Beiträge von Salambo

    Gespannt verfolgte Salambo den Ablauf der Ereignisse, die sich unerwartet abwechslungsreich gestalteten. Doch leider, obwohl sie ihre Ohren spitzte und angestrengt lauschte, konnte sie nicht verstehen, was der Dominus mit seinem verbrecherischem Sklaven noch zu bereden hatte bevor er ihn ins Jenseits schickte. So wartete sie neugierig ab, fächelte sich derweil ob der furchtbaren Hitze mit dem Pfauenfeder-Wedel selbst ein wenig Luft zu und dachte darüber nach dass sie dringend das Lippenlesen erlernen sollte.


    Sie nickte voll Überzeugung als Lucius ihr seine Meinung kundtat und antwortete leise aber vehement: "Oh ja, er hat es ohne Zweifel verdient! Diese Wilden glauben ja sie können machen was sie wollen! Ich verstehe einfach nicht, warum dieser nordische Schlag bei den Herrschaften noch immer so in Mode ist, sie sind doch allesamt tumb, unverschämt, und womöglich gefährlich, nicht wahr?" Der Groll gegen "Goldlöckchen" Daphnus, der versucht hatte, ihre Position zu usurpieren, und gegen "Alekto" Nortruna, die Furie, die es gewagt hatte sie herauszufordern, sprach aus ihr, ganz natürlich schloß sie auch Rutger darin ein und fixierte ihn mit gifttriefendem Blick. Sollte er doch leiden, sollten die Flavier sich doch endlich darauf besinnen, wer ihre wahren treuen Diener waren.


    "Aber es ist nicht an uns, über das Tun der Herrschaften zu urteilen.", setzte sie geschmeidig hinterher und schenkte Lucius ein blitzendes Lächeln. "Ich bin ganz sicher, der Dominus hat das alles genau geplant. Wozu sonst unsere Anwesenheit? Nein, nein, er wird ihn auf jeden Fall töten lassen. Ganz sicher." Überlegen lächelnd fügte sie hinzu: "Sonst mache ich eine Woche freiwillig Spüldienst!"


    Erwartungsvoll trat sie näher, als es ans Erdrosseln ging, hörte mit Genugtuung die Worte des Dominus von Verbrechen und Sühne, und betrachtete ganz genau, und ohne mit der Wimper zu zucken, die Agonie des Germanen. Salambo hielt sich nicht für grausam, doch sie war bewegt - tief bewegt wieder einmal zu sehen, wie im Hause der Flavia am Ende doch ein jeder das bekam was er verdiente. Umso größeres Erstaunen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als der Dominus das Werk nicht vollendete. Nanu? Kam jetzt doch die Kreuzigung? Richtig unbehaglich wurde es ihr gar, als sie sich von dem seltsamen, entrückten Blick des halbtoten Verurteilten getroffen fühlte. Das war unheimlich. Verunsichert drehte sie den Fächer in den Händen, sah zur Seite und zu Lucius rüber. Das mit dem Spülen hatte sie doch nur so dahergesagt! Doch als der Dominus den neuen Namen des Germanen nannte, und Salambo verstand, was da vor sich ging, breitete sich langsam ein bewunderndes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Ihren Lippen entschlüpfte unwillkürlich ein einziges Wort: "Genial."


    Darauf konnte nur ein Flavier kommen, dachte Salambo andächtig, seinen Sklaven rechtmäßig zu töten, und ihn zugleich als wertvollen Leibwächter zu behalten. Flink befeuchtete sie ein Tuch mit klarem Wasser, und trat geschmeidig zu dem Dominus, darauf spekulierend, dass er sich bestimmt die Hände säubern wollte, nachdem er mit dem schmutzigen Verurteilten in Berührung gekommen war. Anmutig neigte die Sklavin den Lockenkopf und bot ihm das blütenweiße Linnen mit unaufdringlicher Unterwürfigkeit dar.

    Als ob sie so etwas nötig gehabt hätte! Ungnädig trottete Salambo hinter der Hinrichtungs-Prozession her. Sie, Sklavin in siebter Generation, Sprößling der stets treu ergebenen (nun gut, zuweilen dem Wahnsinn verfallenen) barkidischen Linie! Sie die doch nie im Traume daran denken würde, ihre Pflichten gegenüber dem edlen Geschlecht der Flavia zu vergessen, sie musste sich nun hier belehren lassen wie irgend ein Wildfang. Selbst ihr war die Hitze heute zu viel, obwohl sie ihre luftigste und leichteste Tunika gewählt hatte. Salambo seufzte leidig und beeilte sich, in die Nähe des Dominus Aquilius zu kommen, als die Prozession halt machte.


    Mit jener unaufdringlichen Dienstbeflissenheit, die ihr im Blute lag, wartete sie aufmerksam, ob er nicht irgendeinen Wunsch äußern oder auch nur andeuten würde. Sie war gut ausgerüstet, trug bei sich sowohl einen Schlauch verdünnten Weines als auch Wasser, Taschentücher, Obst und Knabbereien sowie einen großen Fächer aus Pfauenfedern. Vielleicht, so hoffte die Halb-Nubierin, konnte sie ja die Gelegenheit nutzen, sich bei dem Dominus ins rechte Licht zu setzen. Denn seit ihre Herrin auf die verbotene Reise gegangen war, war das Leben für das süße Kammerkätzchen nicht unbedingt einfacher geworden. Den verurteilten Germanen betrachtete Salambo ohne eine Spur von Mitleid. Genau wie Daphnus, diese nordischen Hünen, obschon zugegebenermaßen recht adrett - wenn sauber - waren einfach schlechte Sklaven, die ihren Platz nicht kannten.

    Seit kurzen erst war Salambo aus Ravenna zurückgekehrt. In der Villa herrschte im Moment, wie sie fand, eine seltsame Stimmung, zudem war ihre Lage in Abwesenheit ihrer Herrin weit weniger sicher und komfortabel als gewohnt. Um so froher war sie, als mit den Nonae Caprotinae mal wieder ein Fest anstand, an dem auch sie teilnehmen und sich vergnügen durfte.


    Nun stand sie, gewandet in eine schicke rote Stola, unter den Zuschauern der Zeremonie, verkleidet als waschechte römische Matrone - was natürlich niemanden täuschen würde, denn die Hautfarbe der Halb-Nubierin war weiterhin ein samtiges Kakaobraun. Einige andere Sklavinnen aus dem flavischen Haushalt waren heute auch dabei, und zumeist gut daran zu erkennen, dass sie die Nase ein Stück höher trugen als ihre ihre Kolleginnen aus anderen Häusern - schließlich waren sie Patrizierinnen unter den Sklaven !


    Eigentlich, überlegte Salambo, während sie aufmerksam die Handlungen der Priester verfolgte, war dieses Fest fast noch besser als die Saturnalien. Denn da waren bloß alle gleich - heute aber wurden ausdrücklich die Sklavinnen geehrt! Salambo war sich sicher, dass sie ganz genau so gehandelt hätte wie ihre mutigen Vorgängerinnen in der Geschichte, und sie identifizierte sich sehr mit der listigen Heldin Philotis.


    "Aaaah!", machte sie als die Weihrauchschwaden emporquollen, und andächtig sog sie den Duft durch die Nase. Besonders freute sie sich schon auf den Teil mit den Feigenbaumzweigen.

    Mit einem übermütigen Grinsen überließ Salambo sich dem Griff des Dominus. Sie seufzte lasziv und und schmiegte sich heiß an Aristides, während sie dessen Kuss hingebungsvoll erwiderte. Kehlig lachte sie auf bei dem Klaps auf den Hintern, stellte sich in Positur und schnurrte zum Abschied ein verheißungsvolles "Auf bald, mein Gebieter...!"


    Noch immer lächelnd sah sie ihm hinterher, als er in Richtung der Schiffe verschwand, und flüsterte dabei einen obskuren Segen, den ihre nubische Mutter sie einst gelehrt hatte, und der Aristides die Loa gewogen machen sollte. Dann warf sie die Locken zurück, zupfte die Tunika wieder zurecht, und drängte sich durch die Menge bis hin zu einer Stelle, wo sie den Aufbruch der Flotte betrachten konnte. Ein grandioses Schauspiel war das. Sie winkte ein bisschen, verweilte aber nicht lange. Denn schließlich war da noch immer ihre Mission, und es gab da, wie Salambo sich erinnerte, eine alte Venefica an der Straße nach Luca, die ein reichhaltiges Sortiment an Schlangengiften anbot. Da würde sie bestimmt etwas passendes finden, dachte sich das Kammerkätzchen und machte sich zuversichtlich auf den Weg.

    Selbstverständlich heftete Salambo sich flugs an die Fersen des Flaviers. Abermals neigte sie geschmeidig den Lockenkopf, als er das Wort an sie richtete, und sprach ehrfürchtig die Worte: "Werter Dominus, meine Herrin sendet mich, da es ihr zu ihrem Bedauern unmöglich war selbst an diesem Orte zu erscheinen. Ich überbringe Dir ihre tiefempfundenen Grüße und ihre allerbesten Wünsche. Meine Domina hegt keinen Zweifel daran, dass ihr den schändlichen Feind im Osten machtvoll in seine Schranken weisen werdet. Sie betet zu den Göttern und euren vergöttlichten Ahnen, werter Dominus, dass euer Sieg schnell und vollständig sein möge. Ihre Gedanken sind bei Dir."


    Aus ihrer Tasche brachte Salambo ein Paket zutage, das liebevoll in blütenweiße Seide eingeschlagen war, mit Goldband und Schleife geschmückt. Unter dieser adretten Verpackung harrte eine feingewebte Tunika aus einem flauschigen Gemisch aus Seide und feinster Ziegenwolle ihrer Entdeckung, in einem satten Dunkelrot, an den Rändern mit einer feinen Goldstickerei versehen, die dezent das Motiv des flavischen Wappens darstellte. Zudem befand sich darin eine Mütze in der gleichen Farbe, auch sie sehr kuschelig und nicht zu dick, damit sie problemlos unter einem Helm getragen werden konnte. Flavia Leontia hatte nämlich erfahren, dass es in der Wüste nachts sehr kalt werden konnte, und sorgte sich, ihr Vetter könne an den Ohren frieren.


    "Werter Dominus, dies hier ist ein Gewand welches meine Herrin mit ihren eigenen Händen gewebt und gefertigt hat. Sie hofft dass es Dich gut kleiden und schützen wird." Ehrerbietig überreichte die Nubierin das Geschenk. Dass sie, Salambo, die Tunika hatte fertigweben müssen, da Leontia so plötzlich mit ihrem Vetter Gracchus auf Reisen gegangen war, das unterschlug die Nubierin diskret. Man sah auch kaum einen Unterschied.


    Unter halbgesenkten Wimpern blickte Salambo zu Aristides auf und zögerte einen Moment, ob sie, ebenso wie die Tunika und die Mütze, auch sich selbst ihm übergeben, und sich damit unter seinen Schutz stellen sollte, wie ihre Herrin ihr das vor ihrer Abreise geraten hatte. Doch die Aussicht den Dominus womöglich in ein Feldlager begleiten zu müssen, schreckte das nubische Kammerkätzchen, zudem gab es noch etwas in Ravenna für sie zu erledigen, eine Aufgabe die zwar unausgesprochen geblieben war, für deren Erfüllung ihre Herrin ihr jedoch ganz gewiss ungemein dankbar sein würde.


    Da der Dominus offensichtlich sehr in Eile war, wollte Salambo ihn nun nicht länger aufhalten. "Wenn ich so kühn sein darf, Gebieter,", schnurrte sie noch, ein verführerisches Lächeln auf den vollen Lippen, "so möchte auch ich mir erlauben, Dir von Herzen eine gute Reise zu wünschen, einen ruhmreichen Sieg in der Fremde und eine baldige glückliche Heimkehr!"

    Leichtfüßig schlängelte sich die junge Nubierin durch die Menschenmenge, die sich an diesem Tag am Hafen drängte. Bei jedem Schritt wippten fröhlich ihre Locken, gaben ihre Armreifen ein leises Klingen von sich. Ihre kurze türkisfarbene Tunika schmiegte sich leicht an die Formen ihres geschmeidigen Körpers, und ließ einiges, wenn auch nicht unzüchtig viel, an blanker Haut sehen, die samtig dunkel in der Sonne schimmerte. Eine wohlgefüllte Tasche aus schwarzem Leder hing über ihrer Schulter. Salambo hatte einen Auftrag. Immer wieder sah sie um sich, spähte suchend in die Menge. Heute eine bestimmte Person zu finden, war ganz und gar nicht einfach. Sie suchte schon sehr lange, als sie auf einmal eine juppitergleiche Stimme den besagten Namen brüllen hörte: Centurio Flavius Aristides.


    Ah! Erfreut folgte sie diesem vielversprechenden Ruf. Sie kam an einem Krimskramsverkäufer vorbei, dann an zwei stämmigen Matrosen, die der flotten jungen Frau anzüglich hinterherpfiffen. Über die Schulter warf sie ihnen ein weißblitzendes Lächeln zu und eilte, sich sinnlich in den Hüften wiegend weiter. Den Gesuchten erblickte sie bald - auf dem Pier stehend hielt er gerade seine Verlobte in den Armen, schien sie gar auf den Scheitel zu küssen. Taktvoll wartete Salambo ab, unklug wäre es wohl gewesen den Flavier jetzt zu stören. Jedoch beobachtete sie genau und konnte sich einer gewissen Verwunderung ob der Innigkeit der Umarmung nicht erwehren. Die Claudierin musste wahrhaft eine außergewöhnliche Frau sein, befand Salambo, dass es ihr gelang ihren Verlobten zu solchen Gefühlsäußerungen zu bewegen. Aber ob das so gut war?


    Salambo, deren Bestimmung, Lebensinhalt und größtes Glück es seit jeher gewesen war, der Gens Flavia zu dienen, machte sich ein wenig Sorgen um den Herrn Flavius Aristides. Er war doch - wenn auch charismatisch und von großem Charme - im Grunde ein eher schlichtes Gemüt, liebenswert, leicht zu beeinflussen, und sie fürchtete, die Claudierin könne eine allzugroße Macht über ihn gewinnen. Sie beschloss, ihrem Halbbruder, dem Leibsklaven des Aristides ihre Beobachtung mitzuteilen, er hatte großen Einfluss auf seinen Herrn und würde hoffentlich ein wachsames Auge auf ihn haben... Alles vorausgesetzt, der Dominus kehrte heil aus dem Krieg heim.


    Ob das wohl Liebespfänder war, die die Verlobten da miteinander austauschten? Die Nubierin wartete geduldig, erst als die beiden wieder weiter auseinander getreten waren, näherte sie sich bis auf einige Schritt und suchte den Blick des Herrn Flavius Aristides. Sodann, als sie ihn auffing, neigte sie in natürlicher Ehrerbietung das Haupt, zeigte - ob der Verlobten - nur kurz ein Lächeln, und verharrte, unaufdringlich darauf wartend, dass der Herr sie dann mit seiner Aufmerksamkeit bedenken würde wenn er es für richtig hielt.

    Oooh VIC !
    Du warst das schnuckeligste, coolste und komischste Saturnalien-Date das ich je hatte! Und jetzt hat es Dich erwischt, einfach so! 8o
    Das ist nicht fair! *schnüff* *seufz* *wink*

    Auf leisen Sohlen, geschmeidig wie eine Katze, betrat Salambo das Gemach, das still und leer der Rückkehr seiner Bewohnerin, der Herrin Flavia Minervina harrte. In der Hand hielt die Nubierin einen fein säuberlich versiegelten Brief, deutlich adressiert, mit einem leuchtendblauen Band darum - das Schreiben, das ihre Herrin noch vor ihrem überstürzten Aufbruch an ihre Base gerichtet hatte. Salambo, die es ins Reine hatte schreiben müssen, und über den Inhalt bestens informiert war, musterte das Schriftstück einen Augenblick lang skeptisch. Sie bezweifelte dass es klug war, dieses weiterzugeben.


    Doch treue Dienerin die sie war, plazierte sie es nichtsdestotrotz gut sichtbar auf einer Kommode. Sorgfältig beschwerte sie eine Ecke mit einem silbernen Kosmetikdöschen, dann musste sie aber noch ganz kurz den Inhalt des Döschens ausprobieren. Es handelte sich dabei ein herrliches kirschfarbenes Lippenrot... Und es schmeckte sogar nach Kirschen! Verzückt lächelte die Nubierin sich kurz im Spiegel zu, dann verließ sie das Cubiculum so still und leise wie sie gekommen war. Und bald darauf verließ sie ebenso still die Villa und machte sich auf den Weg nach Ravenna, wo es eine weitere Botschaft zu überbringen galt.





    Liebe Minervina,


    mein Entsetzen als ich von den furchtbaren Dingen, die Dir in Hispania widerfahren sind, hörte, war grenzenlos! Den Schrecken, den Du ausgestanden haben mußt, liebe Cousine, vermag ich mir nicht einmal vorzustellen. Doch ich danke den Göttern und Genien dass sie Dich letztendlich errettet haben! In dem Moment da ich dies niederschreibe müsstest Du, wie man mir sagte, bereits wieder auf dem Rückweg zu uns sein. Ich hoffe, dass Du wohlbehalten und bald hier ankommen wirst.
    Wie gerne würde ich Dich herzlich in die Arme schließen, meine liebe Cousine, doch leider zwingen die Umstände mich, die Villa und Rom in Eile zu verlassen. Darum hinterlasse ich Dir diesen Brief, und hoffe Du verzeihst, dass ich Dir meine Bestürzung ob Deines Unglückes, so wie meine tiefempfundene Freude anlässlich Deiner Heimkehr nur mit diesen dürren Worten auszudrücken vermag.


    Hier hat sich einiges zugetragen, seit Deiner Abreise. Vetter Marcus ist nun verlobt, mit einer reizenden Claudierin in unserem Alter, die, wie ich neidlos anerkenne, über ein ganz exquisites Gespür für Modefragen und das was en vogue ist verfügt.
    Doch bei der Feier, welch Eklat! Serenus, unser lieber kleiner Neffe, sandte ihr als Geschenk eine tote Ratte! Und das vor allen Gästen. Es war schockierend, und das kleine Biest (die Ratte) so grauslich dass mir darob vor Entsetzen gar die Sinne schwanden. Seit der Verlobungsfeier ist Serenus verschwunden, er scheint nach allem was man hört mit einigen Getreuen die Villa verlassen zu haben, aus Trotz nehme ich an, und es fehlt bisher jede Spur. Wir sorgen uns alle sehr um ihn.
    Vetter Marcus wird in den Krieg gegen die Parther ziehen müssen. Ich habe keinen Zweifel, dass er diesen abscheulichen Barbaren die Allgewalt unseres Imperiums machtvoll demonstrieren wird, und doch bleibt natürlich die Besorgnis um unseren lieben Verwandten. Er ist doch gar zu leichtsinnig und impulsiv, genau wie sein Sohn.


    Was mich angeht, so gibt es umwälzende Neuigkeiten. Stell Dir vor, ich werde, gerade so wie Du es mir damals in den Thermen vorgeschlagen hast, eine Reise nach Aegypten unternehmen! Gemeinsam mit Gracchus werde ich noch heute nach Ostia aufbrechen, wo wir uns unverzüglich einschiffen werden. (Darum, liebe Minervina, verzeih bitte die stilistische Nachlässigkeit dieser an Dich gerichteten Epistel - es handelt sich dabei um einen Tribut an die mir gebotene Eile.)
    Sicher fragst Du Dich wie es dazu kam. Nun, ich erhielt eine Botschaft meines Vater in der er mich zu sich nach Ravenna zitierte, um dort meine Vermählung mit einem ganz und gar degoutanten, wüsten alten Senator einzuleiten. Im ersten Moment war ich fassungslos. Mein Jammer kannte keine Grenzen. Doch dann, bestärkt durch die Zusprache meines lieben Vetters, Deines Bruders, Gracchus, beschloss ich etwas Ungeheuerliches: Ich werde mich nicht an einen degenerierten alten Libertin verschwenden. Ergo muss ich mich meinem Vater widersetzen.


    Noch jetzt überläuft mich, da ich diesen Entschluss schwarz auf Weiß niederschreibe, ein Schauer. Niemals hätte ich gedacht, dass ich jemals zu so etwas fähig wäre! Doch ich hoffe, liebe Minervina, und denke dies auch aus Deiner selbstbestimmten und freimütigen Art schließen zu können, dass Du für meine Entscheidung Verständnis aufzubringen vermagst? Sollte ich mich da irren, so bitte ich Dich flehentlich um Verzeihung, Dich, wenn auch nur in Gedanken, zur Komplizin meiner Auflehnung gemacht zu haben.
    Erst einmal werden Manius und ich Aegypten bereisen. Ich fiebere den Wundern an Schönheit und Gelehrsamkeit die dieses Land birgt, bereits ungeduldig entgegen. Es ist ja überhaupt das erste Mal, dass ich Italia verlassen.
    Dein Bruder ist ein großartiger Mensch! Und er überrascht mich immer wieder. Ich bin ihm so dankbar für seine liebe Unterstützung in diesem Moment da ich am Scheideweg meines Lebens stehe. Ohne ihn hätte ich niemals die Kühnheit aufgebracht, den Weg des Widerstandes gegen meinen Vater einzuschlagen.


    Es schmerzt mich, liebe Minervina, dass wir uns nun wohl für eine noch längere Zeit nicht sehen werden. Doch eventualiter, so dies auch Dein Wunsch ist, könntest Du Dich uns nachträglich anschließen? Ich werde mit Gracchus darüber sprechen, und Dir nach unserer Ankunft neue Nachricht senden.
    Und - beinahe hätte ich es vergessen! - bitte sprich mit niemandem über diese Dinge. Ich lasse nämlich verlauten, dass ich nach Ravenna aufbreche. Eine läßliche kleine Verdrehung der Wahrheit dünkt mir das, dazu bestimmt Zeit zu gewinnen, bevor mein Herr Vater die Verfolgung aufnimmt. Oh, wie wird er toben wenn er den wahren Sachverhalt erfährt!


    Liebe, hochgeschätzte Cousine, ich schließe diesen Brief nun, da die Zeit drängt. Ich wünsche Dir das Allerbeste! Erhole Dich gut im Schoße der Familie und laß Dich von den Reizen der Stadt beflügeln und zerstreuen.


    Es grüßt Dich von Herzen
    [Blockierte Grafik: http://img529.imageshack.us/img529/6809/leontiaunterschrift2gr4.jpg]


    PS. Über Nachricht von Dir würde ich mich freilich sehr freuen. (Du könntest als Adresse vorläufig die Hafenmeisterei von Alexandria wählen. Ich werde dort nach Korrespondenz fragen lassen.)

    Wie es schien war das Spektakel vorbei. Einen böswilligen Blick warf Salambo der Furie noch hinterher, dann stieß sie sich von der Wand ab, und strebte ebenfalls auf den Ausgang zu. Ihre kleinen Blessuren schmerzten, doch ihre Wunden vor aller Augen in der Sklavenunterkunft zu lecken, war nicht angebracht, hätte man es doch als Zeichen von Schwäche deuten können.


    Mit gelassener Miene schritt sie an Sciurus und Daphnus vorbei. Ersterem schenkte sie ein subtil angedeutetes Neigen des Kopfes, durchaus respektvoll, jedoch keinesfalls unterwürfig - er sollte nicht glauben, dass sie Hannibals Animositäten gegen ihn teilte, sich aber auch nicht einbilden, dass sie sich ihm unterordnete. Daphnus dagegen erntete von ihr einen Blick voll klirrender Kälte und ein im Vorbeigehen hingeworfenes, ebenso frostiges "Diese Hybris wird dir noch bitter leid tun."; dann verließ die hübsche Nubierin zielstrebig die Sklavenunterkunft.


    Sie hatte viel zu tun. Zum einen waren ihre Striemen zu versorgen, damit sie schnell und ohne Makel wieder verschwanden, zum anderen hatte sie Leontias Notizen aus Xenophons Gastmahl in eine lesbare Form zu bringen, und nicht zuletzt musste sie dringend den Saft einiger Bittermandeln extrahieren. Denn bei dem rauen Wind, der ihr hier zurzeit entgegenschlug - da musste ein Mädchen doch ein paar Vorkehrungen treffen!

    Spammer sieht bedeutungsvoll ins Publikum, dann zu Mister X.


    „Heute ist der Tag der Wahrheit, Mister X. Sprechen Sie schon.“


    Mister X windet sich abermals und seufzt theatralisch.


    „Seine geheime Leidenschaft: Er liebt seinen Vetter Aquilius und begehrt ihn über alles!“


    Gracchus springt auf, hebt die linke Hand und sieht ins Publikum.


    „Eine infame Lüge!“


    Spammer sieht böse funkelnd zu Gracchus und hebt beiläufig die Stimme.


    „Mister X hat uns einen privaten Videomitschnitt mitgebracht. Ebenso sehr bezeichnend.“


    Schnitt auf die Leinwand. Gracchus hält ein Men’s Health in der Hand, der halbnackte Aquilius posiert dort als Unterwäschemodell. Gracchus seufzt bitterlich und presst seine Lippen auf das Bild.

    Verhaltener Applaus, ein erstarrter Gracchus bleibt neben seinem Stuhl sehen, sinkt langsam herunter und fängt heftig an, seine Unterlippe zu kneten.


    Spammer wendet sich an das Publikum und lächelte schmierig.


    „Die Stimme ist verzehrt worden und wir geben ihm den Namen Mister X. Mister X wünscht nicht wieder erkannt zu werden.“


    Im Hintergrund werden Aquilius und Aristides getrennt, wilde Beschimpfungen werden noch von dem Mikrofon eingefangen, stets übermalt mit einem lauten *Pieeep*.


    „Ich bring Dich um, Du *Pieeep*, elender *Pieeep*, widerlicher *Pieeep!“ schreit Aristides laut ehe er von einem Security-Mann niedergerungen wird.


    Spammer wendet sich mit einem süffisanten Lächeln den Beiden zu.


    „Aber meine Herren, wo ist bitte ihre viel gerühmte Dignitas geblieben?“


    Aquilius hebt drohend die Hand. „*Pieeep*, das halte ich davon!“

    "Ach Herrje!"


    Aristides starrt schockiert auf die Fotos, und wischt sich fahrig den Schweiß aus dem rot angelaufenen Gesicht.


    "Gerade hat sie doch noch mit ihren Puppen gespielt… Was… Aber… Du niederträchtiger -*Piiiep* - !"


    Mord im Blick stürzt er sich auf Aquilius.

    "Neeeiiin!" gellt Arrecinas Schrei.


    Stühle fallen polternd zu Boden. Die Security-Männer treten selenruhig einen Schritt zur Seite, als die beiden Kontrahenten ineinander gekrallt über den Boden rollen.


    "Papa, beiß ihm die Nase ab, mach ihn fertig!", jubelt Serenus. "PA-PA, PA-PA!"


    "Sieh da nicht hin, mein Spatz!" jammert Leontia, ringt die Hände und versucht Serenus vergeblich Augen und Ohren zuzuhalten.


    Minervina dagegen nutzt das Durcheinander, sie tuschelt mit einem der Bodyguards und tippt gleich darauf zufrieden seine Nummer in ihr Handy.


    Neben ihr sitzt, genüsslich die Prügelei betrachtend, Calpurnia in engem, kurzen Lackkleidchen mit einem tiefen Ausschnitt und hoch toupierten platinblonden Haaren. In ihrer Hand schnellt eine kleine Lederpeitsche hin und her. Herrisch den Kopf in den Nacken werfend, deutet sie ihrer Sklavin zu ihren Füßen zu kriechen.

    Während noch Felix im Boden versinken will, wendet sich Spammer schon wieder dem Publikum zu.


    „Heute ist der ’Tag der Wahrheit’ doch wir stehen erst ganz am Anfang. Schockierendes, Skandalöses und Verruchtes wird noch enthüllt…"

    Drei Schritte weitergelaufen, Nahaufnahme auf Arrecina. Sie sieht sich verstört um und rauft sich die Haare.

    "Hallo Arrecina, Willkommen…"

    Sie unterbricht Gerry mit einem hysterischen Unterton: „Arrecina? Ich heiße nicht Arrecina…was mache ich hier? Ich bin keine Flavierin, das behaupten nur alle.“

    Panisch sieht sie sich um. Spammer lächelt falsch und scheinbar nachsichtig.

    "Aber, aber, immer mit der Ruhe. Das liegt doch alles an der…!"

    Er wendet sich effekthascherisch um, das Publikum bekommt die richtige Regieanweisung und brüllt durch das Studio:

    "AMNESIE!"

    Auf dem Bildschirm graues Flimmern und Rauschen. Dann erscheint das grelle Bild eines drittklassigen Fernsehstudios. Die Ränge sind prall gefüllt mit sensationslüsternen Zuschauern, die schon ungeduldig auf den Beginn der Show warten. Alle Augen sind starr auf das Podium gerichtet, es wird von bunten Lämpchen umrahmt, die jetzt wild blinken.


    Zu seichter Popmusik tritt der Moderator auf - der berühmte Gerry Spammer. Sein giftgrünes Sakko spannt über dem dicken Bauch. Herablassend winkt er dem Publikum zu. Alles verfällt in frenetischen Applaus.


    Dem Moderator folgt, gekonnt auf meterlangen Absätzen balancierend, seine sexy Assistentin Nadja, und zuletzt zwei Riesen in engen schwarzen T-Shirts, auf denen fett SECURITY steht.


    "Hallo, Hallo!"


    Spammer wendet sich leiernd an das hysterisch jubelnde Publikum:


    "Willkommen in meiner Show! Heute mit 'Tag der Wahrheit' und einem ganz besonderen Leckerbissen. Exklusiv für unsere Zuschauer - und überhaupt zum ersten Mal im Fernsehen! - präsentieren wir Ihnen heute eine Familie mit einem ganz großen Namen, eine Familie die schon durch unerhörte Skandale von sich reden machte, und die in der Vergangenheit stets das Licht der Öffentlichkeit scheute - aus gutem Grund, denn heute werden wir erfahren, das all diese Skandale nur die Spitze des Eisberges gewesen sind!
    Heute, bei uns zu Gast - nur für unsere Zuschauer! exklusiv! hautnah! - die GENS FLAVIA!"


    Die Lichter blinken hektisch, dann wird schlagartig der hintere Teil der Bühne erleuchtet. In einem Halbkreis sitzen dort die Gäste auf unbequemen Stühlen und blinzeln geblendet in die Scheinwerfer.

    Heftiger krallte Salambo ihre Finger in Nortrunas Haar, und ein obszöner nubischer Fluch, den sie einst von ihrer Mutter gelernt hatte (und den wir hier lieber nicht wiedergeben wollen), entwich zischend zwischen ihren weißen Zähnen, als die Germanin ihre Fingernägel in ihren Arm hineinschlug. Noch dazu zeigte sich Daphnus gerade in hohem Maße indolent gegen ihre Drohungen; sie funkelte ihn wütend an und beschloss notgedrungen, diese Angelegenheit auf später zu verschieben.


    "Na warte…" flüsterte sie giftig, und drückte Nortruna verbissen, mit aller Kraft nach unten. In hohem Bogen holte sie Schwung mit der Peitsche, und ließ sie wutentbrannt auf die Germanin niederschnellen. Mit einem Pfeifen sauste das Leder durch die Luft, Salambo traf zwar nicht ihre Fußsohlen, dafür klatschte die Schnur grausam fest auf Nortrunas Unterschenkel. Schon wollte sie erneut ausholen, als sie bemerkte, dass Sciurus eingetreten war… - sie hielt inne. Mit dem wollte sie sich, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt, lieber nicht anlegen, dafür hatte er zuviel Rückhalt, wie es hieß…


    "Die Neue hier hat Anstalten gemacht zu fliehen.", antwortete sie also atemlos, verkniffen, aber respektvoll auf seine Tirade. Schon schwang sie die Peitsche für den nächsten Hieb, als Hannibal sie ihr wieder aus der Hand nahm. "Aber…", wollte sie schon aufbegehren, unterließ es dann und nickte verständig. "Ja."


    Rachsüchtig riss sie noch mal kräftig an Nortrunas Haaren, und gab ihr, als Hannibal wieder wegsah, noch einen fiesen Tritt in die Nieren, dann versuchte sie mit zusammengebissenen Zähnen ihren Arm aus ihren Fingernägeln, den Krallen der Furie sozusagen, zu entwinden. Das tat scheußlich weh, und Salambo musste Tränen hinunterschlucken, bis sie endlich ihren Arm frei hatte.


    Rasch tat sie einen Schritt zur Seite, außerhalb der Reichweite der Furie, und hielt sich verstohlen den schmerzenden Arm. Doch die Gewissheit, dass die Neue jetzt bestimmt größere Schmerzen als sie hatte - und bald noch viel schlimmere! - erfreute sie. So lehnte sie sich ruhig wieder an die Wand und sah fasziniert zu wie wagemutig Hannibal Sciurus herausforderte.

    "Autsch!" Vollkommen verblüfft starrte Salambo auf den Striemen, der sich deutlich an ihrem wohlgeformten dunklen Schenkel abzeichnete. Damit hätte sie nun wirklich nicht gerechnet. Was für eine unberechenbare kleine Schlampe!


    "Du mieses kleines Dreckstück!", zischte sie zwischen den Zähnen und sah mit Genugtuung wie Hannibal die Übeltäterin sogleich ohrfeigte. Im Nu war auch sie an ihr dran, packte brutal ihr langes blondes Haar, und wickelte es sich mit einer schnellen Drehung um die Hand herum. Mit einem erbarmungslosen Ruck riss sie Nortrunas Kopf zurück, und versetzte ihr zugleich einen tückischen Tritt in die Kniekehlen, um sie gewaltsam zu Boden zu stoßen.


    "Daphnus, komm her und geh mir zur Hand!", befahl sie energisch. "Halt sie auf dem Boden fest, damit die dreckige kleine Hündin auch stillhält, wenn sie ihre Strafe bekommt."


    Was war denn nur mit Hannibal los? Verwundert bemerkte Salambo, dass er anscheinend auf einmal beschlossen hatte, sich herauszuhalten. Hatte er gar wieder eine seiner "moralischen Anwandlungen" bekommen? Sie hatte ihn in dieser Hinsicht noch nie verstehen können; solche Gedanken waren nichts für Menschen ihres Standes, und vor allem nicht in Situationen, in denen Handeln geboten war. Eine Drohung auszusprechen und dann nicht wahr zu machen, war in ihren Augen ein unverzeihliches Eingeständnis von Schwäche, da hatte Lexana schon recht…


    Aber, zum Glück war sie ja da, und konnte, weniger zartbesaitet als er, in die Bresche springen, um zu tun was nach einem Fluchtversuch getan werden mußte. Kommentarlos nahm sie ihm die Peitsche einfach aus der Hand, schwang sie dann, elegant aus dem Handgelenk, in einem Bogen über Nortruna und ließ das Leder einmal kräftig knallen - laut hallte das Geräusch in dem engen Gewölbe.


    "Und außerdem Daphnus", präzisierte Salambo ihre Anweisungen, "halt ihre Füße so, dass die Sohlen nach oben zeigen."
    So wenig Spuren wie möglich hinterlassen war wie immer die Devise.

    "Eunuchen sind zur Zeit wohl tod -schick.", informierte Salambo Hannibal spöttisch. "Ganz brav, ich weiß nicht. Ich meine, die Herrin hat sich da einen rechten Faulpelz eingehandelt." Und Daphnus nächste Worte bestätigten diesen Eindruck vollkommen. Auf dem Absatz wirbelte Salambo zu ihm herum, starrte ihn eisig an und fauchte erbost: "Jetzt hör mir mal zu, du Komiker! Bist du schwer von Begriff oder tust du nur so?! Dies ist die Villa Flavia, und wenn du hier nicht fleißig arbeitest, wird man dir den Rücken zu rohem Fleisch peitschen. Also: wasch dich - dort. Such dir ein Lager - da irgendwo. Und natürlich wirst du morgen früh im Morgengrauen mit den anderen aufstehen, und dich nützlich machen! - Oder lass es, und trag die Konsequenzen. Ist mir auch recht."


    Verdrossen wandte sie sich von ihm ab, warf heftig ihre Locken zurück, und gesellte sich mit ein paar Schritten an die Seite ihres Halbbruders. "Immer diese Neuen.", grummelte Salambo, verschränkte die Arme vor der Brust und besah sich die widerspenstige Germanin von oben bis unten. "Alekto also… Wie reizend." Sie schmunzelte, als Hannibal die Ratte abstach, und bemerkte süffisant: "Noch immer so schnell mit dem Messer zur Hand, Bruderherz?"


    Locker an die Wand des Raumes gelehnt, beobachtete sie die Kontrahenten, neugierig wie die Blonde reagieren würde, und bereit, Hannibals Seite zu unterstützen, falls es nötig wäre. Lexana bestraft zu sehen, hätte Salambo durchaus auch gefallen, diese miese, heimtückische, intrigante alte Vettel, die dem Vilicus ständig alles zutrug… Ein beifälliges Lächeln spielte um Salambos volle Lippen. Ihr lieber Halbbruder mochte etwas eigen sein, und lehnte sich auch oft ein Stück zu weit aus dem Fenster, aber eines musste man ihm lassen: wenn es um solche Spielchen ging, hatte er wirklich Phantasie.

    "Das," zischte Salambo verärgert, "wird für dich wohl immer ein Geheimnis bleiben, Daphnus." Ungeduldig drehte sie sich zu ihm um, schmeckte beim Anblick seines schönes Gesichtes nur gallebitteren Groll. "Was trödelst du eigentlich so? Das gewöhn dir lieber ganz schnell ab. Und dass du dir bloß nichts einbildest, zweiter Leibdiener, pah, das kann sich auch GANZ SCHNELL wieder ändern…" Salambo war sich sicher, dass dieses, wie sie fand, empörend unverdiente Privileg für Daphnus, nur eine vorübergehende Laune ihrer Herrin war.


    "Komm jetzt!", kommandierte sie unwirsch, und eilte weiter. Kurzangebunden wies sie Daphnus auf dem Weg ein paar wichtige Landmarken in den ausgedehnten Gängen und Räumlichkeiten der Villa, in denen man sich zu Beginn leicht einmal verlaufen konnte. "Hier geht’s zu Triclinium grande - hier zurück zum Atrium - da hinten in den großen Garten hinaus und zum Hof… das Gemach unserer Domina ist im oberen Stock - die Türe hier führt zu dem Triclinium, in dem an gewöhnlichen Tagen die Herrschaften speisen - und dieser Durchgang bringt uns in den Sklaventrakt."

    Verschlossen und feindselig führte Salambo ihren neuen Kollegen und Rivalen Daphnus, von der Bibliothek her, durch die Villa hindurch. Weder reagierte sie auf sein Lächeln, noch ließ sie sich zu einem Abstecher in die Küche becircen. Sie verließen den Bereich der Herrschaften, betraten den Sklaventrakt, und schlagartig endete Prunk und Glanz. Karg und zweckmäßig sah es hier aus.


    Salambo stieß grimmig die Türe zur Sklavenunterkunft auf, und trat mit Daphnus in den tristen, halbdunklen Raum hinein, wo, auf unsauberem Boden, schäbige Lagerstätten entlang der Wände gruppiert waren. "Hier schläfst du.", stellte sie mit Genugtuung fest. "Ich nächtige im Nebengemach meiner Herrin. Such dir irgend ein freies Lager. Waschen kannst du dich da drüben." Sie zeigte auf einen Nebenraum, wandte sich dann zu den übrigen Anwesenden.


    "Hannibal, grüß dich." Sie nickte ihm kameradschaftlich zu, sah mit mäßigem Interesse auf die Peitsche, dann auf Nortuna. Schon wieder eine Blonde. "Noch eine Neue? Was ist denn los hier? Hat sie schon was angestellt? - Goldlöckchen hier…", und sie deutete mit einem hämischen Schmunzeln auf den Eunuchensklaven, "…ist übrigens Daphnus, die neueste Errungenschaft meiner Herrin. Der Gute ist ein Eunuche."


    Was war nur los mit den Herrschaften, fragte sich Salambo konsterniert, dass sie sich zurzeit ständig neue Sklaven zulegen mussten? Und dann am besten noch Blondschöpfe aus dem Norden, nur weil es als schmuck galt! Dabei wusste man doch, dass die faul und störrisch waren, sowieso nur Ärger machten, und den Flaviern niemals - in tausend Jahren nicht! - so treu und aufopfernd dienen könnten wie die Sklaven ihrer Linie!

    Kurz nachdem ein leise vor sich hinbrummelnder kleiner Patrizier in Begleitung eines riesigen Hundes die Bibliothek verlassen hatte, erschien wieder Salambo in der Türe. Ihre Miene war beherrscht und nichtssagend. „Bitte tritt ein, die Domina Flavia Leontia will dich jetzt sehen.“, sprach sie in zeremoniellem Tonfall, und winkte Daphnus feierlich herein. Sie selbst schloss hinter ihm die Türe und hielt sich dann unaufdringlich im Hintergrund.