Gespannt verfolgte Salambo den Ablauf der Ereignisse, die sich unerwartet abwechslungsreich gestalteten. Doch leider, obwohl sie ihre Ohren spitzte und angestrengt lauschte, konnte sie nicht verstehen, was der Dominus mit seinem verbrecherischem Sklaven noch zu bereden hatte bevor er ihn ins Jenseits schickte. So wartete sie neugierig ab, fächelte sich derweil ob der furchtbaren Hitze mit dem Pfauenfeder-Wedel selbst ein wenig Luft zu und dachte darüber nach dass sie dringend das Lippenlesen erlernen sollte.
Sie nickte voll Überzeugung als Lucius ihr seine Meinung kundtat und antwortete leise aber vehement: "Oh ja, er hat es ohne Zweifel verdient! Diese Wilden glauben ja sie können machen was sie wollen! Ich verstehe einfach nicht, warum dieser nordische Schlag bei den Herrschaften noch immer so in Mode ist, sie sind doch allesamt tumb, unverschämt, und womöglich gefährlich, nicht wahr?" Der Groll gegen "Goldlöckchen" Daphnus, der versucht hatte, ihre Position zu usurpieren, und gegen "Alekto" Nortruna, die Furie, die es gewagt hatte sie herauszufordern, sprach aus ihr, ganz natürlich schloß sie auch Rutger darin ein und fixierte ihn mit gifttriefendem Blick. Sollte er doch leiden, sollten die Flavier sich doch endlich darauf besinnen, wer ihre wahren treuen Diener waren.
"Aber es ist nicht an uns, über das Tun der Herrschaften zu urteilen.", setzte sie geschmeidig hinterher und schenkte Lucius ein blitzendes Lächeln. "Ich bin ganz sicher, der Dominus hat das alles genau geplant. Wozu sonst unsere Anwesenheit? Nein, nein, er wird ihn auf jeden Fall töten lassen. Ganz sicher." Überlegen lächelnd fügte sie hinzu: "Sonst mache ich eine Woche freiwillig Spüldienst!"
Erwartungsvoll trat sie näher, als es ans Erdrosseln ging, hörte mit Genugtuung die Worte des Dominus von Verbrechen und Sühne, und betrachtete ganz genau, und ohne mit der Wimper zu zucken, die Agonie des Germanen. Salambo hielt sich nicht für grausam, doch sie war bewegt - tief bewegt wieder einmal zu sehen, wie im Hause der Flavia am Ende doch ein jeder das bekam was er verdiente. Umso größeres Erstaunen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als der Dominus das Werk nicht vollendete. Nanu? Kam jetzt doch die Kreuzigung? Richtig unbehaglich wurde es ihr gar, als sie sich von dem seltsamen, entrückten Blick des halbtoten Verurteilten getroffen fühlte. Das war unheimlich. Verunsichert drehte sie den Fächer in den Händen, sah zur Seite und zu Lucius rüber. Das mit dem Spülen hatte sie doch nur so dahergesagt! Doch als der Dominus den neuen Namen des Germanen nannte, und Salambo verstand, was da vor sich ging, breitete sich langsam ein bewunderndes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Ihren Lippen entschlüpfte unwillkürlich ein einziges Wort: "Genial."
Darauf konnte nur ein Flavier kommen, dachte Salambo andächtig, seinen Sklaven rechtmäßig zu töten, und ihn zugleich als wertvollen Leibwächter zu behalten. Flink befeuchtete sie ein Tuch mit klarem Wasser, und trat geschmeidig zu dem Dominus, darauf spekulierend, dass er sich bestimmt die Hände säubern wollte, nachdem er mit dem schmutzigen Verurteilten in Berührung gekommen war. Anmutig neigte die Sklavin den Lockenkopf und bot ihm das blütenweiße Linnen mit unaufdringlicher Unterwürfigkeit dar.