Mantua | Training im Schnee

  • Da sich die Arbeiten für die Holzabteilung dem Ende zuneigten, waren nun zunehmend Übungen auf dem neuen Exerzierplatz Bestandteil der Tagesordnung.
    Laut schallte der Ruf der Fanfaren über die verschneite Lagerbaustelle und riss die Legionäre aus tiefem Schlaf.
    Offenbar hatte sich das Training der letzten Wochen bezahlt gemacht:
    In neuer Rekordzeit rannten die Soldaten in voller Kampfausrüstung auf das Feld.


    "Milites, venite!
    Aciem dirigite!
    Oculos ad prosam!", brüllte der Optio über den Platz, woraufhin die Soldaten Haltung annahmen.


    "Männer, heute steht ein kleiner Waldlauf auf dem Programm, der eure körperliche Verfassung hoffentlich zum Positiven verändern wird. Anschließend kehren wir mit nüchternem Magen in das Lager zurück, um dann mit dem Lagerbau fortzufahren. Einige von euch werden in meiner Einheit nicht mehr benötigt - ihr werdet anderen Optiones zugeteilt."


    Ein leises Murren breitete sich ob des gestrichenen Frühstückes aus.


    "Aequatis passibus, PERGITE!"


    Der Trupp setzte sich in Bewegung und verließ wenig später das Südtor in Richtung Fluss.


    "Beim Juppiter, was ist denn das hier für eine Kampfmoral? Marsch, Marsch! Schneller! Bei den Göttern, WIR SIND DOCH HIER NICHT BEI DER ZWEITEN! Du da, EIN LIED!"


    Der Legionär stimmte ein altes Soldatenlied an, welches die allgemeine Stimmung bald verbesserte.


    Sophus war mit der Einheit zufrieden. Die Bewegungen der Legionäre wirkten gut koordiniert und auch das Marschtempo war aufgrund der tiefen Schneedecke kaum noch zu erhöhen. Nachdem einige Kilometer marschiert waren, hob der Optio die Hand.


    "Consitite! CONSISTITE!
    Männer, euch ist kalt, ihr habt Hunger und Durst, seid müde.
    Für euch mag der Normalzustand sein, mit vollem Magen in den Kampf zu ziehen, doch ich sage euch: In den wenigsten Fällen werdet ihr dieses Vergnügen haben! Der Feind kommt oft unerwartet, stoßen wir tief in's Feindesland vor, müssen wir jederzeit mit Angriffen rechnen.
    Daher üben wir unter diesen Umständen das Exerzieren.


    Aciem dirigite!
    Scuta Sursum!
    Scuta Dorsum!
    Pila Sursum!
    Im Laufschritt MARSCH!"


    Die Soldaten erhoben die Pila und stürmten in Schlachtformation einen steilen, bewaldeten Hügel hinauf, welcher an jeder Ecke Schneeverwehungen aufwies, worin sich die Legionäre verfingen, oftmals stürzten. Als Sophus den Kamm erreichte, sah er nur wenige Legionäre in seiner Nähe - der Rest hatte es nicht geschafft oder kämpfte sich noch immer durch eisigen Wind und Schneegestöber.

  • Nach und nach füllte sich aber die kleine Lichtung am Hügelkamm mit Soldaten, die erschöpft die letzten Meter zu den Reihen der Kameraden stolperten.


    "Durchzählen!", befahl der Optio knapp und blickte zurück in den dunklen Wald, in dem noch immer der eisige Nordwind um die Tannen pfiff.


    "Da fehlen doch zwei!", stellte Sophus fest, als sich der letzte oben angekommene Legionär gemeldet hatte.
    Der Optio schritt die Reihen ab und hielt nach Legionären Ausschau, die einen noch frischen Eindruck machten.


    "Du, du und du! Mitkommen! Quintus, du passt hier oben mit ein paar Männern auf, ob jemand von uns Hilfe braucht. Der Rest geht an den Hang dort hinten, wo wir besseren Schutz vor diesem Wind haben.


    Der Legionär nickte und trommelte einige Kameraden zusammen, während Sophus mit drei Legionären wieder in Richtung Tal kletterte.
    Die Rufe des kleinen Suchtrupps konnten das kalte Pfeifen des Windes kaum durchdringen.


    "Bleibt zusammen, Männer!", brüllte der Optio und versuchte in dem Schneetreiben den Überblick zu bewahren. Die beiden gesuchten Soldaten hatten der Nachhut angehört und waren vermutlich noch eher von der heraufziehenden Schlechtwetterfront überrascht worden.
    Der Optio fluchte. Bei Abmarsch aus dem Lager war nicht eine einzige Wolke am Winterhimmel zu erkennen gewesen...und nun das!


    "Wir müssen weiter runter! Sie können nicht mehr weit sein.", meinte Sophus in Anbetracht der zu beiden Seiten aufragenden schroffen Felswände."


    Der Hang war stellenweise von Eis überzogen: Morgens noch hatte die Sonne Teile des Schnees geschmolzen, nun gefror das Wasser blitzschnell und wurde, was besonders tückisch war, von einer dünnen Schneeschicht überzogen, welche die unter ihr liegende Gefahr zu verbergen drohte.
    Immer wieder stocherten die Soldaten vorsichtig mit ihren Pila in der Schneedecke herum, um sich Halt zu gewährleisten.


    Der Suchtrupp hatte schon beinahe das Tal erreicht, als einer der Legionäre schwache Rufe vernehmen konnte.


    "Da drüben! Sie sind irgendwo da drüben!", schrie der Legionär, der etwa zehn Fuß vom Optio entfernt dastand.
    Erleichtert kamen die Männer näher...und tatsächlich: Unter einem abgestorbenen Wurzelwerk kauerten zwei Soldaten der Legio I.


    "Was macht ihr denn so weit unten?", fragte Sophus.


    "Wir wurden vom Wetter überrascht, Optio. Mein Kamerad hier hat sich verletzt."
    Der Legionär deutete auf den Fuß des anderen Soldaten, welcher in eindeutig ungesundem Winkel vom Bein abstand.


    "Lass mal sehen."
    Sophus beugte sich hinab zum Legionär und legte dem Kameraden ein Lederstück in den Mund, während er die Wunde abtastete. Dem Legionär traten vor Schmerz Tränen in die Augen, doch nur ein erstickter Schrei entfuhr ihm.
    "Er kann unmöglich laufen.", stellte der Optio fest.


    "Sollen wir ihn in das Lager bringen?"


    "Bei dem Wetter kommen wir keinen Kilometer weit.", entgegnete Sophus und fügte hinzu:
    "Wir müssen ihn auf den Hügelkamm schaffen. Dort errichten wir ein Lager, bis sich das Wetter beruhigt hat. Dem Flusslauf folgend sollten wir schnell wieder in Mantua sein."
    Der Optio blickte nochmal in alle Himmelsrichtungen, ohne jedoch viel mehr zu erkennen, als schwarze Baumgerippe und die weiße Schneedecke. In diesem Schneesturm würden sie sich glatt noch verlaufen!
    "Also los! Ihr beide stützt ihn, du und ich suchen einen sicheren Weg nach oben."


    Die in dicken Tüchern verhüllten Gestalten machten sich langsam davon und waren alsbald im dichten Schneetreiben nicht mehr auszumachen.

  • Der Weg zum rettenden Hügelkamm war weit und gefährlich, doch letztlich erreichte der erfolgreiche Suchtrupp den von Quintus geführten Posten, der ganz in der Nähe des Waldes Schutz gesucht hatte. Sophus eilte die letzten Schritte hinauf. Auch ihn hatte Wintermarsch und der Sturmlauf auf den Hügel Kraft gekostet, doch es galt, lebensnotwendige Dinge zu organisieren.
    Gemeinsam mit Suchtrupp und Vorposten kehrte der Optio hinter den Hügelkamm an den windgeschützten Abhang zurück, wo die restlichen Männer bereits warteten.
    Der Lagerplatz war gut gewählt worden: Etwa zweihundert Fuß vom Waldrand entfernt lag eine kleine Felseinbuchtung, wo der Trupp dem ungünstigen Wetter notfalls eine ganze Weile trotzen konnte.


    "Männer, wie es scheint, wird unser kleiner Ausflug doch noch etwas länger dauern. Wir warten hier, bis sich das Wetter beruhigt hat, um dann nach Mantua zurückzukehren. Wir haben Vorräte für gut eine Woche dabei und können später im Tal wie geplant am Training weiterarbeiten."


    Die Legionäre begannen sofort damit, einige große Zelte zu errichten.
    Sophus suchte währenddessen nach einer geeigneten Feuerstelle und lies diese entsprechend herrichten. Normalerweise führten römische Soldaten kleine Büchsen mit, in denen Moos, Stroh und andere Materialen langsam verbrannten. Ein solches Instrument konnte die Glut für mehrere Tage am Leben erhalten, doch da die Truppe nur für einen kurzen Ausflug ausgerüstet war, musste per Feuerzeug erneut trockene Sägespähne entzündet werden.
    Der Optio schickte in der Hoffnung nach einigermaßen trockenem Holz einen Sammeltrupp aus, der nach langem Suchen mit relativ brauchbaren Resultaten zurückkehrte.


    Nun blieb den Soldaten nichts anderes übrig, als sich in den Zelten zu verkriechen, mit Essvorräten am Lagerfeuer zu weilen und zu warten...

  • Gegen Mittag klarte der Himmel auf, das Schneetreiben verschwand so plötzlich, wie es gekommen war.
    "Legionäre, brecht die Zelte ab! Wir wollen keine Zeit verlieren und uns sofort auf den Weg nach Mantua machen."
    Der Verletzte wurde notdürftig behandelt und auf einer Liege den Hang hinunter transportiert.


    "Quintus, nimm einige Männer mit und schaffe den Verletzten in's Lazarett. Wir üben hier einige Dinge...


    ANGETRETEN!"


    Die übrigen Legionäre bildeten drei astreine Reihen.


    "Na, das klappt ja schon ganz hervorragend.
    Der Ausfall unseres Kameraden ist bedauerlich, aber wir werden unser Training fortsetzen.


    Meine Herren, im Kriegsfall wird es immer wieder vorkommen, dass sich die Legion bei ihrem Vormarsch durch weitgehend unbekanntes Gelände bewegen muss. Unbekannt inwiefern?
    Nun, einerseits reichen geographische Kenntnisse nicht aus, um dem Kommandostab ein präzises Bild der jeweiligen Lage zu vermitteln, andererseits wird es oft notwendig sein, Ausschau nach feindlichen Stellungen zu halten. Die Hauptaufgabe eines Spähtrupps wird es also sein, möglichst unbemerkt tief in feindliches Gebiet vorzudringen und dabei so viele Informationen wie möglich zu beschaffen.
    Eine Möglichkeit, sich unbemerkt an den Feind hernzumachen, habt ihr heute demonstriert bekommen. Stellt euch vor, unser Gegner hätte auf dieser Seite des Gebirgszuges Truppen stationiert. Wir sind unbemerkt über die bewaldete Seite des Hügels marschiert und hätten im Ernstfall jederzeit wieder blitzschnell verschwinden können. Wie ihr sehen könnt, hätten wir einer schlagkräftigen Armee nichts entgegensetzen können. Es liegt auf der Hand, dass die Stärke eines Spähtrupps weniger Bewaffnungund Kampfkraft ist, sondern vielmehr Beweglichkeit, Schnelligkeit und Operationsfähigkeit im Verborgenen.
    In den nächsten Wochen werden wir sicherlich noch einmal die Möglichkeit haben, ein solches Vorgehen genauer einzuüben.


    Was aber können wir tun, wenn unser Spähtrupp von Feindkräften angegriffen, gar umzingelt wird? Im Normalfall ist davon auszugehen, dass der Feind in einer solchen Situation in der Überzahl ist.
    Keinesfalls befinden wir uns dann in einer ausweglosen Situation!
    Es gibt Mittel und Wege, wie sich eine kleine Gruppe von hervorragend ausgebildeten Soldaten einen Fluchtweg durch die feindlichen Linien bahnen kann. Männer, vergesst die Lektionen des heutigen Tages nie, denn sie können euch einmal das Leben retten.
    Und nun:
    Scuta Sursum!"

  • "Während des Gefechtes und/oder Vorpreschens kleinerer Stoß- oder Spähtrupps kann es immer wieder passieren, dass Teile der kämpfenden Truppe aus Haupt- oder Flankenverbänden herausgetrennt und umzingelt werden. Normalerweise werden diese Einheiten durch die Reiterei geschützt. Ist diese aber voll ausgelastet oder ist für sie der feindliche Ring zu stark für einen Gegenschlag von außen, müssen die versprengten Verbände selbst Druck auf den Feind auswirken und einer aufreibenden Kesselschlacht durch einen Ausbruch zu entkommen versuchen.


    In der Militärgeschichte gibt es viele Beispiele dafür, dass solche Einheiten, die bereits (weil eingekesselt und von der Hauptstreitmacht abgeschnürt) als besiegt galten.
    Es ist jedoch immer wieder erstaunlich, welchen Einfluss solche Trupps auf das Kampfgeschehen nehmen können.
    Ist unsere Einheit auf sich alleine gestellt, wird es unsere Aufgabe sein, schnellstens die eigenen Reihen neu zu ordnen und nach Möglichkeit den Ausbruch zu wagen.
    Ist dies nicht möglich oder scheitert der Versuch, können wir noch immer die Legion insofern entlasten, als dass wir unter Umständen enorme Kräfte des Feindes binden und diese damit zumindest kurzfristig ganz aus dem Hauptkampfgeschen entfernen.


    Männer, wir sind heute unter ungünstigen Umständen hierher gelangt, um zu erlernen, wie man sich in einer solchen Situation zu verhalten hat, wie man so lange wie möglich eine Stellung gegen übermächtige Gegner verteidigt.
    Hierfür will ich euch nun die Grundlagen vermitteln. Jawohl, die Grundlagen eines Abwehrkampfes. In den nächsten Wochen und Monaten werdet ihr somit zu vielseitig einsetzbaren Soldaten herangebildet.


    Wir beginnen mit einer neuen Formation:
    Dem defensivem Kreis.
    Diese Strategie wird nur dann angewandt, wenn sich die Einheit in größter Bedrängnis befindet und eingekesselt ist.


    Eine zentrale Rolle spielen hierbei die Bogenschützen. Ihre Reichweite und Treffsicherheit soll die Angreifer langsam ausbluten lassen, während Schwert- und Pilaträger Attacken der feindlichen Infanterie und Kavallerie abwehren.


    So, genug der Theorie.
    Ihr Bogenschützen da! Stellt euch hier auf! Wendet euch im Kreise allen Himmelsrichtungen zu! Ja, gut so.
    Nun kommen die Schwertträger! Ihr schützt vorwiegend mit euren Schilden die Bogenschützen vor gegnerischen Geschossen aller Art und beschäftigt dabei heranstürmende Gegner zu Fuß, bis diese von den Bogenschützen in eurer Mitte niedergemäht werden."


    Die Legionäre bildeten einen engen Kreis um die Bogenschützen.


    "Gut! Gut! Achtet immer auf eure Deckung. Euer Schild ist eure Lebensversicherung! Denkt immer daran! Du da, höher damit. Dich könnte in blinder avus aus zweihundert Fuß Entfernung in die Brust treffen. Ja, das sieht schon besser aus.


    Zu Beginn des feindlichen Ansturmes arbeitet ihr ausschließlich mit den Pila! Wie ihr alle wisst, trifft man mit den Speeren auf ca. zwanzig Meter zielgenau. Bohrt dem Feind ruhig den Speer in den Schild. Ist dies einmal geschehen, können die Verteidiger dem Angreifer mit vereinten Kräften die Deckung wegziehen und ihn damit schutzlos machen."

  • "So, nun werden die Bogenschützen üben, sich in dieser neuen Formation zurechtzufinden. Die Legionäre im Kreis gehen in die Hocke. Für den Anfang sollt ihr ja schließlich nicht in der eigenen Schusslinie stehen. Jeder Bogenschütze sucht sich nun einen Baum in der Nähe, den er zielgenau auf Mannshöhe zu treffen hat."


    Sophus stellte sich in die Mitte des Kreises.


    "LEEGT AN!
    FEUER FREI!"


    Mehrere Pfeile zischten durch die kalte Luft, von denen viele ihr Ziel trafen.


    "Das muss im Gefecht schneller gehen! Ihr müsst eure Schussfrequenz erhöhen! Die Legionäre im Kreis nehmen wieder normale Haltung an! Gut so. Bei jedem Ladevorgang gehen die Bogenschützen nun in Deckung hinter den Schutzkreis, verstanden?
    LEEEEGT AN!
    FEUER FREI!"


    Die Trefferquote verbesserte sich langsam.


    "Gut! FEUER EINSTELLEN!
    Wir kommen nun zu einer weiteren Variante des defensiven Kreises, denn diese Formation kann auch offensiv gefüht werden.
    Hierbei vernachlässigt man teilweise bzw. kurzzeitig die Deckung der Bogenschützen, um entweder fliehenden Feinden nachzusetzen oder aber um einen Gegenangriff auf feindliche Bogenschützen oder ähnliche Kampfeinheiten zu starten.
    Vorteil dieser Formation ist der Überraschungseffekt, denn normalerweise rechnet der Gegner nicht mit einem offensiven Vorstoß aus dieser ansonsten rein defensiven Formation heraus.
    Die offensive Verteidigung wird unter anderem dann eingesetzt, wenn es gilt, selbst Druck auf die einkesselnden Feindkräfte auszuüben. Dies kann dann der Fall sein, wenn Kameraden von ausserhalb des Kessels versuchen, unsere Einheit wieder aus der Umklammerung zu befreien.
    In der Regel werden hier die Legionäre aus dem Kreis (es können je nach Härte der Kämpfe beliebig viele Kampfreihen vorhanden sein) auf den Feind so schnell wie möglich in offener Formation losstürmen, während die Bogenschützen für Feuerschutz sorgen und nach Möglichkeit von einigen wenigen Legionären geschützt werden oder eben ganz der Deckung beraubt werden.


    Also, Männer! Nehmen wir an, wir sind eingekesselt und dort hinten am Waldrand stehen feindliche Truppen, die von unseren Kameraden von außerhalb angegriffen werden. Ihr auf dieser Seite greift sie in offener Formation so schnell wie möglich an! Die andere Seite des Schutzkreises spiel den Feind. Nehmt die Übungsschwerter!"


    Der Optio stellte sich nahe des Waldrandes auf Seiten der Feinde auf.


    "Während ihr vorstürmt, werde ich eure Deckung überprüfen. Die Bogenschützen da drüben können euch vielleicht unterstützen, doch vergesst nicht, dass ihr auch noch immer im Pfeilhagel befindet.
    Jetzt AUSBRECHEN!"


    Die Legionäre rannten mit Kampfgebrüll auf die Feinde los.


    "Hey, du da! Du bist tot! Nächstes Mal die Deckung höher nehmen. Gleiches gilt für dich. Hinlegen!"


    Bis der ausbrechende Trupp den gegnerischen Verband erreicht hatte, lag mehr als die Hälfte von ihnen, von imaginären Pfeilen des Optio getroffen, "tot" im Schnee.

  • Der kleine verbliebene Rest des Sturmtrupps wurde rasch von den gegnerischen Legionären aufgerieben - die Bogenschützen standen etwas verdattert und völlig ohne Schutz auf dem freien Feld.


    "Männer!"


    Der Optio machte eine Pause und deutete auf die Gefallenen und Verwundeten.


    "Das war erbärmlich! Bei den Göttern, ihr greift ja noch schlechter an als die Cohortes Urbanae! Verflucht! Aufstehen und nochmal stürmen! Hopp, hopp! Zackig, ihr Mehlsäcke!"


    Die Legionäre begaben sich zur Ausgangsposition zurück.


    "Wer als erster fällt, wird dem Centurio zum Latrinendienst vorgeschlagen! LOS! STÜRMEN! Beim Juppiter! SCHNELLER!"


    Keuchend rannten die Legionäre durch den Schnee. Wieder wurden viele von "Pfeilen" getroffen. Dennoch war der Optio zufrieden, als zumindest so viele den Lauf überstanden, dass die Gegner alle Kräfte aufbringen mussten, um den Angriff zurückzuschlagen.


    "Das war schon etwas besser, aber ihr habt die Stellung hier noch immer nicht eingenommen. Seid froh, dass hier keine echten Verteidigungsanlagen stehen.
    Wir werden das alles später noch etwas üben. Bevor wir fortfahren, üben wir noch etwas den Zweikampf mit dem Schwert, während die Bogenschützen weiter an ihrer Zielgenauigkeit und Schussfrequenz arbeiten."


    Erneut wurden zwei Gruppen gebildet, die in offener Formation gegeneinander antraten. Sophus betrachte zufrieden das Geschehen. Seine Männer hatten noch Defizite bei einigen neueren Formationen und es mangelte eben auch an echter Kampferfahrung, doch sie konnten hervorragend mit Schwert, Speer und Schild umgehen und in dieser Hinsicht ohne Probleme mit kampferprobten Fronteinheiten mithalten.


    "Gut, Männer. Das reicht. Wir üben nun ein wenig die Bewegung einer Einheit im geschlossenen Kreis der defensiven Variante und aller übrigen Formationen."


    Die Legionäre nahmen wieder Aufstellung. Nun aber brüllte der Optio ständig Befehle, denen zufolge die Formationen immer wieder geändert werden mussten.
    Begonnen wurde mit der offenen Formation, dann schlossen sich die Legionäre in Windeseile zur Schildkröte zusammen, um dann wieder in den defensiven geschossenen Kreis zurückzukehren.


    Der Optio scheuchte die Mannen noch eine ganze Weile über das schneebedeckte Feld, bis die Legionäre für einen Moment durchatmen und etwas trinken konnten.


    Im Dauerlauf eilte der Trupp anschließend in Richtung Fluss, welchem man in Richtung Mantua in normalem Marschtempo folgte.

  • Nach einem anstrengenden Marsch von mehreren Kilometern, erreichte der Trupp hundemüde das Lager von Westen her.


    Noch einmal hielt der Optio die Einheit an:


    "CONSISTITE!
    Wir werden sowas jetzt öfters machen. Freuen könnt ihr euch schon einmal auf die Probati, die wir nächstes Mal mitnehmen werden und uns überlegen, was man gegen Angriffe der Reiterei tun kann.
    Und jetzt los! Die letzten fünfhundert Fuß zum Lager will ich einen blitzsauberen Marsch sehen! Aequatis passibus, PERGITE!"


    Die Kameraden im Castellum staunten nicht schlecht, als ein abgekämpfter Stoßtrupp in Richtung Mannschaftsquartiere marschierte.


    Der Optio erstattete dem wachhabenden Offizier kurz Meldung und beschloss, einen Bericht für den zuständigen Centurio zu schreiben.
    Zufrieden erblickte Sophus die mittlerweile eingetroffenen Reitereieinheiten. Er würde sie noch brauchen...

  • Nachdem sämtliche Mannschaftsunterkünfte errichtet und die Aufgaben für fast alle Abteilungen des neuen Kastells nahezu beendet waren, versammelte sich die Truppe erneut auf dem Exerzierplatz.
    Nach einer kurzen Einweisung durch den Optio - es waren erstmals auch Probati unter den Legionären - setzte sich die Einheit in Bewegung und folgte dem mächtigen Eridanos. Diesmal hatten die Legionäre gut gefrühstückt und auch der Marsch im allmählich auftauenden Schnee dauerte nur knapp eine Stunde.


    Die Soldaten machten nahe des Flusses auf einer großen Wiese Halt.
    Mit schlafwandlerischer Sicherheit bildeten sich drei Reihen.


    "Legionäre,
    während der Zeit eurer Grundausbildung habt ihr einige Formationen kennengelernt. Darunter die Schildkröte, die offene und die geschlossene Formation. Vor einigen Tagen wurdet ihr mit den Vorzügen des geschlossenen Kreises vertraut gemacht, welcher sowohl defensiv als auch offensiv ausgerichtet sein kann.


    Wie ihr alle wisst, ist die Infanterie das Rückgrat der römischen Armee. Reitereieinheiten beispielsweise spielen lediglich bei der Sicherung von Flanken, der Verfolgung bereits geschlagener Feinde und der Aufklärung eine Rolle.
    Das römische Reich allerdings sieht sich Gegnern gegenüber, bei denen die Reiterei eine weitaus größere Rolle spielt und teilweise sogar Bestandteil der Hauptstreitmacht ist.


    Der römische Soldat muss also immer und überall auf Angriffe solcher Einheiten gefasst sein. Besonders gefährlich sind solche Attacken, weil sie oft unvorhergesehen geschehen. Der Hauptvorteil der Reiterei ist ihre unerreichte Schnelligkeit. Auch verfügen Reiter über bessere Waffen, haben mehr Übersicht über das Kampfgeschehen und können weitaus kräftigere Schläge als ein Legionär der Infanterie führen, da sie die übrigen Soldaten weit überragen.


    Unser heutiges Training soll dazu dienen, auf die Möglichkeiten hinzuweisen, wie man solche Angriffe abwehrt.


    Das Gladius mag eine gute Stichwaffe im Kampf Fußsoldat gegen Fußsoldat sein - im Einsatz gegen Reiter ist es allerdings schier wirkungslos!
    Der Legionär verlässt sich bei der Abwehr angreifender Reiter einzig und allein auf sein Pilum als aktive Waffe, während der Schild Deckung bietet! Merkt euch das!


    Jetzt zur eigentlichen Formation:
    Die erste Reihe von euch geht etwa hier in die Hocke. Der Schild soll euch dabei nahezu ganz in Deckung nehmen. Gut. Nun richtet ihr die Pila in etwa diesem Winkel auf."


    Sophus machte die Bewegung vor.


    "Ja, noch etwas höher, Titus. Gut so."


    Der Optio nickte zufrieden.


    "Wie ihr sehen könnt, haben es die Reiter schon einmal schwer, durch dieses Gewirr an Speeren zu kommen.
    Nun stellt sich die zweite Reihe von euch dahinter auf. Ihr geht nicht in die Hocke, sondern steht ganz normal hin und haltet den Schild über euch und eure Kameraden - ähnlich wie bei der Schildkröte. Ja, genau. Der Schild kann bei fehlendem gegnerischen Pfeilbeschuss auch normal gehalten oder ganz abgelegt werden. Jetzt nehmt die Pila und richtet sie waagrecht über die Deckung der ersten Reihe. Jawohl, gut!
    Während die erste Reihe eine Barriere aus Speeren bildet, um die Reiter am Vordringen zu hindern, ist es Aufgabe der zweiten Reihe, den Feind aus mittlerer Distanz zu vernichten. Ihr schleudert also eure Pila von dieser Position aus und versucht, Reiter oder Pferd zu treffen.


    Die dritte Reihe bilden in der Regel die Bogenschützen. Ähnlich wie beim defensiven Kreis sind sie durch die Schilde ihrer Kameraden geschützt und nehmen die schnellen Feinde auf den Pferden präzise auf's Korn.


    Ja, so muss das aussehen, Legionäre!"


    http://www.roman-empire.net/army/pics/repel-cavalry.jpg

  • "Nun werde ich testen, was ihr bislang gelernt habt."


    Laut schallten die knappen Befehle des Optio über die malerische Gegend. In Windeseile änderten die Legionäre die Formation.


    Von der Schildkröte


    http://www.roman-empire.net/army/pics/tortoise-01.jpg


    über die geschlossene Formation


    http://www.roman-empire.net/army/pics/wedge-01.jpg


    und die offene Formation


    http://www.roman-empire.net/army/pics/skirmishing-01.jpg


    ging es mit der soeben einstudierten Reiterabwehr


    http://www.roman-empire.net/army/pics/repel-cavalry.jpg


    schließlich weiter zum geschlossenen Kreis der defensiven Variante.


    http://www.roman-empire.net/army/pics/orb-01.jpg

  • Wie am Vortag angekündigt, versammelte sich der nun leider etwas dezimierte Trupp auf dem Exerzierplatz, wo die Legionäre ihr Marschgepäck und einige Utensilien zum Bau eines Lagers schulterten.


    Noch vor Tagesanbruch hatten die Männer das Lager verlassen und bewegten sich dieses Mal in westliche Richtung, um nach etwa zwei Stunden weiter nach Norden zu marschieren.
    Die Wege dort, welche in miserabelstem Zustand vorgefunden wurden, führten über steile Hügelkuppen. In der Ferne waren schon die ersten kleineren Berge auszumachen.
    Die Legionäre trotzten der stellenweise noch recht hohen Schneedecke und kamen gut voran. Sophus hatte die letzten Tage und Wochen zufrieden beobachtet, wie sich die Kondition der Soldaten zum Positiven verändert hatte. Wenn sie unter diesen Umständne ein solch hohes Tempo vorlegten, würden sie im Frühjahr wohl weit über dem üblicherweise geforderten Marschtempo liegen.


    Die Einheit erreichte eine kleine Senke zwischen zwei Hügeln.


    "Milites, CONSISTITE!
    Aciem dirigite!
    Oculos ad prosam!
    Scuta dorsum!
    Pila Sursum"


    Mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit folgten die Legionäre den Befehlen.


    "Legionäre! Obwohl wir in voller Kampfmontur hier angetreten sind, besteht unsere heutige Aufgabe lediglich darin, diese beiden Hügel...", Sophus deutete auf die Erhebungen zu beiden Seiten der Einheit, "nach allen Regeln der Kriegskunst mit Verteidigungsanlagen abzusichern.
    Die erste Reihe übernimmt diesen Hügel, die andere den da drüben.


    Die Nordseite des südlichen Hügels wird in einer höhe von etwa 50 Metern über unserer jetzigen Lage mit Wall und Palisaden ausgestattet.
    Der Nordhügel erhält die erste Verteidigungslinie etwas tiefer: Aufgrund der Steigung genügen mir hier 30 Meter.
    Ich will alles sehen, was ihr in der Grundausbildung gelernt habt: Vereiste Abhänge (schüttet von mir aus eure Suppe drüber), Gräben, Wälle, Palisaden, Reitersperren, Deckung für die Bogenschützen, und, und, und. Überrascht mich. Nun an die Arbeit!"


    Etwas überrascht ob dieser sinnlos erscheinenden Aufgabe bestiegen zwei Gruppen der Einheit beide Hügel und begannen damit, sich unter den niemals endenden Anweisungen des Optios hinter allerlei Verteidigungsanlagen zu verschanzen.

  • Neben Hölzern für die Pallisaden hatten die Legionäre lediglich einige Werkzeuge mitgeführt. Die Soldaten organisierten selbstständig kleine Suchtrupps, die den Wald nach geeignetem Baumaterial durchstöberten.
    Während sich die Legionäre in der zweiten und dritten Verteidigungslinie redlich mühten, Deckungsmöglichkeiten für die Bogenschützen zu errichten, verzeifelten deren Kameraden schier bei der Aufgabe, die zur Reiterabwehr dienenden langen Spieße, in das gefrorene Erdreich einzulegen.
    Nach mehreren Stunden harter Arbeit standen jedoch beide Anlagen und hielten dem prüfendem Blick des Optios stand.


    Während einige Bauernlümmel aus Mantua das seltsame Treiben aus sicherer Distanz mit unverholenem Argwohn verfolgten, lächelte Sophus zufrieden. Bei ausreichender Besatzung würde keiner der beiden Hügel ohne Einsatz von Kriegsmaschinen ohne gewaltige Verluste auf Seiten der Angreifer einzunehmen sein.


    Die Aufgabe war nunmehr beendet.
    Vorerst.


    "Milites, venite!
    Aciem dirigite!
    Oculos ad sinistram!
    Aequatis passibus pergite!"


    Die erschöpften Männer verließen den Ort und marschierten in südöstliche Richtung. Im Lager gab es noch viel zu tun.

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