gelb.
    “Das kann nicht Dein Ernst sein. Was ist das? Bitte, ich möchte einen Fortschritt in meiner Erscheinung erzielen.“
    “Entschuldige, aber hast Du auch genug Geld?“
    “Wenn Du kein Halsabschneider bist, dann reicht es für etwas Anständiges.“
    “Also gut, wie wäre es damit?“
    Er zeigte eine bessere Tunika, gut gebleicht und solide vernäht.
    Dennoch…:“Ja, besser. Jedoch möchte ich eine mit Ärmel. Die da, hat ja keine.“
    “Ja, es ist die traditionelle Form. Doch, warte, dass ist kein Problem. Wie gefällt Dir diese?“
    “Ja. Gut. Zeig mal her.“
    Der Händler reichte Quarto das Kleidungsstück und der besah es sich genauer. Die Nähte waren doppelt und stark. Die Farbe war annehmbar, der Stoff nicht extravagant, doch von ordentlicher Qualität.
    “Feinfein. Was willst Du dafür?“
    “Dreißig Sesterze!“
    “Dreißig??? Du bist also doch ein Halsabschneider! Mehr als Fünfzehn bekommst Du dafür nicht von mir.“
    “Fünfzehn? Also hör mal, dass ist eine gute Arbeit, die hat ihren Preis. Sagen wir… Fünfundzwanzig.“
    “Wenn es keine gute Arbeit wäre, dann nähme ich sie auch gar nicht erst. Achtzehn und Du kannst zufrieden sein.“
    “Einundzwanzig, sonst scher dich fort!“
    “Abgemacht. Aber nur weil ich genug von Dir habe.“
    Quarto holte seinen Beutel hervor, zählte einundzwanzig Sesterzen ab und gab sie dem Händler.
    “Mögen die Götter Dich segnen.“, sage der Händler grinsend.
    “ Dich segne Mercur, der Gott der Diebe.“
    “- und der Gott der Händler.“, ergänzte der Andere lächelnd.
    “Schon gut. Vale!“


    Quarto nahm die neue Tunika und verdrückte sich in eine dunkle Ecke des überdachten Ganges, von der es nicht wenige gab. Dann zog er seine alte, schmuddelige und arg verschlissene Tunika aus und die neue über. Er rollte das alte Kleidungsstück zusammen und ging weiter. An einer Ecke hockte ein Bettler. Quarto warf ihm die ausgediente Tunika zu und der Bettler fing sie überraschend geschickt auf. Er bedeutete ihm mit einem Nicken seinen Dank und Quarto fühlte sich nun deutlich besser.
    “Na also; schon eine Stufe aufgestiegen.“, murmelte er zufrieden und kam sich nun nicht mehr ganz so barbarisch vor.

  • “Salve!“
    “Salve! Womit kann ich dienen?”
    Der das sprach war ein dicklicher Weinhändler, an dessen Taberna Quarto getreten war. Ein Schild am Eingang versprach Gutes: „Bene te! – Auf Dein Wohl!“ stand dort geschrieben. Hinter dem Händler stapelten sich Amphoren in den verschiedensten Rot-, Braun- und Ockertönen. Weiter hinten sah man Regale, in denen weitere Behältnisse lagerten. Auf kleinen Wachstafeln waren kurze Beschreibungen des Inhalts verzeichnet, etwa:

    BAIAE
    sanguineum
    DCCCLIII


    Damit waren Herkunft, Farbe und Jahrgang beschrieben. Aber ob der Inhalt auch der Beschreibung entsprach, dass wusste freilich nur der Händler selbst.
    Quarto besah sich das Angebot.
    “Einen Schlauch guten Weins suche ich.“
    “Nur einen Schlauch? Oh, Du bist zu bescheiden. Der Wein ist das Blut der Götter, in ihm wohnt Wonne wie Glück, Du solltest Dir reichlich davon gönnen.“, flötete der Händler in höchsten Tönen.
    “Wohl gesprochen, doch ein Schlauch soll vorerst reichen.“
    “Wie Du wünschst. Womit kann ich Deinen Gaumen erfreuen? Mit einem dunklen Vinum nigrum vom Monte Massicus, oder soll es eher ein heller Wein sein, ein Vinum album oder Vinum fulvum? Ich habe gerade eine Ladung aus Sizilien bekommen. Ein exquisiter Tarentiner. Denn kann ich wärmstens empfehlen.“
    Quarto wollte gerade etwas erwidern, da fuhr der Händler in seinem Redefluss erneut lautstark fort:
    “Aber vielleicht wünschst Du Deinen Durst auch mit einem exotischen Genuss zu stillen. Ich habe Weine aus Griechenland und von den Inseln Rhodos, Lesbos, Kos und Zypern. Auch die Weine aus Syrien und Judäa erfreuen sich großer Beliebtheit und der ägyptische Wein gefällt dem Kenner, denn er ist süß wie Honig und sanft wie orientalische Prinzessin.
    Vielleicht möchtest Du aber auch einmal einen gallischen Wein probieren?“

    “Nichts läge mir ferner. Bevor die Gallier jemals lernen werden, einen genießbaren Wein zu machen, regiert eher ein Germane in Rom.“, stieß Quarto hervor. “Ein italischer Wein wäre schon recht.“
    “Ein heimischer Wein, gerne. Ich kann Dir einen Wein aus Lucca anbieten, oder einen aus Terracina? Aus Capua ist ein ganz passabler, tiefroter eingetroffen und ich habe einen Restbestand aus Baiae. Oder aber, wenn Du ein wahrer Freund des Bacchus bist, dann nehme doch einen Caecuber!“
    “Ein Freund ja, aber kein reicher. Hast Du Wein aus Puteoli?“
    “Ich sehe, Du weißt Qualität und Preiswürdigkeit zu schätzen. Ja, auch von dort kann ich Dir einen guten Tropfen anbieten. Ein wirklich guter Wein und zu unrecht minder geschätzt.“
    “Gut, dann soll es der sein.“


    Sie feilschten noch eine weile um den Preis, bevor sie sich einig wurden. Schließlich wechselten ein paar Münzen und ein Schlauch Wein den Besitzer. Quarto zog zufrieden weiter.

  • Quarto wanderte weiter durch die ausgedehnten Märkte. Er besah sich mal an diesem, mal an jenem Stand ein paar Waren. Dann lauschte er den Neuigkeiten, welche die Marktgänger untereinander austauschten. Er betrachtete die Werbung eines angeblich gelehrten Aurelianers, der anbot, Kinder wohlhabender Bürger zu unterrichten und schließlich erwarb er ein Laib Brot und ein paar gute, lukanische Würste um seinen Hunger zu stillen.

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