Marsch einer Zenturie

  • "Ich hoffe es, was für ein Glück, dass sie diese auf einem leichten Hügel und gut abgeschirmt untergebracht haben. Der Centurio wird wohl wissen was er befohlen hat."


    Es wurde immer kälter und auch Vitulus nahm alle Kleidungsstücke derer er habhaft werden konnte zu sich und wickelte sie sich um. Claudius hat vorhin anscheinend ein Gebet nach oben geschickt. Möge es ihnen bald helfen.


    "Jetzt wäre mir sogar die lumpigste römische Casa ein Palast."


    Draußen wurde derweil das heulen und plätschern ruhiger. Ein Zeichen der Besserung, oder eine aufkommende Ruhe vor einem umso schlimmeren Sturm.

    „...minimaque conputatione miliens centena milia sestertium annis omnibus India et Seres et paeninsula illa (scil. Arabia) imperio nostro adimunt: tanti nobis deliciae et feminae constant!“ (Plinius, naturalis historia)"

  • Ich nickte zustimmend zu Vitulus’ Worten.


    „Mein Aufenthalt in einer Casa liegt verdammt lang zurück. Ich weiß nicht einmal mehr, wie sich ein normales Bett anfühlt.“



    Gerade erinnerte ich mich an unser unterbrochenes Gespräch beim Waffentraining.


    „Du wolltest mir schon immer einmal erzählen, wie du zur Legion gekommen bist. Jetzt ist dazu die Gelegenheit. Wir können nichts tun außer abzuwarten, bis das Unwetter sich legt. Etwas ruhiger klingt es ja schon. “

  • Das stimmte, Vitulus selber hatte diese Unterhaltung beinahe bereits vergessen. Mit leicht entrückten Augen erinnerte er sich an die Situation in der sie stattfand, sehr am Anfang seiner militärischen Laufbahn. Und mit traurigen Augen erinnerte er sich daran, wovon er erzählen wollte. Wenn er auch nicht gerne darüber sprach, gerade Claudius könnte er es erzählen.


    "Ich wurde von meinem Vater geschickt. Er selber war einst Prätorianer und ich vermute, dass er wollte dass ich in seine Fussstapfen trete. Besonders da wir uns lange Jahre nicht gesehen haben, wegen einiger Erlebnisse von mir im Osten, welches selber eine lange Geschichte ist... Mein Vater ist leider inzwischen.. nun zu unseren Ahnen gegangen. "

    „...minimaque conputatione miliens centena milia sestertium annis omnibus India et Seres et paeninsula illa (scil. Arabia) imperio nostro adimunt: tanti nobis deliciae et feminae constant!“ (Plinius, naturalis historia)"

  • Es war nicht zu übersehen und auch im Klang der Stimme nicht zu überhören, dass Vitulus schwer an dem Verlust seines Vaters trug. Ich war nicht gut im Trösten, mir fehlten dafür die rechten Worte. So legte ich nur meine Hand auf seine Schulter, drückte sie kurz, griff dann nach meinem Dolch und begann, sinnlose Zeichen in den Erdboden zu ritzen.


    Schweigend vergingen die nächsten Minuten und mir wurde klar, dass ich von meiner Familie fast gar nichts wusste. Nun selbst nachdenklich geworden, sprach ich leise meine Gedanken aus.


    „Für mich ist die Legion meine Familie. Ich bin nicht sicher, ob das richtig ist."

  • Längst hatte Sophus zur Weinamphore gegriffen, als die Nacht angebrochen war und jene Gedanken kamen, vor denen sich der Centurio mehr als vor allen anderen fürchtete. Gedanken, die ihn mit Ekel und Hass erfüllten.
    Und doch konnte er sie nicht betäuben, gar verhindern, als die Legion seinen Geist nicht mehr beschäftigen konnte und nur noch Regen, Wind und die gedämpften Gespräche aus den anderen Zelten in sein Ohr drangen.


    Wie ein wildes Tier im Käfig lief Aurelius durch das Zelt, dachte über die letzten Wochen und Monate nach. Darüber, wie er von jenem verlogenen Emporkömmling ausgenutzt, betrogen, verraten worden war. Von seinem Tische hat er ihn essen, in seinen Häusern wohnen, seinen eigenen Namen annehmen lassen.


    Weniger aus Zorn, sondern vielmehr aus Scham vor seinem eigenen Versagen traten Tränen aus seinen Augen hervor, Blut aus seiner Hand, als sie den Becher zerdrückte.


    "Vergib mir, Vater."


    Plötzlich fühlte er sich alt und müde.

  • Nach einer Weile spürte ich irgendetwas Feuchtes das meine Nase.
    Ich öffnete die Augen und merkte das die Zeltdecke offenbar ein kleines Leck hatte. Ich verfluchte den Tag und das Wetter, rückte ein wenig zur Seite und hoffte das, das Wetter wieder besser werden würde.
    Wenigstens war der Donner ein wenig leiser geworden und so war es leichter für mich wieder einzuschlafen.

  • Aus unruhigen Träumen, aber festem Schlaf erweckte ihn einer der Trossknechte. Wie der Centurio am Stand der Sonne erkannte, blieb keine Zeit für die langwierige Rasur - immerhin musste gefrühstückt und die Unteroffiziere mit Anweisungen bedacht werden. Auch wollten die für heute anstehenden Abbauarbeiten des Lagers beaufsichtigt werden.


    Mit routinierten Handgriffen legte Sophus die Uniform an - wenn es sich vermeiden lies, trat er niemals mit schmuddliger Arbeitskleidung vor die Männer. Im Hinausgehen schnappte er sich noch den Helm, den er unter den rechten Arm klemmte und trat mit übermüdet wirkendem Gesicht vor das Zelt.


    Gerade gab der Cornicen das Signal an die Soldaten zum Aufstehen.
    Bald würde der Platz wieder von kochenden und speisenden Legionären überfüllt sein.


    Verwundert blinzelte Sophus in den strahlend blauen Himmel - nichts erinnerte mehr an das schreckliche Unwetter der vergangenen Nacht; offenbar hatte sich der starke Regen in den frühen Morgenstunden abgeschwächt. Mit besorgtem Blick untersuchte er jedoch den Untergrund: Selbst die angrenzenden Weideflächen glichen eher den Moor- und Sumpfgebieten der Nordländer.


    'Na, da macht das Marschieren ja doppelt Spaß.', dachte der Zenturio mit einem schiefen Grinsen, während der matschige Boden unter jedem seiner Schritte wie zum Hohn aufgluckste.

  • Nachdem das Gespräch mit Vitulus verstummt war, fand ich dennoch keinen Schlaf in dieser Nacht. Zu vieles ging mir durch den Kopf. Das schwere Gewitter und dessen unklare Bedeutung schwangen nach. Nichts geschah sinnlos, alles kündete vom Willen der Götter.


    Lange bevor das Signal zum Aufstehen erklang war ich bereits auf den Beinen. Sah, obwohl es nicht meine Aufgabe war, nach dem Proviant, den Packtieren, dem Wall des Lager, nur um mich abzulenken. Ich grübelte darüber nach, was mir die Götter mit ihrem Zornesausbruch wohl sagen wollten, fand aber keine Erklärung.
    Was mich fast noch mehr verwunderte, war die Gleichgültigkeit mancher Soldaten. Wussten sie nicht um die Wichtigkeit der Religion oder war die Moral der Römer bereits schon so weit gesunken? War das der Grund, weswegen Juppiter zürnte? Dann tat er es zu Recht.


    Langsam kam Leben in das Marschlager und mir begegnete doch das eine oder andere unausgeschlafene Gesicht. Ich befasste mich alsbald mit dem Mahlen der Körner. Anstelle von Mehl erzielte ich Brei. Der Mühlstein war klamm und die Luftfeuchtigkeit tat ihr übriges.


    Ich aß ohne Appetit und fragte mich derweil, wie die schwer beladenen Wagen durch die Pampe bis zu einer befestigten Straße kommen sollten.

  • Froh, nicht glücklich darüber, dass dieser Tag ein solcher sein würde, welcher dazu dienen konnte, das eigene Versagen für einige Stunden zu verdrängen, nahm Sophus im Kreise der Unteroffiziere, welche bereits in regen Besprechungen über die Bodenbeschaffenheit der kommenden Streckenabschnitte verharrten, das Frühstück, die wichtigste Mahlzeit eines Soldaten, ein. Obwohl er keinen rechten Hunger hatte, konnte er sich doch durch Erfahrungswerte dazu zwingen, einige Happen der Getreidefladen, Käse, Speck, etwas Posca zu sich zu nehmen. Da es - wie fast immer - auch an jenem Tage kein wirkliches Mittagessen geben würde, war es umso wichtiger, ein reichhaltiges Essen am Morgen zu vertilgen.
    Wollte die Zenturie einigermaßen Strecke gutmachen, würde die körperliche Belastung für die Männer heute überdurchschnittlich hoch sein. Noch während des Frühstücks teilte der Centurio den Unteroffizieren, allen voran dem Optio, sein Vorhaben mit, das Feldlager so schnell als möglich abbrechen und die Zenturie nach getaner Arbeit marschfertig antreten lassen zu wollen.


    Nachdem einige Zeit an den Feuerstellen verstrichen war, gab der Cornicen den Befehl zum Räumen des Platzes. Der Centurio teilte erneut die Legionäre in Trupps zur Beseitigung des Erdwalles, Zuschüttung des Spitzgrabens, Bergung der Pila muralia, Abbau der Zelte und Tore ein. Ebenfalls wurden einige Contubernia dazu eingeteilt, die an Sammelpunkten systematisch angelagerten Baumaterialien auf die Maultiere und Karren zu verladen, während es weiterhin Aufgabe jeder Zeltgemeinschaft war, für die Pflege der eigenen Ausrüstung zu sorgen und diese entsprechend auf den Lasttieren aufzupacken.

  • Als das Signal zum Räumen des Platzes kam, löschte ich das Feuer, nahm Topf und Kasserolle, um sie in den Mantelsack zu packen. Mein Gesicht glühte inzwischen obwohl ich fror.
    Meinen Kameraden war ich beim Packen unseres Maultieres keine große Hilfe. So gut es ging, kam ich den mir zugedachten Aufgaben nach. Glücklicherweise musste ich nicht beim Begradigen der Wallanlage helfen.


    Ein Stoßgebet an Salus sollte mich den Rückmarsch überstehen lassen, zumindest hoffte ich das.

  • Wir verstauten gerade die Ausrüstungsgegenstände unserer Zeltgemeinschaft, als mir einer der Probati auffiel, der nicht nur übermüdet, sondern vor allem ungesund aussah.


    „Lass gut sein. Ich mach das für dich mit.“


    Skeptisch sah ich ihm hinterher, als er anschließend weitere Aufgaben zugewiesen bekam.


    Ich gehörte zu den Männern, die Graben und Wall ebenerdig machen sollten. Bis auf das Haupttor bestanden die anderen Tore des Marschlagers aus versetzt angeordneten und vorgelagerten Wallabschnitten. Schweigend arbeiteten die Soldaten. So richtig Stimmung wollte nicht aufkommen, jeder schien mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt zu sein.


    Oder auch damit, die Militärschuhe aus dem schmatzenden Erdreich zu ziehen. Nachdem sowohl Wall als auch Spitzgraben verschwunden und der ursprüngliche Zustand des Feldes einigermaßen wiederhergestellt war, verstaute ich meinen Spaten auf unserem Maultier.


    An mir hinab sehend, stellte sich schon jetzt Vorfreue auf die Reinigung meiner Schuhe und Schutzausrüstung ein.

  • Das Zuschütten des Grabens gehörte sicherlich zu den unbeliebtesten Aufgaben, da der starke Regenguss den Erdwall enorm schlammig hatte werde lassen und es durchaus vorkam, dass einer der Legionäre von selbigem in den noch etwa bis zur Hälfte mit Wasser gefüllten Spitzgraben abrutschte und seine Arbeitskleidung damit noch mehr ruiniert war als die der anderen Arbeiter.


    Während Sophus durch die Reihen der an allen Ecken und Enden schuftenden Legionäre schritt, fiel ihm auf, dass ein Contubernium unvollständig zu sein schien.
    Einen Soldaten, der gerade seinen Spaten auf einem der Maultiere verstaute, sprach er daher sogleich an.


    "Legionär, ist das dein Contubernium?"
    Der Centurio deutete auf sechs weitere Männer.
    "Soweit mir bekannt ist, befinden sich sämtliche Zeltgemeinschaften dieser Zenturie auf Sollstärke. Weshalb hat der betreffende Soldat nicht gemeldet, dass er sich offensichtlich von der Truppe entfernt hat? Um wen handelt es sich überhaupt?"

  • Ich zurrte gerade das verstaute Schanzwerkzeug fest, als ich angesprochen wurde. Sofort nahm ich Haltung an.


    „Centurio. Ja, das ist mein Contubernium. Dass sich ein Soldat abgemeldet hätte, ist mir nicht bekannt, jedoch fiel mir nach dem Frühstück ein Probat auf, welcher offensichtlich gesundheitliche Probleme hatte. Es handelt sich um Corvius Flavian. Er war zum Bergen der Schanzpfähle eingeteilt.“


    Von allen Probati, die auf diesem Marsch teilgenommen hatte, war das wohl der letzte, der sich unerlaubt von der Truppe entfernen würde, dachte ich bei mir. Er musste wohl ernsthaft erkrankt sein, körperliche Erschöpfung allein kam nicht in Frage.

  • "In Ordnung."
    Der Centurio nickte und prüfte mit einem kurzen Blick noch einmal die vom Contubernium zugeschütteten Grabenabschnitte.
    "Saubere Arbeit, Legionär. Haltet euch zum Appell bereit - die Arbeitsutensilien habt ihr ja bereits gereinigt und auf dem Maultier verstaut. Sage den anderen, sie sollen sich zum Abmarsch fertig machen. Um die Transportwägen und die Maultiere zu entlasten, soll jeder Legionär die volle Kampfausrüstung anlegen. Vale!"


    Sophus grüßte militärisch und machte sich, da der Optio gerade nicht in der Nähe war, persönlich auf die Suche nach besagtem Rekruten, den er nach Vesuvius' Auskünften in der Nähe der noch im Erdreich verbliebenen Pila muralia vermutete...

  • Nachdem ich, beim Beladen der Maultiere geholfen hatte, drehte ich mich um und blickte in Richtung der Gräben um zu sehen ob dort noch jemand gebraucht wurde. Scheinbar lief aber auch dort alles reibungslos und schnell ab sodass, ich abwartete ob mir neue Befehle zugeteilt wurden.

  • Ich erwiderte den militärischen Gruß und machte mich sofort an die Umsetzung der Anordnung.


    „Brucetus, Parvus und ihr da drüben. Die komplette Kampfausrüstung anlegen und zum Appell bereithalten. Bis zum Kochgeschirr und auch dem letzten Getreidekorn möchte ich alles am Mann sehen. Das Maultier hat genügend Last mit dem wasserdurchtränkten Zelt, den Schanzpfählen, Schanzwerkzeug und dem Mühlstein.


    Vitulus,“ Ich senkte meine Stimme etwas. „Vermutlich kommen Knecht und Gespann nicht allein aus diesem Morast heraus in Fahrt. Ich werde deine Hilfe brauchen.“


    Mit einem aufmunternden Kopfnicken machte ich uns beiden Mut. Der Rückmarsch würde Kräfte kosten, so viel stand fest und womöglich bekam das Gespann durch den Probaten Flavius eine zusätzliche Last.

  • Zitat

    Brucetus, Parvus und ihr da drüben. Die komplette Kampfausrüstung anlegen und zum Appell bereithalten. Bis zum Kochgeschirr und auch dem letzten Getreidekorn möchte ich alles am Mann sehen. Das Maultier hat genügend Last mit dem wasserdurchtränkten Zelt, den Schanzpfählen, Schanzwerkzeug und dem Mühlstein.


    Ich nickte und begann mir meine Aurüstung anzulegen. Schweigend werkelte ich an meine Aurüstung herum bis alles richtig saß.

  • Zufrieden sah ich, dass einer der Probati bereits seine komplette Ausrüstung angelegt hatte. Seine Waffen lagen griffbereit. Aus ihm würde wohl doch noch ein rechter Legionär werden.


    „Wenn die Entlastung des Wagens nicht reicht, müssen zusätzlich die Palisadenstangen und das Schanzwerkzeug während des Rückmarsches getragen werden. Stellt euch schon mal darauf ein. Wo bleiben die anderen?“


    Ich wollte fertig werden. Das Verschwenden von Zeit nütze niemandem. Wo war bloß Flavian? Noch immer waren wir nicht vollzählig. Suchend ließ ich meinen Blick durch das komplette Lager schweifen. Die einzelnen Zeltgemeinschaften standen dicht beieinander, warten auf den Abmarschbefehl. Nirgends war ein einzelner Soldat zu sehen.

  • Das Lösen der Seile an den Pila muralia war noch eine leichte Übung. Die Schanzpfähle aus dem Erdwall zu ziehen, schon bedeutend schwieriger. Mehrere Soldaten hatten mich schon angesprochen, weil ich kaum genügend Kraft dafür aufwenden konnte, aber ich winkte immer ab. Wollte nicht als Weichei dastehen, aber langsam ging es mit meinen Kräften wirklich bergab.


    Als der letzte Pfahl gezogen war und ein Soldat meiner Zeltgemeinschaft diesen wegbrachte, stützte ich die Arme erschöpft auf die Oberschenkel und beugte mich vor. Ich fühlte mich wie nach einem Zehntausendmeterlauf. Der Kopf dröhnte, der Atem rasselte, das Gesichtsfeld zog sich zusammen.

  • Fast alle Contubernia waren bereits in sauberen Reihen abmarschfertig angetreten, die Trossknechte spannten bereits die Karren an einige Maultiere, als der Centurio am Rande des ehemaligen Lagergebietes einen sichtlich erschöpften Soldaten erblickte.


    "Probatus Corvius Flavian, nehme ich an."


    Sophus zückte ein Wachstäfelchen und blickte den Rekruten stirnrunzelnd an.


    "Man berichtete mir, du seist gesundheitlich angeschlagen...und wie ich sehe, war diese Information korrekt."


    Jeder Laie sah sofort, dass dies nasskalte Wetter dem Probatus nicht bekam.


    "Fühlst du dich kräftig genug, den anstehenden Rückmarsch zu Fuß zu bewältigen?"

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!