Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Eine Mütze voll Schlaf! Ja, in der ersten Zeit gab es in der Tat nicht viel, was man mehr brauchte. "Dann laß uns mal das Becken verlassen." Sprachs und zog sich am Beckenrand hoch. "Ich werde Dich ganz sicher wissen lassen, wenn Du etwas für mich tun kannst. Wir sehen uns morgen, Fontinalis. Mal sehen, wer von Deinen Kameraden so schlau war wie Du und seine Muskeln entspannt hat." Er grinste breit. Diejenigen, die nicht so schlau waren, würden das morgen recht schmerzhaft bezahlen.

    Valerian lächelte und nickte. "Ja, das wäre für unsere Jungs bestimmt eine gute Übung, das sollten wir auf jeden Fall machen. Aber wir sollten auch Übungen nehmen, die eine Zusammenarbeit der beiden Einheiten erfordert. Ich glaube, das ist es auch, worauf Legat Decimus sein besonderes Augenmerk legt. Vielleicht sollten wir beide Gruppen teilen und dann beide Gruppen Aktionen gegen die jeweils andere versuchen lassen. So werden sowohl Angriffs- als auch Verteidigungstaktiken in Zusammenarbeit geübt."

    "Hm. Wie kann denn sowas sein?" Eine blöde Frage. Natürlich. Ebenso wie es blöd gewesen war, an der gleichen Stelle zu suchen, an der Calvena schon geguckt hatte. Eine dumme Angewohnheit, eben doch alles noch einmal zu überprüfen und keine Aussage einfach so zu akzeptieren. Er merkte gar nicht, wie Calvena deswegen die Augen verdrehte.


    "Hier, nimm meine. Ich kann meinen Mantel über dem Arm tragen, so kalt ist es ja nicht." Er nestelte seine Fibel aus dem Stoff und gab sie ihr. Ein einfaches Ding, nicht annähernd so schön wie die von Calvena. Aber sie würde ihren Dienst tun für den kurzen Gang bis nach Hause.

    "Unter'm Bett?" Valerians Stimme klang da doch ein wenig entsetzt. "Das würde aber verflixt eng da drunter, findest Du nicht?" Nein, eigentlich wollte er sich das lieber nicht vorstellen. "Versteck mich doch lieber im Bett, hm?" Das war ein weit angenehmerer Ort, zumal, wenn sie sich ebenfalls darin versteckte. Er grinste breit, denn bestimmt würde sie das nur zu gerne tun. "Zu schade, daß sie dort als erstes nachgucken würden. Die kennen mich auch zu gut, fürchte ich." Er lachte und zwinkerte ihr übermütig zu.


    Während sie sich ihr Kleid überzog, suchte Valerian auch seine Kleidung zusammen. Das war schon ein wenig schwieriger als bei ihr, mußte er doch auch seine Rüstung wieder anlegen. Und zwar perfekt. Aber vorerst schlüpfte er nur in die Tunika und half ihr dann suchen. "Na, die muß doch da liegen, wo das Kleid lag", meinte er leichthin und ließ seine Hand über das Gras gleiten. Aber da war nichts. Und auch kein Mauseloch, in das die Fibel gefallen sein könnte.

    Ach? Dann hatte es schon Gespräche gegeben? Valerian staunte. "Nun, mein Legat forderte mich auf, mit Dir zu sprechen, um... wie hat er das noch ausgedrückt? ... die Möglichkeiten eines gemeinsamen Manövers auszuloten und festzustellen, ob Du daran Interesse hast. Genauere Vorstellungen scheint er davon noch nicht zu haben. Ich soll die Organisation von Seiten der Legion übernehmen und habe auch alle nötigen Vollmachten dafür. - Was für Vorstellungen hast Du denn von so einem gemeinsamen Manöver?"

    Valerian ruckte hoch und schaute seine Frau ungläubig an. "Sie ist Drusus' Tochter? Und da meldet sich das Mädchen nicht mal bei mir?" Immerhin waren sie die besten Freunde gewesen damals, als sie zusammen bei der Secunda angefangen hatten. "Na sowas. Seinen Sohn habe ich ja schon in Rom kennengelernt. Und nun ist seine Tochter hier. Na, die müssen wir wirklich unbedingt mit einladen." Drusus, dieser Schwerenöter!


    Da er nun schon halb aufgerichtet war, hangelte er mit einer Hand nach Calvenas Kleid, um es so halb über sie zu ziehen, damit sie nicht fror. "Ja, leider ist es schon so spät. Und ich fürchte, bei Dir suchen sie zuerst, wenn ich nicht zurückkehre." Er grinste breit, hatte er doch den Scherz sehr wohl verstanden. Er küßte sie sanft und schaute sie dann zärtlich an. "Wir werden wieder so einen schönen Tag haben. Ganz sicher. Und irgendwann... können wir auch richtig zusammen leben."

    Valerian hatte mit seinem Probatus und Klienten eine Zeit ausgemacht, um mit ihm gesondert ein wenig Schwerttraining zu betreiben. In der Grundausbildung trainierten sie mehr den Kampf innerhalb der Truppe, was ja auch für gewöhnlich die Einsatzart für die Soldaten war. Doch Fontinalis zeigte tatsächlich Talent für den Einzelkampf und so wollte Valerian dieses Talent durchaus ein wenig fördern. Man konnte schließlich nie wissen, was aus dem Jungen vielleicht noch wurde. Sie suchten sich eine Ecke des Exerzierplatzes, um dort mit den sicheren Übungswaffen gegeneinander anzutreten.

    "Ja, das habe ich mir schon gedacht, daß ihr diese Übung gekonnt angeht." Valerian schmunzelte. So waren sie alle. Ringen konnten sie. Bei allem anderen mußte man deutliche Zugeständnisse machen. "Sehr ordentlich", lobte er den Gegner von Fontinalis, denn es war nicht einfach, einen körperlich überlegenen Mann zu Boden zu bringen. "Und gleich noch einmal!" Er nickte seinem Klienten aufmunternd zu. Auf die gleiche Weise würde der sich gewiß nicht zu Boden bringen lassen.


    Eine unverkennbar mißgelaunte Frau. Aber sie nannte ihren Namen nicht, und die jungen Soldaten am Tor hatten sie noch nicht kennengelernt. "Salve. Und wer bist Du, bitte? Den Namen und den Rang Deines Mannes bräuchten wir ebenfalls." Natürlich war der Soldat mehr als höflich, denn sie konnte doch nur die Ehefrau eines hohen Offiziers sein. Nur die durften heiraten.





    "Wer war denn ihr Vater?", konnte sich Valerian nun doch nicht mehr verkneifen zu fragen. Ein Iulier, der hier Soldat gewesen war? Vielleicht kannte er ihn? Er grinste seine Frau an. "Jaja, ich weiß schon, ich bin zu neugierig. Aber so bin ich nunmal. Und gib es zu, so sehr stehst Du mir darin auch nicht nach." Er wußte sehr wohl, daß seine Frau durchaus auch neugierig war und gerne den Dingen auf den Grund ging.


    "Ach... solche Tage wie dieser gehen viel zu schnell rum. Wir sollten wirklich langsam aufbrechen. Die Sonne steht schon recht tief und der Wind wird auch langsam kühl." Immerhin lagen sie noch immer unbekleidet auf der Wiese und Valerian war schon zwei mal leicht zusammengeschaudert, als ein kühler Wind über sie strich.

    Wieder schritt Valerian die Reihe immer wieder unermüdlich ab. Gab Ratschläge oder Befehle, machte auf Fehler aufmerksam oder auch auf richtiges Handeln. Bei Fontinalis blieb er einen Moment länger stehen. Es war dem Mann sicherlich klar, daß seine Manöver nur in einem Einzelkampf Sinn machten. Vielleicht sollte er mal ein Extratraining mit seinem Klienten ansetzen, um den Einzelkampf mit ihm zu trainieren. Schaden konnte es nicht, zumindest, wenn der Junge tatsächlich die Aufnahme bei der Garde anstrebte.


    "Halt! Das genügt vorerst, Männer! Legt die Waffen ab und entledigt euch eurer Rüstungen. Heute werden wir eine Kampfart beginnen, mit der ihr alle schon Erfahrung haben solltet: Ringen! Ihr wißt, worum es geht: Es wird nicht geschlagen, es geht darum, den Gegner zu Boden zu bringen. Jeder sucht sich jetzt einen Gegner! Haltet Abstand zueinander, damit ihr euch nicht ins Gehege kommt!"

    "Nur ein Mann, der sicher steht, kann auch sicher kämpfen!" Valerian schüttelte den Kopf. Gestern hatten sie doch alle fest auf ihren Füßen gestanden? "Stellt euch erst einmal ordentlich hin, dann die Deckung nur wenig, gerade so viel wie für das Gladius nötig, öffnen, zustoßen und schnell wieder schließen." Einer der Männer, die gestürzt waren, bekam einen tüchtigen Stoß ab. "Ihr wäret alle tot! Jetzt reißt euch mal zusammen. Hier sieht es gut aus! Hier auch!"Die Männer, die gut standen, bekamen eben auch ein Lob. Auch Fontinalis bekam ein Lob, nachdem er sich wieder gefangen hatte. "Gut so, aber ein wenig schneller noch! Der Gegner ist weder dumm, noch schläft er."

    "Da hast Du Recht, Fontinalis. Auch wenn ich bezweifle, daß die bei der Classis Fische nehmen." Er lachte fröhlich und schlug seinem Klienten auf die Schulter. "Solltest Du etwas brauchen, dann weißt Du, wo Du mich findest. Oder gibt es jetzt schon etwas, womit ich Dir weiterhelfen kann?" Er nahm seine Verantwortung für seinen Klienten durchaus ernst und wußte nur zu gut, wie knapp der Sold während der Ausbildung bemessen war. Gerade jetzt, so kurz vor dem Winter, brauchte man auch so einiges an zusätzlicher Kleidung, wenn man sich nicht totfrieren wollte. Vielleicht sollte er Calvena mal fragen, ob sie nicht die eine oder andere warme Tunika aus ihrer Produktion günstiger abgeben konnte.

    "Das war schon deutlich besser!" Valerian war von diesen Würfen schon wesentlich überzeugter. Vor allem, als Fontinalis seine rekordverdächtigen Würfe ablieferte. "Na, Hadrianus, hast Du nicht neulich behauptet, das Pilum sei nicht Deine Paradewaffe? Das war ausgezeichnet", ließ er sich zu einem großen Lob hinreißen. Aber die Würfe waren tatsächlich ausgesprochen gut gewesen.


    "Und nun wenden wir uns wieder dem Gladius zu. Ihr habt gestern gelernt, worauf zu achten ist und warum es tatsächlich nichts anderes als eine Stoßwaffe ist. Die eigentliche Handhabung aber müssen wir noch etwas gründlicher üben. Der Vorstoß muß stets blitzschnell erfolgen, die Deckung sogleich wieder geschlossen werden. Jeder nimmt sich nun ein Übungsgladius und ein Übungsscutum. Für jeden ist einer der Pfähle dort drüben. Das ist euer Feind. Das Scutum soll euch möglichst vollständig decken, ihr haltet es so, daß ihr gerade darüber schauen könnt. Stützt es mit dem Knie ab. Dann mit dem Gladius vorstoßen und die Deckung gleich wieder schließen!" Eine lästige Übung, aber auch eine nötige, die jeder Soldat immer wieder unendlich ausführte.

    "Nein, er ist kurz vor meiner Abreise nach Mogontiacum gestorben." Es war für ihn damals nicht leicht gewesen, den Wünschen des Vaters entgegen zu handeln. Und doch war es richtig gewesen und er war sicher, daß sein Vater letztendlich stolz wäre, wenn er ihn jetzt sehen könnte. Centurio, das war schon was. Auch wenn ein Praetorianercenturio noch besser war. "Ich glaube, die goldene Mitte ist auch bei dieser Frage, wie so oft, das Richtige. Junge Leute wissen oft noch nicht, was sie eigentlich wollen und wo ihre Talente liegen. Von daher finde ich schon richtig, wenn die Eltern ihnen den Weg weisen. Allerdings sollten die Eltern auch den objektiven Blick auf die Gegebenheiten nicht verlieren. Wenn der gewiesene Weg offensichtlich der Falsche ist, dann sollten auch die Eltern ein Einsehen haben. Nunja, wir alle haben die Möglichkeit zu beweisen, daß wir es besser machen als die eigenen Eltern. Ich befürchte nur, daß wir im Ausgleich dafür andere Dinge falsch machen werden." Er dachte unwillkürlich an sein ungeborenes Kind. Ob er ein guter Vater sein würde?

    Mit zusammengezogenen Augenbrauen beobachtete Valerian die Würfe. Na, das war heute aber gar nichts! Sogar Fontinalis versaute zwei von drei Würfen, dabei war er heute wieder sichtlich einer der besten in dieser Gruppe. "Und gleich noch drei Würfe! Das kann ja meine Großmutter besser!" Eine kühne Behauptung, zumal seine Großmutter gar nicht mehr lebte. Aber vielleicht spornte es die Männer an, sich beim zweiten Durchgang noch mehr anzustrengen.

    Valerian lachte. "Wir werden Schwimmhäute entwickeln, wenn ich Dir mein ganzes Leben erzähle." Schon jetzt war die Haut an den Händen leicht schrumpelig, denn sie lagen doch schon recht lange im warmen Wasser. "Ich bin in Rom geboren, in eine brave Familie des Mittelstandes. Die Straßen, Gassen und Plätze Roms waren mein Spielplatz und ich muß zugeben, daß ich ein recht wildes Kind war. Ich habe mich viel geprügelt, habe viel Unsinn angestellt und meine Lehrer in den Wahnsinn getrieben. Mein Vater wollte, daß ich in die Verwaltung gehe. Aber da.. nunja. Meine Talente liegen eben woanders. Ich verlor eine gute Stellung nach der anderen - und sie wurden nicht besser, das kannst Du mir glauben. Kurz vor seinem Tod hatte mein Vater mir hier in Mogontiacum eine Stelle verschafft. Auf der Reise hierher aber habe ich den Entschluß gefaßt, zur Legion zu gehen. Und das war die beste Entscheidung meines Lebens. Am Anfang gab es zwar doch den einen oder anderen Ärger, aber es war schnell klar, daß ich hier meinen Platz im Leben gefunden hatte. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich wirklich gut in dem, was ich tat."

    Valerian seufzte. Er hatte es geahnt. "Als Sklave also. Naja, er ist ja auch ein Sklave und im Grunde habe ich ihn, genau wie die beiden anderen, von diesem Varius gekauft." Wenn auch die Bezahlung nicht in Geld erfolgt war. Er seufzte abermals. "Also gut, behalte ihn. Aber... wenn er auch nur im Geringsten lange Finger macht, dann werden wir ihn abgeben, ja?" Auch wenn der Junge mächtig treuherzig dreinschaute und er ihm gerne glauben wollte, daß er kein Gewohnheitsdieb, sondern nur ein Opfer der Umstände war, wollte er doch lieber abwarten, ob der Junge wirklich im Grunde seines Herzens ehrlich war. "Wir sollten ihn rufen und es ihm sagen."