Spaziergang in Gedanken

  • Flavius hielt mich nun bestimmt für eine Mörderin. Bislang hatte ich es auch stets gerecht gefunden was ich getan hatte, doch nun stiegen Zweifel in mir auf. Hätte ich ihn nicht töten dürfen?


    Ich habe ihm vollkommen verstört ein Messer in die Brust gestoßen, als er sich mir wieder zugewandt hatte. Normalerweise hätte er es nie zugelassen, doch er hatte sicher nicht damit gerechnet. Dann bin ich in zerrissener leidung fort, ins Ungewisse. Viele jagten mich fort, dachten ich wäre eine Diebin. Was ich dann bis zu einem Zeitpunkt auch war. Eine alte Frau hat mich mit nach Britannien genommen, ich wusste nicht mehr wer ich war, wusste nur noch: Endlich nicht mehr allein... Und da blieb ich ... bis ich nach Rom kam.

  • "Es ist gut," sagte er sanft. Er spürte ihre Zweifel. "Es war das Einzige, was Du hättest tun können."
    Er hielt sie weiter fest und schloss seine Augen für einen Moment, aber er öffnete sie sogleich, denn die Bilder die sich ihm bieten wollten, konnte und wollte er nicht zulassen.
    "Hätte einer von uns gewusst, dass Du noch lebst...."
    Er konnte nicht weitersprechen. In diesem Moment schnürte sich ihm der Hals zu, denn er wusste plötzlich, was diese Worte bedeuteten. Sie hatten sie aufgegeben und damit schändlich im Stich gelassen. Er hätte sich damals nicht aufhalten lassen dürfen sie zu suchen. Aber er hatte und hatte ihr damit all dies angetan.

  • Ich starrte bei seinen Worten etwas verloren gegen seine Brust. Hieß das es wäre ihnen gar nicht aufgefallen wenn ich weggeblieben wäre? Sie hatten gar nicht auf mich gewartet? In mir machte sich Enttäuschung und ... War es Schmerz?... breit. Sie hatten mich abgeschrieben...


    Ich schob mich von ihm weg und saß versteinert gerade. Sie hatten nicht an mich geglaubt. Hatten mich verlassen. Wielange sie wohl gesucht hatten? Ich hatte mich sofort auf die Suche gemacht, als ich wieder ich selbst war... War es gerecht mich da jetzt noch drüber aufzuregen? Irgendwie konnte ich es nicht so recht glauben. Hätten sie an mich geglaubt hätte ich bei meiner Familie großwerden können. Die alte Dame war mir mehr Mutter geworden als meine leibliche... Sie stand mir in der schwersten Zeit meines Lebens bei.


    Ich sah zu Boden, wusste nicht was ich tun, denken oder fühlen sollte...

  • Er saß da und wusste nicht mehr, was er sagen sollte.
    Es dauerte eine Weile, ehe er zu sprechen anfing.
    "Als wir merkten, dass Du und einige andere nicht mehr da waren, auch nicht bei den Toten, sind einige von uns, die sich noch auf den Beinen halten konnten, los um die Umgebung abzusuchen. Ich war dabei, obwohl Vater es verboten hatte. Er meinte, die Wunde würde mich umbringen, wenn ich mich nicht verarzten lassen würde. Ich weigerte mich einfach nur da zu sitzen.
    Vielleicht konnte ich zusätzlich zu dem Gedanken Dich verloren zu haben, nicht auch noch Valentin ertragen, wie er apathisch nur noch da saß, nichts mehr sagte, nicht mehr unter uns zu weilen schien.
    Ich ging mit, aber wir fanden keine brauchbaren Spuren. Irgendwann wurde ich von Marbod gezwungen zurück zu kehren. Aber er und einige andere suchten weiter.
    Ich weiss nicht mehr alles. Irgendwann hat es mich doch umgehauen. Aber unsere Mutter erzählte später, ich hätte selbst im Fieber danach verlangt zu suchen. Vater schickte, nachdem er alle anderen in Sicherheit gebracht hatte, wieder Männer aus. Wir waren nur noch wenige und uns aufzuteilen war vielleicht gefährlich, aber er tat es. Er wollte nicht aufgeben.
    Eines Tages dann kehrte Irminar zurück. Er sagte, man hätte eine Spur gehabt und hätte sie verfolgt. Ich weiss nicht, was er Vater sagte, aber sie ritten los. Er verbat mir mitzugehen.
    Als er ein paar Tage später wiederkam, war er verändert. Und er verbat uns von nun an Deinen Namen auszusprechen. Da wusste ich, wie die Spur geendet hatte.
    Hätte ich nur geahnt...."

    Er hatte eine ganze Weile gebraucht das alles zu erzählen und es war nur mehr ein Flüstern gewesen.

  • Ich sollte aus ihrer aller Gedächtnis gelöscht werden? Gerade dass ich nicht aufzufinden gewesen war, hätte doch Hoffnung schüren müssen... Doch es traf niemanden eine Schuld und das war das Schwierigste für mich. Weder Vater, der gesucht hatte, noch Mutter, die gebangt hatte, noch Flavius und Valentin die selbst nur noch halb da waren.


    Es war halt ich gewesen, die das schlimme Los gezogen hatte. Ich hatte alles auf einen Schlag verloren, selbst mein Gedächtnis. Oder sollte ich mich dessen auch noch freuen? Ich sah weiterhin starr geradeaus auf den Boden. Ich hatte mich verstecken wollen, in einem leeren Fass, doch hatte man mich gesehen. Warum hatte es ausgerechnet mich getroffen? Im Nachhinein kam mir dazu der Gedanke: Besser ich als Lucia oder Venusia...


    Langsam erhob ich mich und klopfte mein Gewand aus. Ich hörte mich sprechen ohne selbst den Inhalt meiner Worte genau zu kennen. Sie hatten damals alles drangesetzt und mich nicht gefunden. Ich ward allein gelassen und niemanden trafdie Schuld.


    Verzeih... aber... Ich...


    Weiter sprach ich nicht sondern ging langsam den Feldweg hinab, der von Mogontiacum fort führte. Ich musste nachsinnen. Jetzt wünschte ich mir, der Tod hätte mich ereilt. Oh ich wünschte mir ich wäre von Britannias Klippen gesprungen. Ich wünschte es, da ich nun keine Wut gegenüber meine Familie hätte fühlen können. Ich tat ihnen unrecht und wusste es. Doch ändern tat es nichts an der Sache und an meinen Gefühlen.

  • Er sah ihr nach. Und in diesem Moment wünschte er sich, dass in Septimanca das Schwert des Gegners ihn durchbohrt hätte.
    Mehr als jetzt sein Herz schmerzte, hätte es da auch nicht schmerzen können.
    "Julia..."
    Er sah ihr noch eine Weile nach und dann sprang er auf. Er konnte nicht sitzen bleiben und er konnte sie nicht gehen lassen.
    "JULIA"
    Er rannte hinter ihr her, holte sie ein. überholte sie und blieb vor ihr stehen. Griff ihre Schultern.
    "Du galtest als Tod! Er hatte einen Leichnam gefunden, einem von dem alle glaubten, dass Du es warst. Verstehst Du nicht?.....
    Könnte ich die Zeit zurückdrehen, ich würde mein Leben geben um das Deine besser werden zu lassen, um Dich bei der Familie zu lassen. Um zu verhindern, was nicht mehr zu verhindern geht.
    Weise mich nicht zurück, keinen von uns."

  • Wie sonst hätte er mein Verhalten auch interpretieren sollen... Ich überlegte wie ich sprechen sollte, doch mir fiel nicht ein einziges Wort ein. Also ließ ich mein Herz sprechen.


    Flavius, ich wollte dich nie zurückweisen, es tut mir leid wenn es so aussah. Und ich würde auch nicht wollen, dass du dein Leben gibst. Dafür ist es zuviel wert. Ich nehme es keinem Übel, denn wenn die Schuld jemanden trifft, dann mich. Verzeih. Ich... muss allein sein.


    Ich log. Meine Lügen hallten in meinem Kopf wieder, als ich in Flavius liebevolle Augen sah. Sein besorgter Blick. Doch konnte ich die Wahrheit sagen, die da doch so ungerecht war? Und überhaupt, was würde ich tun wenn ich erst einmal allein war?


    Ich nahm seine Hände vorsichtig von meinen Schultern, doch ich sah ihn nicht an. Ich traute mich nicht, in seine Augen zu sehen, hatte Angst er könnte meinen Neid, meinen so egoistischen und unbegründeten Neid in meinen Augen sehen. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass ich so reagieren würde.

  • "Du hast keine Schuld. Warum solltest Du Schuld haben?"
    Er sah sie ungläubig an.
    "Julia, die einzige Schuld trifft die, die uns angriffen, angriffen für einen Pakt. Einen Pakt, der uns ins Verderben stürzen sollte und anderen das Land und den Besitz, nach dem sie gierten. Und den sie nun doch nicht haben."
    Seine Stimme war bei diesen Worten verbittert und man sah, wie verletzt er war, nicht von ihr, sondern von all den Geschehnissen.
    "Ich kann Dich nicht alleine lassen. Ich will es nicht......Ich brauche Dich!"

  • Ich sah ihn bestürzt an.


    Von was für einem Pakt sprichst du?


    Ich kam nicht ganz mit, langsam fand ich mich immer weniger mit meinem Schicksal ab und meine Hände ballten sich zu Fäusten... Ich sah zu ihm auf.


    Und... ich gehe nicht. Wenn du mich brauchst, dann bleibe ich. Bleibe ich bei dir.

  • "Ein Pakt, der nicht mehr wichtig ist."
    Er konnte und wollte ihr nicht sagen, wer einen Bärenanteil an damals hatte, neben den Angreifern.
    "Die, die dafür bezahlt haben sind nicht mehr unter uns."
    Dann sah er sie an und sein Blick sprach Bände.
    "Ich habe Dich immer gebraucht und tue es noch. Nacht um Nacht warst Du in meinen Träumen und als ich erfuhr, dass Du doch lebst. Kannst Du Dir vorstellen, was da in mir vorgegangen ist?"

  • Ich sah ihn an, sah ihm genau in die Augen und schüttelte ansatzweise den Kopf...

    Ich könnte es nur erahnen. Ich glaube du könntest dir ebensowenig ausmalen was ich gefühlt hatte als ich Valentin wiedersah und daraufhin dich und sogar Lucia. Das kann man nicht nachempfinden, nur fühlen.


    Schüchtern tastete ich nach seiner Hand und hielt sie fest in der meinen.


    Ich... habe in Britannia auch immerzu an dich gedacht... Und meine Träume... Immerzu sehe ich den hilflosen Valentin gegen diesen übermächtigen Gegner. Wann wird das alles endlich vorbei sein? Auch in unseren Herzen?

  • "Dir muss nie etwas leid tun mir gegenüber."
    Dann hielt er sie fest und schloss die Augen. Die Angst für einen Moment sie wieder verlore zu haben, vielelicht auch nur für einen Moment, diese Angst war unerträglich gewesen. Er war ein Kämpfer, ein Soldat, aber es gab Sachen, da war auch er nur ein Mann der liebte und ein Mann, der verletzt werden konnte, wie alle andere. Auch wenn es vielleicht nicht zu sehen war. Und manchmal war er wieder der Junge von damals. Und in diesem Moment war er der Junge, der seine geliebte kleine Schwester, die er gerne ärgerte, aber nichtsdestotrotz abgöttisch liebte, in seinen Armen hielt.

  • Ich nickte trotzig.

    Doch, ich beschere euch immer soviel Kummer, natürlich muss ich mich entschuldigen. Verzeih mir, dass ich dich so verletzt habe. Es war nicht meine Absicht... Ich machs wieder gut, versprochen.


    Ich lächelte. Es tat gut einfach sich fallen zu lassen und gehalten zu werden. Gehalten von einem so wunderbaren Menschen. Ich hatte das Gefühl jegliche Distanz wurde aus dem Weg geräumt...

  • Ich antwortete grummelnd und doch leicht lächelnd...

    "Du bist auch nie um eine Antwort verlegen. Danke. Und trotzdem werde ich es wiedergutmachen."


    Ich drückte mich fest an seinen Leib und seufzte tief. Wie sehr ich meinen Bruder vermisst hatte wird mir erst jetzt voller Schmerz klar. Schmerz aus dem Grunde, dass ich ihn bald wieder würde loslassen müssen.


    "Wir müssen bald einmal wieder zu dritt ausreiten, wenn du dann Zeit haben solltest. Wie früher: Flavius, Valentin und die hilflose Iulia die damals noch fast vom Pferd gefallen wäre. Wie wärs?"

  • Wielange hast du denn noch frei...?


    Eigentlich hatte ich ihm noch mehr zu gestehen, doch davon würde ich ihn jetzt verschonen. Auch Flavius brauchte eine Pause von den denkwürdigen Nachrichten. Meine Gedanken schweiften plötzlich ab zu Maximian, ich freute mich schon so auf unser Wiedersehen, Wielange war es schon her? Einen Monat?

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