Domus Aeliana - Tablinum

  • Piso blickte Archias ein paar Sekunden lang kritisch an, als dieser noch mehr zusammenzuschrumpfen schien ob der Last der harschen Worte, die auf ihn aus patrizischem mund herabprasselten. Dann zuckte er einfach nur die Achseln, ein Ja unterdrückend. “Ist jetzt schon geschehen.“ Er hatte es jetzt satt, wollte es gut sein lassen für heute. Zumindets für die nächsten paar Minuten. Er wollte nicht mehr daran denken.
    Viel lieber dachte er an die Zukunftsaussichten, die Archias ihm prophezeihte, und dieses Mal lächelte er sogar. “Vielleicht, vielleicht... aber für eine Frau ist das alles ganz anders, glaube ich mal. Die will keine Leibsklaven und Wächter und Calatores, sondern ihren Spaß haben. Was glaubst du, weshalb es keine Frauen im Senat gibt?“ Zugegeben, die Argumentation war schwach, aber zu Hochgeistigem war der Flavier heute nicht mehr fähig. “Drei? Ja, klingt besser...“ Er zuckte abermals die Schultern, und runzelte die Stirne, als Archias zugab, schon eine Ehekrise gehabt zu haben. Noch bevor er irgendjemanden überhaupt von der Ehe erzählt hatte! Das war ja was! Insgeheim nahm sich Piso vor, die Tage zu zählen, bis die Ehe wieder in der Regia ausgetragen werden würde. Aber so etwas musste er ja nicht laut sagen.
    Er kniff die Augen zusammen, und hörte sich genau an, was Archias zu sagen hatte. Als der Aelier damit zu Ende war, ihm ins Ohr zu wispern, runzelte Piso seine Stirn. “Und das hilft? Na ja, vielleicht hilft es. Ein paar Tage lang. Und dann kommt er wieder damit! Ich meine... man muss ihn bestrafen dafür. Man muss ihn... erziehen. Wenn du ihm so kommst, denkt er, er kann sich alles erlauben!“ Piso hielt das nicht nur für eine schlechte Idee, sondern sogar für die ziemlich schlechteste, die Archias hätte erfinden können. Für ihn im Inneren war das Aushebeln des Ducciers noch immer die besten Lösung – solange man sich dabei nicht erwischen ließ. “Ich meine, er hat dein Kind getötet, oder halt töten lassen. Dein Kind! Denk mal!“ Er war besorgt um Axilla, ja. Und er war nicht fähig zu begreifen, warum sie zu doof war, um die Gefahr zu sehen.
    Wie das Gesprächsthema auf Prisca kam, sah Piso eindeutig, wie wenig enthusiastisch Archias darauf reagierte. Ihm schien das gesamte Gesicht runterzuhängen. “Ich weiß ja! Ich weiß ja! Aber ich kann nichts dafür! Und... ich meine, du kennst sie ja gar nicht. Sie ist so etwas von genial, und süß, nicht zu glauben!“ Er schüttelte ganz ungläubig seinen Kopf. “Du musst sie mal kennen lernen... na ja, du müsstest sie kennen lernen! Du wirst kaum glauben, das es eine solche Art von Frau heutzutage noch gibt!“
    Er nickte. “Ja, Seianas Patron, genau der. Also, was geschehen ist... nun ja... ich habe sie geküsst. Prisca. Und der Kerl hat uns in flagranti erwischt... so eifersüchtig war der, nicht zu glauben! Ich meine... das ist so eine Oberzicke! So eine blöde Kuh, dieser Aurelier!“ Dass er Schimfpwörter für das falsche Geschlecht anwendete, fiel ihm nicht weiter auf, gegenteilig kamen sie ihm am Angemessensten vor für diesen uneinsichtigen Stümper.
    Und wieder nickte Piso, als Archias nachfragte. “Ja, Archi. Sie ist zu mir ins Officium und... naja, ausgeheult ist ein bisschen stark. Aber sie hat unglücklich gewirkt. Sie hat mir echt Leid getan. Angeblich hast du einen Brotanbieter vor ihrem Haus stationiert, der ihren Namen rumgebrüllt hat. Also, ich habe folgende Bitte. Lass sie sein, habe nie mehr Kontakt mit ihr, scher dich nicht mehr um sie. Bitte. Denn wenn du das nciht mehr tust, dann wird sie wohl auch zu ihrem Patron gehen können, müssen, wie auch immer, und ihm erzählen, was für ein guter und seiner Nichte würdiger Mensch ich bin! Ist doch ein Plan, oder?“ Er würde in der Angelegenheit, wenn er es müsste, sowieso noch alles in Rom ins Rennen schicken, was er kannte und was laufen konnte. Es war gut, wenn man auch ein paar nicht komplett einflusslose Vetter hatte.

  • Caius war Piso unendlich dankbar dafür, dass er das Thema jetzt dann einfach sein ließ und selber ablenkte. Er war eben ein echter Freund! Das sagte auch der Blick aus, mit dem er den Flavier jetzt bedachte. Tiefe Verbundenheit. Caius seufzte ganz leise und merkte, wie eine große Last von ihm abfiel. Jetzt konnte und würde doch alles nur noch besser werden...oder?
    »Sie vielleicht nicht. Aber ich schon, Pi. Mit dem was ich weiß, will ich, dass sie bewacht wird.« Caius knirschte mit den Zähnen und sah ein wenig unglücklich drein. Auch, weil Piso sein Vorhaben zerredete.
    »Ich weiß nicht, ob das hilft«, sagte er ratlos und zuckte mit den Achseln.
    »Ich hätt gedacht, es wär nen Versuch wert? Aber du hast schon recht... Hinterher ist es wirklich so, wie du sagst.« Und Caius wollte sich nicht abhängig machen, schon gar nicht von so einem Germanen. Dea Dia, er war einfach so müde, verdammt! Ihm ging das so auf den Sack. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
    »Ich weiß doch. Nur... Wie soll ich ihn denn erziehen, Pi, wie soll ich das machen?« Caius fühlte sich wie ein großes Häufchen Elend in Blau, und so sah er bestimmt auch gerade aus.


    Das andere Thema trug auch nicht unbedingt dazu bei, dass er sich besser fühlte. Die Sache mit der unglücklichen Verliebtheit seines besten Freundes, dann die Angelegenheit mit Seiana. Was kam als nächstes? Er horchte auf.
    »Süß echote er.
    »Oh Mann, Pi, was machst du nur?« Vermutlich konnte Caius es genauso wenig nachvollziehen, warum Piso eine Aurelia toll fand, wie Piso es verstehen konnte, dass Caius Axilla geheiratet hatte. Und bei der nächsten Info blieb ihm dann regelrecht die Spucke weg. Entsetzt sah er Piso an.
    »Du hast was?! Ach du scheiße, Pi!« Der Kerl war ja schon ausgeflippt, als er sich mit Vala geärgert hatte, aber DAS! Caius hatte große Augen bekommen und schüttelte gerade den Kopf.
    »Au Backe.« Caius sah Piso verdutzt an.
    »Und ist sie... Ich mein, hat sie denn zurückgeküsst? Dann wär ja alles klar.« Eigentlich. Dann konnte Piso sie ja wegheiraten. Trotzdem! Caius schüttelte den Kopf. Das war mindestens eine genauso blöde Schnapsidee gewesen wie das, was Caius sich in Bezug auf Vala ausgedacht hatte!


    Wegen Seiana hörte Archi jetzt ganz besonders aufmerksam zu. Und dann färbten sich langsam seine Ohren rot und sein Gesicht nahm den Ausdruck an, den man Marsstatuen einmeißelte. Er wär aufgesprungen, wenn er nicht schon gestanden hätte. So verschränkte er nur die Arme vor der Brust und sah grimmig drein.
    »Ist ja wohl nicht wahr! Wieso latscht sie damit bitte dann direkt zu dir?!« Caius schnaubte.
    »Ich hab ihr gar nix getan! Weißt du, ich hab diese blöde Medizintaverne von meinem Cousin geerbt und ihr geschenkt, weil ich damit nichts anfangen konnte. Ich mein, ich hab sie eh loswerden wollen, und außerdem hab ich schon genug mit meinen eigenen Läden zu tun. Und dann... Also, ich mein, nach der Entlobung, da wollte sie mir das Geld dafür geben! Wenn ich den Laden gekauft hätt, dann wär das ja noch irgendwie was anderes gewesen, weißt du. Aber so! Sie hat sich echt nicht abbringen lassen, egal was ich vorgeschlagen hab (und ich hab viel vorgeschlagen)! Also hat Katander das Geld geholt und zu nem Bäcker gebracht, damit der in ihrem Namen Brot an Bedürftige verteilt. Und sie sollte das mitkriegen! Dass ich kein Geld von ihr will. Was ist denn daran bitte schön jetzt falsch?« Caius funkelte Piso an und schnaubte noch mal kopfschüttelnd
    »Ich weiß gar nicht, was sie damit für ein Problem hat!«

  • Piso bemerkte, wie zutiefst dankbar ihm Archias war, als er das Thema fallen ließ. Ja, an Archias‘ Stelle wäre er auch ziemlich glücklich darüber gewesen. So ließ er es gut sein. Später konnte man das Thema wieder hervorkramen, dachte er sich, wohl der Tatsache eingedenk, dass dies wohl auch nicht mehr passieren würde. Also, dass er es vergessen würde, beziehungsweise nicht mehr dazu kommen würde, es zu tun.
    So schenkte er diesem Gedanken keinen Gedanken mehr, und konzentrierte sich lieber darauf, was Archias sagte über diese Leibwächter. Ihm kam das nicht ganz koscher vor. Aber, wenn Archias unbedingt darauf bestand... es war ja die einzige gangbare Methode. Zumindest, bis der Duccier mit einem spitzen Messer im Magen am Boden in seiner eigenen Suppe lag.
    “Also, versteh mich nicht falsch.. aber so würdest du ihm nicht nur keine Leere erteilen, sondern ihn sogar dazu ermuntern, weiterzumachen, weil er sieht, dass er damit durchkommt, und alle vor ihm den Schwanz einziehen!“ Er blickte seinen alten Freund durchaus verständnisvoll an, als dieser mit seiner Hand sich aufs Gesicht patschte. “Oh Mann, oh Mann.“ Kollegial legte er ihm die Hand auf die linke Schulter. “Erziehen ist dann doch das falsche Wort, glaube ich. Solche Kerle sind nicht zu erziehen. Wenn, dann nur mit einer Tracht Prügel. Aber wenn der wirklich so ist, dann wird er petzen. Es geht also nur eines – um die Ecke mit ihm und dann immer feste rein mit ihm in den Tiber. Der alte Fluss hat schon Schlimmeres erlebt als einen toten Germanen.“ Er blickte ihn mit einem seltsamen Blick an. “Du hast doch jetzt diese 5 Kerle, oder? Die machen das sicher gerne für einen Apfel und ein Ei“, mutmaßte er.
    Piso konnte, während dieses Thema bei ihm durchaus in der Lage war, in ihm krampfhafte Verzückungen und noch viel krampfhaftere Unglücklichkeit herbeizurufen, sehehn, dass es bei Archias nur Letzteres bewirkte. “Ja! Süß, und wunderschön, und intelligent, und gebildet, und interessant, und...“ Er ließ die Schultern sacken, als Archias ihn fragte, was passiert war. “Naja, was passiert ist... ist Folgendes. Wir ahben uns vorher schon am Markt getroffen, und so. Und ich komme eines Tages zu den Aureliern, um mit jenem Corvinus zu sprechen. Ging um Bücherverbrennungen. Ich gelange per Zufall in den Garten, und dort treffe ich sie wieder! Eines führte zum anderen, und... nun ja, plötzlich küssen wir uns. Und sie hat zurückgeküsst, ja, dass du es weißt. Und dann kommt der Kerl an, führt sich auf, und dann...“ Piso biss sich auf die Lippe. “Dann watscht sie mich ab. Kannst du dir das vorstellen, sie gibt mir eine Ohrfeige. Ähm... ist das unter Frauen so eine Art, Liebe zu zeigen?“ Hoffnungsfroh blickte er Archias an. “Wie dem auch sei. Der Kerl, Corvinus, hat mir gesagt, ich soll sie nie wieder sehen. Kannst du dir das vorstellen? Und die Oberfrechheit bei der Sache ist – ein Aurelier will meine Schwester heiraten. Nicht Vera, sondern Nigrina. Die ist jetzt übrigens in Rom, weißt du das? Gerade angekommen! Habe ich dir noch gar nicht gesagt! Ich hätte sie mitgenommen, wenn ich gewusst hätte, dass ihr jetzt geheiratet hättet... und so...“ Er verzog seinen Mund kurz. “Wo war ich? Genau, ein Aurelier will Nigrina heiraten. Und ich sollte mit Corvinus die Verhandlungsgespräche führen. Pah, der kann sich auf was gefasst machen. Ich habe noch ein paar Asse im Ärmel, und das soll er auch zu spüren bekommen.“ Grimmig grinste er.
    Nicht ganz so grimmig, wie Archias nun dreinschaute, als Piso ihm von Seiana erzählte. Piso hörte zu, genau so, wie er es bei Seiana gemacht hatte, dann und wann ein “Aha, oho, soso“ von sich gebend.
    Als Archias am Ende angekommen war, dachte Piso kurz nach. Er hatte doch gewusst, dass Seiana das gründlich falsch verstanden hatte. “Nun, sie hat es so aufgefasst, dass du damit ihren Ruf runterziehen wolltest. Weil dann die Leute denken, sie hat es nötig. Wie dem auch sei – ich bitte dich, in Zukunft nichts mehr mit ihr zu schaffen zu haben. Geht das? Denn dann ist sie mir eben einen Gefallen schuldig und so. Ich wäre dir sehr, sehr dankbar. Bitte!“ Piso machte Kulleraugen und blickte Archias flehentlich an – von der Rückendeckung einer Decima Seiana bei einem Aurelius Corvinus versprach er sich sehr viel.

  • Na gut, das wollte Caius natürlich nicht. Den Schwanz einziehen. Er war ja nicht irgendwer! Allerdings fiel ihm auch nichts besseres ein oder was anderes, als Vala zu bestechen, damit er Axilla in Zukunft in Ruhe ließ. Er sah Piso ein wenig hilflos an und seufzte. Er hatte doch keine Ahnung! Und das Schlimmste daran war, dass Axilla ihm einfach nicht glauben wollte. Wenn doch, würde das alles ziemlich viel einfacher machen. Nur so... Pisos Hand war echt beruhigend.
    »Meinst du«, fragte Caius, der immer noch dran zweifelte, dass das so eine gute Idee war. Aber das hörte sich eher zaghaft und unentschlossen an und so, als würde sich der Schwanz tatsächlich schon bereit machen, eingezogen zu werden. Caius drückte den Rücken ein wenig durch und seufzte. Wieder mal.


    Piso machte das genaue Gegenteil von ihm, denn der sackte gerade ein wenig zusammen. Caius legte ihm jetzt die Hand auf die andere Schulter, so dass sie sich irgendwie gegenseitig stützten. Und dann hörte er seinem Freund zu, was er so erzählte. Hin und wieder kommentierte er Pisos Worte mit einem oh oder einem tiefen Luftholen, einem Seufzer oder einem Kopfschütteln. Und seine Augen wurden als größer dabei.
    »Also, du knutscht sie, sie knutscht dich zurück, und dann kommt der Aurelier und dann haut sie dir eine?« vergewisserte sich Caius, dass er auch alles richtig verstanden hatte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und nickte fachmännisch.
    »Klare Sache, das«, behauptete er.
    »Das musste sie doch machen! So eine Patrizierin muss nach außen hin doch unnahbar wirken und sowas. Und ich mein, gerade wenn da noch wer dabei ist. Hat der denn da was zu entscheiden?« fragte Caius nach. Er konnte sich ja nicht mal ans Gesicht dieses Corvusdingsbums erinnern, geschweige denn daran, dass dem seine Frau sogar mit Piso verwandt war.


    Schwester heiraten? Ein Bild von Vera schwebte vor Caius' Augen. Aus der wurde Nigrina, als Piso die erwähnte. Nigrina...au Backe. War die etwa nun auch in Rom? Caius sah Piso ein bisschen besorgt an. Wen die heiraten wollte oder sollte, war ihm eigentlich egal. Vera hatte man damals ja noch ärgern können, aber Nigrina hatte es entweder gleich ziemlich fies zurückgezahlt oder war petzen gegangen. Und sowas blieb in der Seele verankert!
    »Mhmh...« machte Caius also nur und nickte nachdenklich. Die Chancen standen gut, dass er sie gar nicht sehen musste, wenn sie eh bald weggeheiratet wurde. Nur auf der Hochzeit vielleicht.
    »Oh, wie? Du sollst das verhandeln? Mit dem Aurelier? Scheiße, Pi!« Caius schwieg kurz und füllte die entstandene Pause mit einem mitfühlenden Kopfschütteln und einem betrübten Blick. Aber nicht, weil's um den Aurelius ging, der Piso wohl sauer war, weil er die Kleine mit dem Pisokuss lieber für sich selber haben wollte (was auch immer da lief...). Sondern wegen Pisos Paps.
    »Dann will er bestimmt, dass du aufläufst. Oder nicht? Ich mein, warum macht das nicht dein Onke Crassusl?« fragte Caius und zuckte mit den Schultern. Welche Asse Piso meinte, wusste er auch nicht.


    »Sie hat WAS?!« blökte Caius dann los und fabrizierte wieder Bertbrauen.
    »Ist ja nen Ding. Ich hab ihr gesagt, dass ich ihr Geld nicht will. Wieso denkt sie sich dann so einen Mist aus? Und wenn sie den Leuten Brot bezahlt, dann tut sie wenigstens was Gutes damit, statt es mir zu geben. Ich brauch ihr Geld nicht!« echauffierte siech Caius und grummelte weiter vor sich hin.
    »Nichts mehr zu schaffen haben. Pah. Ich hab ihr gesagt, dass sie nach wie vor meine Freundin ist. Aber sie muss sich ja unbedingt so blöde anstellen. Verlobungsgeschenk, dass ich nicht lache... Mann, Mann, Mann...« Caius schien Piso gar nicht mehr so richtig zuzuhören. Vielmehr nörgelte er herum. Und deswegen ging der Kommentar auch ziemlich unter, dass er sie in Ruhe lassen sollte. Der Rest aber nicht.
    »Gefallen schuldig? Hähwie? Welchen denn?« fragte er verdutzt.

  • Meinte er? Piso war sich nicht sicher. Er dachte kurz nach, welche Antowrt er geben könnte. Er endete damit, zu sagen: “Besser, als dass du ihn dafür belohnst, dass er solche krummen Dinger dreht!“ Er nickte schwerwiegend und blickte sich um, nur, um sich zu versichern, dass niemand zuhörte. Er wollte nicht einmal, dass ein Sklave lauschte! Nein, Piso war kein Mörder von Natur aus, aber er war ein Flavier. Und mit solchen Objekten musste man kurzen Prozess machen! Das beleidigte ja das Antlitz der Erde, wenn sowas drauf rumlief. Er fühlte aber, dass das Thema sich dem Ende zuneigte. Er ließ es also folgerichtig sein, noch länger darüber zu reden. Es brachte ohnehin nichts. Nur noch: “Ich denke, eine andere Wahl hast du nicht, außer, du willst dir den Rest deines Lebens Gedanken um Axilla machen.“
    Archias hörte ihm wirklich zu, und das tat gut. Piso versuchte, seinen Redefluss halbwegs aufrecht zu erhalten, obwohl ihm hie und da einfach nur noch mehr danach war, zu heulen. Das mit Prisca machte ihn echt kaputt. Er wusste nicht mehr, wohin das noch führen sollte. Vielleicht endete er am Ende noch als einer, der im Schmutz an einem Straßenecke saß, die Zunge herausstreckte, seine Hände mit ausgespreizten Fingern mit den Daumenspitzen an seine Ohren hielt und mit ihnen lustig herumwackelte. In anderen Worten, die Spinner.
    “Genau so war es, genau so!“, ereiferte sich Piso und nickte dabei. Er hielt in seinen Bewegungen inne, als Archias was einwarf. “Wirklich? Äh, meinst du? Ich meine... echt?“ Ja, intelligente Fragen stellte er schon. Er bemerkte dabei gar nicht, dass Archias dabei Nigrina nur so überging. Nun, wieso auch nicht? Immer hatte sie Archias‘ und Pisos mühsam aufgebaute Sandburgen zerstört, zumindest redete er sich das ein.
    “Mein Onkel Crassus?“, fragte er nach, und grübelte kurz. “Du musst meinen Vetter Gracchus meinen. Nun ja, es ist so... die Chemie zwischen ihn und meinem Vater... na ja... ist nicht so gut. Und ich war schon in Rom, also zur Hand... und ich glaube, er wollte mir eine Chance geben, mich ihm gegenüber zu beweisen... ich weiß auch nicht. Also, du musst wissen, das letzte Mal, dass ich in Ravenna war, da sind wir ziemlich aneinandergeraten.“ Was genau passiert war, würde er nicht einmal Archias erzählen. Es war einfach so. Es würde nicht passieren. Er würde es für sich behalten.
    Als dann das Thema Seiana wieder auftauchte, regte sich Archias wieder mal gewaltig auf. Als ob sie ihm was angetan hatte, nicht er ihr. Piso hörte ihm geduldig zu. “Also schau, ich werde ihr das alles so sagen! Haarklein! Keine Sorge! Sie hat das halt nur missverstanden, habe ich eh schon gedacht!“ Er ruderte mit seinen Händen herum. “Aber es ist mir einfach verdammt wichtig, dass das aus der Welt geschafft wird! Dass du sie nie wieder siehst! Denn, ich sage es dir – wenn ich zu Seiana damit gehe, ist sie mir einen Gefallen schuldig! Dann wird sie, wenn ich sie darum bitte, zu ihrem Patron Aurelius Corvinus gehen und ihm ins Gewissen reden! Ich werde ihr sagen, sie soll ihm sagen, ich wäre ein guter Freund von ihr, und sie könne bezeugen, was für ein guter Kerl ich wäre, und wie sehr ich seine Nichte liebe, und wie schrecklich ich daherkomme, und so! Er wird doch sicher seiner Klientin zuhören! Glaubst du nicht?“ Er blickte Archias hilflos an.

  • Caius schwieg und dachte nach. Er hatte die Wahl. Er konnte Axilla beschützen (auch wenn er dafür zu unlauteren Mitteln greifen musste) oder er konnte sie verlieren (wenn nicht ganz, dann zumindest dadurch, dass er unlautere Mittel benutzte). Das war zum Mäusemelken! Caius sah Piso gequält an und seufzte. Er wusste es einfach nicht. Und er konnte die ganze Sache wohl auch schlecht auf sich selbst beruhen lassen. Dann war das ja vorprogrammiert, dass es irgendwann doch passierte. Caius beschloss, erstmal nichts mehr dazu zu sagen. Überhaupt war Pisos Thema wenigstens angenehmer.


    »Klar. Wenn sie dir gleich die Hand gibt, wird sie doch weniger interessant, Pi. Da gibt sie dir lieber nur ganz kurz den kleinen Finger und wartet ab. Und das scheint ja auch zu klappen, wenn man sich dich mal so ansieht.« Caius zog vielsagend die Augenbrauen hoch.
    »Äh ja, Gracchus. Crassus. Hört sich doch alles gleich an. Achso, der verträgt sich nicht mit deinem Alten? Naja gut, blöde Frage, wer tut das schon...« Caius konnte sich da noch an so einige Sachen erinnern.
    »Oh wirklich? Schon wieder? Was hat er denn diesmal behauptet?« wollte er wissen und schüttelte den Kopf. Väter waren echt ein Graus. Ein Glück, dass seiner nicht nur anders, sondern auch weit weg war...


    Caius atmete tief durch und seufzte dann.
    »Ich werde sie auf keinen Fall nie wieder sehen!« sagte er.
    »Ich mein, sie ist meine Freundin, irgendwie zumindest. Auch wenn sie mich nicht sehen will grad und das ein oder andere irgendwie falsch verstehen will. Ich werd dir das nicht versprechen, Pi. Kann ich gar nicht. Du kannst sie doch trotzdem drum bitten. Das macht sie bestimmt auch so. Obwohl...Moment, wieso soll sie das machen? Das ist nicht nur so ne Marotte, Pi?« Caius sah seinen Freund regelrecht entsetzt an.
    »Oh scheiße. Du willst.. Moment, du willst echt...diese Aurelia?!«

  • Archias sagte jetzt gar nichts mehr, er blickte nur noch Piso an mit so einem seltsamen Blick an, einem eigenartigen, den der Flavier jetzt nicht ganz so gut deuten konnte. Das Seufzen sprach eine deutlichere Sprache für den Patrizier. Ratlosigkeit. Archias hatte keinen Tau, was er tun konnte. Piso eigentlich hätte dies an Archias‘ Stelle auch nicht gehabt – sonst hätte er ihn auch nicht zu so einer harschen Maßnahme geraten.
    Er respektierte es aber jetzt einfach einmal, dass Archias sich nicht den Mund darüber fusselig reden wollte, und begann, ganz attentiv zuzuhören, als der Aelier begann, loszureden über die Liebe und was dazu gehörte. Piso blickte ziemlich tumb drein, als er hörte, was Archias davon hielt. Kleiner Finger? Höh? “Hmm. Vielleicht hast du da recht.“ Wäre schon toll irgendwie, wenn Prisca wirklich das selbe für ihn verspüren würde wie er für ihn.
    Er zog kurz seine Augenbraue aristokratisch-irritiert hoch, als Archias zugab, Crassus und Gracchus verwechselt zu haben. Für ihn war das ziemlich unmöglich, alleine aus Respekt vor dem intellektuell höchststehenden Menschen, den er kannte. Er zuckte die Achseln. Er wusste schon, was zwischen Gracchus und Aetius vorgefallen war... und je mehr er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher war es, dass damals ein Missverständnis vorgefallen war. Nur, er würde da sicher nciht mehr vermitteln.
    Die nächste Frage ließ ihn erstarren. “Nichts. Nichts, was dich interessieren würde“, machte er eigenartig abweisend. Er wollte es niemanden erzählen. Niemanden in der Welt. “Schon nicht so wichtig.“ Er presste seine Lippen zusammen und eilte sich, zum nächten Thema zu kommen.
    Jenes nächste Thema lud dazu ein, theatralisch mit den Armen rumzurudern, eine Gestik, welche er liebte. “Deine Freundin? Deine Freundin? Kumpel, die hasst dich! Du hast nicht gesehen, was in ihren Augen war, als sie mich besucht hatte. Die wird dich umbringen, wenn du ihr noch einmal zu nahe kommst! Es hat sich ausgefreundschaftet, versteh das doch! Du kannst einfach nicht zwei zum Preis von einer haben, Archi! Hast du wirklich gedacht, die wird darüber entzückt sein, dass du sie sitzen lässt? Setz mal dein Hirn ein!“ Seine kreisenden Armbewegungen wurden langsamer, als ob nun Piso eingesehen hätte, dass er sich dadurch alleine nicht in die Lüfte aufschwingen konnte wie damals Ikarus.
    Als jedoch er Archias letzte Frage hörte, hielt er komplett inne. Was war das für eine Frage? Eine gute Frage. Er schloss seine Augen kurz. Er atmete tief ein. Und dann nickte er. “Ja“, brachte er eher flüsternd hervor. “Es ist so.“ Er öffnete seine Augen wieder und blickte Archias vorsichtig an.

  • »Quatsch, tut sie nicht«, widersprach Caius und runzelte arg die aelische Stirn.
    »Sie ist vielleicht ein bisschen wütend auf mich, aber das ist bestimmt bald vorbei.« Caius redete sich das selbst ziemlich beharrlich ein, und vielleicht glaubte er das dann ja auch irgendwann.
    »Ich denk, ich geh sie bald mal besuchen«, überlegte er vor sich hin, während Piso noch immer mit den Armen ruderte und plötzlich aufhörte. Caius sah seinen Freund wieder an, diesmal bemitleidend.
    »Heiraten Er blinzelte.
    »Au backe.«


    »Hör mal, überleg dir das. Dieser Kerl ist bestimmt nicht zu unterschätzen. Hinterher lässt der dich noch umlegen, wenn der so besitzergreifend ist, wie du sagst!« Caius nickte wissend. Da kündigte ein Sklave das Eintreffen einiger weiterer Besucher an.
    »Hmh. Komm, Pi. Wir reden später weiter. Jetzt wird erstmal gegessen! Danach sieht alles anders aus...«

  • Piso wurde leicht säuerlich. ”Du, du verstehst mich nicht! Du hörst mich ja gar nciht zu! Du Sturschädel!“ Er versuchte Archias frustriert zu packen und zurückzupacken. “Bitte, ich...“ Er ließ wieder los und schüttelte nur noch seinen Kopf. “Ist eh nur noch sinnlos. Bist ja noch sturer als ich“, resignierte er. So, jetzt hatte er sein Versprechen an Seiana nicht halten können. Er konnte sie höchstens noch vorwarnen, etwas anderes konnte er nicht tun. Es war für sie (dass sie ihre Ruhe hatte), für Archias (dass ihm nicht die Augen ausgekratzt wurden), und für ihn (dass er vielleicht nicht komplett diesen einen Draht zu diesem Aurelius verlor). Komisch, dachte sich Piso. Du verrätst deinen Freund, Aulus? Aber wenn Archias sich so stemmte, hatte er auch nichts anderes verdient. Er musste ja nichts davon erfahren.
    Er zuckte nur die Schultern, als Archias das Thema heiraten ansprach. “Ja, ich will sie heiraten.“ Er nickte seinen Kopf (denn was könnte er sonst nicken?). Prisca war sicher eine bessere Ehefrau als Axilla, da war er sich sicher. Die Iunia war wundervoll im Bett, aber er wollte sich nciht einmal ausmalen, wie der Haushalt aussehen würde, wenn sie die Matrone im Haus war. Das musste er jetzt aber nicht laut vertratschen.
    Er bezweifelte echt, dass nach dem Essen alles besser aussehen würde, aber gut, er war jetzt ohnehin schon total weichgeklopft. Er nickte also nur apathisch, und folgte Archias dann.

  • Nach der Ermordung seines kaiserlichen Bruders und der Rückkehr nach Rom, hatten Aelius Quarto, sein Sohn Aelius Paetus und sein Client Germanicus Corvus die vergangenen Tage wie Gefangene in der Domus Aeliana verbracht. Zumindest kam es Quarto so vor. Denn sein alter Widersacher Salinator hatte die Stadt mit einer Ausgangssperre belegt und Praetorianer bewachten den Eingang des Hauses und die Zugänge zum Palatin.
    Hätte er nicht mit den Bewachern ausgemacht, dass seine Bediensteten das Haus verlassen durften um in der Stadt Essen zu besorgen, wären sie vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten gewesen. Aber so konnte die fette gallische Köchin den Palatin verlassen und einen ihr bekannten Händler in der Nähe der Porta Sanquaris aufsuchen. Sie wurde allerdings jedes mal von einem Gardisten begleitet, der sie, nach Lesart seines vorgesetzten Offiziers, davor bewahren sollte, aufgegriffen und inhaftiert zu werden, der nach Quartos Meinung allerdings ihre Schritte überwachte.
    Viel zu verkaufen hatte ihr der Händler zwar nicht, aber die Keller und Vorratsräume der Domus Aeliana waren voll genug, damit sie über Wochen nicht wirklich darben mussten und der Weinkeller war so reich bestückt, dass sie auf Monate allabendliche Gelage hätten feiern können.
    Nein, die fette Köchin stapfte nicht deshalb übellaunig und kurzatmig den Hügel hinab, über das Forum Romanum, an der Curia Iulia und dem Forum Augusti vorbei, um schließlich in einer Seitengasse ein paar Zwiebeln und schrumpelige Winteräpfel zu kaufen. Sie tat es, um Neuigkeiten aufzuschnappen und ihren Herrn anschließend, zumindest rudimentär, über die Entwicklung in der Stadt informieren zu können.
    So erfuhren sie von etlichen Razzien in den Häusern prominenter Bürger, von diversen Verhaftungen und an diesem Morgen von Salinators neuestem Erlass, der es Senatoren verbot, die Stadt zu verlassen.


    Nun saßen sie im schlecht beheizen Tablinum zusammen und Quarto war finsterer Stimmung.
    “Wir sitzen hier in der Falle, zur Untätigkeit verdammt, während Salinator draußen sein Unwesen treibt, ehrenwerte Männer verhaften lässt, den Senat einschüchtert und alles unter seine Kontrolle bringt, was sich nicht ohnehin schon unter seinem flagellum duckt. Es ist erbärmlich!“

  • “Habe ich nicht von Anfang an gesagt, es ist ein Fehler hierher zu kommen?“, murrte Germanicus Corvus, der am liebsten in Misenum geblieben wäre, sich aus allem heraus gehalten und weiterhin seinen Ruhestand genossen hätte.
    “Dein Feind befiehlt den Corhortes Urbanae, hat in den vergangenen Jahren überall seine Leute installiert und offensichtlich auch die Prätorianer in der Tasche. Zumindest hier in Rom kann er sich als Herrscher aufspielen. Das hat man von einem Imperator, der die Hauptstadt meidet und sich nicht ums Regieren kümmert...!“

  • Quarto unterbrach ihn. Gereizt und erbost zischte er:
    “Sprich nicht so abfällig! Er war mein Bruder und er war krank! Er war unser Augustus, über den zu lästern sich nicht schickt, schon gar nicht jetzt, wo er ein so trauriges Ende genommen hat. Über die Toten schlecht zu sprechen ist ungehörig!“

  • “Bei allem Respekt, Patron, vor dir und vor ihm, aber du machst dir etwas vor! Valerianus mag ein guter Mann gewesen sein, ein mutiger Feldherr und dir ein lieber Bruder. Aber als Herrscher war er schwach!
    Was hat er denn vollbracht? Was hat er während seiner Regierungszeit erreicht? Verglichen mit Iulianus und vielen seiner Vorgänger bleibt nicht viel, woran sich unsere Nachkommen erinnern werden. Und er hat einem Mann wie Salinator das Vertrauen geschenkt und zugelassen, dass dieser sich eine Machtbasis aufbauen konnte, die ihn jetzt in die Lage versetzt, die alte Ordnung nieder zu reißen und eine Tyrannis zu errichten.“

  • “Trotzdem, ich dulde es nicht!“, donnerte Quarto noch einmal, um dann leiser fortzufahren: “Es lag nicht allein an ihm. Ich hätte ihm ein besserer Ratgeber sein müssen. Ich hätte ihn deutlicher warnen sollen. Ich habe versagt. Ja, ich hätte all dies verhindern müssen...“

  • “Lasst uns nicht über die Vergangenheit streiten und mach du dir keine Vorwürfe, Vater, denn das bringt uns in der Gegenwart nicht weiter.“, mischte sich Paetus leise aber, angesichts seiner Jugend, überraschend bestimmt ein. Ein kurzer Blick zu Corvus ließ jedoch die Vermutung zu, dass er dessen Meinung teilte.

  • Angesichts dieser weisen Worte hob Quarto erstaunt die Brauen. Den Blick hatte er nicht bemerkt.
    “Du hast recht. Es nützt nichts hier zu hocken und zu jammern, darauf wartend, dass die Soldaten auch an meine Tür hämmern um mich auf Befehl dieses machtgierigen Aufsteigers zu verhaften.“

  • “Ach, dieser Mensch ist zu jeder Lüge fähig! Mein Bruder wurde vergiftet und mit ihm seine Frau und sein Sohn. Wer solch einer Schandtat begeht, der schreckt vor nichts zurück! Gift! Etwas verderbteres gibt es nicht!“

  • “Wer denn sonst? Wer hat den größten Nutzen? Wer reißt jetzt alles an sich? Ich kann hier nicht sitzen und mit ansehen, wie sich dieser Mörder wichtig macht. Zum Schluss wird er sich zum neuen Imperator Caesar Augustus ausrufen lassen und dann, ich sage es euch voraus, wird dies unser aller Verdammnis sein. Das Geschlecht der Aelier wird untergehen, wenn es soweit kommt. Ich bin alt und müde, aber ich muss etwas unternehmen!“

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