Die Fremde wird zur Heimat

  • Kaum war der junge Maximian aus der Casa seines Vaters getreten, erfasste ihn ein Windstoß und ließ ihn erschauern. Es war wirklich verdammt kalt geworden und auch die pelzbesetzte Tunika konnte die eisige Kälte nicht komplett abhalten. Er rieb sich die Hände und vergrub sie tief in seiner Kleidung, während er sich eine Richtung aussuchte, in der seine Stadterkundung beginnen sollte. Er wählte die Richtung, aus der er gekommen war und stapfte durch den Winterwind.


    Nachdem er irgendwo abgebogen war, passierte er das öffentliche Bad, neben dem auch gleich ein riesiges Gebäude stand, das das Krankenhaus der Stadt beherbergte. Beide waren riesige Bauten, die Maximian mehr als erstaunten, denn aus seiner alten Heimat kannte er nur kleine, einfache Häuser, vor denen zudem nicht annähernd so viele Menschen herumwuselten, wie hier in Tarraco - und das trotz der bitteren Kälte.
    Seine Füße, an denen er die Kälte am meisten verspürte, trugen ihn weiter, vorbei am Stadtpark, der weißer als der Rest der Stadt war, und am Rathaus vorüber. Aus der Taverne vernahm er Stimmen, die auf irgendetwas ihre Becher erhoben, vom Bauhof her konnte er einige Rufe hören, die anordneten, irgendetwas höher zu halten und der Tempelbezirk zog langsam zu seiner Rechten vorbei, denn den wollte er sich später erst genau ansehen; Maximian hielt es mit den Göttern nicht so ernst, wie seine Mutter es gerne gesehen hätte.


    Über den Wochenmarkt und durch ein Wohnviertel lenkte er seine Schritte schließlich frierend aber zuverlässig zur Casa Decima zurück. Tarraco war groß, das hatte er auf seiner Erkundungstour erfahren. Nun wusste er auch, wo er was finden konnte und fühlte sich ein wenig wohler. Ein Mann, der nicht wusste, wo er sich befand, konnte sich nicht Zuhause fühlen.
    Auf der Straße, die zur Casa seiner Familie führte, erwachte die Neugier auf seinen Vater wieder. Er hatte gehofft, er würde ihn schon bald kennenlernen, doch anscheinend musste er sich noch ein wenig in Geduld üben. Mercator hatte nicht so geklungen, als würde man Meridius schon bald zurück erwarten. Er freute sich aber schon auf den Tag, wenn es so weit sein würde.
    Ob Meridius inzwischen die Nachricht über seinen Sohn erhalten hatte, die Mercator losgeschickt hatte? Diese und viele andere Fragen kamen dem Jungen, vor allem aber eine immer wieder: Wie er wohl reagiert hatte, wenn er es erfahren hatte?
    Mutter hatte ihm nicht viel verraten, weil sie sich zu sehr fürchtete. Er wusste nur, dass sein Vater eindrucksvoll war, ein guter Mann und sie schien ihm vertrauen zu können, da sie eigentlich keinen Anlass gehabt hätte, Maximian zu ihm zu schicken. Ihr Mann hielt Maximian für seinen älztesten Sprössling, ergo wurde er so auch von ihm behandelt. Allerdings war er nicht so gut betucht wie Meridius offensichtlich und vielleicht war das ein weiterer unausgesprochener Grund für ihre Entscheidung, dachte Maximian.


    Maximian selber wusste nur, dass er seinen Vater kennenlernen wollte und er seine Mutter sicherlich einmal wiedersehen würde. Heimweh hatte er nicht, dazu hatte Tarraco einfach viel zu viel Neues zu bieten und außerdem hatte er sich in seiner alten Heimat nie so wirklich Zuhause gefühlt.
    Sich die Hände mit warmen Atem aufwärmend trat er vor die Villa und beschloss bevor er hineinging, sich erst einmal den Garten genauer anzusehen und sich nach seinem Pferd zu erkundigen.

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