Klärung der Verhältnisse

  • Ich wählte dieses Zimmer für die geplante Unterredung mit Mia.


    Die Zukunft war für mich in Teilen völlig ungeklärt. Das betraf sogar meine eigenen Vorstellungen. Ich hoffte daher, ich würde im Gespräch erkennen, was für mich von Wichtigkeit war.


    Ich ließ mich nieder und erwartete Mia.

  • Ich betrat etwas zögernd das Zimmer.
    "Du wolltest mit mir sprechen?"
    Meine Stimme war leise, fragend und ein Hauch von Angst war vielleicht drin zu hören. ICh konnte einfach nicht über meinen Schatten springen. Wenn man mich zu einem Gespräch bat, war meistens etwas Schlimmes am kommen. ICh rechnete nicht unbedingt diesmal damit, aber etwas mulmig war mir schon noch zumute.

  • Komisch, ich konnte bei Mia nie lange in schlechter Stimmung verbleiben. Etwas an ihr sprach mich an und zwar meine einfühlsame Seite, von der ich bisher annahm, dass ich nichts dergleichen besaß.


    „Setz dich, Mia. Ich möchte dich etwas fragen.“

  • "Ja..."
    Ich war gespannt was kommen mochte und fragte mich, was er von mir wollte. Er schien nachdenklich. Also setzte ich mcih und wartete, den Blick leicht gesenkt, ihn aber verstohlen beobachtend.

  • Mal sehen, ob mir das Gespräch Klarheit bringen konnte. Ich war mir da keineswegs sicher, wollte es aber versuchen. Derzeit standen nicht nur meine Pläne Kopf, sondern auch so ziemlich alle Vorstellungen vom Leben. Es war höchste Zeit zum Sortieren.


    „Auch wenn dir meine Frage jetzt komisch vorkommen wird, ich möchte, dass du sie gut durchdenkst und ehrlich darauf antwortest.“


    Ernst und eindringlich sah ich Mia an. Ich hoffte sie verstand worum es mir ging.


    „Stell dir vor du wärst ab morgen ein freier Mensch, könntest tun und lassen was du möchtest. Wohin würden dich deine Schritte führen? Was würdest du unternehmen? Wie würden deine Zukunftswünsche aussehen?“

  • Ich war mehr als irritiert von dieser Frage und man sah es mir deutlich an. Ich und frei? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Und doch.... War es nicht das, was ich mir schon so oft gewünscht hatte? Ich rang mit mir und meine Finger miteinander. Ich überlegte, wägte ab, dachte nach. Eine kleine Ewigkeit später erst sah ich auf, sah ihn an und all meine Gedanken, mein Gefühlschaos schien ersichtlich auf meinem Gesicht.


    "Wenn ich frei wäre.... würde ich alles daran setzen, dass meine Kinder, so ich eines Tages welche haben werde, niemals Sklaven werden, niemals dieses Schicksal erleiden müssen."


    Ich schluckte. Das waren mehr als offene Worte und sie hatten mich Überwindung gekostet, aber es war das, was ich fühlte und er wollte wissen, was ich tun würde.


    "Ich würde versuchen ein gutes, zufriedenes und glückliches Leben zu führen," schloss ich leise. Ich wusste nicht mehr zu sagen. Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen frei zu sein und doch zugleich...

  • „Die Möglichkeit freigelassen zu werden, ist gering, aber sie ist durchaus gegeben. Die Aurelier ließen schon einmal einen Sklaven frei – nämlich mich – und deine Antwort beantwortet mir nur in Teilen meine Frage, was aber nicht unbedingt deine Schuld ist.“, fügte ich nachdenklich an.


    „Vielleicht muss ich einfach konkreter werden. Versetz dich einfach mal in diese ungewohnte und durchaus auch unrealistische Lage: Für den Fall, dein Herr lässt dich heute noch frei, wohin würden dich deine Wege führen?“

  • Ich schluckte und auf mein Gesicht machten sich etwas Unsicherheit und Trauer breit.
    "Ich weiss es nicht. Ich habe keinen Ort mehr, den ich als Heimat bezeichnen könnte."

  • „Warum siehst du nur die Bedrohung? Betrachte es doch einmal als Chance“, sagte ich aufmunternd.


    „Betrachte es als das erste Abenteuer deines Lebens. Denke in Ruhe darüber nach. Ich weiß, dass es für dich schwer ist, dich in eine solche Situation hineinzudenken, dennoch – versuche es! Ich möchte einfach erfahren, was du suchen würdest, was du mit deiner Freiheit anfangen würdest, was dich hält, was dich anzieht und wem oder was du im Gegenzug entfliehen würdest.“


    So ganz konnte ich sie nicht verstehen, aber wer konnte schon von sich behaupten, Frauen zu verstehen? Für mich gab es damals keine Schwierigkeit, meine Freiheit anzunehmen. Stets verfolgte ich Ziele, stets war mein Weg umrissen und klar. Bis auf jetzt. Erstmalig gab es auch bei mir Unordnung, mit der ich ab heute aufräumen wollte.

  • Ich seufzte innerlich leise.
    Wie sollte ich ihm erklären, dass ich in all den Jahren vergessen hatte was es hiess frei zu sein und das große Veränderungen, bis auf die Letzte, nämlich das Kommen in dieses Haus, meist etwas Schlimmes nach sich zogen. er würde es nicht verstehen, wahrscheinlich nie verstehen, also behielt ich es weiter für mich, wie so viele Dinge.


    Zögernd hob ich meinen Blick, sah ihn an und sagte leise:


    "Ich würde versuchen mein Glück zu finden...... meine eigene Herrin werden und nie wieder in eine Abhängigkeit wie die Sklaverei geraten.... nie wieder für etwas was ich getan habe oder nicht geschlagen werden.... etwas aufbauen, wovon andere profitieren können... und ich würde versuchen etwas zu finden .... jemanden, den ich lieben könnte und der mich liebt..... "


    Ich wusste nciht, ob es das war was er hören wollte, aber es war das, was ich in diesem Moment fühlte und wenn ich darüber nachdachte, war es das, wofür es sich auch lohnen würde.

  • Nein, es war nicht das was ich hören wollte, aber ich gestand mir ein, ihre Worte waren dennoch nicht ohne Eindruck auf mich geblieben. Sie waren mit Bedacht gewählt, ließen weder Gedankenlosigkeit noch Einfalt erkennen. Es steckte einiges mehr in Mia, als man auf den ersten Blick vermuten konnte.


    „Du würdest etwas aufbauen wollen, von dem andere profitieren können?“


    Gespannt auf ihre Antwort, setzte ich mich auf und sah sie an.

  • Ich lächelte schüchtern.
    "Ja, etwas was ich bieten kann, an Wissen oder Können, an Möglichkeiten... was andere dann nutzen können und damit ihre eigenen Möglichkeiten und Potenziale ausschöpfen können, vielelicht sogar ihr Leben verbessern.
    Ich möchte helfen, aber nicht weil ich muss, sondern weil ich es will.
    Ich möchte ihnen helfen sich selber zu helfen.
    Vermutlich werde ich es nie soweit bringen, aber wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich versuchen etwas aufzubauen, womit ich anderen helfen kann..."


    Ich brach ab, weil ich selber merkte, was für ein Blödsinn ich erzählte. Das zarte rot, was sich schon bei den Worten lieben über meine Wangen gelegt hatte wurde nun noch tiefer und ich sah verlegen zu Boden.


    "Entschuldige, ich rede Unsinn."

  • „ Unsinn? Das sehe ich anders.“


    Ich musste dennoch grinsen. „Eines schaffst du jedenfalls immer. Du hilfst mir, meine mürrische Laune zu vertreiben.“



    Mein Schmunzeln wollte gar nicht aus meinem Gesicht. Doch nicht was gesagt hatte, löste dieses Grinsen aus, nein, es war wieder einmal ihre Art.
    Ich erhob mich. Auf dem Weg Richtung Fenster blieb ich kurz bei ihr stehen.


    „Mal sehen, ob sich etwas für dich ergeben wird“, sagte ich leise, strich kurz über ihre Wange und ging dann weiter. Lange sah ich nach draußen, betrachtete das Anwesen, dachte an die Erlebnisse der letzten Wochen und Monate zurück. Schon bald würde ich Ostia verlassen.


    Es war nicht unbedingt nötig, dass ich Mia von meinen einstigen Zukunftsplänen berichtete und ebenso wenig wie sich diese inzwischen gewandelt hatten, aber eine Veränderung betraf auch sie und das zumindest wollte ich ihr mitteilen. Also drehte ich mich um und begann:


    „Ich hatte dir vor ein paar Wochen einmal gesagt, dass ich Rom verlassen werde und du jemand anderen bekommst, der dich beaufsichtigen wird. Nun, vieles hat sich seither geändert. Meine eigenen Pläne sind andere geworden, aber vor allem ändern sich bei den Aureliern grundlegende Dinge. Deandra zieht in nächster Zeit nach Mantua um und ich werde sie dorthin begleiten. Wir müssen mit Commodus regeln, ob du mitziehen darfst – falls du das willst.“


    Fragend sah ich Mia an. Würde sie mitkommen wollen? Sie war Sklavin von Commodus, gehörte also weder zu Deandra noch zu mir und ich würde mich nur für sie einsetzen, enn sie klare Worte sprach.

  • Bei seinen Worten sah ich ihn ein wenig erstaunt an. Als er dann über meine Wange strich, war ich noch erstaunter und ich konnte nicht umhin als die Stelle zu berühren, voller Erstaunen und einem unerklärlichen Gefühl.
    Als er mich dann fragte, ob ich mit gehen wolle, sah ich zunächst zu Boden und erst nach einer Weile wieder zu ihm auf und das erste Mal seit langem sah ich jemanden, ohne Scheu und feste in die Augen, als ich antwortete.
    "Ja!"

  • Ich nickte kurz.


    „Es gibt einiges an Arbeit in den nächsten Wochen. Deine Hilfe wird dann auch gefragt sein. Der Umzug wird viel Zeit und Mühe machen, vor allem, weil das komplette Gestüt verlegt werden muss. Ich sage dir bei Gelegenheit deine Aufgaben, doch jetzt wollen wir uns erst einmal um dich kümmern.


    Sieh doch mal nach, ob dein Herr hier inzwischen eingetroffen ist. Er wollte ursprünglich auch nach Ostia reisen.“

  • Ich erhob mich und nickte.
    "Ich gehe sofort nachschauen."
    Dann ging ich zur Tür, blieb aber stehen. Eine Frage brannte mir auf der Seele und sie kostete mich unendlich Überwindung, aber ich drehte mich noch einmal um und fragte leise, leicht ängstlich, weil ich vor meiner eigenen Courage plötzlich Angst hatte.
    "Warum tust Du das für mich?"

  • Dieses kleine Mäuschen versuchte mich doch nicht etwa auszuquetschen? Mein Dickkopf war gewaltig, wenn ich nicht wollte, dann wollte ich nicht. Lange Augenblicke betrachte ich Mia wie sie dort stand, dann rang ich mich doch zu einer Antwort durch.


    „Jeder Mensch hat irgendwo eine Schwäche.“


    Es war eher humorvoll gesagt und ich ließ sie nicht erkennen wie viel Ernst in meinen Worten lag. Was mir inzwischen klar war, musste sie noch lange nicht wissen. Ich mochte Mia. Mir gefiel ihre sanfte Art und obwohl ich nie wirklich darauf aus war, mich mit einem Mädchen zu belasten, reizte mich vor allem auch der Protest von Mias Herrn. Es war wie ein sportlicher Wettkampf und den wollte ich gewinnen.

  • Seine Antwort befriedigte mich nicht, im Gegenteil irgendwie enttäuschte sie mich sogar, aber ich ließ mir nichts anmerken, nickte nur schweigend und verließ das Zimmer. Dann ging ich auf die Suche nach Commodus, wie er es mir aufgetragen hatte, dabei tief in Gedanken versunken.

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