Ein Schiff aus Tarraco

  • Es war am frühen Morgen. Die Sonne stieg am Horizont auf und flutete alles an Bord in ein rötliches Licht. Die Wärme tat den Gliedern gut und ich beschloss nach vorne an die Spitze des Schiffes zu gehen und mir die Wärme aus dem Osten ins Gesicht strahlen zu lassen. Der Wind war von der Nacht her noch eisig, das Wasser spritzte über die Planken und in gleichmäßigen rythmischen Bewegungen bockte das kleine Holzschiff auf, bevor es sich wieder nach unten senkte, um auf die nächste Welle zu warten.


    Noch einen halben Tag und wir würden in Ostia ankommen hatte der Steuermann gesagt und ich war - auch wenn es mir auf See gefiel - froh bald wieder Land unter den Füssen zu haben. Ostia - Das Tor nach Rom. Otia - Der Umschlagplatz im Westen des Mittelmeers. Alleine Alexandria in Ägypten konnte von sich behaupten, ebenso bedeutsam zu sein. Und in beiden Städten war ich bisher noch nicht gewesen.


    Und dann? Rom - die einzige und große, wie sie die Römer immer nannten. Ich musste lachen, als ich daran dachte, wie alle von Rom immer als der ERHABENEN sprachen, der EWIGEN, der GEWALTIGEN. GEWALTIG war sie, in der Tat, doch erhaben? Und ewig? Ich hatte meine Zweifel. In den weiten Läufen der menschlichen Geschicke und Schicksale waren solche Begriffe relativ. Meine Bildung reichte zwar nicht weit, doch waren nicht bereits Theben, Memphis, Persepolis, Susa, Athen und Karthago untergegangen? Rom würde nur eine weitere Weltstadt sein, die sich in diese Liste einreihen würde.


    Meridius. Mein alter Freund aus Kindheitstagen. Wir sprachen zusammen viel über Rom. Auch in der Jugend. Und während er - durch seinen Vater zum römischen Bürger begünstigt - Legatus wurde, fristete ich - Iberer wie er - die ersten Jahre meines Lebens als Sklave in kleinen Provinzarenen. War es Schicksal oder Wille der Götter, dass er mich fand und auslöste? Und nun stand ich in seinen Diensten.


    Rom! Nach Rom zu kommen war ein Spektakel. Wieviele Menschen kamen nach Rom? Und wieviele Menschen verschlang diese Stadt? Ich war Gladiator gewesen und wusste nur zu genau Bescheid. Der Gedanke an das tägliche Sterben und Metzeln in den Arenen erfüllte mich mit Hass. Ich spuckte über die Reling.


    Rom! Als erstes würde ich zu Agrippa gehen müssen. Mein Auftrag war zu wichtig. Wie hieß die Vestalin? SINONA. Sie musste eine besondere Frau sein, oder aber Meridius hatte eine enge freundschaftliche Beziehung zu ihrem Vater, dass er mich nach Rom schickte um Erkundigungen einzuholen. SINONA. Ob sie eine schöne Frau war? Eine leidenschaftliche Frau? Aber was spielte das für eine Rolle - sie war Vestalin.


    Ich blickte nach links und verfolgte die Küstenlinie mit meinen Augen. Das Land lag jungfräulich im Licht der aufgehenden Sonne.


    Es war schön zu leben, und es war schön, JETZT nach Rom kommen zu können. Das letzte mal, als ich die Stadt betrat, war ich Gladiator in einem Käfigwagen gewesen und dazu auserkoren, zu den Gelüsten der Reichen und der Belustigung des Pöbels in der Arena zu fallen. JETZT jedoch, war ich ein freier Mann. Sklave zwar, aber FREI.

  • Gegen Mittag hatten wir die Nordspitze Corsikas längst passiert. Die italische Küste tauchte auf der linken Seite wieder auf und der Schiffsverkehr nahm bemerkbar zu. Eine römische Galeere passierte uns rechterhand, und mit einer Geschwindigkeit von 4 Seemeilen pro Stunde kam Ostia näher und näher. Ich hatte mich zu der Besatzung begeben und beim Hochziehen des Hauptsegels geholfen. Die Männer waren dankbar, dass ich mich einbrachte, doch was sollte ich auch sonst tun? Es gab weit und breit nichts anderes als Meer.


    http://nabataea.net/Roman%20Trade%20Ship.jpg

  • Dann kam Ostia in Sicht. Der Hafen war deutlich auf weite Entfernungen zu erkennen. Der Sage nach sollte ein König Ancus Martius ihn errichtet haben, wie mir der Steuermann verriet, die Bauten waren jedoch von Claudius und Trajan. Ich schmunzelte nur, für fast alles gab es in Rom Sagen und sonstige Geschichten.

  • Als das Schiff im Hafen angelegt hatte, trat ich über die hölzerne Diele hinaus auf das Pier. Es war ein gewaltiges Durcheinander, hunderte von Schiffe lagen an den Docks, liefen ein oder aus, abertausende Amphoren wurden verladen, die Anzahl der Maultiere wagte ich nicht zu schätzen, die der Arbeiter, Sklaven, Matrosen und Seereisende ebenfalls nicht. Wohin ich blickte, ich erblickte Menschen, Menschen aus aller Herren Länder.


    Ich beschloss, ersteinmal in die Stadt zu gehen und mir ein Maultier für die Reise nach Rom zu besorgen. Auf eine Fahrt flussaufwärts in einem kleinen Kahn hatte ich nicht wirklich Lust...

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