Ein anderes unscheinbares Haus

  • Ich klopfte an. Jemand öffnete und blickte mich erwartend und misstrauisch an. So malte ich in den Sand vor der Haustür einen Fisch und seine Züge erhellten sich. Er bat mich herein - nicht aber ohne sich noch einmal umzuschauen, ob uns niemand beobachtet, und nicht ohne den Fisch im Sand verschwinden zu lassen.


    "Wir müssen vorsichtig sein in diesen Tagen, der alte Unglaube ist wieder stärker geworden. Aber daher freuen wir uns umso mehr über jeden der zu uns stößt.", sagte er und führte mich zu den Brüdern. Alle freuten sich sehr mich zu sehen. Als es Abend wurde kamen alle Heiligen zusammen und wir brachen miteinander das Brot und es wurden unserer Gemeinschaft einige hinzugefügt, denn es war der Vorübergang des Herrn.

  • Wir hatten die Heiligen Mysterien gefeiert und miteinander geteilt, was wir hatten. Brot, Wein, unseren Glauben und unser Leben. Wir erzählten uns, was wir von unserem Herrn gehört hatten und von seinen Boten und Verkündigern, von denen, die er zu Zeugen bestellt hatte.


    Dann kamen wir auf die Situation zu sprechen. Vom Wiedererstarken der alten Kulte. Von denen, die sich um Macht und Einfluß vom Licht abgewandt hatten und wieder in die Dunkelheit zurückgekehrt sind. Von den Nachrichten, die jüngst aus dem Osten kamen, dass uns die Juden aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen hatten. Von alledem.


    So teilten wir unser Leben miteinander und hofften auf die Wiederkunft.

  • Es war wieder der erste Tag der Woche und wir kamen zusammen, um das Brot zu brechen und die Geschichte von unserem Herrn zu hören und seinen Tod und seine Auferstehung zu feiern.


    Wir hatten gehört, dass Evaristus der angesehenste Episkopos der Gemeinden hier in Roma nach einer Zeit, in der wir nichts von ihm gehört hatten wieder vor den Toren Roms steht. Dafür dankten wir dem Herrn.

  • Heute kam es mir zum ersten Mal zu den Schwestern und Brüdern eine Stelle aus den Schriften zu deuten. Man gab mir eine der Preisungen Davids, in der es heißt: Der Herr ist mein Hirte. Ich war natürlich aufgeregt. Eine Diskussion über die Philosophen war eine Sache, dies aber eine andere. Ich versuchte still zu werden und mich auf die Schrift zu konzentrieren. Dann erhob ich mich und sagte mit langsam immer fester werdender Stimme:


    "Brüder! Wir sind heute, am ersten Tag der Woche hier zusammengekommen, um den Tod und die Auferstehung Jesu des Herrn zu feiern, in die wir alle durch die Taufe mithineingenommen sind. Warum aber ist der Herr diesen Weg gegangen? Für uns und unsere Erlösung, denn er war nicht der angedungene Knecht, der beim ersten Heulen eines Wolfes die Herde verlässt, sondern er war und ist der gute Hirt, von dem schon David schreibt, er lässt uns ruhen auf grünen Auen. Er gibt sein Leben hin für die Schafe und gibt ihne grüne Auen als Weide. Diese Weide aber ist das Brot, das wir miteinander teilen - sein Leib, den er uns anvertraut - und der Wein, den wir trinken - sein kostbares Blut. Er selbst ist die Tür durch die wir eintreten in den Ruheplätze am Wasser, das die Taufe ist. Er labt uns und wir müssen uns nicht mehr fürchten, denn Er ist bei uns. Er deckt uns immer wieder diesen Tisch, sind wir auch umzingelt von unseren Feinden und lässt und im Hause seines und unseres Vater wohnen für lange Zeit. Amen, ja: Amen."

  • Vehement klopfte der Trecenarius an die einfache Holztür des unscheinbaren Hauses. Hinter ihm standen zwei Miles der Cohortes Praetoriae mit ernster, wachsamer Mine. Hatte ihn sein Informant betrogen, oder würde er hier diejenigen finden, die er suchte?

  • Nachdem ich das Haus mehrere Stunden erfolglos beobachtet hatte, hörte ich das Klirren uniformierter Gestalten.
    Sofort presste ich mich an die gegenüberliegende Hauswand, als sich die Praetorianer diesem unscheinbaren Haus näherten, und zog mir die Kapuze ins Gesicht. Scharfsinnig beobachtete ich deren Vorhaben.

  • Es klopfte an der Tür. Außer mir war keiner der Brüder im Haus. So ging ich zur Tür und öffnete sie.


    Beinahe hätte ich sie wieder zu geschlagen, doch die Vernunft war größer als die Angst, die mir dieser Prätorianer einflößte, so dass ich ihn begrüßte, indem ich sprach:


    "Salve! Was wünscht Ihr?"

  • “Salve! Ich wünsche einzutreten.“
    Corvus schob den Mann beiseite und ging hinein, die beiden Miles folgten ihm. Er sah sich um.
    “Bist du alleine hier? Man hat mir gesagt, ich würde in diesem Haus Anhänger der Christensekte finden. Stimmt das?“

  • "Ich werde Euch sicherlich nicht verwehren einzutreten. Auch wenn Ihr außer mir, hier niemanden finden werdet. Aber kommt herein!, sagte ich und machte eine einladende Geste und ging ins Haus voraus, damit er mir nachfolgen könnte.

  • Das wurde ja immer merkwürdiger. Jetzt betraten diese Praetorianer das Haus. Ich huschte in einem geeigneten Moment auf die andere Straßenseite und schlich langsam zur Tür. Durch ein Fenster konnte ich Stimmen vernehmen und ich lauschte, was sie zu sagen hatten.

  • Mein Herr würdigte mich Zeugnis abzulegen vom Grund meiner Hoffnung. So langsam legte sich die Angst und eine frohe Zuversicht brach sich Bahn in meinem Herzen, so dass ich antwortete:


    "Fragst Du das von Dir aus? Aber ich will nicht Dich befragen, wo Du doch zum Fragen gekommen bist. Ich bekenne, dass Jesus der Christus ist. Von IHM empfangen wir alle guten Gaben, Gnade und Segen.

  • Mit zusammengekniffenen Augenbrauen hörte Corvus den Ausführungen des Mannes zu.
    “Ein einfaches JA hätte mir gereicht.“
    Er holte eine Wachstafel hervor.
    “Dann bin ich hier wohl richtig. Wie ist dein Name? Bist du Bürger Roms?“

  • "Mein Name ist Iustinus. Und nein ich besitze nicht das römische Bürgerrecht. Ich komme aus Ephesos."


    Dann stockte ich kurz und fragte dann:


    Was führt Euch denn zu uns in unser - dem Gesetz ensprechende - unscheinbares Haus?

  • Der Trecenarius machte sich eine Notiz auf der Wachstafel.
    “Mein Name ist Decius Germanicus Corvus und ich bin Trecenarius der Speculatores bei den Cohortes Praetoriae. Ich führe eine Untersuchung durch und habe ein paar Fragen an dich.“
    Er machte eine Pause und ließ seine Worte wirken. Aufmerksam beobachtete er die Reaktion seines gegenüber.

  • Wenn ich Euch helfen kann, ist es eine große Freude für mich. Wäre es vielleicht möglich, dass Ihr mir den Zweck und das Ziel Eurer Untersuchung mitteilt..,
    antwortete ich dem Prätorianer. Es würde mich zwar wundern, wenn er mir besonders viel sagen würde, aber das Fragen war ja wohl noch erlaubt. Dann fiel mir ein, dass ich beinahe die Gastfreundschaft der Unsrigen vergessen hätte. Daher fügte ich hinzu:


    Wollen wir uns nicht vielleicht in ein tablinum setzen? Darf ich Euch vielleicht auch etwas zu essen oder zu trinken anbieten?

  • “Ja, setzen wir uns. Zu essen und zu trinken nichts, danke.“
    Sie gingen ins Tablinum des Hauses, gefolgt von dem einen Miles, der ihnen wie ein Schatten folgte und stehen blieb, während die zwei sich setzten. Der andere Miles blieb weiter an der Eingangstür stehen.
    “Meine Nachforschungen richten sich nicht gegen dich und deinesgleichen, zumindest was euren Glauben betrifft. Das Decretum Imperatoris Christianorum unseres großherzigen Kaisers gewährt euch bekanntlich gewisse Freiheiten und das ist alles, was mich dazu interessiert.“
    Er lehnte sich etwas zurück.
    “Aber das sehen wohl nicht alle so und es scheint Kräfte zu geben, die diese Entscheidung des Kaisers missbilligen. Ich untersuche einen Fall von Aufrührertum wider euch Christianer und darum wäre es wohl in deinem und eurem Interesse, wenn du mir bereitwillig Auskunft gibst.“
    Er machte nochmals eine kurze Pause um dann unvermittelt zu fragen: “Habt ihr Feinde? Wer sind sie und haben sie Namen?“

  • Die Söhne dieser Welt sind unsere Feinde und viele wollen uns töten und verfolgen, wie sie auch unseren Herrn und Erlöser getötet haben.,


    sagte ich mit einem warmen Ton in der Stimme.


    Wer es aber sein könnte, den Ihr sucht, das weiß ich nicht. Nur einen Hinweis kann ich Euch geben. Ich versuche seit einiger Zeit einen unserer Episkopen zu erreichen, der aber nicht aufzufinden ist. Sein Name ist L. Didius Angelus. Er ist der Nachfolger des Kephas, der von unserem Herrn als erster seiner Apostel eingesetzt wurde. Aber finden konnte ich ihn nicht. Ich mache mir fast schon sorgen. Vielleicht weiß seine gens etwas.


    Hmm. Ob ihm das reichen würde? Naja mehr wusste ich nicht. Daher schloss ich meine Rede und schaute ihn freundlich an.

  • Sehr aufschlußreich, dachte ich mir, als ich die Worte aus dem Inneren vernahm. Didius Angelus ? Ein Didier ? Verwandt mit meinem Herrn ? Den Namen würde ich mir merken müssen. Ich wüsste schon, wer mir bei der Suche nach ihm helfen könnte. Also eilte ich von dem Haus weg, bis ich um die Ecke bog und aus der Sichtweite war. Ich hatte genug gehört.

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