Ich stand nun hier und sah auf das stets treibende Wasser. Ja, hier war ich wieder. Hier, wo Sextus ich meine Liebe gestanden habe. Und sie wieder zurückgenommen habe. Hier, wo ich nun stand. Was Sextus wohl gerade tat? Ob er meinen Brief bekommen hatte? Ob er an mich dachte? So viele Fragen und wieder einmal keine Antwort…
Ich sah zum grauen Himmel. Warum konnte ich ihn nicht vergessen? Warum war mein Herz genauso aufgewirbelt wie der Himmel? Warum waren meine Gefühle genauso stumm wie die Wolken? Warum war in meinem Hinterkopf immer eine Stimme zu hören, die mir wie das Gras von Sextus erzählte? Leise, eindringend?
Nein, unsere Liebe würde nicht in diesem Leben zugelassen werden, da konnte ich tun was ich wollte. Wir waren nicht füreinander bestimmt. Mein offenes Haar wurde vom Sturm mitgezerrt und flatterte vor meinem Gesicht stets hin und her, so wie mein Herz wenn ich an ihn dachte. Jetzt, da er nicht mehr hier war und meine Gefühle nicht mehr durcheinander bringen konnte gestand ich mir die Gefühle zu ihm ein.
Sein Lächeln, sein Atem, seine braunen Augen. Ohja, ich liebte ihn. Und ich fand mich mit dem Gedanken ab, dass sich diese Liebe hoffnungslos in der Dunkelheit verlieren würde. Und ich wusste, sollte diese Liebe sterben würde auch ich sterben. Zumindest mein Herz. Ich legte meine Hände auf dieses.
Ich war verloren, mein Leben war verloren… ohne Sextus. Er hat mich von meinem Kummer befreit, hat mir Nähe geschenkt und wir haben beide nicht bemerkt, wie uns Venus in ihre Fänge nahm. Was tat das Leben nur mit uns? Wohin wollten uns die Götter führen? Mich würde der Weg bald in den Tod geleiten.
„Sextus…“
murmelte ich leise vor mich hin. Ja, ich hatte mir meinen Traum erfüllen können, ich war eine Vestalin geworden. Ich war pflichtbewusst und handelte stets so, wie es Vater von mir verlangen würde. Wie er es mir beigebracht hatte: Zum Wohle Romas. Doch was ist mit mir? Rücksichtslos stellte ich mich hinten an. Und ich achtete dabei auch nicht auf Sextus.
Ich hatte gelogen. Hatte Sextus belogen. Hatte Vater belogen. Hatte Vesta belogen. Hatte mich belogen. Und nun gab es aus dieser Liebe keinen Weg mehr zurück. Ich musste es durchstehen. Ob ich wollte oder nicht: Ich musste.
Ich hob den Saum meiner Tunika an und schritt mit kleinen Schritten ins Wasser. Es tat unendlich gut und es war ein wunderbares Gefühl, das samtene Nass auf meiner Haut zu spüren. Ich bückte mich und strich durchs Wasser, als mir mein Spiegelbild auffiel.
Dieses Gesicht war verantwortlich für so viel Unheil. Warum hatte ich es nicht verhindern können? Warum? Alexander starb meinetwegen, Sextus litt meinetwegen und es bestand die Gefahr die Ehre meiner Familie in den Schmutz zu ziehen.
Sextus! Ich liebe dich und ich hoffe du weißt es. Ich hoffe der Brief hat dir die Augen geöffnet, sollte er überhaupt angekommen sein. Wieder wandte ich meinen Blick gen Himmel, aus dem die ersten Regentropfen drangen. Ich war geteilt und ich wollte wieder eins werden. Doch niemals könnte ich alles vereinen.
Ich wünschte mir so sehr mit dieser Sonne dort oben unterzugehen. Ich wünschte mir Sextus meine Liebe gestehen zu können. Ich wünschte mir zu fliegen. Die Tropfen rieselten auf mich hinab und benetzten meine Haut. Ich schloss die Augen und fühlte das Wasser aus dem Himmel und das Wasser zu meinen Füßen.
Mir war nichts geblieben. Nicht von Alexander, nicht von Sextus. Nur Erinnerungen. Ich öffnete die Augen wieder einen kleinen Spalt aus dem die Tränen rannen und sich mit dem Regen vereinten.