In den Astures

  • Der Winter war stärker als erwartet über Hispania hereingebrochen und hatte länger gedauert, als ich erhofft hatte. Die Legionen Roms waren folglich gerade lange genug aufgehalten worden, um unseren Bemühungen in die Hand zu spielen. Als das Tauwetter einsetzte, hatte ich meine Truppen verdoppelt und die Monate genutzt die Männer im Umgang mit der Waffe zu üben. Immer mehr Dörfer und Städte schlossen sich unserer Erhebung an. Die Bergstämme waren die ersten, die Kelten schlossen sich ebenfalls an.


    Ich blickte dennoch mit Sorge in die Zukunft. Unsere Informanten hatten gemeldet, dass die römischen Truppen um eine Legion aus Germanien verstärkt worden waren. Decimus Meridius wollte anscheinend kein Risiko eingehen und würde - so schätzte ich ihn ein - auch auf dem Schlachtfeld vermutlich vorsichtiger agieren. Ein Draufgänger wäre mir unter diesen Umständen lieber gewesen. So mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen.


    Hispania. Wie lange war meine Heimat schon von den römischen Truppen besetzt? Ich sah meine Kinder an, das Lachen auf ihrem Gesicht, und als meine Gefährtin ihre Hand sanft in meinen Nacken legte, wusste ich, dass es Zeit war meinem Volk die Freiheit zu bringen.


    Was hatte Hispania mit Rom zu tun? Warum mussten Iberer und Kelten Steuern an dieses Dorf in den Sümpfen am Tiber zahlen? Warum sollten Iberische Männer wie Meridius und viele andere in den Legionen kämpfen, fernab der Heimat, in den Wäldern Germaniens, oder in den Wüsten Judäas? Die Römer vergossen das Blut meines Volkes, in der Legion, in den Arenen, in den Berwerken und auf den Feldern - und lachten dazu.


    Das musste ein Ende nehmen.

  • Es war an einem schönen Morgen, als Kundschafter mir meldeten, dass die Römer gestern aus Numantia aufgebrochen waren. Es wären eine komplette Ala gewesen und auch die beiden Legionen hätten das Lager verlassen. "Seid ihr sicher?" fragte ich mit Nachdruck, denn auf Gerüchte legte ich nie besonders viel wert, auch wenn ich wusste, dass an den meisten Gerüchten immer ein Fünkchen Warheit war.


    Die Männer nickten mit dem Kopf. Sie selbst hatten es nicht gesehen, doch ein vertrauenswürdiger Mann habe es gemeldet. Die Reiter der Ala würden die Spitze des Zuges bilden, die Truppen befänden sich auf der Strasse nach Westen und würden sich wohl auf dem Weg nach Utarrae befinden.


    Es war, wie ich vermutet hatte. Utarrae - sicher. Dort hatte der Aufstand vermeintlicherweise begonnen, der Magistrat und Duumvir wurden ermordet, die Römer mussten dort hin, alleine schon um ein Exempel zu statuieren. Ich hätte an der Stelle von Meridius ebenso gehandelt.


    "Nehmen sie den direkten Weg?" fragte ich erneut mit Nachdruck. Aber das konnten die Männer unmöglich wissen. "Achtet jedenfalls darauf, dass sie den direkten Weg nehmen und lasst es mich wissen, was sie machen. Meldet mir jede Kleinigkeit!"


    Ich erhob mich und rief meine Offiziere zusammen. Der Krieg hatte jetzt endlich begonnen. Die Phase des Abtastens war vorbei. Wir hatten den Winter genutzt, uns maximal vorbereitet, alles andere wäre tödlich gewesen, doch auch jetzt war unser Schicksal unklar. Doch wusste ich, wir hatten alles menschenmögliche getan. Der Rest lag bei den Göttern.

  • Noch am selben Tag rückte ich mit einem Teil meiner Krieger aus der Basis aus. Der Krieg hatte begonnen und ich hatte nicht vor hier oben in den Bergen auf das Erscheinen der Legionen zu warten. Ich würde nicht hier sitzen und mich einmauern lassen, nein, die Römer würden alle Hände voll zu tun bekommen. Noch stand nicht fest, wer als Sieger aus der Geschichte gehen würde, folglich hatte ich alle Optionen in der Hand, und so lange ich handlungsfähig war, beinhaltete dies auch die Möglichkeit zur Aktion, die Möglichkeit zu agieren, statt nur zu reagieren. Mein Vorteil dabei war, dass ich im Gegensatz zu meinen Feinden, sehr genau wusste, wo sich die Truppen befanden. Für Meridius und die Römer hingegen war ich noch 'unsichtbar'. Sich hier und da zu zeigen, blitzartig zuzuschlagen und wieder zurückzuziehen, schien eine Möglichkeit, die Römer zu einer verzweifelten Jagd auf ein Phantom zu zwingen. Das Spiel konnte beginnen...

  • "Grundstellung. Ausfallschritt. Zustechen. Grundstellung." Es war eine eintönige Prozedur, doch man gewöhnte sich schnell daran. Wieviele Jahre übte ich mich schon darin? Ich wusste es nicht. Aber es interessierte mich im Grund auch gar nicht mehr.


    Nachdem ich genug geübt hatte, steckte ich mein Kurzschwert weg und begab mich zu dem kleinen Lager, welches wir auf unserem Marsch errichtet hatten. Einer meiner Männer blickte mich mit großen Augen an. Es war einer der Neuen.


    Wie lange ich schon das machen würde, wollte er wissen. Und ob ich bei den Legionen gewesen sei. Ich lachte, aber antwortete nicht. Vielmehr zeigte ich ihm auf, wieviel die Römer von uns übernommen hatten. Das Kurzschwert, das Gladius war hispanischer Abkunft. Die Technik des Speerwurfes wurde ebenfalls unter den iberischen Stämmen geübt, schon seit Jahrhunderten... Er verstummte.


    Dann nahm ich mir einen Bissen von dem Brot und spülte es mit Wein hinunter. Ich wollte früh schlafen, der morgige Tag würde anstrengend werden.

  • Am anderen Tag ritten wir durch einige Bergdörfer und instruierten unsere Verbündeten die Männer bereit zu halten. Alles sollte sich in der abgesprochenen Ebene versammeln. Zudem sandte ich Boten und Kundschafter in alle Richtung aus, mit Schwerpunkt natürlich in Richtung der Römer, denn ich wollte über deren Truppenbewegungen informiert sein, was zumindest für einen Großteil der Strecke nicht schwer sein konnte. Meridius würde mit zwei Legionen sicher so weit es ging die befestigten Strassen nutzen und sich ein Nachschublager einrichten, das leicht zu beliefern war. Folglich hatte er gar nicht so viele Alternativen, was mir die Arbeit umso leichter machte. Die Kundschafter erhielten daher den Auftrag vor allem die Straßen und die größeren römischen Siedlungen zu überwachen...

  • In Uttarae, der vermeintlichen "Hochburg" des Aufstandes gegen Rom machten wir Rast. Die Stadt war in heller Aufregung, hatte man hier schon davon vernommen, dass zwei römische Legionen auf dem Weg waren um Rache zu nehmen. Ein Teil der Bevölkerung hatte die Stadt bereits verlassen und war in das Hinterland geflohen. Zurück blieben vor allem junge Männer und Freiwillige, hinzu strömten iberische und keltische Krieger aus unzähligen Bergdörfern der Gegend, welche die Stadt befestigten. Ich war noch unschlüssig, ob es sich überhaupt lohnte an der Stadt fest zu halten, oder ob wir sie gleich aufgeben sollten, ich entschloss mich daher erst einmal mit den Stadträten zu sprechen, welche sich unserer Seite angeschlossen hatten.

  • Wir befanden uns gerade auf dem Marsch als ein Erkundungstrupp bei uns eintraf, welcher meldete, dass die Römer offensichtlich auf dem Weg nach Septimanca wären. Ich fragte, ob diese Information sicher sei. Der Offizier nickte mit dem Kopf. Alle eingegangenen Hinweise deuteten darauf hin. Die beiden Legionen seien definitiv auf dem Weg nach Septimanca.


    Ich überlegte. Dorthin war also Meridius mit seinen Männern unterwegs. In diesem Moment leuchtete es mir auch ein. Er wollte in Septimanca ein Versorgungslager einrichten. Ein Versorgungslager, welches über den Fluss leicht anzufahren war. Es würde ihm den langen Nachschubweg über ungesicherte Strassen ersparen.


    Ich nickte mit dem Kopf, dankte dem Offizier und gab den Männern den Kurswechsel bekannt. Wenn es uns möglich wäre, das Versorgungslager zu zerstören, könnte dieser Krieg Jahre dauern...

  • Wir kamen gut voran. Unsere Späher meldeten, dass die Römer Septimanca in wenigen Stunden erreichen würden. Die Reiter der Ala hätten die Stadt schon erreicht, ein größeres Kontingent befinde sich hingegen auf der Straße nach Norden, parallel zu unserem Anmarschweg. Ich ließ mir die Karten zeigen und gab Anweisung mit einer kleineren Streitmacht den Reitern den Weg nach Norden abzuschneiden, während unsere Haupttruppe weiterhin nach Süden marschieren würde.



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