• "Es ist besser zu sitzen, wenn man sich die Hausordnung des Paters der Familie zu Gemüte führt", sagte ich scherzend und wies auf einen Stuhl.


    "Gehen wir das Ganze mal Punkt für Punkt durch. Die politische Ausrichtung ist für dich uninteressant. Die lassen wir weg. Aber der Teil mit den ideologischen Leitlinien. Da solltest du Bescheid wissen, um entsprechend handeln zu können, wenn dir irgendetwas zu Ohren kommt. Die Gens ist sehr konservativ eingestellt.


    Kannst du eigentlich lesen?“, fragte ich und hatte die Idee, ich könne mir vielleicht die Rede sparen.

  • „Gut, dann muss ich es also doch erklären.“


    Ich holte tief Luft und begann:


    „Wie schon gesagt, die Gens ist sehr konservativ. Dass heißt, sie achtet auf das Strengste die Sitten der Vorfahren und hängt in starkem Maße an Altbewährtem fest. Jede neumodische Geistesbewegungen wird hier grundsätzlich abgelehnt. Der Pater der Familie, Aurelius Sophus, verlangt und erwartet absoluten Respekt und zwar von allen Familienmitgliedern. Sein Wort ist Gesetz. Er duldet weder Widerspruch noch wünscht er Einmischung in seine Belange. Es ist empfehlenswert, das zu beachten.“


    Abwartend sah ich Mia an. Ich war mir nicht sicher bei ihrer Schüchternheit, ob sie damit klar kam. Es zu verschweigen hätte aber auch keinen Sinn gemacht.

  • Während es Mia offenbar wirklich die Sprache verschlagen hatte, schweiften meine Gedanken, wie so oft in der letzten Zeit, Richtung Zukunftsüberlegungen ab. Seit Wochen lebte ich ein freies Leben. Ich hatte Pläne, wollte eine eigene Familie gründen. Beständig schob ich die Entscheidung vor mir her, welche berufliche Laufbahn ich zukünftig einschlagen wollte. Religion und Politik – zu beiden fühlte ich mich nicht berufen. Blieben noch die Zivilkarriere und das Militär.


    Ich nahm mir vor, umgehend eine Entscheidung zu treffen, vielleicht noch heute.


    Ich blickte wieder zu Mia und wartete auf eine Reaktion.

  • Ich hatte ihn wohl gehört und nickte nur. Allerdings schien er in Gedanken und hatte es wohl nicht mitbekommen. Also nickt ich noch einmal, als er wieder zu mir sah.

  • Aufmerksam betrachtete ich Mia. Mir war völlig unklar was sie dachte. Fühlte sie sich erdrückt oder war sie es so gewohnt? Kein Wort der Erklärung … Ich nahm es hin.


    Ich studierte weiterhin alle Regungen ihres Gesichtes, als ich meine Erklärungen fortsetzte.


    „Was die religiöse Ausrichtung der Gens betrifft, so ist der Glaube an die Macht der alten römischen Götter ungebrochen. Die Aurelier dulden keine Christen innerhalb des Familienverbundes. Tätigkeiten derselben außerhalb der Familie werden nur so lange toleriert, wie sie keine Berührungspunkte zur Gens haben.“


    Ich machte eine kurze Pause und fragte dann:


    „Wie ist deine Glaubensrichtung?“

  • "Meine Eltern sind... waren Salomonier, doch habe ich diese Religion seit meiner Kindheit nicht mehr ausgeübt. Meine bisherigen Herren waren alle irgendeinem römischen Gott zugetan, aber nur mein Erster bestand auf die religiösen Pflichten auch der Sklaven. Er betete im Besonderen Minerva an."


    Ich nutzte bewusst das Wort Salominier, Anhänger des Königs Salomon, denn die wenigsten kannten den eigentlichen Namen dieser Religionsrichtung und ich wusste nicht so recht, wie die Römer den Judäern gegenüber standen. Ich hatte meinen vorherigen Herren immer über die Barbaren im Norden schimpfen und wettern gehört und auch des öfteren mit eigenen Augen zusehen müssen, wie er Cosimus, der eigentlich ganz anders hiess, dafür verprügelte, dass er an barbarische Götter glaubte.


    Komischerweise war ihm das bei allen anderen egal gewesen.

  • "Ich bin von meinen Eltern im Glauben an Jahwe aufgezogen worden, aber ....... Minerva."
    Es würde ihn bestimmt nicht interessieren, wie die ganzen Beziehungen zueinander standen und sonst was und auch wenn ich eigentlich längst den Glauben an die Götter verloren hatte, Minerva konnte bestimmt nicht schaden.

  • Etwas verwundert blickte ich sie an. Ich glaubte bei weitem mehr als nur an einen Gott, aber darüber zu diskutieren..., nein, das hatte jetzt keinen Sinn. Deswegen erklärte ich kurz:


    "Ich bin vor Jahren ebenfalls und zudem unfreiwillig in dieses Land gebracht worden, doch noch heute glaube ich an die Götter meiner Kindheit. Da ich aber festgestellt habe, dass manche Götter Roms mit denen meiner Heimat Ähnlichkeiten aufweisen, stehe ich zu den römischen Göttern keineswegs im Konflikt. Hinzu kommt das Gleichnis, dass sowohl in meiner Heimat als auch hier - und im Besonderen bei den Aureliern - Christen unerwünscht sind. Das lässt mich meinen Frieden hier finden und den solltest du ebenfalls suchen. Das nur als guten Rat.


    Tja, so viel zur Hausordnung."


    Ich stand auf und ging zum Fenster. Ewige Augenblicke schaute ich hinaus. Ich muste eine Entscheidung treffen und war noch immer unschlüssig. Ich musste hier erst einmal raus um mit mir selbst ins Reine zu kommen.


    "Du solltest einmal nachsehen, ob du jemandem behilflich sein kannst. Ich treffe dich nachher in diesem Zimmer wieder."

  • Das war die Hausordnung? Meine Güte. Ich hatte mit einer ewig langen Liste gerechnet. Mit den typischen tu dies nicht, tu das nicht, das musst du, das darfst du nicht etc.
    Ich sah ihm eine Weile erstaunt auf den Rücken, dann schüttelte ich den Kopf. Komische Familie. Oder war ich nur vorher in komischen gewesen?
    Ich erhob mich und hielt einen Moment inne. Dann gab ich mir einen Ruck und sagte, imme rnoch zu seinem Rücken:
    "Den Glaube an einen oder vielen Göttern habe ich wohl schon lange verloren."
    Es klang entschlossen und zugleich tieftraurig, aber auch ein wenig, als käme ich damit gut zurecht.
    Dann verliess ich ohne ein weiteres Wort den Raum um mich wie gesagt auf die Suche nach Arbeit zu machen.

  • Ihre Worte hätten mich zu Widerspruch oder zumindest dem Versuch gereizt, diese, ihre Aussage, noch einmal zu überdenken, wäre ich nicht so mit mir selbst beschäftigt gewesen.


    Als ich mich umdrehte, war sie bereits gegangen.


    Ich musste schmunzeln. So lange ich zurückdenken konnte, hatte mich nie eine Frau derart gedanklich beschäftigt. Auf der Stelle musste Ordnung in meinen Kopf. Entschlossen verließ ich das Zimmer und die Villa und lief ziellos die Strasse entlang.

  • „Ich habe seit Wochen eine Entscheidung vor mir her geschoben, heute endlich habe ich sie gefällt. Bei meiner Freilassung hast du zwar zur Bedingung gemacht, dass ich beständig in deinem Gestüt angestellt sein soll, aber das reicht mir jetzt nicht mehr. Ich möchte eine Familie gründen und um das zu verwirklichen, muss ich mir eine Grundlage schaffen, also Verdienst, Ansehen eben alles was dazu gehört. Ich möchte fort, Deandra.“

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