"So will ich dir die Geschichte des unglücklichen Tantalos erzählen..."
Deandra und Sophus schritten über eine ordentlich besuchte Straße in Richtung Stadtmitte.
"In dem großen und reichen Lande mit Namen Lydien in Kleinasien herschte einst der König Tantalos.
Die Götter hatten ihn mit Kraft und Führungsstärke gesegnet und so kam es, dass eben jener Mann ein guter Herrscher und Vater vieler Geschlechter wurde, die noch lange in der Erinnerung der Menschen bleiben sollten.
Viele Male luden ihn die Götter, da sie ihm wohlgesonnen waren, zum Festmahl an ihre Tafel ein.
Doch, wie es der Natur der Menschen zu entsprechen scheint, ruft allzu viel Wohlwollen oftmals Fehler hervor:
So wandelte sich Tantalos durch Macht, Reichtum und die Gunst der Götter zu einem überheblichen Menschen, der sich den Göttern ebenbürtig fühlte, da er oft in ihrer Mitte weilte.
So kam es, dass er am Tage, an dem er die Götter zum Opfermahl einlud, seinen Sohn Pelops eigenhändig tötete, in einem großem Topf kochte und - bedenke den Gipfel dieser Tollheit - den Göttern vorsetzte!
Jene aber zeigten sich gnädig und rührten das tote Fleisch des Pelops nicht an, sondern erweckten ihn zu neuem Leben.
Tantalos aber schien seine Lektion noch immer nicht gelernt zu haben!
In seiner Überheblichkeit und Geltungssucht erzählte er sterblichen Menschen von seinem Wissen über die Götter, gab ihnen gar - welch ungeheurer Frevel - Nektar und Ambrosia zur Speise!
Aber damit nicht genug!
Denn wieder besuchte Tantalos die Tafel der Götter. Der König in seinem Wahne antwortete auf die Frage des Zeus, was er sich denn sehnlichst wünsche:
"Ei, nichts will ich, als einem Gotte gleich zu sein."
Zeus aber wurde wütend, Tantalos fiel endgültig in Ungnade.
Durch den Zorn der Götter wurde Tantalos hinabgeschickt in die Unterwelt, wo er vom Zeitpunkt seines Todes bis in alle Ewigkeit dazu verdammt ist, bis zu den Knien im Wasser zu stehen.
Überkommt ihn in der staubigen Einöde der Unterwelt der Durst, so beugt er sich stets vergeblich nach unten, denn jedes Mal wenn er von dem Wasser trinken will, weichte es von ihm zurück.
Auch hängen über ihm die süßesten Früchte - will er auch nach ihnen greifen, ist sein Vorhaben niemals von Erfolg gekrönt, stets entreisst sie ein Windstoß Tantalos' Händen."
Sophus endete mit leiser Stimme und schritt nachdenklich über den Marktplatz.