Beiträge von Decimus Tiberius Lupus

    Sie freute sich über mein Angebot und das gab mir ein gutes Gefühl. Sicherlich hatte sie mittlerweile mitbekommen, wie sehr die Götter Teil meines Lebens waren und dass ich es sehr ernst mit ihnen nahm. Später am Abend würde ich Neptununs für meine alles in allem ungefährliche Seereise ein kleines Opfer darbringen, da würde ich gleich noch für Cristas Vater beten. Wenn ich den Weg zum Altar dieser Villa, die so groß und voller fremder Räume und Einwohner war, fand.


    Meine Gedanken wurden von einer Stimme, die ich schon häufig angehört hatte und die mir doch immer wieder angenehm neu vorkam, unterbrochen, die die Zeilen eines Liedes mit Klang erfüllte. Ich konzentrierte mich auf diese Stimme, die sanft an meine Ohren drang und mir ein warmes Gefühl von Wohlbehagen vermittelte, dass ich aus jenen Kindertagen kannte, an denen meine Mutter für mich und meine Geschwister gesungen hatte. Die Worte, die Crista sang, passten sich sehr gut in das Bild, das ich vor meinen geschlossenen Augen sehen konnte, ein und trugen mich fort in diese Szene, die breits einige Jahre alt und schon längst vergangen war.
    Über diesen Spaziergang, den meine Gedanken wie von alleine machten, während ich immer schwerer atmend lauschte, gelangte ich in einen erholsamen Schlaf.

    Das Lächeln, das Iuvenalis zeigte, kam selbst mir, der diesen Mann in seinem ganzen Leben sehr selten gesehen hatte, irgendwie unpassend vor. Es passte einfach nicht zu den Falten in seinem Gesicht, die ihn immer mürrisch und ernst aussehen ließen. Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb? - musste auch ich noch etwas weiterlächeln. "Du kennst ihn doch; niemand ist schreibfauler als er und doch beschwert er sich bei jedem anderen, wenn er länger keine Briefe bekommen hat!" Ich lachte hämisch, konzentrierte mich dann aber wieder recht rasch auf einen meiner Grundsätze, dass ich möglichst nicht abwertend über eine bestimmte Person sprach, solange sie nicht selbst anwesend war. Besonders galt das natürlich meinem Vater Gratianus, den ich nebenbei bemerkt viel zu sehr ehrte.


    "Arbeitest du immer noch so viel? Was machst du jetzt?" musste ich ihn jedoch fragen und erinnerte mich an einen Besuch vor vielen, vielen Jahren, als Iuvenalis trotzdem er zu Gast in Vaters Villa gewesen war, nie Zeit gehabt hatte und ich mich mit meiner kindlichen Neugier einer Kunst gegenüber gesehen hatte, dem Mann nicht auf die Nerven zu fallen, was mir schweren Tadel eingebracht hätte. Mir zogen sich bei diesen Erinnerungen erneut die Mundwinkel nach oben, obwohl mir die scharfen Worte Gratianus' immer noch in den Ohren klungen. "Nein, es fehlt mir an nichts. Gratianus hat sich gut gesorgt und nun ist es an der Zeit, dass ich selbst für mich sorge."


    Es kam erneut jemand zur Runde dazu. Ein Sklave seines Zeichens, den iuvenalis begrüßte. Täuschte ich mich oder war der Ton meines Onkels extrem aufgesetzt gewesen? Sein Blick sprach jedenfalls Bände, was mich dazu verleitete ein wenig zu grinsen. Da ich aber nicht respektlos erscheinen wollte, versteckte ich es hinter meinem Weinglas.
    "Bona Saturnalia!" wünschte auch ich dem Neuankömmling dann.

    Ich ließ Durus höflich aussprechen und freute mich in aller erster Linie darüber, dass mir die Unterkunft nicht versagt wurde. "Sehr gut, ich danke dir," zeigte ich mich wörtlich dankbar, später würde ich es sicher auch auf andere Weise sein können. Die Götter wussten, wann und wie das in meiner Macht stehen würde, wenn erst einmal etwas Zeit ins Land gestrichen und ich in dieser Welt Fuß gefasst hatte.
    "Mein tirocinium fori? Hat mein Vater dir das etwa geschrieben?" fragte ich, offensichtlich etwas überrascht und dann, im nächsten Moment, auch etwas verärgert. "Genau genommen ist es Gratianus' Wunsch, dass ich den Weg in die Politik wähle. Vielleicht werde ich das, wer kann das zu einem Zeitpunkt wie dem, bei dem ich gerade stehe, schon sagen? Mein Wunsch ist es vielmehr zuerst eine Ausbildung beim Militär anzustreben. Ein tirocinium fori am Anschluss daran wäre eine große Ehre, aber so weit plane ich noch nicht im Voraus." Ich lächelte und hoffte, dass ich durch mein Widerreden nicht gleich in Durus' Gunst gesunken war.


    Da fielen mir meine Geschwister ein, von denen wir auf Sicilia lange nichts mehr gehört hatten. "Wohnen Antoninus und Calvina denn auch noch hier?"

    Ich war noch gar nicht recht angekommen, da hörte ich eine Stimme, die ich als kleiner Junge mal gehört haben musste. Wie ich wiedererkannte, gehörte sie Iuvenalis. Auf der Stelle lächelte erfreut und nahm seine Hand, um ihn freudig zu begrüßen. "Salve, Onkel! Lange nicht gesehen und doch wieder erkannt. Ich soll dich von Gratianus grüßen und dir ausrichten, dass du ruhig mal wieder schreiben könntest." Ich lächelte und freute mich, einen so engen Verwandten hier zu haben. "Wie geht's dir?"


    Da bat Durus mich, ich solle mich setzen. Per Handzeichen gab ich zu verstehen, dass ich vorher noch etwas zu essen brauchte, sodass ich in den folgenden Minuten mit dem auftun einer Portion des Fleisches beschäftigt war (welch überaus schwieriges Unterfangen, wenn man es nicht annäherungsweise geübt war! :D), sodass ich nur am Rande mitbekam, dass Durus mich nicht zur Familie zählte oder mich zumindest bei der Vorstellung vergaß. Mit einer hochgezogenen Braue trat ich zu den bereits sitzenden Feiernden heran und wollte es gerade selbst übernehmen, mich vorzustellen, als Crista mir zuvor kam und, wie sollte es auch anders sein, ihrer Rolle als serva gerecht wurde und mich im Zuge ihrer eigenen Vorstellung einfach mit erwähnte. Den Fabiern zulächelnd, vor allem der hübschen Tochter, setze ich mich mittenmang und störte mich ausnahmsweise mal nicht daran, dass neben mir ein Sklave saß, der von Tischmanieren wohl noch nie ein Sterbenswörtchen gehört hatte und dementsprechend eine beinahe schon beachtliche Geräuschkulisse für einen einzigen erzeugte.


    Mit den Fingern machte ich mich daran, das Fleisch auseinander zu zupfen und mir in kleinen Stücken in den Mund zu stecken, während ich Durus und den Fabiern lauschte. Von welchem Opfer sprachen sie? Ratlos sah ich kurz zu Crista, aber diese unterhielt sich mit der jungen Fabia. An diesem Tage entschied ich mich, sie nicht zu unterbrechen, sondern lauschte auch in dieses Gespräch so gut es ging hinein.

    "Bestimmt haben wir bis dahin, äh.. bis zur Dämmerung das balneum gefunden."


    Für einen Augenblick war mir ein Lächeln anzusehen, nachdem die Sklavin das gesagt hatte und mir damit andeutete, dass sie ebenso wie ich recht orientierungslos war, obgleich die Häuser hier und auf Sicilia vom Kern her gleich aufgebaut waren. Dennoch war alles etwas anders und das weckte in mir Neugier und den Drang aufzustehen und durch die Villa zu gehen, um jede Ecke dieses Hauses kennen zu lernen. Gleichzeitig sagte ich mir jedoch, dass der Rundgang nicht davonlaufen würde und ich mir ruhig etwas Zeit lassen konnte, was ich mir ja nun auch so gewünscht hatte. Seufzend ließ ich den Kopf an ein Kissen sinken, das mir zuvor meinen Nacken gestützt hatte; dann lauschte ich Cristas Worten.
    Sie klangen sehr wehmütig und bei weitem weniger tapfer, als ich es erwartet hatte. So hatte ich die serva, die noch gar nicht allzu lange in meinen Diensten stand, bislang nicht erlebt. Ein Teil meiner ersten Worte zu ihr war gewesen, dass ich Ehrlichkeit schätzte, sowohl von Familienangehörigen und Freunden, die zumeist ja ohnehin danach strebten tugendhaft zu sein, aber auch von Pädagogen und Sklaven. Das nicht unbegründet. Von beiden letzteren hatte ich während meines Aufwachsens häufiger das Gefühl vermittelt bekommen, dass man mir, meines eigenen Schutzes wegen oder möglicherweise aus Angst heraus, gerügt zu werden, Dinge verschwieg. Keineswegs war meine Erziehung darauf ausgerichtet, mich vor allen möglichen Schwierigkeiten - sei es im Alltag, im Umgang mit Menschen, gar mir selbst - abzuschotten, wie ich es bei anderen Nachkommen patrizischer Familien wohl gelegentlich beobachten konnte, allerdings fühlte ich mich trotzdem gelegentlich in die Zuschauerrolle meines eigenen Lebens versetzt, wenn man mir - wissentlich oder auch nicht, das kann und mag ich nicht beurteilen - zu verstehen gegeben hatte, dass nur die Hälfte ausgesprochen worden, während der Rest nicht für meine Ohren bestimmt war. Auch wenn diese Ahnung nicht zu den vorwiegenden Zuständen meiner Jugend gehörte, so war sie doch in irgendeiner Weise, im Nachhinein betrachtet, betitelnd gewesen. Und was ist das für ein grässliches Gefühl, immer nur die Halbwahrheit zu erfahren und im Glauben gelassen zu werden, dass man tatsächlich im vollen Werte seiner selbst anerkannt und einbezogen wurde - begründet wie auch immer?


    Hier hatte ich nun also eine ehrliche Antwort erhalten und war, das musste ich mir eingestehen, ob der Offenheit und zum Trotze meines Wunsches, die Wahrheit zu hören, irritiert. Nun ja, ich hatte so viel Offenheit letzens selten erfahren und nicht darauf spekuliert, diese ausgerechnet durch eine Sklavin zu erfahren. Das wiederum rührte mich und es rührte mich, in welch melancholischem Ton sie von ihrem Vater sprach, den zuweilen auch ich gekannt hatte. Im Zwiespalt meiner strengen Erziehung, die es mir nicht erlaubte mit Sklaven zu kommunizieren, als seien sie uns gleichgestellt, und meines menschlichen Wesens, das gerne etwas Trost ausgesprochen hätte, kam mir der Mittelweg, den ich so häufig ergriff, um mein Innerstes zu verschleiern, gerade recht. "Aber ja, es wird genügend Zeit geben, in der du dich hier eingewöhnen wirst", sprach ich und meine Stimme verriet Mitgefühl. Noch etwas zögerte ich ob meiner Antwort bezüglich ihres Vaters und blinzelte vorher träge. "Du solltest zu den Göttern beten, wenn du noch hoffst, dass es ihm gut geht. Eigentlich solltest du es jedoch wissen." Es lag nicht in meiner Absicht, die serva vor den Kopf zu stoßen, zugleich konnte ich mich dieser Bemerkung nicht erwehren, war ich doch in meinem Glauben gefestigt und konnte auf die Gottheiten vertrauen. Wenn es auch nicht vieles gab, das in unserer Zeit noch sicher war, so gehörten die Götter und ihr Wirken in meinen Augen garantiert zu den Dingen im Leben, auf die man sich als Römer blind verlassen konnte, wenn man sich entsprechend bemühte, in ihrer Gunst zu stehen. Sie betrachtend, legte ich den Kopf etwas schief, sodass meine Stirn den weichen Stoff des Kissens berührte. Ich schmiegte diese Seite noch etwas tiefer ins Kissen. "Wenn du magst, werde ich ihn in meine Gebete einbeziehen."
    Solch ein Angebot hatte wohl Seltenheitswert, denn so häufig kam es wohl nicht vor, dass ein Patrizier für einen Sklaven beten würde. Seufzend schloss ich meine Augen. "Sing mir etwas vor."

    Schwerfällig sah ich zu, wie die letzten Verbesserungen vorgenommen wurden und nach und nach ein Sklave nach dem anderen verschwand. Allmählich kamen die Möbel hinter den Truhen zum Vorschein, was die Rumpelkammer allmählich in das Zimmer verwandelte, das von nun an mein Schlafraum würde sein. Mein Blick wanderte einmal langsam durch das gesamte Cubiculum, das daraufhin nur noch ich und Crista, die Sklavin aus Sicilia, teilten. Diese hielt mir kaum später einen Becher hin, den ich ihr wortlos abnahm und unter meine Nase hielt. Apfelfruchtsaft. Er roch säuerlich und etwas nussig. Der erste Schluck schmeckte auch ebenso, dabei aber noch recht süß und wahrlich erfrischend. Nach zwei kleinen Schlücken mehr, die ich genießerisch in aller Ruhe auskostete, indem ich sie nicht gleich gierig hinunterschluckte, gab ich Crista den Becher wieder und sah zu ihr auf.


    "Vorerst, ja. Ich werde mich noch etwas ausruhen und hinterher essen. Zum Abend hin soll mir ein Bad eingelassen werden."


    Als ich wieder von ihr wegsah, wanderte mein Blick rastlos aber langsam durch das Zimmer. Ich wartete noch auf das Gefühl, das mich heimisch werden ließ, hier in diesen Räumen. Aber so schnell schien sich das nicht einstellen zu wollen. "Gefällt es dir hier?", fragte ich sie, um zu erfahren, wie es ihr erging. Schließlich war auch sie in ihrem ganzen Leben noch nirgends anders als auf Sicilia gewesen und nun das erste mal weitab der Heimat.

    Der Geruch gebratenen Fleisches lockte mich am Tage nach meiner Ankunft ins Atrium, das sich binnen weniger Stunden beinahe zur Gänze verändert hatte und dennoch sein charakterisches Gesicht wiedererkennen ließ, der mir gleich zu Beginn so einprägsam aufgefallen war. Es war ein Festtag und ich wusste natürlich, um was es dabei ging. Als Knaben hatten meine Brüder und ich häufig "verkehrte Welt" gespielt, sodass mich seither dieses Fest, das wir begingen, ständig an dieses Kinderspiel erinnerte.


    "Bona saturnalia!" sagte ich mit vernehmlicher Stimme, als ich zu den Schlemmenden stieß - gleichermaßen zu Sklaven als auch zu Meinesgleichen.

    Nachdem Durus und ich uns fürs erste getrennt hatten, war nun die Zeit gekommen mein Cubiculum zu erobern. Wie ich während des vorigen Gespräches schon bemerkt hatte, hatten die Sklaven sich bereits ans Werk gemacht und damit begonnen mein Gepäck in eines der Zimmer zu bringen, an denen ich auf der Suche nach meinem vorbeischlenderte. Viele der Türen waren verschlossen, sodass ich keinen Blick hineinwerfen konnte, um zu erkennen, ob sie bewohnt waren oder gar, ob der Anwohner wohl männlichen oder weiblichen Geschlechts war. Aber einige erlaubten mir Einblick in das römische Leben der Tiberier und verschafften mit eine Ahnung des Lebensstiles, den man hier pflegte.
    Der Unordnung und dem geschäftigen Treiben nach zu urteilen, langte ich schließlich in meinem Cubiculum an. Ich verlangsamte meinen Schritt und sah zuerst von der Türschwelle aus hinein, um mir einen groben Überblick zu verschaffen, was leichter gesagt war, denn getan. Man hatte bereits begonnen, die Möbel nach meinen Gewohnheiten und meinem Geschmack umzustellen. Das Bett beispielsweise, das vorher nach Norden ausgerichtet gewesen war, wurde so herum gestellt, dass meine Beine nach Westen zeigen würden, wenn ich es mir zur Nacht bequem machte. Es war eine Eigenart, die mir so noch bei keinem anderen Menschen begegnet war; die dennoch aber sicherstellte, dass ich meinen Schlaf bekam.


    Nach einem Moment des Zögerns trat ich ein, womit ich unweigerlich zum Hindernis wurde, um das man herumzufuhrwerken hatte. Man tat dies ohne zu murren und gab mir damit Gelegenheit, mir in Ruhe ein Plätzchen zu suchen, von dem aus ich weiterhin beobachten und gleichzeitig sogar erholen konnte. Dieses Plätzchen stellte ein Korbsessel nahe eines verhangenen Fensters dar, der mit allerhand Tuch gepolstert wurde und nicht nur seines Standortes, sondern auch der Gemütlichkeit wegen, die er ausstrahlte, bereits jetzt zu einem meiner Lieblingsplätze erkoren wurde. Erledigt ließ ich mich darauf nieder. Was für ein Tag, der da hinter mir lag. Tage, wenn man es genau nahm. Erst die Aufregung in Sicilia und die Vorkehrungen, die ich hatte treffen müssen, damit die Sklavin meine Sachen packen, verladen und zum Hafen schaffen konnten. Dann die Reise auf dem Schiff, auf dem ich zwar beinahe ausschließlich nur rumgelegen und gelesen hatte, während meine Sklaven mich versorgt hatten. Die Leibesübungen waren gleich doppelt und dreifach so anstrengend ausgefallen, hatte ich doch das Geschaukel ausbalancieren müssen, bei allem, was ich tat, sodass ich sie auf ein duldbares Minimum reduziert hatte. Dann der schaukelige Transport von Ostia hierher... Ja, ich hatte schon ein paar sehr anstrengende Tage hinter mir.


    Während ich mich erneut von einer Trägheit bedrängt fühlte, die durch das Hin und Her vor meinen Augen nur noch verstärkt wurde, anstatt aufgefangen zu werden, wurde alles allmählich wohnlicher hergerichtet.

    "Hoffentlich ist jemand zu Hause, Herr.", sprach Crista, wofür ich sie einen Moment lang nachdenklich ansah. Natürlich ging ich davon aus, dass irgendjemand dieser großen Familie anwesend war und mich aufnehmen würde. Allerdings hätte es ja durchaus sein können, dass um diese Tageszeit alle römischen Tiberier unterwegs waren. Es war zwar kalt heute, aber die Sonne schien und es war kaum windig. Warum sollte man also nicht Zeit an der frischen Luft verbringen?


    Die Tür öffnete sich und der Ianitor, der eine wunde, rote Nase hatte und dessen Augen aufgequollen und ebenfalls gerötet waren, machte so fürs Erste keinen sonderlich einladenden Eindruck. Nicht nur, dass er einfach nicht schön anzusehen war, nein, er war zudem auch noch ein Krankheitsherd. Ich wollte nicht krank werden, verdankte meiner Gesundheit und den Göttern vier Jahre ohne lästige Triefnase und andere Miseren.
    Aber gut, als er mich bat ihm zu folgen, tat ich das und deutete Crista und einem Burschen, der dem Knabenalter gerade erst entwachsen war, an, dass sie mir folgen sollten. Die anderen bewachten wie ich erwartete ohne eine Aufforderung meine Habseligkeiten. Ich folgte dem Ianitor vor meinen Sklaven ins Atrium.

    Ich wurde in den Raum geführt, der dem Atrium der cicilianischen Villa gar nicht so unähnlich sah. Natürlich, dieser hier war etwas imposanter und die Wandmalereien feiner und filigraner, aber das war ob der Lage dieser Villa und seiner gepflegten Bewohner nicht sonderlich. Immerhin stand sie in Roma, dem Mittelpunkt der Welt - da war es doch eher undenkbar, dass eine Villa irgendwo anders im Imperium diesem Glanz entsprach.
    So großartig der erste Eindruck auch war, so wenig riss er mich mit. Kaum mehr als ein hochgezogener Mundwinkel kündete von dem Gefallen und dem Hauch der Aufregung, die ich verspürte.


    Die genäselte Nennung des Namen des Hausherren, welcher sich von einem Sitzplatz in einer Ecke des Raumes erhob, kaum nachdem ich stehen geblieben war, zog mit sich, dass mein irritierter Blick sich auf Giberius Durus legte, der über meine Person aufgeklärt wurde. Mich schon mit dem Gedanken beschäftigend, dass ich die falsche Villa erwischt hatte, empfing ich den Gruß Durus' und hielt ihm meine Hand hin, wobei es mir wie Schuppen von den Augen fiel, dass Tiberius mit zugehaltener Nase Giberius ausgesprochen wurde. Das hatte ich im Knabenalter schon erkannt und mir manches mal zu Nutze gemacht.


    "Salve, Senator Tiberius Durus und hab Dank, dass du dir Zeit für mich nimmst," antwortete ich und wartete noch einen Moment, da ich hoffte, doch noch erkennen zu können, ob er mich erkannte. "Aus deiner Frage schließe ich, dass dir mein Name nicht vertraut ist? Das ist bedauerlich - weniger für dich als für mich - aber wahrscheinlich ist es nicht verwunderlich. Nun, ich habe vor einigen Wochen einen Brief an Tiberius Vitamalacus gesendet, der, wie mein Vater Gratianus mich mit reinstem Gewissen, offenbar aber nicht bestem Wissen, unterrichtete, der pater familias und Hausherr hier sein sollte. In meinem Brief berichtete ich, dass ich mich von Sicilia absetzen werde, um hier ein Handwerk zu erlernen, wie es mein Bruder Antoninus sowie meine Schwester Calvina ihrerzeit taten."

    Von der Porta Romana aus kommend, schaukelte meine Sänfte träge durch die Straßen Roms, sodass auch ich mich recht bald begann träge zu fühlen. Ich wusste keineswegs, wohin sie mich trugen, aber ich versuchte mich auf die Richtung zu konzentrieren, damit ich nicht einschlief. Das hatte den positiven Nebeneffekt, dass ich mir zumindest eine ungefähre Richtung und vielleicht auch die ein oder andere markante Kreuzung merken konnte, in der die Villa Tiberia liegen musste.


    Nach einer ganzen Weile, in der mir die Augen doch noch schwer geworden und ich eingenickt war, wurde ich durch ein sanftes Rucken, wie es ein Stehenbleiben der Träger einer Sänfte verursachte, aufgeweckt. Neugierig hob ich den Kopf und sah durch die Vorhänge hindurch die Villa an, vor der man gehalten hatte. Einer der Sklaven war gerade vorgelaufen und klopfte an die große Tür. "Herunterlassen", bat ich derweil und stieg, sobald mir eine Hand gereicht wurde, aus der Sänfte aus. Den Rücken durchdrückend, besah ich mir das Gebäude weiterhin und wunk dabei nach einem Sklaven. "Richte meine Kleidung. Ich werde zwar auch dann keine Augenweide sein, aber so viel gebührt dem Respekt."
    Rasch war dies geschehen, sodass der Sklave erneut anklopfte und ich Gelegenheit hatte, mir auch die Häuser rechts und links der Villa Tiberia flüchtig anzusehen.

    Vom portus aus kommend, reihte die Sänfte, in der ich geschaukelt wurde wie ein Säugling am Busen seiner Mutter, sich in eine kurze Schlange ein, die sich aus Händlern, Soldaten, Zivilisten und Gesindel zusammensetze. Ein jeder wurde gefragt, welches Anliegen ihn nach Roma führte. Als ich an der Reihe war, schob ich den Vorhang zur Seite und sah in das, wie zu erwarten gewesen war, vierschrötige Gesicht eines Soldaten. "Tiberius Lupus ist mein Name. Ab dem heutigen Tage werde ich in der Villa Tiberia zu Roma wohnen." Diese Antwort genügte schon und man ließ mich passieren.

    Da war es nun endlich. Roms portus, Ostia. Man hatte mir viel über diese Hafenstadt berichtet. Unzählige Schiffe, die sich mit ihren weißen, geblähten Segeln vor den Kaimauern in die Wellen schmiegten, sollten hier an manchen Tagen mehrere Stunden, wenn nicht ganze Tage, auf einen freien Kai und die Löschung ihrer Waren warten. Noch von der See aus sollte man das geschäftige Brummen der fleißigen Seemänner hören, und nachts ihre rauen Organe, während wohl die meisten von ihnen dem posca frönten.


    Ich hatte genügend Zeit gehabt, mir ein Bild dieser Stadt von der See aus zu machen, denn die Einfahrt des Schiffes, auf dem ich von Sicilia hierher gekommen war, hatte nahezu einen halben Tag mit der Hafeneinfahrt zugebracht. Auch ohne von der Zunft der Seefahrer zu sein, hatte ich den Grund dafür, der im stetig drehenden Wind lag, gefunden. Es schien gerade so, als würde das Schiff sich jedes stadium näher an Ostia heran hart erkämpfen müssen.
    Mich ermüdete das nicht halb so sehr wie die Matrosen, die sich dem windigen Spiel stets neu ausrichten mussten und immer wieder um Neptuns Milde baten. Ich hätte große Lust verspürt mir ein Glas Wein und ein paar Kleinigkeiten bringen zu lassen, um den Ausblick sowie die herrliche, windige Luft und das Treiben der Männer an Bord mit etwas, ich gestehe mir ein, Schadenfreude zu genießen, wäre da nicht das flaue Gefühl im Magen gewesen, das mir seit meiner Abreise den Appetit auf die aus der Heimat mitgeführten Speisen und Weine und somit auch diese Idee vereiltelte.


    Schließlich jedoch befestigte man auch dieses Schiff am Kai. Obwohl ich kein Feind des Wasserweges war und ihn jeder holprigen Kutschfahrt bei weitem vorgezogen hätte, konnte ich es kaum mehr erwarten wieder festen Boden unter meinen Füßen zu verspüren. Als Fisch und Kutscher wäre ich vollkommen ungeeignet gewesen, doch so als aufrecht stehender Mensch, der sich nicht immerzu Halt an der Rehling oder seinen Untergebenen suchen muss, erlangte ich schon während meiner ersten wackeligen Schritte auf dem gepflasterten Kai Ostias einen Teil meines Wohlbefindens zurück. Der andere, weitaus größere Teil davon, war in Form von trockener, spannender Gesichtshaut, nur notdürftig gepflegtem Körper und vom Salz ganz sprödem Haar bedauerlicherweise nicht ganz so schnell wieder herzustellen.
    Während man, wie besprochen, mein Gepäck entludt, das ein junger, geradezu kindisch im Verhalten wirkender Matrose, der mir allerdings wegen seines besonders hervorstechenden Eifers bei seinen Diensten auf Schiff aufgefallen war, wie ein bissiger Hund bewachte, bahnte mir mein Sklave einen Weg durch das Gedränge, das auf den Kaianlagen trotz der vorangeschrittenen Winterszeit herrschte, während ein anderer, der hinter mir lief, darauf achtete, dass man mir nicht zwischen die Falten meiner Kleidung griff und mich meines Geldes erleichterte. Mein Vater hatte wiederholt auf dieser Art der Begleitung bestanden, da ich den Transport in einer Sänfte wegen dem Verlust der Sicht auf die neue Stadt vehement verweigert hatte und die Sklaven angewiesen mit Argusaugen auf alles zu achten. Jetzt, wo ich das Gedränge mit eigenen Augen sah, musste ich ihm schließlich beipflichten und würde mich wohl, sollte ich das nächste mal nach Ostia kommen, für eine Sänfte erwärmen.


    Nachdem meine Sklaven sich durchgefragt hatten, wurde ich von Bediensteten der römischen Tiberier begrüßt. Man berichtete, dass die Sänfte schon seit vier Tagen in Ostia bereitstand, da man nicht genau wissen konnte, wann mein Schiff eintreffen würde und das die Herrschaft in Rom sicher gehen wollter, indem sie die Sklaven hier einquartiert hatte.
    So kam es, dass ich wenig später nun doch in einer Sänfte lag, die sich einen Weg durch die Straßen bahnte, um die Porta Romana zu erreichen, von der aus ich erhoffte dem Geruch von Fisch und Salz endlich zu entgehen.

    Ein Schreiben aus der Ferne wurde der Villa Tiberia zugestellt.





    Ad
    Quintus Tiberius Vitamalacus
    Roma, Villa Tiberia
    Italia



    Salve Vitamalacus,
    salve Familie,



    mit der Hoffnung, dass ihr wohlauf seid und euch bester Gesundheit erfreut, übersende ich euch Grüße von Sicilia, insbesondere von Gratianus, meinem verehrten Vater, der sich, wie ich euch mitteilen soll, in der Tat bester Gesundheit erfreut und gerne noch einmal daran erinnern möchte, dass ihr jederzeit herzlich dazu eingeladen seid ein paar Tage als sein Gast in seiner Villa zu verbringen und in den Genuss sicilianischer uberitas zu kommen.
    Nicht nur ihr würdet euch damit etwas Gutes tun, denn die Luft hier soll, wie man so sagt, gewaschen vom Meer reiner nicht sein können; auch meinem Vater würdet ihr zu mehr Glück verhelfen, beschwert er sich doch dann und wann mal über die Isolation, die er weitab des Familiensitzes erfährt.


    Das Anliegen, mit dem ich mich an dich wende, verehrter Vitamalacus, ist aber mein Vorhaben, mich in den kommenden Tagen von Sicilia abzusetzen und Fuß im mächtigen Roma zu fassen, wo ich gedenke meine Ausbildung schließlich in eigene Hand zu nehmen und mir, auf der Suche nach Erfüllung der Bestimmung, die Necessitas mir zu meiner Niederkunft mitgab, nunmehr meinen eigenen Weg zu bahnen.
    Rechnet mit mir so um den XI. herum. So die Winde günstig stehen und Pluto mir nicht den Wassertod wünscht, werde ich mich voller Freude auf unser Kennenlernen vorbereiten.


    Mögen die Götter dich und die Familie immer schützen. Ich verbleibe mit Vorfreude,



    Decimus Tiberius Lupus


    Vielen, vielen Dank für die Chance! Es freut mich wirklich sehr dieser Familie anzugehören und ich spekuliere einfach mal enthusiastisch auf gute Zusammenarbeit. ;)


    Magnus, auch dir danke ich für meine Betreuung und Freischaltung.

    Hallo und danke für die freundliche Aufnahme hier!


    Unter den genannten Gründen kann ich natürlich nachvollziehen, dass du dich absichern musst. Wenn meine Antworten oder der Eindruck, den ich mache, nicht zur Gens Tiberia passt, dann ist das in Ordnung. Ich bin ein Neuling, ihr Veteranen, da halte ich es für denkbar, dass ich das Ganze und mich falsch einschätze. Aber nun zur Beantwortung der Fragen:


    Ich würde gerne in einer patrizischen Gens spielen, da mich die Gestalt und Lebensweise der diesem Stande angehörigen Menschen fasziniert. Ein Pleb bin ich selber, deswegen ist es eine Herausforderung einen würdevollen, ehrlichen und erhabenen patrizischen Erben zu spielen.


    Ich habe leider keine Geschichte studiert, der Zug ist leider abgefahren, aber dennoch habe ich mich über Jahre hinweg mal mehr, mal weniger Intensiv mit verschiedenen Zeitepochen beschäftigt, unter anderem bzw. recht stark auch den Römern. Ich bin kein Experte und ich werde mir ganz bestimmt einiges Abgucken oder auch mal um Hilfe bitten, aber ich gehe davon aus, dass ein Patrizier nicht nur den ganzen Tag auf seiner Kline sitzen und Trauben und Wein genießen oder Frauen aufreißen konnte bzw. durfte. Er muss nach außen hin Würde (Gravitas) und Schönheit (Dignitas) tragen, für die die Römer und die Griechen doch ein Sinnbild waren.


    Wie ich in meinem Einstiegsposting geschrieben habe, habe ich zwar schon Ideen, aber noch keine direkte Vorstellung, welchen Weg ich beschreiten könnte. Der militärische Weg, gleich ob schwerer oder leichter, da dem Stande entsprechend, stellt definitiv das Fundament dar, von dem aus es weitergehen sollte. Allerdings traue ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht zu sagen, ob ich einen Fuß in die Politik setzen werde. Dazu möchte ich doch diese Micronation schon etwas besser kennengelernt haben.
    Der Religion gegenüber bin ich, um es noch kurz zu erwähnen, überhaupt nicht abgeneigt. Sie sollte viel mehr großer Bestandteil des Lebens und der Persönlichkeit meiner Figur sein.


    Bin gern bereit weitere Fragen zu beantworten. ;)