- Officium XVI

  • "Herein...."


    Avarus saß wie immer hinter dem riesigen Tisch, der ihm schon von jeher zu groß war und studierte einige Schriftrollen. Die täglichen Besucher waren ihm eine willkommene Abwechslung. Wohl auch aus dem Grund, weil sie mit ihm einen Becher Wein tranken...

  • Leicht hektisch betrat ich das Officium meines Chefs und schaute mich kurz um, als hätte ich erwartet, doch im falschen Officium zu stehen, aber ich war richtig.
    "Salve Senator, ich denke, wir haben ein kleines Problem, sollten sich solche Bekanntmachungen häufen!" noch bevor ich auf eine Begrüßung seinerseits wartete, oder eine Frage, welche Bekanntmachungen ich meinte, legte ich ihm einen Zettel auf den Tisch:


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI



    Ordne ich mit der Kraft meines Amtes als Legatus Augusti Cursu Publico eine Gehaltserhöhung sämtlicher Bediensteter des Cursus Publicus in Höhe von zehn Prozent an.


    Diese Bekanntmachung tritt mit ihrer Veröffentlichung am ANTE DIEM IX KAL NOV DCCCLVI A.U.C. (24.10.2006/103 n.Chr.) in Kraft.



    gez. MEDICUS GERMANICUS AVARUS



    "Verzeih meine Unhöflichkeit, aber ich bin mir sicher, dass dies eine Fälschung ist - trägt es nicht einmal dein Siegel!"

  • "Salve Praefekt." Das 'tritt doch näher' konnte Avarus sich also sparen. Er schaute sich jenen Zettel an und fragte nach: "Wo kommt dieser Fetzen her? Natürlich ist es eine Fälschung!" Nach kurzer Pause: "...verstehe mich nicht falsch, ihr macht hervorragende Arbeit, aber die Gehälter legt die staatliche Kanzlei fest und nicht ich. Außerdem denke ich doch, das die Bediensteten im Cursus Publicus nicht unterbezahlt, nein im Vergleich mit anderen Verwaltungen recht ordentliches Geld bekommen."


    Fragend blickt er seinem italienischen Präfekten an, vielleicht kann er etwas zur Aufklärung beitragen.

  • Ich nickte nur. Natürlich war er nicht dafür da, die Gehälter zu erhöhen, das wussten aber anscheinend erschreckend wenige.


    "Natürlich, das ist mir klar, ebenso, dass Du nicht die Gehälter festlegst, aber anscheinend wissen das viele andere nicht! Ein Scriba brachte mir diesen Wisch in mein Officium und sagte, er gäbe noch mehr davon. Ich hab ihn beauftragt, diese Papyri aus dem Verkehr zu ziehen, aber sie haben schon mehr angerichtet, als ich gedacht hatte."


    Ich machte eine kurze Pause, um einmal tief einzuatmen, fuhr dann aber weiter fort:


    "In den Gängen und teilweise in den 'Pausenräumen' herrschen rege Debatten und hitzige Diskussionen. Unsere Angestellten freuen sich wie die Schneekönige, während andere völlig entrüstet meinen, dass sie viel mehr Arbeiten und ebenfalls eine Gehaltserhöhung verdient hätten.


    Ich will nicht wissen, wie lange es dauert, bis die ersten Handgreiflichkeiten deswegen ausbrechen ... Du kennst die Menschen sicherlich, wenn es um Geld geht."


    Wieder machte ich eine kurze Pause, um auf den zweiten teil von Avarus Antwort einzugehen:


    "Mir geht es auch nicht um diese Gehaltserhöhung an sich. Ich muss zugeben, mit meiner derzeitigen Gehalt mehr als zufrieden zu sein - sicherlich steckt auch viel Arbeit dahinter, aber das soll nun nicht Thema sein. Es geht mir mehr darum, was diese Zettel anrichten könnten, wenn es nicht bei einem Einzelfall bleibt und wer weiß ... vielleicht schreibt der Täter grad neue Papyri ..."

  • "Man brachte es also in dein Officium, wo wurden die Zettel ausgeteilt, wer hat sie als Erster gefunden und vorallem wieviele Poststationen wurden damit überflutet?"


    Schadensbegrenzung war nun nötig, dazu brauchte es einiger Informationen.


    "ich möchte, das du in jenen Stationen eine Versammlung einberufst. Sollte es nötig sein, das ich selbst die Tatsache vortrage, so lasse nach mir schicken. Ansonsten sollte es dir gelingen die Falschmeldung als eben jene zu deklarieren, es zu begründen und schließlich den Irrtum aufzuklären. Sollte jemand revoltieren, erfasse die Namen. Sie sind zu entlassen."


    Avarus überlegte, ob er noch etwas vergessen hatte.

  • "Ja, er wurde mir ins Officicum gebracht. Der Scriba wollte wissen, ob ich schon die neuste 'Bekanntmachung' entdeckt hatte. Sie hingen am schwarzen Brett in der Curia und wie mir zu Ohren kam an den nahe gelegenen Poststationen innerhalb Roms.
    Ob direkt außerhalb der urbs Stationen betroffen sind, kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen, schätze es aber als eher gering ein."


    Kurz machte ich eine strukturelle Unterbrechung, um meine Spekulation vom Fakt zu trennen:


    "Ich für meinen Teil vermutete, dass es sich höchstens um eine Hand voll, wenn nicht weniger Leute aus der Verwaltung handelt, die irgendeinen Frust - sei es wegen der Übergehung bei einer Beförderung - abzulassen versuchen ... auf unsere Kosten."


    Eine Versammlung in jeder betroffenen Station ... Entlassung aller revoltierenden Angestellten, gut, das konnte ich mir auf Anhieb merken.


    "Natürlich, ich werd mich sofort hier nach an die Arbeit machen. Allerdings schlage ich vorher, präventiv einen Rundbrief an sämtliche nahe gelegenen Stationen zu überbringen. Nicht, dass sie versuchen, ihr Austeilgebiet zu erweitern.
    Und wie sieht es mit den Tätern aus? Abwarten, ob sich sowas wiederholt, oder sollte man sich besser an die Urbaner wenden?"

  • "Ich werde ein Schreiben verfassen, das du dann in den Stationen aushängen kannst. Nutze dafür die dir ergebesten Tabellarii."


    Avarus nahm eine frische Rolle zur Hand und schrieb mit dem Stilo einige Sätze darauf. Danach siegelte er es mit dem Legatenring, den er am linken Mittelfinger trug und gab es nach einer kurzen Ruhephase Sergius Curio.


    An alle Bediensteten des Cursus Publicus!


    Wie ich informiert wurde, gastieren einige Handzettel im Umlauf des Postdienstes, die einer Verlautbarung meinerseits auf mehr Geld für jeden unter euch anweist.


    Ihr leistet hervorragende Arbeit und ich bin erleichtert, wenn die Postdienste so reibungslos verlaufen. Aber alle Mitarbeiter bekommen bereits jetzt einen fürstlichen Lohn für ihre Mühen.


    Ich muß euch also mitteilen, das jene geschriebenen Worte frei erfunden und im Machwerk jener stehen, die schon bald den Cursus Publicus als freie Männer verlassen werden.


    Der Fall wird an die Ermittlungsbehörden gegeben. Das dies unsere vorgesetzte Einheit sein wird, erklärt sich von selbst und ich würde mich milde zeigen, wenn die Initiatoren sich selbst und sofort stellen.


    Jene Soldaten der CP werden jene Milde mit Sicherheit nicht mehr an den Tag legen.


    Eine Lohnerhöhung gibt es nicht. Anders lautende Aushänge müssen entfernt werden. Jeder Angestellte oder ein Vertreter jener hat die Möglichkeit seine Meinung kund zu tun und darf sich auf dem Amtsweg an den Legaten Augusti cursu publico wenden.


    Der Vorfall ist damit beendet.


    http://www.ostheim21.de/udo/Imperium/Medicus_Post_Sig.gif


    ANTE DIEM VI KAL NOV DCCCLVI A.U.C. (27.10.2006/103 n.Chr.)



    "Oh ich habe ganz vergessen dir einen verdünnten Wein anzubieten."


    Er holte ein Kännchen aus dem Regal und stellte es auf der linken Seite des Schreibtisches ab. Dazu kamen zwei Becher und eine Kanne mit frischen Quellwasser.

  • Gespannt wartete ich auf das Schreiben, welches Avarus anfertigte und nahm es dann schließlich entgegen, als der Senator den Stilus beiseite legte und die Nachricht siegelte. Das Zeichen, dass diese Botschaft echt war, denn niemand konnte das Siegel zu hundert Prozent fälschen, es sei denn, er hätte das Originalsiegel.


    Rasch überflog ich das Papyrus nickte zustimmend. "Gut, gut ... ich werde sie so schnell wie möglich veröffentlichen lassen!" Schließlich rollte ich das Schriftstück zusammen und nahm es in meine rechte Hand.


    "Verdünnten Wein ... wenn Du meinst, dass dies hier nicht so schnell wie möglich erledigt werden sollte ...", erwiderte ich, während ich die Hand mit der Papyrusrolle leicht anhob "... dann gerne!"

  • "Gut ... beim nächsten Mal dann." antwortete ich. Dann wäre das ganze Treffen wohl nicht so hektisch wie heute.


    Mit einem dankenden Lächeln auf den Lippen nickte ich dem Senator noch einmal kurz zu und setzte noch ein kurzes "Vale" hinzu, ehe ich ebenso eilig wieder das Officium verließ, wie ich es betrat.

  • Bevor Avarus sich seinen Täfelchen wieder widmete. Senkte er die Stimme mit einem "Vale." und goss sich eine gute Wein-Wassermischung zusammen. Diese Hecktik, den Streß... irgendwann würde er das Ganze mal verlassen müssen.

  • Mit den Briefen aus Germanien und Hispanien betrat Avarus das Officium. Eine ordentlicher Berg Pergamente wartete dort auf ihn. Doch das war heute eh nicht zu schaffen. Also reihte er die ihm zugesandten Schreiben in die Hierachie mit ein und begab sich zum MDA.

  • Durch taktisches Vordringen war es ihm gelungen ungesehen in sein Officium zu gelangen. Schon eine Weile war Avarus hier nicht mehr gewesen. Wozu auch. Die Basisarbeit hatte ihm immer bessere Möglichkeiten beschert, um den Postdienst am Laufen zu halten. Gewisse Berichte aus den Provinzen, von den Mansionen ließ er sich in seine Casa schicken und auch die Tabellarii wußten, das sie ihren Cheffe eher zu Haus fanden, als auf dem Palatin.


    Mal abgesehen davon, war es für sie auch eine Erleichterung, denn welcher Mensch stellte sich schon gern stundenlang in einer Bittstellerreihe an, wenn er nur einen Brief abgeben wollte, der nunmal nicht an den Kaiser adressiert war und demnach nicht durchgewunken wurde.


    Heute hier arbeitete der Senator Anfragen der kaiserlichen Kanzlei ab. Dabei ging es wie so oft nur um das liebe Geld. Es wurden Nachweise gefordert, Rechnungen zur zweiten Prüfung zurück gegeben und Berechtigungsscheine angefordert.


    Mit diesen Dingen konnte man sich lange über den Tag retten. Avarus hatte heute jedoch noch einen zweiten wichtigen Gang vor und nahm sich desswegen zwar Zeit all das zu bewerkstelligen, doch immer mit der Maßgabe heuer noch etwas für die Seele zu tun...

  • Nachdem die Wache so freundlich gewesen war ihn ohne größere Leibesvisitation hinein zu lassen, betrat Rufus den Flur zum Officium des Chef's. Dort angekommen schwebte gerade eine kleine Cubicularii mit wackelnden Hüften entlang. Sodas er für einen Moment verharrte und den Anblick genoss. Dies leider nur kurz, denn wenig später war sie hinter der nächsten Marmorsäule verschwunden.


    Mit einem Seufzen erreichte Rufus die Türe, die das Officium verbarg, das er gewillt war aufzusuchen.


    *klopfklopf*


    Er wartete.

  • Mit den üblichen langweiligen Berichten und Berechtigungsscheinen verbrachte der Senator den Morgen. Als es klopfte, blickte Avarus überrascht auf. Denn weder war ihm jemand gemeldet, noch hatte er tunlichst darauf geachtet gesehen zu werden, als er den Palatin betrat. Nun gut, was nun? Er entschied sich der eigenen Neugierde statt zu geben.


    "Herein!"

  • "Moin Legatus Germanicus Avarus."


    Sorgfältig schloss Rufus ie Tür und trat näher. Er wußte das der Cheffe nicht lange Floskeln mochte.


    "Es gibt einiges zu bereden. Anfangen möchte ich nicht mit dem ungenügenden Zustand in der Mansiones Italia/Roma, sondern mit einem Vorschlag."


    Rufus war am Tisch angelangt.

  • Mit einer faltigen Stirn legte der Senator gerade beschaute Tabulae zur Seite und formte die Hände zueinander, als er den TD Rufus eintreten sah.


    "Guten Morgen Rufus, setz dich doch."


    Es mußte schon einen wichtigen Grund geben, wenn der Tabellarii Rufus ihn aufsuchte und nicht auf die monatliche Kontrolle wartete.


    "Erzähl! Was gibt es?"

  • "Danke."


    Und schon saß er.


    "Legatus, seit dem du mich für die Vertretung in Italien eingeteilt hast, hat sich einiges ereignet, das mich am jetzigen System zweifeln läßt. Zum Einen würde ich vorschlagen ein Register erarbeiten zu lassen, nach dem unsere Austräger leichter Familien ausfindig machen können. Es ist ja so, das nicht alle Briefe in ihrer Anschrift einen eindeutigen Wohnort aufweisen. So kam es in den letzten Monaten vor, das solche besonders lange auf Reisen waren. Der Empfänger und vielleicht auch Absender, so er es mitbekommt, werden dies eher als Schwäche es Cursus Publicus sehen, denn ihrer eigenen."

  • "Erarbeiten zu lassen, klingt gut Rufus. Es wird aber trotzdem an uns hängen bleiben."


    Er griff nach hinten und holte zwei Becher vor. Eine Kanne klares Wasser füllte diese und Avarus stellte sich im Anschluss auf den Tisch. Nah genug den Einen an Rufus heran, das er sich nehmen konnte.


    "Sonst ist das eine gute Idee. Auch ich habe das schon erlebt. Es fordert aber auch die Mitarbeit der Bürger. Hast du schon eine Idee, wie wir es umsetzen könnten? Die einfache Auflistung sollte danach nicht das Problem sein und mit ein paar fleißigen Schreibern schnell zu machen sein."

  • "Danke."


    Er nahm einen kleinen Schluck und stellte den Becher wieder vor sich hin, bevor er seine Gedanken sortierte und weiter redete.


    "Es gibt eine gute Anzahl Tabellarii in der Stadt und Regio. Jene könnten Listen erstellen, die erfolgreich ausgetragene Post nebst Adressen aufnimmt. Es wäre natürlich ein langwieriger Prozess, denn nur ein Teil der Gentes verschickt regelmäßig Post und nur selten sind es jene, die auch unzureichende Absender auftragen. Oder aber wir hängen in allen Städten Aufforderungen aus, die die Leute dazu bewegt für einen besseren Transport und Service uns ihre Wohnorte mitzuteilen."

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