Die Verlegung des Gestüts Aurelia

  • Der geplante Umzug des Gestütes Aurelia von Ostia nach Mantua konnte nur schrittweise erfolgen. Zu viele Tiere wollten umgesetzt sein und auch die Bauarbeiten zu den neuen Stallungen machten trotz der fieberhaften Tätigkeit der Arbeiter nur begrenzt Fortschritte. Glücklicherweise stand der Sommer vor der Tür. Die Pferde konnten bei dieser Witterung auch Tag und Nacht draußen bleiben. Nur für die Stuten mit ihren Fohlen mussten die Ställe bezugsfertig sein.


    Um den Fohlen den langen Weg nach Mantua zu ersparen, wurden heute sämtliche tragenden Stuten auf den Weg nach Mantua gebracht. Etwa zehn Helfer standen bereit, die Stutenherde zu begleiten.


    Da Cadior durch seinen Unfall ausgefallen war, blieb mir nichts anderes übrig, als mich selbst mit der Herde auf den Weg nach Mantua zu machen. Außer ihm gab es einfach niemand, dem ich die wertvollen Tiere anvertraut hätte. Nicht mal Mia, die ebenfalls helfen sollte, stand mir zur Verfügung.



    Seufzend ließ ich mir meinen Hengst bringen.


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    Ich musste doch jetzt tatsächlich in aller Öffentlichkeit auf den Pferderücken steigen. Reichlich unschicklich für eine Patrizierin, aber egal, die Pferde waren mir wichtig und als Züchterin und Rennstallbesitzerin sollte der Anblick nicht allzu ungewöhnlich auf andere wirken.


    Ich ließ meinen Hengst vorn einknicken, damit ich mich ohne große Mühe auf seinen Rücken schwingen konnte. Die Zügel hielt ich in der einen Hand, mit der anderen führte ich meine tragende Lieblingsstute. Sie sollte mich als Handpferd begleiten und nicht wie die anderen freilaufend in der Herde. Sklaven machten die Tore der Weideumzäunung auf und trieben die Stutenherde auf die Landstraße.


    „Die Herde muss zusammenbleiben“, rief ich den Helfern zu. „Passt auf, dass keines der Tiere aus dem Verband ausbricht. Und jetzt los, westlich an Rom vorbei und dann weiter Richtung Nordwesten.“

  • Vielleicht hatten wir nur Glück, vielleicht lag es auch daran, dass die hoch tragenden Stuten wenig Interesse zeigten, eigene Wege zu gehen. Wir kamen gut voran und nach einigen Zwischenstopps lang der größte Teil der Strecke bereits hinter uns. Die Helfer säumten die Flanke der Stutenherde und lenkten mittels Peitschen die Leittiere in die gewünschte Richtung. Mit den Hengsten würden wir weniger leichtes Spiel haben. Sie mussten schon aus Sicherheitsgründen nach Mantua geritten werden.


    Aus diesem Grund würden meine Helfer und ich die Heimreise nach Ostia auch per Kutsche antreten müssen. Der Gedanke verursachte schon jetzt in mir ein leicht übles Gefühl in der Magengegend. Ich erinnerte mich noch sehr gut an meine erste Fahrt in einem solchen Gefährt. Nur knapp entging ich damals einer völligen Entleerung meines Mageninhaltes.

  • Nicht einmal zwei Stunden Ruhe gönnte ich mir in Mantua. Der Brief an Cadior machte einen längeren Aufenthalt unmöglich. Mit gemischten Gefühlen bestieg ich die Kutsche. Ich hasste förmlich diese Art von Gefährt. Sicher würde mir wieder schlecht werden.


    Ein letzter Blick noch auf das neue Anwesen, es war um einiges größer als meine Villa in Ostia, dann ruckte die Kutsche unsanft an. Offenbar verfügte der Kutscher auch nicht gerade über eine feine Leinenführung bei den Pferden. Meine „Begeisterung“ kannte keine Grenzen.

  • Als wir die Stadtmauern von Rom passierten, rief ich dem Fahrer zu, er solle mich sofort Richtung Isla Tiberus bringen. Vermutlich konnte ich mich dort auch gleich auf ein Krankenbett legen, die Fahrt war wieder einmal grauenhaft gewesen.


    Ich hielt mir meinen Bauch, als ich endlich aussteigen konnte. Nie wieder, schwor ich mir und wusste im gleichen Moment, dass ich noch einmal mindestens eine solche Fahrt hinter mich bringen musste.

  • Nachdem ich Cadior den Brief übergeben und in der Stadtverwaltung von Ostia nach dem Rechten gesehen hatte, begab ich mich zur Villa Pellacia. Mir war völlig unklar, wie ich alles nötige in nunmehr nur noch zweieinhalb Wochen schaffen sollte. Vor lauter Aufgaben und Verpflichtungen kam ich kaum noch zum Nachdenken – weder über Cadiors Unfall noch über Mias Schicksal und nicht einmal über Sophus und das vor allem sollte schon was heißen.


    Sicher, ich dachte an ihn, sogar täglich, aber die mir anhängenden Verpflichtungen ließen mir nicht die Zeit, mich wie früher in mein Schwimmbad zurückzuziehen und meinen Gedanken und Wünschen nachzuhängen. Die nächsten Wochen würden vermutlich noch turbulenter werden. Erst in Mantua würde ich zur Ruhe kommen – hoffte ich zumindest.


    Auch in Ostia gönnte ich mir nicht die Ruhe für einen ausgiebigen Entspannungstag. Ich scheute die Sklaven durch die Villa und ließ mir meine Sachen für die erneute Umsiedlung von Pferden aus meinem Gestüt zurechtpacken. Die georderten Helfen schickte ich derweil in die Gestütsanlage. Sie sollten die bereits zusammengestellte Herde übernehmen und mir ein Reitpferd mitbringen. Schneller als geplant warteten sie auch bereits vor der Villa.


    ‚Hoffentlich kommt nicht ausgerechnet jetzt Falco in die Stadtverwaltung, um mich zu sprechen’, dachte ich noch bei mir, als ich vor die Tür trat.



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    Ich nahm die Zügel des Rappen und warf sie ihm über den Kopf. Auf ein Kommando hin knickte der Hengst vorn ein, ich raffte meine Tunika und schwang mich auf den Rücken. Nach hinten gebeugt erleichterte ich dem Hengst das Aufstehen. Voller Tatendrang schüttelte der Hengst seinen Kopf als ich ihn noch zurückhielt. Im Gegensatz zu mir war er ausgeruht und wollte davonsprengen.


    "Wir nehmen den gleichen Weg, aber Vorsicht, in dieser Herde sind viele Jährlinge und Zweijährige. Wenn eines ausbricht, dann erwarte ich von euch, dass ihr euch absprecht und nicht alle auf einmal hinterher reitet. Die Sicherheit und Ordnung der Herde muss zu jedem Zeitpunkt gewährleistet bleiben, sonst bricht das absolute Chaos aus. Habt ihr das verstanden?"


    Ungewohnt streng klangen meine Worte, aber das musste sein. Allzu viel Zutrauen hatte ich nicht zu manchem dieser angeheuerten Helfer.

  • Rom lag bereits hinter uns als einer der Junghengste, nicht einmal zwei Jahre alt, aus der Herde ausbrach und auf die frisch bestellten Felder hinaussprengte.


    „Zwei hinterher und kein weiterer“, rief ich den sich ratlos zu mir umdrehenden Helfern zu. „Fünf von euch“, ich wies auf die entgegen gesetzte Seite, „unterstützen die Männer hier, damit kein weiteres Tier ausbricht und zwar dalli! Pferde sind nicht nur Herden- sondern auch Fluchttiere und keine Schlafmützen so wie ihr.“


    Ich trieb meinen Hengst ebenfalls an die nun weniger gedeckte Seite der Herde, doch drei weitere Jährlinge folgten dem Ausbruch des Junghengstes. Ich hatte es geahnt. Jetzt war es erst einmal wichtig, die Herde in den Griff zu bekommen. Die entlaufenen Tiere zurückzutreiben war nachrangig.


    „Das Tempo verlangsamen und nicht so rumschreien und gestikulieren. Ruhe ausstrahlen. Die Pferde folgen in erster Linie einem Leittier und das muss der Mensch darstellen, wollen wir jemals heil in Mantua mit dieser Herde eintreffen.“


    Als ich sah, dass niemand dieser Helfer dazu fähig war, trieb ich meinen Hengst an die Spitze der Herde. In versammeltem Galopp bremste ich das Tempo der Herde etwas ab und lenkte sie durch einen ruhigen Richtungswechsel von den Feldern weg. Durch wechselnde Gangarten und sich leicht ändernde Richtungen lenkte ich die Aufmerksamkeit der Herde auf mich und damit weg von dem Zweijährigen. In einiger Entfernung ließ ich die Tiere vom Trab in den Schritt fallen und stoppte sie schließlich ganz. Von hier aus war weder für mich noch die Herde ersichtlich, wo sich die ausgebrochenen Tiere befanden.


    Nach etwa einer halben Stunde kamen die beiden Helfer mit den vier Ausreißern zurück.


    „Der Junghengst wird fortan als Handpferd geführt. Noch einmal riskiere ich so einen Ausbruch nicht. Wir haben Glück gehabt, dass alles so glimpflich abgelaufen ist. Gemäßigtes Tempo jetzt, bis die Ruhe wieder vollständig eingekehrt ist.“

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