Die Bestattung des Aurelius Antoninus

  • Ich gab das Zeichen und zugleich hoben wir die Bahre mit Antoninus an.


    Der Weg führte uns von der Villa Pellacia an die Stadtgrenze Ostias. Die Familie, Freunde und Bekannten des Toten begleiteten Klageweiber und es folgten auch völlig Fremde.

    Antoninus war von hohem Stand und bedeutend genug, so dass der Trauerzug von Musikern begleitet wurde. Den ganzen Weg über erklangen Gesänge mit Preisungen über den Toten und die Trauer um ihn.


    Bei dem Bestattungsplatz angelangt, setzten wir die Bahre ab.

  • Außerhalb der Stadtgrenze Ostias hielt der Trauerzug. Die große Familiengrabstätte der Aurelier befand sich in Rom, aber auch in Ostia ruhten bereits einzelne Angehörige.


    Nachdem die Träger die Bahre abgesetzt hatten, trat ich zu Antoninus.

  • Da Antoninus unverheiratet war, musste ich nun einen Teil seines Fingers abtrennen. Ich blickte kurz zu Cadior und griff nach dem Messer. Was in meinen Augen stand, wollte ich gar nicht wissen.
    Äußerlich beherrscht, innerlich aber mehr als angespannt, trennte ich den Finger ab und bat Cadior, diesen zu vergraben. Nun war der Ort der Verbrennung geheiligt.

  • Der mit Blumen geschmückte Scheiterhaufen war längst vorbereitet. Wir hoben die Bahre nun an und legten sie obenauf. Seine Kleider und persönlichen Besitztümer wurden anschließend neben den Toten gelegt. Die Trauergäste legte ihre Geschenke ebenfalls dazu.

  • Mit einer Glasphiole trat ich nun an den Scheiterhaufen heran und sprengte wohlriechende Essenzen auf die Totenbahre. Anschließend legte ich ein Medaillon seiner Mutter zu Antoninus. Behutsam öffnete ich ihm nun wieder die Augen und trat zurück.


    Ein letztes Mal rief ich seinen Namen. Mit abgewendetem Gesicht setzte ich anschließend gemeinsam mit seinen Freunden und Verwandten den Holzstoß in Brand.

  • Schon von weitem sah ich den Rauch des Feuers. Hinter mir liefen einige Sklaven, diese führten die zwei prachtvollen Opfertiere, die ich sorgfältig ausgesucht hatte.
    Einige Camilli begleiten mich, um mir bei der Zeremonie zu helfen.


    Langsam kamen wir immer näher und ich versuchte mit einem beruhigenden Gesichtsaudruck zu vermitteln, das es völlig normal sei, das wir so spät ankamen. Es brauchte erst einmal niemand zu wissen, das auf dem Weg von Rom nach Ostia das Rad des Wagens, auf welchem die Opfertiere gefahren wurden, gebrochen war und wir den Weg zu Fuß fortsetzen mussten.


    Ich nickte stumm den Trauernden zu und überwachte dann die Vorbereitungen für die Opferung des Schweines, welches später in den lodernden Flammen mitverbrannt würde.

  • ‚Wie schön, dass ausgerechnet Lucia die Opferungen vornahm’, dachte ich bei mir und trat an sie heran.


    „Gern hätte ich dich unter anderen Umständen wieder gesehen, aber für Antoninus könnte es nun keine bessere Priesterin geben. Verbindet dich doch mehr mit unserer Familie als irgendjemand sonst. Ich bedaure es sehr, dass Commodus heute nicht unter uns weit.“


    Ich lächelte flüchtig, doch sogleich wurde ich wieder ernst. Die Opferung war für die Bestattung wichtig und ich hoffte sie gelang.

  • "Es ist mir eine Ehre die Opferungen vornehmen zu dürfen." sagte ich leise zu Deandra, "Es ist das Einzige, was ich für Antoninus noch tun kann und du weißt, das mir eure Familie besonders am Herzen liegt.


    Bei Deandras letzten Worten, huschte ein leicht trauriges Lächeln über mein Gesicht. Doch an Commodus wollte ich jetzt nicht denken, die Opferung verlangte meine volle Hingabe.



    Ich sah das alles bereit war und winkte den Sklaven zu, das sie das Schwein zu mir bringen sollten.



    Das Schwein sah makellos aus, mit einer gekonnten Bewegung schnitt ich ihm die Kehle durch und vollführte das Ritual.


    Die Sklaven trugen nun das Schwein an den dafür vorgesehenen Platz an der Seite des schon brennenden Scheiterhaufen, es dauerte nicht lange, da griffen die Flammen über. Die Opfer war vollbracht.


    Das Feuer brannte hell und ich begann ein Klagelied zu singen, dem weitere folgen würden, solange bis nur noch die Asche übrig sein würde.

  • Nachdem die Opferung gelungen war, wurde das Schwein nun ebenfalls verbrannt. Kein Lebender sollte mehr von seinem Fleisch nehmen können.


    Ich stimmte in Lucias Klagelied ein und wartete geduldig, bis der gesamte Scheiterhaufen heruntergebrannt war. Meine Gedanken weilten bei meinem Bruder, der hoffentlich bald die Götter traf.


    Nachdem das Feuer verloschen war, musste die heiße Glut mit Wasser und Wein gelöscht werden. Ich griff nach einem gefüllten Gefäß und schaute kurz zu Lucia.


    „Antoninus wäre sicher erfreut, wenn die zukünftige Braut seines Bruders sich bereits hier in die Reihen der Familie stellt. Möchtest du gemeinsam mit mir löschen?“

  • Ich nahm von Cadior das Gefäß entgegen und stellte mich neben Deandra.


    "Vielen Dank Deandra."


    Vorsichtig begann ich die Amphore zu leeren und schüttete das Wasser langsam über die heiße Asche.


    Dann trat ich einige Schritte zurück, sodaß nun Deandra die restliche Glut mit dem Wein löschen konnte.

  • Gemeinsam begannen wir behutsam die Asche in die wirklich prachtvolle Urne zu sammeln.


    Wir mußten uns ein wenig beeilen, es kam ein leichter Wind auf, doch ein prüfender Blick zum Himmel sagte mir, das es vorerst nicht regnen würde.


    Zu der Asche legte ich als Beigabe ein Salbfläschchen.


    "Würdest du bitte die Totenmünze hineinlegen ?" bat ich Deandra.


    "Danach gehen wir dann zum eurem Familiengrabmal."


    Ich bedeutete den Slaven, das sie mit dem Opfertier für die Laren schon einmal vorausgehen sollten. Die Öllampe als Grabbeigabe sowie das Wasser für die Reinigung trug ein Camillus für mich.

  • Ich freute mich, dass Lucia sich wie selbstverständlich einbrachte. So war ich doch nicht gänzlich allein.


    Noch während ich ihre Worte hörte, fand ich bereits in der Asche die Münze, welche ich Antoninus unmittelbar nach seinem Tod in den Mund legte. Liebevoll säuberte ich sie noch einmal bis sie wieder glänzte. In diesem Augenblick überkamen mich wieder der ganze Kummer, die Einsamkeit und all die Dinge, die derzeit scheinbar nur auf meinen Schultern lasteten.


    Einige Tränen tropften auf die Asche, die ich so benetzt nun in die Urne gab.

  • Ich hob die schwere Urne auf und zog Deandra mit der anderen Hand nach oben. Mein Blick lag prüfend auf ihr und ich machte mir Gedanken.


    Wir begaben uns zu dem prunkvoll ausgestatteten Grabmahl der Aurelier. Ich setzte dort die Urne in das vorbereitete Loch und trat zurück.

  • Ein Klagelied singend folgte ich Deandra, Cadior und den anderen Trauergästen zu dem Familiengrabmal. Das Lied kam mühelos über meine Lippen, ich hatte es schon oft gesungen.


    Meine Gedanken weilten für einen Moment bei Deandra, ich hatte ihre Tränen gesehen und den Ausdruck ihrer Augen. Es schien nicht nur um den Tod von Antoninus zu gehen, doch ich würde später darüber nachdenken, jetzt konzentrierte ich mich mit voller Inbrust auf die Beisetzung.


    "Danke Cadior." sagte ich leise zu ihm und legte dann einige Ölfläschchen und die Öllampe neben die Urne.


    Ich begann wieder ein Lied zu singen, ein Camillus stimmte für mich mit ein und ich begab mich alleine nach draußen um das Opfer für die Laren zu bringen.


    Der Widder war ein sehr schönes Tier, auch seine Innereien waren makellos. Die Laren hatten das Opfer angenommen. Ein weiterer Camillus kümmerte sich um den Rest der Zeremonie und ich begab mich erleichert wieder in das Grabmal und wartete geduldig bis die letzten Töne des Klageliedes verstummt waren.


    "Die Laren haben das Opfer angenommen, die Reinigung der Familie ist vollbracht." verkündete ich laut.


    Der Camillus reichte mir das Wasser und ich begann die Trauergäste damit zu besprengen, auch dieses diente der Reinigung, nun konnten sie sich wieder anderen Menschen nähern.


    "Es ist jetzt Zeit zu gehen."


    Sanft sprach ich Deandra an und ging dann langsam hinaus.

  • Symbolisch und nicht ohne Wehmut warf ich drei Hände voll Erde auf die Urne. Jetzt konnte der Tote die Götter und Altäre nicht mehr beflecken und sein Geist erlangte Eintritt in die Unterwelt.


    Nachdem auch dies vollbracht war, konnte die Reinigung des Gefolges und der Familie beginnen und die Opferung des Widders für Laren ebenfalls.


    Lucia zelebrierte alles in schönster Weise und ich war ihr sehr dankbar dafür. Wie abwesend folgte ich ihr schließlich hinaus.



    "Ich lade nun alle zum Leichenmahl", hörte ich mich sagen.


    Ich wollte jetzt nur ungern allein sein. Die neuntägige Trauerzeit würde noch einsam genug sein.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!