Still und leise schlüpfte Salambo in die Bibliothek hinein, wich dem Hund aus, und näherte sich auf weichen Sohlen ihrer Herrin. Ein feines Gespür für deren Launen erlaubte es Salambo, mit nur einem Blick die Stimmung ihrer Domina einzuschätzen – und heute war das gar nicht schwer: gereizt. Oh je. Seit den Saturnalien war Salambos Leben nicht gerade einfacher geworden. Bei jeder Gelegenheit zickte Leontia herum, hatte an allem etwas auszusetzen, und piesackte sie bei den nichtigsten Anlässen.
Salambo vermutete, dass die kleine Begebenheit mit dem feschen Vic, der ihr, Salambo den ersten Saturnalienkeks gereicht hatte, ihre Herrin tief in ihrer Eitelkeit gekränkt hatte, und das diese ihr das immer noch nachtrug… Aber das war es wert gewesen! Ach ja, der fesche Vic… – Salambo erduldete die kleinen Bosheiten ihrer Herrin gleichmütig, und war gewiss, dass auch wieder bessere Zeiten kommen würden. Schließlich war die Flavia in Alltagsfragen heillos lebensuntüchtig, und vollkommen auf sie angewiesen.
Mit einem dezenten Räuspern trat sie an den Schreibtisch und senkte den Kopf. Gleich sprangen ihr die Wachstäfelchen mit Leontias Notizen ins Auge. Sie las: ‚Übbrigens ist ganz nathürlich, daß diejenigen immer die Rechtschaffnern sein werden, die sich mit einer geringeren und wolfeileren Lebensweisse behelfen, als die für ihre fielen Bedürfnise fiel Gelt nöthig haben.’ etc. - Was für eine grauenvolle Orthographie! Natürlich würde sie, Salambo, die später noch ins Reine bringen müssen. Warum es einer so klugen Frau wie ihrer Herrin niemals gelungen war, die Grundzüge der Rechtschreibung zu verinnerlichen, war ihr völlig schleierhaft. Aber es lag wohl in der Familie.
„Werte Domina“, sprach sie leise und bescheiden, „dein neuer Sklave ist angeliefert worden, der Eunuche Daphnus.“ Sie legte die Besitzurkunde vor Leontia auf den Schreibtisch. „Er wartet draußen. Wünschst du, dass ich ihn hereinführe?“