• Die Menschen sind innerhalb der Ständegesellschaft an eine strenge Ordnung gebunden. Der Standeskodex regelt die Handlungsweisen seiner Mitglieder in rituellen Formen seit alters her immer gleich. Der Spielraum für eigene Gedanken, eigenen Stil und eigene Absichten gegenüber dem Publikum ist begrenzt: die vielfältigen (sozialen, politischen, religiösen, akademischen) Regeln haben Vorrang.
    Dies war nicht nur in der Antike so, sondern zog sich über Mittelalter,Absolutismus bis in die heutige Zeit hinein.
    Die römische Gesellschaft unterteilt er in zwei ungleich große Hauptgruppen, in Oberschichten, honestiores, und Unterschichten, humiliores. Ein eigenständiger Mittelstand fehlte.
    Die Oberschicht umfasste nicht einmal 1% der Gesamtbevölkerung des Reiches. Zur Oberschicht gehörten folgende Gruppen: der Kaiser, der Senatorenstand, der Ritterstand, der Decurionenstand (Amtsinhaber in Gemeinden außerhalb Roms) und die kaiserliche Familie sowie reiche Freigelassene. Der ‚Stände'-Begriff, ordines, trifft nicht auf die kaiserliche Familie und die reichen Freigelassenen zu, die nur im Hinblick auf ihren Besitzstand und zum Teil auf ihren politischen Einfluss zur Oberschicht gezählt werden können, jedoch nicht in geschlossenen, korporativ verfassten gesellschaftlichen Einheiten organisiert waren.
    Die überwältigende Mehrheit der römischen Bevölkerung zählte jedoch zu den Unterschichten, auf die der Ständebegriff ebenfalls nicht zutrifft. Diese stark heterogenen Unterschichten sind am besten nach ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit, nach Städtern und Ländlern sowie nach rechtlichen Kriterien als Freie (liberi), als Freigelassene (liberti) oder als Sklaven (servi) zu klassifizieren.
    Die soziale Aufwärts- sowie Abwärtsmobilität war innerhalb der Ober- und Unterschicht recht groß, wogegen wichtig zu betonen ist, dass die Grenze zwischen den beiden Hauptgruppen nahezu undurchlässig war.


    Ein weiteres juristisches Klassifizierungsmerkmal innerhalb der römischen Gesellschaft ist das des Bürger-Status. Im Zuge der Unterwerfung Italiens durch Rom und der Ausbreitung der römischen Herrschaft über Westeuropa bis hin nach Asien wurde immer mehr Bewohnern des römischen Reichs der Bürgerstatus und damit bestimmte Privilegien übertragen.
    Um 100 n. Chr. zeichnete sich die Millionenstadt Rom durch die große ethnische Vielfalt seiner Einwohner aus. Ca. 80 % der Einwohner waren nicht stadtrömischer Herkunft.


    Die honestiores



    1) Die Sozialisationsinstanz Familie


    Es existierten zur Zeit des Prinzipats mehrere Familientypen: die Mehrgenerationenfamilie, die Kleinfamilie und die Kernfamilie (vgl. oben unter I).
    Die Rechtsgewalt des männlichen Familienoberhaupts wurde als patria potestas bezeichnet, deren strenge Rechtsvorschriften vor allem für die Oberschichten galten. Die patria potestas umfasste ursprünglich sogar das Recht, über Leben und Tod der Familienmitglieder zu entscheiden, Babies auszusetzen, körperliche Gewalt gegen Familienmitglieder auszuüben, Familienmitglieder in die Sklaverei zu verkaufen oder den Sohn zur Scheidung zu zwingen.
    Die Ehefrauen standen in der Rechtsgewalt des Mannes, die Ehe selbst hieß dementsprechend Manus-Ehe. Diese Rechtsform der Ehe nahm in der Kaiserzeit ab.
    Dem pater familias gehörte der gesamte Familienbesitz - selbst die erwachsenen selbständig lebenden Söhne besaßen nichts, solange der Vater noch lebte.


    Erzogen wurde das römische Kind bis zum Alter von 7 Jahren von der Mutter, danach kam der Vater ins Spiel. Jungens bekamen ab 7 Jahren einen paedagogus als Vertrauensperson zur Seite gestellt. Wohlhabende Römer bezahlten außerdem einen Privatlehrer. Für Jugendliche ab 14 Jahren kamen weitere Instanzen hinzu. Normalerweise brauchte sich ein Jugendlicher der Oberschicht keine Sorgen über seine Zukunft zu machen - eine typische Oberschichtkarriere war ihm vorgezeichnet. Meist folgte nach dem Anlegen der toga virilis (s.o. unter II) die Lehrzeit auf dem Forum, tirocinium fori. Der junge Mann wurde einem Rechtsbeistand oder einem Politiker übergeben und machte bei diesem ein Praktikum in Recht beziehungsweise Politik.
    Für die Institution Familie war die Familientradition außerordentlich wichtig. Der Einzelne stand in der Reihe seiner Ahnen. Ein Zeugnis dafür legt ab, dass bei Beerdigungen Masken der Toten mitgetragen wurden. Entsprechend der vergangenheitsorientierten Mentalität der römischen Gesellschaft waren die Sitten der Vorfahren, mos majorum, zugleich die Werte der Nachkommen.



    2) Die honestiores: Die Sozialisationsinstanz der Peer-group



    Die Peer-group-Kultur in Rom bestand aus relativ losen Freundschaftsgruppen, aus engen Freundschaften zwischen zwei Männern, aus studentischen Gruppen und aus den sogenannten collegia juvenum, einer Art Staatsjugendorganisation.
    Zunächst zu den nicht organisierten Formen der Jugendkultur: Anders als in Griechenland war die innige Freundschaft zweier Männer weniger eine homosexuelle Beziehung, wenngleich diese zwischen zwei freien Männern durchaus möglich war. Dagegen gehörte das sexuelle Verfügungsrecht eines Freien über seinen Sklaven oder seine Sklavin zu seinem selbstverständlichen Herrenrecht. Eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen reicher junger Römer war das ausgiebige Feiern im Freundeskreis, das als harmloses Vergnügen toleriert wurde.
    Zu den studentischen Gruppen: Die studentische Kultur zeichnete ein reges Kneipenleben aus. Neuankömmlinge, die von Studenten für ihre Professoren zu gewinnen versucht wurden, wurden nach festen Riten aufgenommen.
    Der Konservativismus der römischen Gesellschaft (s.o. unter IV.1) bewirkte eine Gegenbewegung der jungen Generation, die beispielsweise gegen den Militarismus rebellierte. So findet sich bei Catull ein Lob der Künste. Eine Minderheit der Oberschichtjugendlichen propagierte alternative Werte wie Liebe und Freundschaft. Kaiser Augustus versuchte dieser ‚staatszersetzenden' Bewegung gegenzusteuern, indem er eine Staatsjugendorganisation, die sogenannten collegia juvenum, ins Leben rief, deren Ethos Militär und Arbeit hieß. Diese Kollegien organisierten Massenaufmärsche für die vornehme römische Jugend. Die Enkel des Augustus wurden zu Jugendführern ernannt. Während in Rom selbst die Kollegien mit der Zeit ihren militärischen Charakter verloren, hielt sich dieser in Randgebieten wie beispielsweise Ladenburg. Allerdings stellte sich der Kaiser mit seinem Versuch, der jugendlichen Alternativbewegung mittels der collegia juvenum gegenzusteuern, selbst ein Bein, da sich die Kollegien teilweise zum Sammelbecken einer jugendlichen aristokratischen Opposition gegen den Kaiser entwickelten.




    3) Die honestiores: Die Sozialisationsinstanzen Ausbildung, Arbeit und Beruf



    Die philosophie- und geistesgeschichtlich wirksam gewordenen Werte der Oberschichten waren virtus, die Tugend, und otium, die Muße. Zwar priesen die Römer gerne das einfache bäuerliche Leben, doch galt das Ethos der produktiven manuellen Arbeit in der Praxis nicht. Berufliche Einsatzfelder für junge Männer waren: die Landwirtschaft, aber nur im Sinne der Verfügung über Großgrundbesitz, den andere bearbeiteten, das Rechtswesen, die Politik und das Militär. Dabei durchliefen sie keine Ausbildung im heutigen Sinn, sondern lernten durch Zusehen und Beobachten. Der ideale Senator war Politiker, Verwaltungsbeamter und Feldherr zugleich, wobei dieses System seine Tücken hatte. Schon seit Mitte des 2. Jahrhunderts zeigte sich, dass in den Grenzkriegen Amateurgeneräle überfordert waren, so dass zunehmend Berufsoffiziere ausgebildet wurden, die ihr Handwerkszeug ‚on the job' lernten.



    Die humiliores



    1) Die Sozialisationsinstanz Familie



    Wie oben schon bemerkt zeichnete die verschiedenen Gruppen der Unterschichten eine große Heterogenität aus. In der Stadt waren Ärzte und Lehrer den Handwerkern gleichgestellt. Eine ähnliche Berufung auf die Familientradition wie in den Oberschichten fehlte. Die meisten Jugendlichen oder selbst Kinder wie beispielsweise die Kinder der Händler arbeiteten sehr früh. Aus Grabinschriften ist zu ersehen, dass die Familien städtischer Freigelassener und Sklaven oft sehr eng zusammenhielten, so dass ehemals versklavte Familienmitglieder nach ihrer Freilassung wieder zusammenfanden. Auch als Ganzes versklavte Familien zeichnete ein enger Zusammenhalt aus. Anders war die Situation der versklavten Jugendlichen: Viele konnten keinen Kontakt zur Familie halten. Sie erhielten, als zugehörig zum Haushalt des Besitzers betrachtet, nach ökonomischen Prinzipien, das heißt zum Vorteil ihrer Herren, eine Berufsausbildung.
    Die Familienstruktur der freien ländlichen Unterschichten, von der freien Kleinbauernfamilie über die Pächter bis zu den besitzlosen freien Landarbeitern, dürfte der Familienstruktur der bäuerlichen Bevölkerung des frühneuzeitlichen Europa vergleichbar sein. Verglichen mit der Situation der Sklaven auf den Latifundien waren die jungen Sklaven bei den kleinen Bauern besser gestellt, sie teilten eher deren Familiensituation.



    2) Die humiliores: Die Sozialisationsinstanz der Peer-group


    Wie in Bezug auf die Familienstruktur ist auch über die Peer-groups der Unterschichten weniger bekannt als über die der Oberschichten. Freie junge Handwerker konnten sich in sogenannten popinas, einer Art Barbistro, das zum Teil zugleich Hotel- und Bordellbetrieb war, treffen. Prostituierte waren meist versklavte Mädchen, so dass hier leicht zynisch von einer Art ‚Zwangs-Peer-group' gesprochen werden kann. Weitere Peer-groups waren Berufsvereinigungen, in die auch Lehrlinge aufgenommen wurden, oder die Gruppen der am paedagogium einer reichen Familie für das Familienimperium ausgebildeten SklavInnen.



    3) Die humiliores: Die Sozialisationsinstanzen Ausbildung, Arbeit und Beruf


    Auch für die Unterschichten existierten keine geregelten Ausbildungsgänge. Dennoch erlernten Jugendliche qualifizierte Berufe wie Arzt, Ingenieur oder Architekt. Sie erlernten ihr Handwerk durch eine nonformale Ausbildung bei einem schon praktizierenden Meister. Ärzte gab es unter Freien, Freigelassenen und Sklaven. Im Laufe der Zeit änderte sich das römische Ausbildungswesen von der Methode des ‚learning by doing' über halbreglementierte bis hin zu formalisierten Ausbildungswegen.
    Die Arbeitsteilung in der Stadt war im Gegensatz zu der auf dem Land hoch ausdifferenziert. Das technologische Niveau der Antike erlaubte Manufakturen. So wurden beispielsweise Bücher hergestellt, indem das Original einfach nach Diktat mehrfach mitgeschrieben wurde. Die meisten Betriebe waren klein, beschäftigt waren Familienangehörige, freie Lohnarbeiter und Sklaven. Handwerker, sowohl die Arbeitgeber als auch die abhängig Beschäftigten, organisierten sich in Berufsvereinigungen. Diese collegia wurden unterdrückt, sobald sie gegen den Kaiser opponierten. Die collegia hatten Statuten, verfügten zum Teil über eine eigene Feuerwehr, organisierten gemeinsame Essen oder Begräbniskassen. Auch Lehrlinge wurden aufgenommen. Frauen gründeten eigene Berufsvereinigungen. Die collegia waren wichtige berufliche Sozialisationsinstanzen, die allerdings entpolitisierend wirkten.



    Honestiores und humiliores: Die Sozialisationsinstanz Schule



    Das römische Reich hatte ein sehr viel dichteres Schul- und Universitätsnetz als beispielsweise das mittelalterliche Europa. Der Alphabetisierungsgrad der Bevölkerung ist wohl relativ hoch anzusetzen, angesiedelt zwischen der Leseschreibfähigkeit des europäischen Mittelalters und der des heutigen Europa. Die Tatsache, dass auch manche Sklaven lesen und schreiben konnten, bestätigt die relativ hohe Alphabetisierungsrate.


    Viele Kinder, auch die Mädchen, hatten zumindest die Elementarschule besucht, kleine Privatunternehmen, die sich aus dem Schulgeld der Eltern finanzierten. Elementarschulen gab es in Rom wohl schon sehr früh - in Etrurien wurden Schultafeln aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. gefunden. Während die anderen Schulformen im Laufe der Zeit der staatlichen Schulfürsorge unterworfen wurden, blieben die Elementarschulen von einer festen staatlichen Aufsicht ausgespart. Seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. waren diese Schulen über das ganze Reich auch in den kleineren Gemeinden verbreitet. Gelehrt wurde Schreiben, Lesen und Rechnen. Die Elementarschule wurde im Alter von 7 bis 11 oder 12 Jahren besucht.
    Nach dem Modell der Psychoanalytischen Pädagogik, das eine ‚kalte' von einer ‚warmen' Erziehung unterscheidet, herrschte dort die erstere Erziehungsstrategie. Diese ist gekennzeichnet durch einen hohen Grad an Lenkung der Kinder, durch Abstoßung und Kälte im Gegensatz zur ‚warmen' Erziehung, welche die Kinder weniger lenkt und mehr auf liebevolle Zuwendung und Wärme setzt. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die römische Erziehung eher autoritäre Charaktere hervorgebracht hat.


    In der Sekundarstufe wurde vor allem Grammatik unterrichtet. Im 3. Jahrhundert v. Chr. zeigten sich in Rom die ersten Ansätze zur Einrichtung einer höheren Schule, die der hellenistischen Grammatikerschule nachgebildet war. Zunächst handelte es sich um eine einfache Übernahme: Griechische Sklaven lehrten in ihrer Muttersprache griechische Literatur in Rom. Später wurde diese griechische Literatur in lateinischer Sprache behandelt und schließlich wandte man sich originalrömischen Texten zu. Seit Augustus gab es die lateinische Grammatikerschule mit Vergil als Fundament der literarischen Bildung. Dennoch blieben das Griechische und das Lateinische die Grundlage der zweisprachigen höheren Bildung Roms. Besucht wurde die Grammatikerschule von den jungen Männern bis zum Empfang der toga virilis, also maximal bis zum 17. Lebensjahr.


    Die Tertiärstufe war die Hochschulstufe, die Rhetorenschule, welche die Söhne der Oberschichten auf ihre Laufbahn im Rechtswesen und in der Politik vorbereitete. Die Rhetorik bildete den eigentlichen Inhalt der Hochschulbildung. Die Philosophie hatte einen geringeren Stellenwert. Auch die Rhetorik wurde zunächst nur als griechische Disziplin betrieben, bald aber ins Lateinische umgesetzt. 161 v. Chr. wurden die Rhetoren und Philosophen aus Rom vertrieben. Zweihundert Jahre später jedoch ist ihre rege Aktivität für Rom durch Seneca belegt. Wie in der Grammatikerschule blieb der Unterricht zweisprachig. Der Beruf des rhetor war der sozial angesehenste der Lehrberufe. Der Unterricht umfasste die Theorie der Rhetorik, die Lektüre der Redevorbilder und die Abfassung von Deklamationsübungen. Besonders wichtig waren die Überzeugungsrede, die suasoria, und das Streitgespräch, die controversia. Spätestens im 4. Jahrhundert verfügten alle Provinzen über staatliche Hochschulen. In der Spätantike befanden sich die wichtigsten Schulen für den Rechtsunterricht in Beirut und Konstantinopel.


    Im Laufe der Zeit wurde die soziale Funktion der Schule als Stabilisator des Staates und früh wirksamer Mechanismus, um Status und soziale Aufstiegschancen zuzuweisen, erkannt. Dementsprechend wandte sich in der Kaiserzeit das staatliche Interesse zunehmend der Grammatiker- und der Rhetorenschule zu. Erste Ansätze zu einer allgemeinen staatlichen Schulaufsicht in Bezug auf die Grammatikerschule zeigen sich in der Beschränkung der Privilegien auf Lehrer, die von der Gemeinde geprüft worden waren. Aber noch in Diokletians Höchstpreisedikt aus dem Jahr 301 n. Chr. war von einem weitgehend privaten höheren Unterricht die Rede. Im 4. Jahrhundert jedoch wurde es üblich Grammatiker öffentlich anzustellen, wobei von einer vollkommenen Kontrolle seitens des Staates nicht gesprochen werden kann. Zum einen erhielten die Lehrer auch ein privates Honorar von ihren Schülern, zum anderen gab es keine eigentliche staatliche Schulbehörde, sondern die kaiserliche Regierung übernahm nur eine gewisse Aufsichtsfunktion. Gesetzlich festgelegt wurden die Zahl der öffentlichen Lehrer und das Gehalt, das die Gemeinden zu bezahlen hatten. Nachdem die Gemeinden einen Grammatiker zugelassen hatten, brauchte dieser noch die kaiserliche Bestätigung.
    Der Vorgang des staatlichen Zugriffs auf die Rhetorenschule verlief wohl analog zu dem auf die Grammatikerschule. Eine staatliche Besoldung scheint ab dem 2. und 3. Jahrhundert verbreitet gewesen zu sein. Eine gesetzliche Bestimmung darüber findet sich zuerst im 4. Jahrhundert und bestand zumindest noch im 6. Jahrhundert.
    Im 5. Jahrhundert verdichtete sich dieses System zu einem direkten staatlichen Schulmonopol: Durch ein Edikt Theodosius II wurde in Konstantinopel jeder nichtstaatliche öffentliche höhere Unterricht, also sowohl in Bezug auf die Grammatiker- als auf die Rhetorenschule, endgültig verboten.
    1789 schlließlich ertönte der revolutionäre Ruf nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkleit. Wärden der Begriff der Brüderlichkeit in die Entstehungszeit des Mittelalters zurückgeführt wird, stammen der Ruf nach Freiheit und Gleichheit aus der antiken Gesellschaft, in der derjenige im Prinzip die volle Verfügungsgewalt über denjenigen hatte, der in dem Dickicht des Standesgeflechtes unter ihm stand. Und doch dauert das Ständesystem in Grundzügen bis heute an.



    nach Géza Alföldy

  • hui, was für eine Fülle an Informationen...:)


    Zitat

    Original von Publius Aelius Hadrianus
    Die soziale Aufwärts- sowie Abwärtsmobilität war innerhalb der Ober- und Unterschicht recht groß, wogegen wichtig zu betonen ist, dass die Grenze zwischen den beiden Hauptgruppen nahezu undurchlässig war.


    Hm, den Satz versteh ich jetzt nicht ganz. Kannst du das erklären?


    Zitat

    Die patria potestas umfasste ursprünglich sogar das Recht, über Leben und Tod der Familienmitglieder zu entscheiden, Babies auszusetzen, körperliche Gewalt gegen Familienmitglieder auszuüben, Familienmitglieder in die Sklaverei zu verkaufen oder den Sohn zur Scheidung zu zwingen.


    Ursprünglich? Ab wann galt das nicht mehr und was genau wurde dann nicht mehr als rechtens angesehen?


    Zitat

    Dem pater familias gehörte der gesamte Familienbesitz - selbst die erwachsenen selbständig lebenden Söhne besaßen nichts, solange der Vater noch lebte.


    Vollkommen richtig. Dennoch hat ein sorgender Vater den Kindern ein peculium eingerichtet (anders gesagt: ihnen Geld gegeben, damit sie damit wirtschaften konnten), damit die Kinder den Umgang mit Geld erlernen konnten. Das was die Kinder dann damit erwirtschafteten gehörte zwar de iure dem pater familias, de facto aber schon den Kindern.

  • Zitat

    Original von Publius Aelius Hadrianus
    Die soziale Aufwärts- sowie Abwärtsmobilität war innerhalb der Ober- und Unterschicht recht groß, wogegen wichtig zu betonen ist, dass die Grenze zwischen den beiden Hauptgruppen nahezu undurchlässig war.


    Hm, den Satz versteh ich jetzt nicht ganz. Kannst du das erklären?
    +++
    Ich versuche es einmal. Als Beispiel nehme ich sehr vereinfachend einen Patrizier und einen Pleibejer. Vom Stand her (ohne Berücksichtigung der Ständekämpfe) würde der Patrizier den Vertreter der Oberschicht darstellen. Der Pleibejer den Vertreter der Unterschicht. Nun kann aber der Patrizier selbst verarmen und z.B. als Klient gesellschaftlich in die Unterschicht absteigen. Andersherum kann der Pleibejer an gesellschaftlichem Einfluß gewinnen und in die Oberschicht aufsteigen und den verarmten Patrizier als Klienten in Obhut haben. Standesmäßig wäre die Pyramidenschicht nun umgekehrt. D.h. Der Pleibejer würde rein subjektiv über diesem Patrizier stehen. Aber:
    Die Zugehörigigkeit zu dem alten Adel kann immer nur der Patrizier haben, diese wird durch das Blut bestimmt und bleibt demzufolge dem Pleibejer immer verschlossen, egal wie reich und gesellschaftlich angesehen er ist.


    Ersichtlich wird selbst in diesem kleinem Beispiel schon eins: Der Stand resultiert aus mehreren Faktoren. hier sind es zwei: der gesellschaftliche Status (meinetwegen aufgrund Reichtums) und aufgrund der Geburt.
    Um es zu komplettieren, kommen noch andere Faktoren wie religiöse, politische, soziale etc.pp hinzu.
    Aus diesem Knäuel resultiert nun das Benehmen, die Erziehung, der Stolz der jeweiligen Familie.


    Vereinfachend kann man selbst den heutigen Hochadel zu Hilfe ziehen. Obwohl abgeschafft, begegnet man diesen Menschen selbst heute noch mit Respekt und Ehrfurcht. Selbst als armer Schlucker, werden sie ehrfürchtig behandelt: einzig der Tatsache geschuldet, daß irgendwann einmal ein König oder Kaiser ihr Vorfahre war und sie ein von Hohenzollern, von Wettin, von Sachsen- Coburg, etc. im Namen tragen.
    Warum stehen Menschen vor Ehrfurcht starr, wenn die Queen aus ihrem Wagen steigt?
    Warum legen Menschen Wert auf den Titel Professor oder Doktor?


    Die Römer waren nicht anders. Nur bei ihnen war der heutige Titel die Familie und deren Vorfahren
    .

    Zitat

    Die patria potestas umfasste ursprünglich sogar das Recht, über Leben und Tod der Familienmitglieder zu entscheiden, Babies auszusetzen, körperliche Gewalt gegen Familienmitglieder auszuüben, Familienmitglieder in die Sklaverei zu verkaufen oder den Sohn zur Scheidung zu zwingen.


    Ursprünglich? Ab wann galt das nicht mehr und was genau wurde dann nicht mehr als rechtens angesehen?
    Spätantike. Genauer weiß ich es nicht. War sicher auch überfließend. Konservative Familien werden da länger festgehalten haben, als tolerantere Männer.



    Zitat

    Dem pater familias gehörte der gesamte Familienbesitz - selbst die erwachsenen selbständig lebenden Söhne besaßen nichts, solange der Vater noch lebte.


    Vollkommen richtig. Dennoch hat ein sorgender Vater den Kindern ein peculium eingerichtet (anders gesagt: ihnen Geld gegeben, damit sie damit wirtschaften konnten), damit die Kinder den Umgang mit Geld erlernen konnten. Das was die Kinder dann damit erwirtschafteten gehörte zwar de iure dem pater familias, de facto aber schon den Kindern.[/quote]


    Ich vergleich es immer mit dem Spielzeug für Kinder. Solange die Eltern dem Kind erlauben damit zu spielen, gehört es dem Kind. Nehmen sie es dem Kind weg, wars das. (Ich weiß juristisch isses falsch. :P)

  • Zitat

    Original von Publius Aelius Hadrianus
    Die Zugehörigigkeit zu dem alten Adel kann immer nur der Patrizier haben, diese wird durch das Blut bestimmt und bleibt demzufolge dem Pleibejer immer verschlossen, egal wie reich und gesellschaftlich angesehen er ist.


    Also ganz vereinfacht gesagt: Auf- und Abwärsmobilität aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse, aber die Standesgrenzen können nicht durchbrochen werden, oder?
    Aber was ist, wenn eine Familie nobilitiert wird? Sicher werden sie dann vom alteingessenen Adel nicht so respektiert werden, aber andererseits wird eine Familie auch nicht so mirnixdirnix nobilitiert.


    Zitat

    Spätantike. Genauer weiß ich es nicht. War sicher auch überfließend. Konservative Familien werden da länger festgehalten haben, als tolerantere Männer.


    Und was genau wurde dann abgeschafft? Ich weiß, ich bin neugierig :D


    Zitat

    Ich vergleich es immer mit dem Spielzeug für Kinder. Solange die Eltern dem Kind erlauben damit zu spielen, gehört es dem Kind. Nehmen sie es dem Kind weg, wars das. (Ich weiß juristisch isses falsch. :P)


    Typische Juristen-Antwort: Kommt drauf an. :) Ein Kind kann durchaus Eigentum begründen, aber des lassen wir lieber. :)

  • Recht ordentliche Zusammenfassung. Was den Bereich Bildung und Erziehung angeht, sehe ich aber Defizite: Die wesentlichen Unterschiede zwischen griechisch beeinflusstem und altrömischem Bildungssystem hätte man genauer ausarbeiten und auf den Punkt bringen können. Der Autor des Textes hantiert ebenfalls für meinen Geschmack etwas zu großzügig mit den Jahrhunderten. Dadurch entstehen leider Ungenauigkeiten, die zwar nicht falsch, aber durchaus vermeidbar sind.


    Zitat

    Erzogen wurde das römische Kind bis zum Alter von 7 Jahren von der Mutter, danach kam der Vater ins Spiel. Jungens bekamen ab 7 Jahren einen paedagogus als Vertrauensperson zur Seite gestellt. Wohlhabende Römer bezahlten außerdem einen Privatlehrer.


    Wenn du sagst: "Römischer Sohn", stimmt das. Soweit ich informiert bin, blieb das Mädchen immer (auch nach dem siebten Lebensjahr) unter mütterlicher Obhut. Der Junge wurde bis ins "Puer-Alter", also dem siebten Lebensjahr übrigens ebenfalls von der Mutter erzogen. Der Vater kam dann später ins Spiel.
    Das mit dem Privatlehrer muss weiter abgegrenzt werden, denn wenn es um Lehrer und Schulen geht, sprechen wir von einem zwar römischen, aber von den Griechen maßgeblich beeinflusstem Bildungs- und Erziehungswesen, welches das altrömische abgelöst hat. Dieser Wechsel fiel in die Zeit des 2. Jh. v. Chr. .

  • zu.1: Gesellschaftlich war der Pleibejer ein "Pleps" in den Augen der Patrizier. Ausnahmen bestätigen die Regel. ;)
    Beruflich konnte nat. ein Pleibejer über den Patriziern stehen und ihnen Anweisungen erteilen. So waren ja viele Kaiser pleibejscher Abstammung. Ich würde meinen, daß hier sicher oft von den patrizischen Familien nach vorn geschleimt wurde aufgrund der Machtfülle des ihnen übergeordneten Kaisers und hintenrum salopp gesagt auf Partys man lieber unter sich weilte, wenn es nicht wieder als Gegenpol gewisse gesellschaftliche oder auch wirtschaftliche Zwänge ein Einladen von aus ihrer Sicht " niederen pleibejschen Subjekten" (bewußt etwas überspitzt) erforderlich gemacht hätten.


    Analog ist dies auch noch heute zu finden zwischen Geburtsadel und geadelten bürgerlichen Personen.
    Beispiel: Man pflegte altgediente Offiziere und Beamte zu adeln. Der Geburtsadel verabscheute sie als "Emporkömmlinge". Andererseits mußte man sie auch akzeptieren, weil man sich sonst gegen den wiederrum höher stehenden Kaiser aufgelehnt hätte.
    So fühlt sich dann der Hochadel als die verkörperung des reinen blauen Blutes, während der Niederadel doch nur Bürger bleibt.

  • Der Plebejer-Stand war doch ein recht inhomogener Haufen, wenn ich es richtig weiß und richtig interpretiere.


    Es gab da den „plebejischen Adel“, der bereits in der Republik sehr bedeutend war und regelmäßig Senatoren stellte.
    Dann gab es plebejische Familien, die auch alteingesessene Römer waren, die aber nur hin und wieder zu Senatoren kamen.
    Dann wieder Familien, sicher das Gros, die Italier waren, aber es nie in die oberen Ränge schafften oder solche, die aus der Provinz stammten und sich nach oben arbeiteten, die Homo Novi.
    Dann wieder Familien, die erst die zweite oder dritte Generation nach einem Freigelassenen darstellten und nicht zu vergessen die Römer, die gar keine Italier waren, sondern noch starke „barbarische“ Wurzeln hatten.


    So ein Plebejer, der in dem Bewusstsein lebte, dass bereits sein Ur-ur-Großvater Konsul gewesen ist, wird sich ein Selbstverständnis gehabt haben, dass einem Patrizier näher war, als ein Plebejer, dessen Vater noch kleiner Publikani in der Provinz war.
    Cicero, ein Homo Novus aus Arpinum, hatte ja stets mit dem Makel zu kämpfen, nicht nur kein Patrizier zu sein, sondern auch aus keiner alten, mächtigen Plebejer-Familie zu stammen.


    /edit: Latein-Mängel, danke Didia Aelia :)

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