Beiträge von Lucius Aurelius Lupus

    Ich war spät dran. Viele, wenn nicht alle der Gäste waren bereits da. Ein Gewirr aus Stimmen drang zu mir und ich hatte Mühe nicht umzukehren. Meine Laune war ziemlich am Boden und ich fühlte mich niedergeschlagen. Aber an solchen Tagen hat man sich nun mal zu zeigen und sich zusammen zu reißen. Also setzte ich mein schönstes Lächeln auf und gesellte mich dazu. Das war einer dieser Tage, die man am besten hinunter spült. Also ließ ich mir erst einmal Wasser einschenken und warf einen beobachtenden Blick in die Runde. Ich nahm mir vor, erst einmal anzukommen und alles auf mich wirken zu lassen. Ich zog die rauchige, mit Weihrauch gemischte, Luft ein, schloss einen Moment die Augen und atmete, nur für den Sklaven sichtbar, tief wieder aus.

    Mir fehlte die Beschäftigung. Ich zog einfach umher und steckte den Kopf in die Wolken. Ich schlenderte durch die Villa, achtete mehr auf den Vogelsang, als auf die Stimmen rings umher. Als ich so lauschte fing auch ich an leicht und leise vor mir her zu summen und zu singen:


    „Das schönste im Leben ist die Freiheit, denn dann sagen wir hurra, schön ist es auf der Welt zu sein, sagt die Biene zu dem Stachelschw.“


    Was war das? Und vor allem, wer war das? Ich hörte eine Stimmte, die ich lange nicht mehr gehört hatte. Diese Stimmte klang vertraut, aber zugleich verfremdet. Ich blieb einen Augenblick stehen und horchte. Da waren noch andere Stimmen, die gehörten meinen Brüdern, das war klar. Aber die weibliche Stimme. Das war sie, das war meine Mutter. Me Herculem! Was macht die denn hier? Offensichtlich verließ sie ihr Nest, wo sich leben läßt. war das Italienische Sehnsucht oder kam sie nur für eine Sommernacht in Rom? Nein, es war zum einen Herbst und zum anderen wohnte sie doch in Ravenna. Hm, Wunder gibt es immer wieder! Jetzt war ich leicht verunsichert. Als ich mich damals entschloss Allein in Griechenland zu bleiben, um mich der kynischen Philosophie hinzugeben, schrieb ich ihr einen Brief in dem ich ihr alles erklärte, oder fast. Ich kann mich noch erinnern, dass ich den Brief mit den Worten schloss. Mama, du musst nicht um deinen Jungen weinen. Wann hab ich meinen Mutter zuletzt gesehen? Ich glaube, da war ich 17 Jahr und hatte blondes Haar. Ja, Mit 17 hat man noch Träume. Ja, mit 17. Das ist ja schon 10 Jahre her. Wie die Zeit vergeht. Was mach ich denn jetzt? Geh ich da rein oder nicht. Das ist ja die reinste Hölle, Hölle, Hölle, Hölle! Aber, daran führt kein Weg vorbei. Es gilt im Leben Entscheidungen zu treffen und dazu zu stehen, aber doch nicht vor seiner Mutter. Das ist was anders.


    Und jetzt? Ein Lied! Ein Lied, ein Lied, ein Lied. Ein Lied kann eine Brücke sein, ja genau. Also was nehmen wir? Ah ja, ich weiß.
    Ich ging einige Schritte zurück und fing an zu singen. Dann betrat ich den Raum in dem diese, ja, Apokatastasis stattfand. Aber mit einem Lied auf den Lippen, so als ob ich von nichts wüßte:


    „das Mädchen Camilla, war so schön wie ein Stern am Himmelszelt. Das Mädchen Camilla, war meine erste große Liebe, die ich fand auf dieser Welt.“


    Ich stoppte und blickte erstaunt und natürlich auch erfreut.


    „Mutti?“

    Was auch immer Marcus grade gesagt hatte wurde nicht von mir registriert. Ich wollte grade noch ein nettes Scherzchen machen, dass ich nur Kyniker geworden bin, um mit meine femininen Seite ins Reine zu kommen, aber diesen Satz sollte ich jetzt lieber vermeiden, denn da war er auch schon Phrynes beste Freundin.


    ‚Auch das noch, da ist dieser verzauberte Fingerumknicker. Nein, immer ich! Wie lange war ich in Griechenland, 40, 50 Jahre? So ungefähr, aber solch zarte Täubchen sieht man auch dort selten. Immer ich. Hätte ich geschwiegen, wäre ich ein Philosoph geblieben. Warum musste ich auch sagen, dass sie mit mir machen können was sie wollen. Jetzt steh ich da und muss mich antatschen lassen. Wie komm ich denn aus der Situation wieder heil heraus?


    „Na dann wollen wir mal, mein Süsser!“

    Ich blieb in meiner gehockten Position und lauschte aufmerksam Deandras Geschichte. Sie wirkte nachdenklich, traurig, vielleicht sogar bedrückt, ihr Seufzen sprach dafür und bestätigte meine Meinung. Als sie endete strich ich mir einige male nachdenklich durch den Bart, weil ich nach passenden Worten suchte. Den ersten und der letzten Teil der Geschichte vernachlässigte ich ein wenig, brannte ihn aber dennoch in mir ein. Für mich war der Mittelteil der Geschichte von entscheidender Bedeutung. Der verlorenen, jungen Frau, die natürlich sie selbst sein dürfte, hilft niemand beim tragen. Diese Umstände dürfen nicht so bleiben, mit aller Macht muss dies beendet werden! Mir fielen die poetischen Worte eines Mannes ein der Gryphius hieß. Ich legte ihr meine Hand auf ihr Knie und sagte:


    „Steig aus du müder Geist, steig aus! Du bist am Lande! Steig aus und lasse dich fallen. Bei mir, bei uns musst du nicht stark sein, die Lasten werden dir getragen und auf andere Schulten gelegt!
    Vielleicht hat sich dein ehemaliger Schatten meiner bemächtigt, vielleicht ist das der Grund, der mir nach all den Jahren den Weg nach Hause zeigte.“


    Ich ging noch einmal in mich, langsam wurde es Zeit für die Cena und Prisca möchte nach dem Essen mit ihr hinausgehen, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich stand wieder auf und sah Deandra an. Meinen ausgestreckten Arm legte ich auf ihre Schulter und 3 meiner Finger in ihren Nacken. Bewußt sprach ich von erhöhter Position auf sie herab, um ihr eine Brust zu bieten an der sie sich anlehnen kann, wenn der Bedarf bestehen sollte. Ich ging nah an sie heran, ließ meinen Blick in ihren Augen kleben und sagte:


    „In den nächsten Tagen komme ich zu dir. Das ist hier jetzt zu hektisch und es muss zu viel erledigt werden, als dass man für tiefe Gespräche die Ruhe fände!“


    Dann wandte ich mich an meinen Bruder, lächelte ihn, weil ich eine etwas derberen Satz vormulierte.


    „Brüderchen, du kennst mich ja. Einfühlsamkeit gehörte schon immer zu meinen Stärken. Auch das Betonen des Zusammenhaltes der Familie. Eine muss ja die Eier haben solche Dinge einmal anzusprechen und da bin ich nun mal ein Typ für!“

    ‚Ist es denn schon Abend? Es ist doch noch gar nicht dunkel, aber ich sehe schon die ersten Sterne. Ach, das war der Ball. Einmal kurz schütteln mein Junge.


    Kann ich ihr zeigen wo die Frauen sind, die kratzbürstige Männer mögen.‘ Ich überlegte einen Moment und zählte mit den Fingern, wandte meinen Blick zu Boden. ‚Die, die, die und die auch, ach und die auch noch, ja genau.‘


    „Ja, kann ich!“


    ‚Öl und Körperpflege haben noch keinem geschadet. Ob das die Legionäre auch so sehen oder die maiores als sie noch Bauern waren? Was soll’s. Du bist hier nicht mehr in Chalkis, also gewöhne dich lieber schnell daran, dass du wieder römisches und vor allem patrizisches Aussehen erhältst.‘


    „Macht mit mir, was ihr wollt. Ich habe von solchen Dingen keine Ahnung. Ich begebe mich ganz in deine bzw. eure Hände. Aber nur eine Bitte. Hier dieses Mädel, ähm, heißt der Alexandros?, also der kommt mir nicht an die Haut. Allein seine Aussprache und sein Gestik sind schon grauenhaft.“


    Just in diesem Moment viel mir mein letztes Erlebnis mit einem solch weibischen Mann auf. Ich wollte an ihm vorbei und sagte ‚Vorsicht, ich bin hinter dir.‘ Und er sagte, ‚ach, das stört mich doch nicht.‘ Ja, ja, das war amüsant, vor allem für die Anderen.

    Ein leichtes Schmunzeln, welches sich zu einem Grinsen entwickelte folgte auf Priscas Worte. Und weil ich dafür bekannt bin, nicht aus meiner Haut zu können erwiderte ich in lachendem Ton:


    „Und wie wir das genossen haben, zumindest ich! Du doch bestimmt auch, Cotta? Von diesem Erlebnis werden wir noch auf vielen Familienfeiern erzählen können. Aber, auch dir mein Dank für diese lieben Worte“


    Ich sah zu Cotta und pikste ihn in die Seite, wie große Brüder das so machen


    „Jetzt mal nicht so bescheiden! Du weißt doch, wie schnell ich rot werde. Ohne deine zustimmenden Worte und Anregungen wäre dieser Tag doch nur zäh geworden. Die üblichen Begrüßungsfloskeln und hochtrabende, ernste Worte, oder? Bei einer reinen Familienfeier muss das doch nicht sein. Wenn man unter sich ist, unter den Menschen die einen lieben, braucht man sich nicht an Schemata zu halten, sondern kann sich einfach fallenlassen. Die lieben dich auch, wenn du mit langem Bart und ungepflegtem Äußerem vor ihnen stehst. Das macht doch eine Familie aus!“


    Bei dem letzten Satz umarmte ich lächelnd meinen Bruder und klopfte ihm einige Male sanft auf den Rücken. Anschließend blickte ich zu Deandra und sah ihr bei meinen Worten in die Augen:
    „Nicht das mir das hier falsch verstanden wird. Reine Familienfeier heiß reine Familienfeier, es sind nur Familienmitglieder vorhanden. Eine Familie zu der auch du immer gehören wirst, auch wenn sich das rechtliche Verhältnis ändert. Familie ist man im Herzen, nicht in Worten oder Namen!“


    Dann ging ich auf ihre Frage ein und ging vor ihr in die Hocke. Sie konnte nicht nur das Weiß, sondern auch das Grün in meinen Augen erkennen. Lange blickte ich ihr tief in die Ihrigen. Für ernste Worte war ich schon lange kein Typ mehr, zu viel gesehen, zu viel erlebt! Aber wenn sie mir angebracht erschienen, benutzte diese sogar ich. So auch jetzt:


    „Deine Geschichte interessiert mich sehr!“

    Ich nickte leicht mit den Kopf um Deandra Dank zu signalisieren.
    „Wir gaben uns auch alle Mühe um den Schrecken groß werden zu lassen, damit die Überraschung um so größer wird. Ich hoffe doch, dass der Schrecken nicht zu groß war und mein kleiner Scherz euch nicht auf den Magen schlägt.“
    Dieser Gedanke verflüchtigte sich schnell, als ich sah das Deandra zu essen begann. Ich lächelte sie an.
    „Ich sollte lieber meinen puls aufessen, sonst wird es morgen regnen. Entschuldigt mich kurz, das wollt ihr euch sicherlich nicht ansehen.“;)


    Mein Becher war leer und ich wandte mich den Damen ab, ging einige Schritte auf Corvinus und Sisenna zu und ließ mir von einem Sklaven Wein einschenken und ließ mir Austern und Pilze geben, aß aber zuerst den Rest von meinem puls. Wenn es 3 Geschenke sind, wird auch sie jetzt Gewissheit haben, dass es sich nicht um ihre Eltern handelt. Wie wird das noch enden mit den Beiden? Bestimmt nicht gut! Ja, ja, die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse, das konnte man wieder erleben. Ich überlegte noch, ob ich etwas sagen sollte, aber wusste es nicht. Es ist so schwer den falschen Weg zu meiden. Bevor ich irgendeinen Entschluss fassen konnte umarmte Deandra Prisca. Hatte dieser Scherz doch tiefer gesessen? Ich trat wieder an sie heran


    „Alles in Ordnung bei euch?“

    Toll, da hatte ich jetzt nicht mitgerechnet. Mir war ja völlig klar, dass Marcus den Ball kräftig zurückwerfen würde, aber ich dachte, dass Prisca ihn fangen würde. Ja so sind sie die Frauen! Jedenfalls rechnete ich nicht damit und bekam ihn direkt vor den Kopf. Au ja, das war ein Geschoss. Ich griff mir an die Stirn und brummte mir in den Bart. „Der hat gesessen! Ich und meine große Klappe!“
    Ich kniff die Augen zu und schüttelt mir den Kopf, das war eine haarige Angelegenheit.
    „Nun Marcus, wie du weißt, habe ich reichlich Haare auf den Zähnen, ich bin Haar genau deiner Meinung, was meine Behaarung angeht. Wie heißt es doch so schön: Ich hab drei Haar auf der Brust, ich bin ein Bär. Vielleicht sollte ich meine Cognomen ändern. Bei mir wachsen wenigsten Haare! Und was das andere angeht: Was zu beweisen wäre, aber komm du mal in meine Alter!“ ;) So, jetzt hab ich’s dir gegeben!


    Aber Prisca. Ich überlegt, ob ich ihr erzählen sollte, das ich nicht nur puls aß, sondern das es auch Tage gab, an denen man den Müll der anderen durchwühlen musste. Lieber nicht, das würde sie möglicherweise anwidern und sie würde kein Wort mehr mit mir sprechen. Aber nach ihren Worten sah ich sie ungläubig an.


    „Eine Creme zur Nacht, ein pflegendes Öl, das machen doch keine Männer. Sollten denn Männer nicht rauh und kratzig sein. Oder gefallen dir glatte, gecremte, und weich häutige Männer besser, als die Rauhbeine? Was empfiehlst du mir, wegen dem Bart. Lieber kurz oder ganz ab“


    Ich hob den Ball auf und gab ihn ihr. Sie spielt doch auch noch mit.

    „Nun liebe Prisca, unter meinem Bart finden sich die Falten eines fast 30 Jahre alten Mannes. Es sind nicht mal mehr 3 Jahre und wie wir ja alle wissen, vergeht die Zeit wie im Fluge. Aber, man ist ja immer so alt wie man sich anfühlt.“


    Moment mal. Ich zog eine Grimasse und strich mir über den Arm. Ich seufzte und senkte gespielt den Kopf.


    „Tja, offensichtlich hält sich mein Körper für wesentlich älter. Das kommt wahrscheinlich von meiner schlechten Ernährung. Die Arme sind stark, der Rücken ist schwach, die Haare werden dünn und wenig, vor allem ganz oben die; ich vergesse so viel Dinge, liebe Helena;), und beim Wasser lassen habe ich mittlerweile auch so manche Schwierigkeit.


    Ich trat näher an Prisca heran und blickte in ihr vor Jugend strahlendes Gesicht, aber ohne leiser zu sprechen, damit Marcus mich auch verstehen würde


    Ja, das sind Probleme, damit kennt Marcus sich ja bestens aus, er hatte sie bereits vor 10 Jahren!“ :D


    Ich machte eine Pause lachte sie an und flüsterte ihr zu:


    „Pass auf, gleich kommt es wieder: bei Mars mächtiger Lanze“ :D dabei hob ich die Rechte in die Höhe und ließ sie zornig fallen. Ich drehte mich um und rief


    „Sag mal, was ist eigentlich mit dem Ball?“

    Ich behielt mein grinsendes Gesicht und zog die linke Braue hoch. Der war nicht schlecht? Ach der Spruch über mich! Da hat er Recht. Neiiiin, natürlich habt ihr über dich gesprochen, Corvinus, klar.


    Ohne das ich es bemerkt hatte, flog mir der Ball bereit entgegen und landete auf dem Boden. Eigentlich ist dieses Hin- und Hergewerfe ja nichts für mich, eigentlich ist es interessanter den Ball aufzuhalten und ihn sein Ziel nicht erreichen zu lassen.


    „Ach ne, dieses Bücken ist nicht gut für meinen alten Rücken“ gab ich zur Antwort, hob aber den Ball auf und schickte ihn in schnellem Tempo an Corvinus zurück.


    "Los geht's, ich bin dabei."

    Es zog mich in den Garten, ich wollte ein wenig an die Luft, den Vögeln lauschen, die Blumen riechen, den Wind im Gesicht spüren. Aber das sah ich bereits Corvinus und Prisca. ‚Was machen die da, werfen die mit einem Ball? Sieht so aus. Ich werde mal wieder rein gehen und die beiden nicht stören‘ dachte ich mir und war schon auf dem Weg zurück ins Haus als Prisca von einem alten Grauhaarigen und Griesgrämigen, mit Bart und Stock sprach. Scheinbar redeten die beiden über mich. ;)


    Ich trat auf Prisca zu, kreuzte die Hände hinter meinem Rücken und grinste, für sie nicht zu sehen, Corvinus an, sagte aber in strengem und mißbilligendem Ton:


    „Sag mal Corvinus, wird hier über mich gelästert?“

    Als ich Sisenna hörte dachte ich mir nur eins: ‚Ach du Scheiße!‘ Offensichtlich hatten Cottas Bemühungen keine Wirkung gezeigt. Wie es schien ging sie tatsächlich davon aus, dass ihre Eltern mitkommen würden. Lass mich noch mal übelegen, Mutter verstorben, Vater abgehauen. Darüber könnte ich mich stundenlang aufregen. Was soll’s, bringt ja nichts. Das arme Ding. Ein Haus voller fremder Gesichter, die Erwartungen nicht erfüllt. Was mag nun in diesem tapferen Köpfchen vorgehen. Jedenfalls nicht das, was Corvinus dachte. Da haben sich ja zwei gefunden! Er hört was er hören will und sie auch. Aber, sie ist ein Kind. Wahrscheinlich ist er unbeholfen, was Kinder angeht. Ich hätte ja zu gern gewusst, wie er reagiert hätte, wenn Sisenna ‚Nein‘ gesagt hätte, auf die Frage ob sie sich nicht freue. So sind Kinder, man muss mit allem rechnen, vor allem mit dem, mit dem man nicht rechnet! Ich sah mir dieses Treiben an und war gespannt wie das noch enden wird. Vermutlich so, dass Cotta oder ich beruhigende Worte an sie richten müssen. Wahrscheinlich eher mein Bruder als ich. Die beiden kennen sich ja schon etwas besser.


    Wie auch immer, es wurde Zeit für die gustatio. Der Hunger dürfte sich ausbreiten und ich als Zeremonienmeister sollte nun langsam mal die Fete steigen lassen. Die letzten Speisen wurden gebracht. Eier von Huhn und Pfau, Muscheln und Austern, Trüffel und Steinpilze, sowie der mulsum, von Brix gebracht. Ich ließ mir einschenken und sagte leise zu Corvinus:


    „Macht ihr mal!“


    Dann nahm ich den Becher entgegen und stellte mich neben Cotta, zwinkerte aber zuvor Deandra noch einmal zu. Sie wusste schon warum. Gut, sie hatte nicht mitgemacht, was soll’s, so ist das eben, man kann nicht alles haben. Das überhaupt jemand mitmachte war ja schon ein Wunder. Die Reise war lang, die Glieder müde, die einen reagieren resigniert, die andern gar nicht und andere regen sich auf. Sellerie, wie der Gallier sagt. Ich richtete das Wort an die Menge:


    „Meine Lieben, nur ein kurzen Wort an euch. Überglücklich seht ihr mich, da ihr den Weg unversehrt vom entlegenen Germania zurück in die Heimat bestritten habt. Ich hoffe ihr nehmt uns diesen kleinen Scherz nicht allzu übel. Um kurz zu bleiben, schön das ihr wieder zu Hause seit!“ Lasst uns essen!“

    Wir hatten an nichts gespart. Auf der einen Seite fand sich gekochtes attagena (Haselhuhn) und turtur (Turteltaube), auf der anderen vulvae steriles (Gebärmutter von Jungsäuen), hier morena (Moräne), dort phenicopterus (Flamingo); Wasser hatten wir ja bereits und posca und Wein waren nun auch zu sehen, Feigen, Datteln und Trauben warteten neben mit Honig und Milch gefüllten Schälchen.


    Grinsend blickte ich Corvinus an.


    „Hier den turriculae (Wein) musst du probieren, der schmeckt ausgezeichnet und die Cocleae (Schnecken) erst.“


    Ich blickte in die Runde und sage nun lachend:


    „Hier meine Lieben, aus allem was ihr hier seht, kann man doch einen wunderbaren Brei mischen.“


    Gleich fliegen mir die Datteln um die Ohren.

    Interessaaant. Das Leben, das ich Jahrelang führte, nennt er Quatsch. Was soll ich denn davon halten. Ist auch egal, aber wir sollte hier mal langsam hin machen, bevor das Essen noch kalt wird. Also legte ich Tempo vor.
    Corvinus hatte sich gesetzt. Ich ging wieder auf ihn zu und legte meine Hand über seine Augen. Er war doch viel zu erschöpft um sich zu wehren. Meine Stimme blieb ruhig.


    „Schließt die Augen!“ Ich sah mich um und blickte in die Gesichter der Familienmitglieder, welche nun alle genervt mit geschlossenen Augen auf ihren Sitztgelgenheiten Platz genommen hatten.


    „Hört das Vogelsingen, und lauscht dem Flattern ihrer Flügel und spürt den Wind in eurem Haar, riecht das gemähte Gras, aus welchem sie sich erhoben und das nun auf den Boden sinkt. Schmeckt die Feige auf eure Zunge, die soeben von dem Baum herunter viel, auch welchem der Vogel gelandet ist.“


    mit einer Handbewegung gab ich dem Sklaven Anweisung, die Speisen herein bringen zu lassen. Die Sklaven hatten sich hinter der Türe postiert, traten nun mit leisen Schritten ein und postierten sich in direkter Sichtweite.


    „Und jetzt hört das Klappern von Pokalen, riecht den Duft des ficatum (Gänsestopfleber), schmeckt den turriculae am Gaumen und seht mit geöffneten Augen die Cena.


    Ich zog meine Hand von Corvinus Augen und ließ ihn einen Blick auf die breite Auswahl an Speisen, Getränken und Früchten werfen. Endlich durfte ich mein Grinsen zeigen. Ich legte meine Hand wieder auf seine Schulter und sagte


    „Willkommen zu Hause“

    Jetzt schön ruhig bleiben und nicht los lachen und schon gar nicht plappern. Das war ja zu erwarten. Aber es galt harmonisierende Worte zu finden. Ich ging auf den gereizten Corvinus zu; so ungefähr stellte ich es mir vor, wenn man vor einem gereizten Keiler steht. ‚Wenn ich lange genug hinsehe, sehe ich vielleicht auch die Stoßzähne‘, dachte ich.
    Ich ging auf ihn zu legte meine linke Hand auf seine Schulter und legte meine sanfteste Stimme auf, welche doch nur selten keine beruhigende Wirkung gezeigt hatte.


    „Vetter, alles wird gut! Beruhige dich. Bedenke bitte, dass du soeben eine Sklavin damit beauftragt hast die Zimmer herzurichten und Essen und Wein zu besorgen. Aber wisse. Als ich in der culina war, entsandte ich einen der Sklaven um sich der Sache anzunehmen. Es wird für alles gesorgt, es wird nur einen Moment Geduld brauchen.“


    Ich blickte ihm in die Augen


    „Was deine anderen Fragen betrifft wisse folgendes. Natürlich waren wir nicht auf den römischen Straßen unterwegs, zumindest nicht ich, das wäre doch ein törichtes und höchst beschämendes Unterfangen gewesen. Für uns alle.“


    Ich zeigte mit der geöffneten Rechten auf eines der Speisesofas, ließ die Linke aber auf seiner Schulter. Meine Stimme blieb ruhig und der Gesichtsausdruck verriet Anteilnahme an seine Situation.


    „Nimm erst einmal Platz. Dort ist es bequem, dort kannst du die Füße hochlegen, zur Ruhe kommen und die Augen schließen. Horch, die Vögel singen! Woran erinnert dich das? An DEIN zu Hause. Dort, wo DU nun bist! Das mit dem Essen wird in Kürze geklärt sein und nur wegen so einer Lappalie wirst du doch nicht auf dein zu Hause verzichten!! Noch eine weitere Strecke auf dich nehmen und sie den Damen zumuten, nur weil es mit dem Essen etwas länger dauert als DU es natürlich gewohnt bist. Aber ich werde euch mit einer ganz simplen kynischen Möglichkeit die Zeit bis zum Essen verkürzen. Kann jeder und ist nichts schwieriges wofür man Überwindung bräuchte. Dazu müsst ihr euch aber setzten und mitmachen! Ja?“


    Ich blickte nacheinander in die übrigen Gesichter und hielt bei unserem Keiler


    „Seit so gut und reist nicht sofort wieder ab, es wird sich doch um alles gekümmert!“

    In der culina herrschte weiterhin Hochbetrieb und das meiste war auch schon so gut wie fertig. Wein, Säfte und posca waren gut gekühlt, uvae(Trauben), ficus (Feigen) und palmulae (Datteln) schmeckten wunderbar und weil ich schon mal da war, aß einfach mal ein paar Datteln und wischte mir den Mund ab, bloß nicht riskieren, dass ich etwas im Bart oder am Mund kleben hätte, was mich verriet. Auf einem der Tische lagen fertig zubereitete Schnecken neben gefüllten Schweineeutern. Es sah alles sehr lecker aus und war bereit serviert zu werden.
    Ich ließ mir ein Tablett geben, auf welchem ich das Wasser ins triclinium schaffte. Ein Sklave trug dazu einige leere Schüsselchen und eine größere mit dem angefertigten puls. Ihm würde ich gleich die Anweisung geben das fertige Essen ins triclinum bringen zu lassen. Dort angekommen setzte ich ersteinmal mein mimikloses Gesicht wieder auf und stellte fest, dass alle noch kreuz und quer umher standen. Verwundert blickte ich die Damen an


    „Was ist denn hier los? Setzt euch, macht es euch bequem! Hier ist das Wasser und vom puls brachte ich auch direkt etwas mit. Es wird dich freuen, Cotta, dass er heute wieder sehr dick und sättigend geworden ist. Der Spelt ist wirklich gut. Hier sie mal.“


    Ich stellte das Wasser ab und nahm die Schüsseln dem Sklaven ab und stellte sie zum Wasser, stach dann mit einem Löffel in die puls-Schüssel, hob ihn an und ließ den Brei zurück in die Schüssel gleiten. Ich schaufelte etwas davon in eine der Schüssel und aß demonstrativ und mit großer Vorfreude im Blick ein wenig davon.


    „Hmmm, lecker! Ist wirklich gut. Also, wer ist hungrig? wer will auch was?“


    Ich blickte fragend und mit einer ungeheuren Selbstverständlichkeit in die Runde. Mir machte das nichts aus, ich hatte jahrelang viel schlechterer Dinge gegessen, aber ich wollte meinen Bruder nicht zu sehr einnehmen. Das würde ihm bestimmt nicht schmecken. Also fügte ich noch an:


    „Was ist eigentlich mit deinem Appetit, Cotta? Du hast heute morgen schon so viel gegessen, willst du eigentlich auch etwas haben, hast du schon wieder Hunger? Wahrscheinlich nicht, oder?

    Ich hatte mich bereits umgekehrt, um mich auf den Weg in die Küche zu machen und fand endlich eine Situation um wenigsten für den Bruchteil eins Wimpernschlages ein Lächeln im Gesicht zulassen zu können. Man sollte auch nicht zu sehr übertreiben, scheinbar wird bereits darüber nachgedacht, was außer dem Essen noch alles nicht vorhanden ist. Ich drehte mich wieder um, gestikulierte mit der Rechten und setzten ein leicht besorgtes, aber beruhigendes Gesicht auf:


    „Nur keine Sorge. Dies sind natürlich nicht die neuen Sitten in Rom. Einzig Cotta und ich sind es, hier im Haus, die auf diese Weise leben. Darum sind auch die Vorräte gering und nur für das Nötigste ausgerichtet. Darum sprach ich von einer Mitteilung an uns.“


    Leicht vorwurfsvoll blickte ich zu Corvinus und gestikuliert aufzählend mit der geöffneten linken Hand


    „Sie hätte uns veranlasst das Entsprechende zu beschaffen, die Vorratskammern zu füllen und auch den Weinkeller. Die Zimmer sind weiterhin möbliert, die Sklaven alle Vorhanden wie ihr seht und das Haus gepflegt und auch der Garten. Einzig Cotta und ich fallen aus dem Rahmen und wie ihr seht, ich mehr als mein lieber Bruder.“


    Ich schüttelte kurz den Kopf


    „Jetzt kommt schon rein, es ist heiß. Ich hohle jetzt das Wasser und bringe es ins triclinium.“


    sagte ich in aufforderndem Ton und ging in die Küche um nach dem Essen zu sehen. Dort angekommen überzeugte ich mich davon, dass auch alles seine Richtigkeit, kommandierte nach links, kommandierte nach rechts und schmeckt zum Ärger des Koches einiges selber ab, als ob ich es besser wüßte. Aber ich war furchtbar nervös, auch wenn es bis jetzt doch alles geklappt hatte.

    „Salve auch dir Deandra.“


    Langsam wurde ich warm und so viel es mir auch nicht schwer ihr in gekonnter Nüchternheit zu sagen:


    „Das ist richtig! Wasser und puls. Das Essen eines wahren Römers!“


    Das klappte ja wunderbar, entsetzten schien sich breit zu machen und mein Äußeres machte die Geschichte glaubwürdiger. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um mein Gesicht nicht mit einem verräterischem Lachen zu schmücken. Wie es zu erwarten war, erkannte mich niemand und die Nennung meines Namens schien noch größer Verwirrung auszulösen.
    Ich sah, während ich sprach, abwechselnd in die Gesichter, welche sich nun mehrten und beendete meinen Rundblick bei Cotta. Mein Tonfall blieb nüchtern, mein Gesicht ohne Mimik.


    „Wie gesagt, eine Nachricht hätte genügt und wir hätten selbstverständlich Vorbereitungen getroffen! Natürlich ist nicht davon auszugehen, dass sich jeder mit unsere Lebensweise anzufreunden weiß, schon gar nicht so hochgestellte Persönlichkeiten der Gens Aurelia. Aber nun sind wir völlig unvorbereitet. Die Vorratskammern sind und der Weinkeller auch!“


    Das war im übrigen nicht gelogen, weil sich schließlich alles in der Küche befand und zubereitet werden würde. Mit dem was wir alles gekauft haben hätte man zweifelsohne eine ganze Legion wochenlang versorgen können.
    Ich runzelte nachdenklich die Stirn und blickte kurz zu Boden, strich mir dann Haar und Bart glatt, zuckte mit den Schultern und sagte in nachdenklichen Worten:


    „Letzte Woche haben wir doch Brot gekauft, davon könnten noch Rest da sein, vielleicht. Oder war das schon vor zwei Wochen? Spielt auch keine Rolle. Gut, das wird jetzt ziemlich trocken sein, aber genießbar allemal. Das ist nichts was einen Kyniker wie mich stören würde. Wie ihr an Cottas noch unkynischem Aussehen erkennen könnt, befindet er sich noch auf dem Wege, das ist aber nur eine Frage der Zeit. Er hat schon große Fortschritte gemacht. Dies beantwortet doch hoffentlich eure Fragen.“


    Ich versuchte galant vom Thema abzulenken, um die Sache herunterzuspielen und sie als Selbstverständlichkeit darzustellen.


    „Entschuldigt meine Unhöflichkeit, kommt herein, draußen ist es heiß. Ihr werdet feststellen, dass sich das Haus in tadellosem Zustand befindet. Ihr müsst mir unbedingt etwas über Germanien erzählen, das interessiert mich sehr!“


    Um noch einen oben drauf zu setzen sagte ich:


    „Nimmst du unsere Lieben bitte mit ins Triclinum, Cotta. Ich werde derweil mal in der Küche vorbeischauen und Wasser hohlen!“


    Falls jemand denken würde, dass wir uns einen Spaß erlauben, würde er eines Besseren belehrt werden. Das triclinum war leer. Es war alles in der Küche, ich hatte noch etwas vor.

    Ich war nervös, von Gemütsruhe keine Spur. Warum war ich eigentlich so lange weg, wenn es doch nichts half? Fragen ragen über Fragen! Wer würde alles dabei sein, würde man meinen angedachten Spass verstehen, würde Corvinus Cotta verfluchen, weil er sich darauf eingelassen hatte oder mich, weil ich auf diese Idee gekommen war, würde er mich überhaupt erkennen, na ja, vielleicht an den Augen, würde das Essen ausreichen, würde es auch schmecken und den Erwartungen entsprechen. Fragen ragen über Fragen.


    Und dann fuhren sie vor. Ich brüllete noch ein bisschen durch das Haus:


    „Alles fertig in der Küche, genug Wein vorhanden, genug Säfte, Trauben, Obst, Oliven, Feigen? Was ist mit dem Geflügel und der Gänsestopfleber? Und der Fisch, was ist mit dem, ist der auch frisch. Wenn die Moränen nicht schmecken sollten, haue ich sie dem Koch um die Ohren, die waren teuer. Was ist mit dem puls ist der vorbereitet?“
    Nicht das ich nicht schon 24 mal während des vergangen Tages gefragt hätte, aber nicht, dass ich was vergessen hatte. Nach mal eben die Haare durcheinander gebracht und den Bart zerzaust, dem Bruder mit dem Handrücken der Rechten auf die Brust geklappst und ab in die Arena. War er eigentlich auch so nervös wie ich. Wo ist der Sklave der die Nachricht brachte, der darf hier nicht auftauchen. Nur die Ruhe, wir atmen ein und wir atmen aus. Und jetzt raus, in aller Ruhe. Boah bin ich nervös.


    Ich ging in das Atrium, die porta stand noch offen und von draußen war ein Gewirr an Stimmen zu hören, welches sehr der Athener Agora ähnelte. Verschiedenste Sprachen unterhielten sich scheinbar, gaben Anweisungen, fluchten und herzten sich. Der erste den ich erblickte, war Corvinus, hatte sich ganz schön verändert, und ich erst. Er würde mich garantiert nicht erkennen und auf die Idee das ich es bin, würde er gar nicht erst kommen. Also grüßte ich mit ruhigen, aber überraschten Worten:


    „Salve! Mein Name ist L. Aurelius Lupus. Verzeih, aber falls du M. Corvinus bist, muss ich dir leider sagen, dass wir von eurer Ankunft völlig überrascht sind.“
    Ich hob belehrend die Arme in die Höhe und ließ sie wieder fallen, um dann mit betonten Worten weiterzusprechen.


    „Hättest du uns doch eine Nachricht zukommen lassen, so hätte wir Vorbereitungen getroffen, aber so. Wir wussten natürlich, dass ihr in Bälde eintreffen werdet, aber damit konnte doch niemand rechnen! Was können wir euch nun anbieten, außer einem Schluck Wasser und etwas puls. Du musst nämlich wissen, dass ich meinen Bruder Cotta überzeugen konnte sich meiner kynischen Lebensweise anzuschließen und wir nun schon eine gewisse Zeit auf diese Weise hier leben!!“


    Ich blickte zu Cotta hinüber.


    „Nicht war, Cotta?“

    Verdutzt blickte ich meinen kleinen Bruder an und suchte einige Momente mit geöffnetem Mund nach Worten.


    „So kenn ich dich ja gar nicht. Was ist denn aus dem lieben kleinen Cotta geworden, der immer alles so erst genommen hatte. Ach so, ich weiß.“ Ich stieß ihn leicht, aber breit grinsend, in die Seite


    „Es waren die Hetären in Athen. Ja, ja. Da wird jeder schwach.“ :);)


    Das konnte ich mir allerdings noch schwerer Vorstellen als die Tatsache, dass er grade wirklich zugestimmt hatte. Ach ja, wie die Zeit vergeht. Mein Bruder schien einen gewissen Wandel durchlebt zu haben und ich war nicht dabei, sondern kümmerte mich nur um mich selbst. War das gut oder war das verwerflich? Wie auch immer, es war vorbei und außerdem ist dies nicht der Zeitpunkt für solche Fragen.