Besuch für Marcellus

  • Die engsten Freunde von Julia hatte ich inzwischen persönlich benachrichtigt und bevor ich einen allgemeinen Aushang machen würde, wollte ich Licht in die für mich undurchsichtige Geschichte meiner Verwandten bringen.


    Lange Jahre weilte ich in Griechenland und daher war es mir unmöglich, die Geschehnisse der Vergangenheit zu entwirren. Ich hoffe, Marcellus würde mir dabei helfen können und so begab ich mich zur Villa Claudia.


    Zögerlich zuerst, doch dann entschlossen klopfte ich an die schwere Tür.

  • Ich wurde in das Officium geführt und erkannte im Dämmerlicht die Umrisse eines Mannes.


    „Marcellus Claudius Macrinius?“


    Weder kannte ich Marcellus von Angesicht, noch konnte ich das Dämmerlicht durchdringen.

  • „Es geht um meine Anverwandte Julia. Sie verstarb vor wenigen Tagen. Morgen werden die Trauerfeierlichkeiten sein.“


    Nachdenklich betrachtete ich mein Gegenüber. Ich wusste nicht, ob ich offen sein konnte, fasste mir aber dann ein Herz und begann:


    „Ich weilte lange Jahre außerhalb Roms und verpasste dadurch viele Geschehnisse innerhalb der Familie. Mir kam zu Ohren, dass Julia den Tod ihres Mannes betrauerte und womöglich jetzt auch an diesem zerbrach. Erst kürzlich wurde mir jedoch zugetragen, dass Marcellus, ihr Mann, sehr wohl noch lebe und zwar hier in dieser Villa. Dem wollte ich nun auf den Grund gehen. Darum bin ich hier.“


    Aufmerksam beobachtete ich die Regungen im Gesicht des Mannes.

  • "Meine Liebe, das wissen nur wenige im Reich und so soll es auch bleiben, jetzt sagt mir was ihr mir sagen wollt oder wissen wollt, ich habe einen Berg von Akten durchzuarbeiten...wollt ihr etwas trinken?"


    PRAEFECTUS CLASSIS PRAETORIAE MISSINENSIS
    PATER FAMILIAS GENTIS CLAVDIA
    NOMEN HONORES "RESTITUTOR"

  • „Es war mein Anliegen, den ehemaligen Mann von Julia, sollte er noch leben, zur Bestattung und zum Leichenmahl am selben Tage zu laden. Neun Tage im Anschluss daran, findet noch die Totenfeier statt.“


    Verwundwert betrachte ich den vor mir stehenden Mann. Ich verstand nicht die Zusammenhänge, wollte aber auch nicht mehr fragen. Zu undurchsichtig erschien mir die gesamte Angelegenheit.


    „Wie lautet Eure Antwort?“

  • Na gut, dachte ich. Warum eigentlich nicht bleiben und etwas trinken.


    „Ich würde gern etwas Wasser nehmen.“


    Tja, was sollte ich erzählen? Vielleicht, dass ich in jungen Jahren schon Witwe wurde? Aber das ging niemanden etwas an. Vielleicht, dass mein Sohn einmal die Gens führen würde? Doch auch dieses war Familiensache.


    „Eigentlich bin ich hierher gekommen, um Antworten zu finden und nicht um über mich zu plaudern. Vielleicht können wir uns aber darauf einigen, dass jeder etwas im Wechsel von sich erzählt. Da ich bereits eine Nachricht überbrachte, wäret Ihr jetzt also an der Reihe.“

  • "Oh, ich habe jede Menge zu tun und komme nicht dazu, darüber nachzudenken, ob ich mich nun einsam fühlen soll oder nicht."


    Ich leerte meinen Becher und erhob mich.


    "Ich denke, ich werde jetzt aber wieder gehen. Es hat mich gefreut Euch kennenzulernen."


    Ich nickte Macrinius noch einmal zu und verließ dann die Villa. Viele Dinge waren noch zu erledigen und vor allem die Opferung für Julia durfte nicht länger aufgeschoben werden.

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