Arbeitszimmer des Magistratus

  • Noch immer meine Ideen im Kopf sammelnd, schaute ich zu ihr rüber.


    "Ja, Du hast Recht, ich springe von Thema zu Thema, wie ein feldhase zwischen dem Salat."


    Kurz musste ich nachdenken, was meine Nichte vorher sagte.


    "Ich kenne Dich und deine Seele. Sie ist stark und verletzlich. Ich achte also darauf, so wie ich auf jeden achte, der mir am Herzen liegt. Allerdings ändert sich der Ton stets mit dem Gesprächspartner. Mit Eugenius zusammen kann ich mich sogar richtig böse streiten, und keiner nimmt es dem anderen krumm. Dafür kennen wir uns ja auch schon lange genug.
    Ich bin mir sicher, Du wirst es meistern, auch wenn der Weg vor Dir noch so manchen Dorn verbergen mag.


    Außerdem ist es nicht ungewöhnlich, dass ein einzelner Mensch mehr Einfluss auf uns hat, als eine gesamte Gemeinschaft. Das war schon immer so. das ist menschlich.


    Die Irrationalität des Menschen phaszinierte mich ebenso wie sie mich abstieß. es war schwer, einen geraden Weg zu finden."


    Ich lehnte mich auf meinen linken Unterarm und schaute sie an. Ale anderen Themen stellte ich erst einmal zurück, bis wir ihres abgearbeitet hatten. Und in Gedanken sagte ich mir, dass es rechtens sei, sich so viel zeit zu nehmen, denn dafür ist die Familie.

  • Und wieder überraschte mich mein Onkel, denn unvermutet sprang er in das vorherige Thema zurück.


    „Sicher, mich irritiert sein großer Einfluss, den er auf mich hat, aber es ist nicht so, dass ich beständig darüber nachdenke. Inzwischen bin ich erwachsen geworden und habe meine Leitbilder gefunden. Mir ist sehr wohl klar, dass er mich auch darin stark beeinflusst hat. Viel mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen, höchsten vielleicht noch das: Er hat die gesamte Gens geprägt, ohne je übermäßig in Erscheinung getreten zu sein. Sehr charismatisch, findest du nicht?


    Überhaupt scheint mir die gesamte Familie aus außergewöhnlichen Menschen zu bestehen. Sieh dir Eugenius an oder nimm meine Eltern, Crassus nicht zu vergessen oder betrachte doch einmal dich selbst. Bei uns gibt es keinen Durchschnittsrömer, das lässt mich stolz auf meine Familie sein.“


    Ich lächelte in der Gewissheit, dass meiner Gens eine glorreiche Zukunft bevorstand.


    „Aber du warst mit deinen Gedanken bereits ganz wo anders.“

  • "Deine Leitbilder würden mich nun schon noch interessieren. Fasse sie doch einmal für mich in Worte. Auch wenn ich sie kenne, doch sie vielleicht anders benenne, so ist es eine gute rhetorische Übung, meine Nichte.


    Ja, Du hast Recht, er hat sie geprägt. Doch, nein, charismatisch ist es nicht. das, mein Kind, ist der falsche Begriff. Nenne es 'tugendhafte Ausstrahlung' oder auch den 'beseelten Geist', der auf andere überging. Doch charismatisch ist zu gering. Auch unser Verwalter ist charismatisch, doch ist er dadurch nicht prägend."


    Weisst Du, ich muss einem Menschen nur kurz in die Augen sehen, und schon kann ich Dir sein Wesen nennen. Nimm all die herausgeputzten Frauen auf dem Forum, die sich bis zur Unkenntlichkeit als Dame verkleidet haben. Sie machen nach außen viel her. Ebenso wie jede Hetäre. Doch sind sie nicht edel, weil ihre Verpackung glänzt. Glaube mir, wenn man dieses durchschaut, so wird es Dir manches Mal schwer fallen, die Menschen zu lieben. Drum können wir wahrlich froh sein, dass wir uns gefunden haben. Den Göttern sei Dank."

  • „Du möchtest also testen, wie oft ich mich in die Ausbildung meiner Brüder geschlichen habe?“


    Ich schmunzelte. Natürlich konnte ich nie und nimmer mit den Männern mithalten, aber was ich aufgeschnappt hatte, blieb fest in meinem Kopf verankert.


    „Die Blütezeit meiner Ideale liegt etwa 400 Jahre zurück und leider haben viele Römer sie längst vergessen. Es war die Zeit, in der man umfänglich der Götter Riten gepflegt hat, sich der römischen Tugenden bewusst war und nach ihnen lebte. Die Frauen waren tugendhaft, nämlich proba – rechtschaffen, piissima – gewissenhaft und officiosa – pflichtbewusst. Heute sind sie vielleicht noch pulcherrima – wunderschön und incomparabilis – unvergleichlich, aber ganz bestimmt nicht mehr pia – fromm.. Sie gehen unschicklichen Tätigkeiten nach und erdreisten sich, Positionen zu erlangen, die nach dem Willen unserer Ahnen nur einem Manne vorbehalten sind.


    Deswegen haben sich die Götter von vielen abgewandt. Sie lassen Tempel einstürzen wie kürzlich in Ostia oder große Brände ausbrechen. Sie schicken Überschwemmungen daher und strafen Familien mit Kinderlosigkeit.“


    Ich schaute meinen Onkel abwartend an, bevor ich weiterfuhr.


    „Im Punkt Sophus und charismatisch erlaube mir, dir zu widersprechen. Vielleicht liegt es daran, dass wir geteilter Ansicht über das Wort ansich sind. Ich setze Charisma vor allem mit Begnadung und nicht nur mit Ausstrahlung gleich, wobei das Wort „nur“ in dem Fall nicht wörtlich zu nehmen ist. Aulus ist in meinen Augen alles andere, aber bestimmt nicht charismatisch zu nennen. Er ist auffallend, mehr nicht. Indem du Worte wie „prägend“ oder „tugendhafte Ausstrahlung“ erwähnt, gehe ich wieder mit dir konform und genau deswegen bleibe ich bei der Überzeugung, dass Soph charismatisch ist.“ Ich lächelte meinen Onkel voller Überzeugung an. „Nie im Leben hätte er mich sonst derart formen können, denn ich bin alles andere, aber bestimmt keine leicht formbare Frau.“


    Ich musste innerlich lachen, denn mir kam eine Beschwerde Sophs vom letzten Sommer in den Sinn, als er meinte festgestellt zu haben, dass ich nicht zu führen bin. Das allerdings stimmte natürlich nicht, nur brauchte ich grundsätzlich einen langen und keinen kurzen Zügel, denn ohne Freiraum ging bei mir nichts und ich folgte auch lieber freiwillig als auf der Basis eines Zwangs. Er war sich dessen nicht bewusst, dass er besser führen als jeder andere kann.


    „Was du über die heutigen römischen Frauen sagst, trifft allerdings den Nagel auf den Kopf. Ja, den Göttern sei Dank ist die Aurelia gesund. Sie hat sich von allem Unrat befreit. Verachten wir jene, die mit den Traditionen brechen und loben die Römer, die unsere Einstellungen teilen. Einige Familien gibt es davon.“

  • Ich musste schmunzeln.


    "Ja, Du hast Recht im Bezug auf das Charisma. Ich benutzte den Begriff nicht in seinem ursprünglichen Sinne sondern verwandte ihn in der umgangssprachlichen Definition.


    Aber Du sprachst eben etwas anderes, ebenso interessantes aus. Die Formung des Menschen. Nicht jeder ist formbar. Und nicht jede Verformung ist logischerweise gut für uns. Auch hier gibt es, wie so oft, einen sehr schmalen Grad. Wer sich nicht verändert, sich also formen lässt, der wird zum Stillstand verdammt sein. Doch wer sich zu sehr formen lässt, der wird seine Persönlichkeit einbüßen.


    Du erinnerst mich an eine Weide. Der Wind drückt sie in eine Richtung, und die Weide gibt nach. Aber dennoch behält sie ihr eigenes Rückgrat und richtet sich wieder auf. Nach dem Angriff des Windes ist sie so standhafter denn je. Denn ihre Wurzeln festigen sich mehr und mehr. Sie verwächst mit ihrer Umgebung.


    Eine schöne Metapher, die irgendwie auch auf uns zu passen scheint. oder?"

  • „Ja, deine Metapher gefällt mir gut. Das mit dem "uns" musst du mir aber noch mal erklären. Kann es sein, dass ich dich als Lüftchen beeinflussen kann?


    Ich möchte, was mich betrifft, die Metapher gern aufgreifen und ausbauen.“


    Nach den besten Verfeinerungen sinnierend, ließ ich den Blick durch das Zimmer und schließlich aus dem Fenster gleiten. Schließlich hatte ich den geeigneten Punkt gefunden, an dem ich ansetzen wollte.


    „Jetzt gibt es ja nicht nur einen Wind, sondern den Süd-, Nord-, Ost- und Westwind. Als junger Spross war ich allen ausgesetzt. Der Nordwind war stürmisch und wollte mich mit Macht verbiegen, ihm habe ich mich schon aus Prinzip widersetzt, denn ich muss Einsicht in die Formung gewinnen. Der Südwind war lau und damit gar nicht prägend. Der Westwind bringt oft wetterliche Unbilden, er ist beeindruckend – ohne Frage – aber die Richtung, in die er mich drücken wollte, gefiel mir nicht. Mit dem Ostwind kommt sowohl das eisige Wetter im Winter wie auch das heiße im Sommer. Er ist ein Wind der Extreme, dabei vielschichtig, eben formgebend und weil er auch überzeugend ist, habe ich mich von ihm formen, aber nicht brechen lassen, denn ich sehe es als Gewinn, Veränderungen zuzulassen. Ich möchte nie im Leben mit dem Dazulernen abgeschlossen haben, denn wie du schon sagst, es folgt der Stillstand und mit ihm der geistige Tod.“


    Nachdenklich schaute ich meinen Onkel an. „Wie kommt es eigentlich, dass du mich so gut kennst, ich dich aber nur begrenzt einschätzen kann? Obwohl, im Grunde weiß ich, warum das der Fall ist – du sprichst nämlich kaum über dich. Jetzt bist du dran, Onkel. Welche Metapher trifft auf dich zu? Spannend wäre, wenn du eine neue für dich findest oder du änderst meine Version einfach ab und benutzt die alte. Und dann wüsste ich noch gern: Was sind deine geheimen Gedanken?“


    Ich lachte Cicero an, setzte mich bequem zurecht und war ganz Ohr.

  • "Dein Bild vom Wind gefällt mir gut. Zweifelsohne, er kann sanft und mild sein, aber auch zerstörerisch und hart. Beides vermagst Du auch, wobei Du allerdings nichts Zerstörerisches hast. Jedoch die geradlinige Härte, die Dich befähigt, Entscheidungen zu treffen, die sehe ich in Dir."


    Ich lehnte mich schmunzelnd zurück. Ich mochte diese Art der Konversation. Offensive und Defensive in schneller Folge. Auch meine Nichte beherrschte dieses Spiel.


    "Du verstehst Dich auf abwechslungreiche Kommunikation und erinnerst mich damit an Caesar und seine Legionen. Er verstand es, seine Legionen aus der Bewegung heraus zu schwenken und direkt in einen Angriff überzugehen.


    Eben noch dachte ich, Dich mit einer Frage "gefesselt" zu haben, doch Du beantwortest Sie kurz und klar und gehst Deinerseits offensiv los.


    Es sei. Ja, ich denke lieber als das ich viel rede. Du weißt, zwei Dinge musst Du hüten. Deinen Geldbeutel und Deine Zunge."


    Kurz musste ich überlegen, welche Metapher auf mich zutreffen würde.


    "ich möchte ein neues Bild malen und keine Metapher modifizieren.


    Ich bin wie der Regen. Der Regen ist gut, das bin ich auch. Doch der Regen ist auch hart und kann zerstören. Ich verstehe mich gut darauf, Härte zu zeigen, wenn diese nötig ist. Und der Regen ist unberechenbar. Ebenso wie ich.


    Unberechenbar heißt nun, das man mich nicht einschätzen kann, was ich als nächstes tun werde. Ein Mensch, der berechenbar ist, der gibt uns ein Gefühl von Beständigkeit, doch ist er auch schnell manipulierbar. Der Unberechenbare ist stets ein kleines Geheimnis, was ihn umso interessanter macht, was denkst Du?"


    Und um ihr ein Beispiel meiner Äußerunge zu geben, legte ich einen kleinen Lederbeutel auf den Tisch.


    "Damit wirst Du nun nicht gerechent haben. Dieser Beutel gehört Dir. In ihm sind 20 Goldstücke*


    Sim-Off:

    *2000 Sesterzen


    Das ist eine kleine Spende für den Wagenlenker."


    Sim-Off:

    Habe ich an Dich überwiesen.

  • „Ich erinnere dich an Caesar?“ Überrascht schaute ich meinen Onkel an. „Das ist ehrenvoll, wenn ich an seine Fähigkeiten denke, aber durchaus wenig schmeichelhaft, weil er ja ein Mann ist.“


    Ich versteckte mein lachendes Gesicht und bemühte mich, geräuschlos zu bleiben, bis Titus das Thema wechselte.


    „Ich hüte meine Zunge überall, aber mit Ausnahme bei den Menschen – es mögen nicht viele, sondern auserwählte sein, denen ich bedingungslos vertrauen kann. Das ist eine Angebot und eine Auszeichnung für dich gleichermaßen.“


    Diesmal zeigte ich das Lächeln auf meinem Gesicht. Gespannt folgte ich anschließend dem Bild, das er malte. Dabei blickte ich ihn nicht an, sondern versuchte mir seine Skizierung vorzustellen. Als er geendet hatte, versuchte ich meine Gedanken in Worte zu fassen.


    „Ich kann alles nachvollziehen, was du gesagt hast. Regen bringt Fruchtbarkeit, er ist für jedes Geschöpf, jede Pflanze wichtig. Er kann niederprasseln oder als feiner Sprühregen fallen. Je nach der Laune des Windes fällt der Regen mal gerade, mal schräg oder wechselt die Richtung. Mir kommt zusätzlich der Gedanke, dass viele Menschen depressiv auf Regenwetter reagieren. Kannst du dieses Phänomen ebenfalls auf deine Person, die du mit dem Regen verglichen hast, beziehen?“


    Sehr gespannt wartete ich auf die Antwort.


    „Auf jeden Fall beeinflusst mich weder Regen noch Sonnenschein in meiner Stimmung. Ich fühle mich fast durchgängig heiter und einzuschätzen bin ich ebenfalls leicht. Du nicht, sagst du zumindest …“ Meine Stirn kräuselte sich, so unberechenbar kam mir mein Onkel gar nicht vor, wenngleich ich mit dem Geldbeutel nun gar nicht gerechnet hatte. „Das ist lieb von dir! Ach, wenn wir doch schon einen guten Lenker in Aussicht hätten.“ Ich seufzte vernehmlich. „Darf ich dich in dieser Angelegenheit bitten, unser Anliegen bei den Verantwortlichen der Praesina noch einmal in Erinnerung zu rufen? Bitte, Onkel! Du bist im Verhandeln bestimmt erfolgreicher als ich.“


    Um ihn zu überzeugen und als Dankeschön für das Geld, stand ich flugs auf, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und setzte mich wieder.


    „Und um noch einmal auf das vorherige Thema zu kommen … Der Unberechenbare ist interessant“, sagte ich schmunzelnd, „aber es muss im Rahmen bleiben. Nähert sich dieses Verhalten dem Wankelmut, verliert derjenige seine Vertrauenswürdigkeit. Einen berechenbaren Menschen, der beständig in seinem Handeln ist, finde ich nicht zwangsläufig manipulierbar.“ Ich sann kurz nach. „Nein, im Grunde überhaupt nicht. Nach meiner Ansicht ist die Festigkeit des Charakters das Ausschlaggebende. Wieso bist du der Überzeugung, dass ein beständiger Mensch manipulierbar ist?“

  • Ich rieb mir mit dem Daumen meinen Nasenflügel. Meine Nichte war eine gute Gesprächspartnerin, die es verstand, mit Worten zu hantieren.


    "Ich stimme mit Dir überein. natürlich ist der Beständige der, dem wir vertrauen können.


    Nimm als Beispiel die Zugvögel. Jedes Jahr zur selben Zeit kommen sie meist an den selben Ort. Das ist beständig, nicht wahr? Und die Vogelfänger erfreut es, können sie sich doch in der Regel darauf verlassen.


    Doch was ist, wenn die Vögel einmal NICHT an den selben Ort kommen, weil sie vom Wind abgetrieben wurden oder vielleicht eine bessere Stelle zur Landung fanden?


    Was ist dann? Die Vogelfänger bekommen Angst und Sorge. Sie fürchten sich, ja, sie fürchten vielleicht sogar den Zorn der Götter. Und das alles nur, weil die Vögel nicht das taten, was sie immer tun.


    Nun? Sind die Vögel deshalb unbeständig? Nein, die Vögel sind, was sie immer sind. Frei in ihrer Entscheidung. Frei, ihrem Instinkt zu folgen.


    Doch den Menschen machten sie dadurch Furcht, so daß sie, wenn die Vögel eines Tages wiederkeheren, ihnen gegenüber vielleicht mehr Achtung schenken.


    Ebenso unberechenbar zu sein, das halte ich für eine sinnvolle Strategie, um sich im Leben zu behaupten. Beständig in den Ansichten und der Meinung. Aber innerhalb des eigenen Ermessungsspielraumes musst Du Dich unerwartet verhalten, so dass man Dich nicht wirklich einschätzen kann.


    Nehmen wir noch einmal die Vögel. Wenn sie IMMER an der selben Stelle landen würden, so kämen an diesen Ort alle Jäger des Landes, und die Vögel wären allesamt verloren. Doch lassen es die Götter nicht zu, also kommt es immer wieder vor, dass sie sich woanders auf ihrer Reise niederlassen."

  • Zitat

    Original von Aurelia Deandra


    „Ich kann alles nachvollziehen, was du gesagt hast. Regen bringt Fruchtbarkeit, er ist für jedes Geschöpf, jede Pflanze wichtig. Er kann niederprasseln oder als feiner Sprühregen fallen. Je nach der Laune des Windes fällt der Regen mal gerade, mal schräg oder wechselt die Richtung. Mir kommt zusätzlich der Gedanke, dass viele Menschen depressiv auf Regenwetter reagieren. Kannst du dieses Phänomen ebenfalls auf deine Person, die du mit dem Regen verglichen hast, beziehen?“



    Ich fügte eine pause ein, damit meine Nichte über die Worte nachdenken konnte. In Gedanken streichelte ich mir über die Stelle, die sie geküsst hatte. =)


    "Um auf Deine Regenbemerkung zurückzukommen. Ja, es gibt so manchen, dem ich den Tag verübel. Und ich wäre unaufrichtig, wenn ich nicht sagen würde, dass es mir sogar gefällt. Denn wenn ich gegen jemanden zu felde ziehe, dann ist es entweder ein eitler, ein machtbesessener oder ein unaufrichtiger Mensch. Solche Menschen hassen mich.


    Doch ansonsten denke ich einmal, das ich eher wie ein angenehmer Sommerschauer bin, der die Landschaft und die Menschen erfrischt. meinst Du nicht auch?"


    Ich grinste smeine Nichte ungewohnt offen an.

  • Die Zugvögel erinnerten mich sofort an Misenum, mein Vorhaben, sie zu schützen, und an meinen Bruder Maxentius. Meine Miene betrübte sich unweigerlich.


    "Ich würde gerne etwas für die Tierwelt tun. Mich begeistern diese Geschöpfe und obwohl ich stets meiner Opferpflicht nachkomme, rühren mich die blutigen Opfer doch jedes Mal auf das Äußerste an. Mantua ist ursprünglich, es gibt hier viele Tiere. Meinst du, dass ich da was tun kann?"


    Mein Onkel hatte oft gute Ideen. Mal schon ich seine, dann wieder er meine an. Zuvor lauschte ich aber seinen Worten. Besonders seine Erläuterungen zum Regen hatten es mir diesmal angetan.

    "Zumeist kenne ich dich als Sommerschauer, das ist wahr. Auch andere Regenqualitäten zeigst du mitunter, nie jedoch diejenige, bei der du Eitle, Machtbesessene oder Unaufrichtige abstrafst. Verbirgst du diese Eigenschaft vor mir oder gibt es keine Menschen dieses Schlages? Ich will nicht glauben, dass du es nicht vermagst."

  • "Bei Dir, liebe Nichte, da könnte ich niemals so schaurig böse sein. denn Du gibst mir keinen Anlass dazu."


    Ein leichtes Streicheln ihrer Schulter unterstrich meine Bemerkung.


    "Mit Tadel muss man stets vorsichtig umgehen. Wer rücksichtslos tadelt, der erhält auf Dauer keine Besserung. Im Gegenteil. Es schleichen sich Frust und Aggression ein. Wenn ich also tadele, dann verpacke ich es mit einem vorherigen Lob. Diese Medizin ist viel süßer und heilt nachhaltig."

  • Komisch fand ich im Moment, dass mein Onkel der Auffassung war, ich würde keinen Anlass zum Tadeln abgeben. Sophus fand zumindest noch vor einem Jahr genügend Anlässe. Bedeutete das nun, ich war bereits derart gut erzogen oder hatten die beiden Männer einfach gegensätzliche Auffassungen über Kritikwürdigkeit?
    Zu gerne wüsste ich eine Antwort darauf, aber so lange sich die beiden nach den Jahre der Trennung noch nicht getroffen hatten, blieb sie mir verwehrt. Vermutlich traf beides zu: Ich war inzwischen gezähmt und die beiden waren zudem anderer Auffassung – sicher in vielerlei Hinsicht. Ihre Charaktere waren nicht einmal vergleichbar, andererseits ihre Gesinnung ... Ach, es war müßig, darüber zu spekulieren.


    „Und wie unterscheidet der Unwissende dann das eine Lob vom anderen? Hm, ich kann es mir gerade nicht vorstellen und das vermutlich, weil ich anders bin. Ich würde meinem Unmut direkt Luft machen. Sobald ich meinen Ärger losgeworden bin, ist das Gewitter aber schon wieder vorbei und wenn ich danach lobende Worte finde, weiß jeder, der mich kennt, dass sie auch so gemeint sind. Wie muss ich mir den in Lob verpackten Tadel bei dir vorstellen?“

  • "Ich male Dir ein neues Bild in schlichten Farben, die Dich erhellen mögen, meine Nichte. Nehmen wir denjenigen Angestellten, der für uns das Futter für die Pferde kauft. Sagen wir einmal, es ist ein zuverlässiger Mann. Doch irgendwann da wird er nachlässig und das Futter fehlt, da er es vergaß. Würdest Du ihn schelten oder entlassen, dann hast Du entweder einen vermeintlich guten Mann weniger, oder aber einen, der VIELLEICHT umsichtiger in der Zukunft ist.


    ich nun würde ihm folgenden sagen: Mein lieber Helios, so nenne ich ihn einmal, ich bbin sehr zufrieden mit deiner Arbeit. Die Abrechnungen sind auf den Quadrans genau, das Anwesen ist vortrefflich in Schuss. Aber bei dem Pferdefutter, da warst Du wohl in Gedanken. Sie haben derzeit kein Heu oder Hafer. Du willst sie doch wohl nicht auf Diät setzen. Sorge mir dafür, dass so etwas nie wieder geschieht."


    Meine Ausführungen endend, schaute ich meine Nichte an.


    "Du siehst, ich habe ihn gelobt und dennoch Kritik geübt. Auf diese Weise spürt er mein vertrauen und wird sich darum kümmern, dass so etwas nicht wieder geschieht. Wenn aber widererwartend doch, so wären seine Konsequenzen hart.


    Wie hättest Du es denn gelöst?"

  • Sim-Off:

    Du gibst zu viel Input. ;)


    „Auf jeden Fall nicht so wie du.“ Ich lachte zunächst einmal herzhaft los und es brauchte seine Zeit, bis ich mich beruhigt hatte.


    „Aaaalso.“ Wieder musste ich lachen. „Zuerst würde ich mir darüber im Klaren werden, wen ich vor mir habe, denn es macht für mich einen riiiesen Unterschied, ob es ein Angestellter oder mein säumig zahlender Pater ist.“ Ein lustiges Thema und zudem so aktuell. Meine Augen blitzten vor Vergnügen.


    „Habe ich also einen Angestellten vor mir – jemand, den ich dafür bezahle, dass ich mich auf ihn verlassen kann, ist diesem Vorkommnis, das du vorhin geschildert hast, bereits eine klare Arbeitsanweisung vorweg gegangen. Ich pflege stets, meine Erwartungen deutlich und unzweifelhaft zu erläutern und lasse grundsätzlich nie einen Zweifel daran, dass ich neben Loyalität und Ehrlichkeit vor allem Zuverlässigkeit erwarte. Ich selbst lebe nach dieser Devise und messe alle Menschen daran, deswegen würde ich Folgendes sagen:


    ‚Mein lieber Helios, du hast eine Aufgabe, für die du bezahlt wirst. Welche Arbeitsweise du an den Tag legen sollst, habe ich bereits bei deiner Einstellung klar gemacht. Ich erwarte eine gleich bleibende korrekte Arbeitsausführung für den Fall, dass dir daran gelegen ist, weiterhin in meinen Diensten zu stehen. Haben wir uns verstanden?’


    So, diese Worte würde ich allerdings nur bei einer erstmaligen Verfehlung wählen, wobei ich eine zweite auch nicht mehr tolerieren würde.“


    Ich schaute meinen Onkel mit einem Lächeln an.


    „Bestimmt verwundert dich meine Ausführung nicht. Ich war seit jeher direkt, ich bin streng und unnachgiebig, aber eine großmütige Gestütsbesitzerin, wenn sich die Angestellten an gewisse Regeln halten. Nehmen wir nun den anderen Fall: Der Säumige ist mein hochgeschätzter Pater.
    Ohne Aulus, unseren Verwalter, fragen zu müssen, wusste ich, dass dessen Gehalt unregelmäßig überwiesen wurde, dafür kenne ich Soph einfach zu genau. Trotz dieser Gewissheit, habe ich ihn nie darauf angesprochen, weder mit einem Angebot noch mit einer Ermahnung. Soph selbst kam vor drei Wochen auf mich zu und hat mich per Brief um die Übernahme dieser Verpflichtung gebeten. Lass mich überlegen … das habe ich ihm damals zurück geschrieben:


    ‚Zunächst musste ich lachen, denn ich hatte bereits angenommen, dass du mit der Abarbeitung dieser wiederkehrenden Verpflichtung so deine Schwierigkeiten hast. Im zweiten Moment habe ich allerdings gestaunt.’


    Gestaunt deswegen“, erklärte ich Titus, „weil er mir den Zugriff auf sein Konto gegeben hat. Würdest du ihn kennen, wüsstest du einzuschätzen, wie untypisch diese Entscheidung für ihn ist. Soph ist der Eigenbrötler schlechthin, er lässt niemand in seine Karten schauen und hält alle Welt auf Abstand. So kenne ich ihn. Wegen dieser Art und weil ich ihm mit viel Respekt begegne, drücke ich mich wohl auch anders aus. Ich habe noch zurück geschrieben:


    ‚Ich möchte dich wegen der Zahlung nicht kontrollieren, das wäre mir unangenehm, sondern vorschlagen, immer sein Gehalt zu überweisen.’


    Das mal nur als Gegensatz zum Angestellten. Unsere Unterhaltungen laufen nicht immer so von Höflichkeit durchtränkt ab. Wenn er gut drauf ist, kann man auch eine Menge Spaß mit ihm haben.“

  • "Ein säumiger Pater? Wo gibt es denn so etwas, meine liebe Nichte? Bei uns?"


    Auch ich schmunzelte vor Vergnügen und lebhaft stellte ich mir die Situation mit meinem Neffen vor.


    "Aber Deine Taktik ist nicht zu verübeln, vielleicht möchtest Du ja in meine Dienste treten. Aristos würde sich freuen. Denn er übernimmt solche Verhandlungen des öfteren für mich."


    Ich zwinkerte meiner Nichte zu.


    "Möchtest Du vielleicht eine kleine Erfrischung?


    Vielleicht aber würdest Du eines tages einen Vortrag in meinem Theatri halten mögen? Auch Deinen Onkel Eugenius fragte ich schon. Du würdest Dich hervorragend für eine Diskussion eigenen. Ich hätte meine helle Freude an Dir"


    Nach einer Pause musste ich noch einmal nachhaken.


    "Mein Neffe hat Dir Kontovollmacht erteilt? Das nenne ich eine Auszeichnung."

  • „Ja, einen säumigen Pater gibt es bei uns“, sagte ich lachend. „Aber das ist nichts Ungewöhnliches. Mir scheint sogar, dass viele Offiziere der Legio I vergesslich sind. Macer, der ehemalige Kommandant, musste auch beständig an seine Zusagen erinnert werden.“
    Erneut lachte ich, kein Grund, sich darüber zu ärgern.


    „Was aber meinst du mit „Verhandlungen“? Zurechweisungen von säumigen Angestellten?“
    Auf die Frage nach der Erfrischung nickte ich, während ich noch immer mit meinen Gedanken bei Aristos und seinen Aufträgen verweilte.


    „Einen Vortrag? Warum nicht? Das mache ich sogar gern. Weißt du, wen ich mir noch sehr gut bei Vorträgen oder Debatten vorstellen kann? Sophus. Einmal habe ich mich zu einer Debatte mit ihm überreden lassen und ich kann dir sagen, er fährt ziemliche Geschütze auf. Ich bin ja nun gewiss nicht auf den Mund gefallen, habe teils revolutionäre Ansichten und vertrete diese mit Leidenschaft, aber Sophus … also, da kannst du als Normalsterblicher nicht mithalten. Frage ihn doch einmal. Krame einfach ein Thema aus der Geschichte unseres Reiches heraus, lade gescheite Leute dazu ein, wie zum Beispiel den König und du wirst sehen, das wird ein Abend, wie ihn Rom und Mantua noch nie gesehen haben. Ich weiß sogar weitere Römer, die sich für solche annähernd wissenschaftliche Dispute eignen würden. Es sollten aber konservative Kräfte des Landes sein, sonst würde es unschön enden.“


    Ich wäre begeistert, wenn Titus es zuwege brachte, diese besonderen Leute an einen Tisch zu holen. Es wäre einen Paukenschlag.
    Schmunzelnd folgte ich seinem Themenwechsel, zustimmend nickte ich.


    „Ja, es ist auch in meinen Augen etwas ganz Besonderes, dass er mir Kontovollmacht gegeben hat, und es kommt in der Tat einer Auszeichnung gleich. Er hätte mir genauso gut einen größeren Betrag mit der Bitte überweisen können, ihn in Raten wöchentlich an Aulus zu überweisen. Soph regelt ansonsten alles, was die Gens betrifft, alleine. Er hat mir bisher nie irgendwelche Tätigkeiten die Gens und schon gar nicht sich betreffend gestattet. Meinem Vater schon eher, einfach deswegen, weil Toni ein Mann ist.“


    Ich zwinkerte meinem Onkel zu. So war das eben in traditionellen Familien und ich hatte keinen Grund, mich zu beklagen.


    „Von meinem Vater habe ich übrigens seit langem Kontovollmacht erhalten, aber seine Erlaubnis hatte mich damals weder überrascht noch in besonderem Maße geehrt. Die beiden Männer sind grundverschieden, das macht den Unterschied. Mein Vater hält sich überhaupt nicht bedeckt, an ihn komme ich ohne weiteres ran. Er ist wie du - kein Wunder, ihr seid Brüder.“

  • Laut schallend musste ich lachen. Meine Nichte muss man einfach lieb haben.
    "Ha, mein Bruder und ich? Na, wir sind grundverschieden. Du willst doch wohl nicht andeuten, dass Du in mir, wie in einem offenen Buch lesen kannst."


    Meine Eingeschnapptheit war gespielt, und diese war es nicht einmal sehr gut. Nein, sie war lausig gespielt, und deshalb musste auch ich meine ernste Mine ablegen und kopfschüttelnd lachen. Einige Tränen bildeten sich sogar, etwas, was bei mir selten passiert.


    "Hör auf, Nichte, ich bekomme sonst Schluckauf."


    Die Idee des großen Tisches gefiel mir sehr, hicks.


    "Deine Anregung gefällt, hicks, mir. Das wäre eine Diskussionsrunde nach meinem Geschmack, ich, hicks, denke, wir, hicks, sollten uns ein gutes, hicks, Thema einfallen lassen."


    Schmollend sah, hicks, ich meine Nichte an. Sie war imemrhin, hicks, an meinem Schluck,hicks,auf, schuld.


    "Denkst Du, diese Runde würde ein Thema religiöser Natur vorziehen? Oder sollte es militärhistorisch sein? Spontan fällt mie Eugenius als Teilnehmer ein. Wär stünde noch auf, hicks, Deiner Liste.


    Sim-Off:

    Erfrischungen sind in der WiSim serviert worden, Deandra, hicks

  • Ich habe stets ein waches Ohr auf meinen Herrn und reagierte prompt.
    Dezent servierte ich einige Erfrischungen. Auch steckte ich im heimlich einen Zettel zu und nickte lächelnd. Er wüsste schon.

    "Es befindet sich draußen. Soll ich es hereinholen?"

  • Zitat

    Original von Titus Aurelius Cicero
    Laut schallend musste ich lachen. Meine Nichte muss man einfach lieb haben.
    "Ha, mein Bruder und ich? Na, wir sind grundverschieden. Du willst doch wohl nicht andeuten, dass Du in mir, wie in einem offenen Buch lesen kannst."


    „Und was passiert, wenn ich jetzt „ja“ sage?“


    Ich amüsierte mich köstlich. Zudem hatte er Schluckauf, als wäre er sturzbetrunken.


    „Nein, ein religiöses Thema würde ich nicht wählen, dann lieber ein historisches, die Geschichte des Reiches betreffend oder Feldherren, Schlachten. Oft haben solche Dispute ohnehin ihr Eigenleben und entwickeln sich. Eugenius … ja, warum nicht, wobei ich ihn nur unzureichend einschätzen kann. Männer von Sophs Kaliber findet man nicht so oft … hm, lass mich überlegen. Der König, ganz klar, Meridius wäre gut, aber der hält sich fast nie in Italia auf. Macer, das wäre gut! Er ist sogar – wie ich gehört habe – die nächsten Wochen in Rom. Ich zweifle nicht daran, dass er gewählt wird, zu welchem Amt auch immer er kandidieren wird – viele Möglichkeiten gibt es ja nicht. Als frühesten Termin für Sophus wäre allerdings Anfang bis Mitte Mai einzuplanen.
    Es gibt noch einen weiteren Römer, der recht umstritten ist. Ihn zu laden wäre sicher interessant, wenn auch nicht unproblematisch - ein Aelier, Hadrianus heißt er. Bestimmt gibt es weitere, wir könnten uns umhören, aber viele tun nur so, als wüssten sie etwas, das ist das Problem. Ah, Furianus fällt mir hierzu noch ein. Ich denke, bei ihm steckt wirklich Wissen dahinter.“


    Warum überstürzen? Es war genügend Zeit, sich weitere zu überlegen. Gedanklich abwesend griff ich nach Titus’ Angebot. Von den drei Hühnern nahm ich mir natürlich nur eins. Ich war doch kein Vielfraß. Den Wein streifte ich nur flüchtig.


    Sim-Off:

    Danke! Wie gesagt, ein Huhn. :)


    „Ach, Onkel Titus, sicher weißt du das noch nicht. Ich trinke überhaupt keinen Alkohol oder sagen wir, ich muss einen Grund haben, wenn ich mir dieses Zeugs einverleibe. Es schmeckt mir einfach nicht und das ist auch kein Wunder, überlegt man sich, dass der Wein schlecht gewordener Traubensaft ist.“
    Diese Erklärung gab ich immer wieder mit großer Freude ab. Mir war schleierhaft, was Menschen an gegorenem Saft toll fanden.


    Neugierig blickte ich schließlich zur Tür. Wen wollte denn mein Onkel zu unserem Gespräch hinzuziehen?

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