Beiträge von Aelia Caenis

    Als (entfernte) Verwandte hat Aelia Caenis praktischerweise einen sehr kurzen Weg, da sich ihre Räumlichkeiten in demselben Gebäude befinden wie jener Raum, in dem die Gäste empfangen werden - und sie hat damit auch die Möglichkeit, die Hochzeit wieder zu verlassen, sollte es zu voll und drückend werden, denn auch wenn sie durchaus bereits solche Feiern besucht hat, ist sie die Anwesenheit vieler Fremder auf einmal nicht mehr gewöhnt.
    Die Botschaft, dass die Feier stattfinden würde, überrascht die Aelierin nicht besonders - die lange Zeit in Alexandria hat sie dazu gebracht, Kulten und kultischen Handlungen nicht weiter zu trauen, als sie diese werfen kann, und die meisten Auguren sahen bei einer entsprechenden Bezahlung wunderbare Omen für junge Ehen voraus, wenn es nicht gerade tote Vögel oder Blitze vom Himmel hagelte. So hat sie sich an diesem Morgen auch entsprechend zuversichtlich für das Fest vorbereiten lassen - das Haar trägt sie hochgesteckt, unter einer durchsichtigen, lindgrünen palla verborgen, die weiße stola im aegyptischen Stil wirkt fast ein wenig streng; aber dies ist auch der Tag der Braut und es wäre unangebracht, ihr mit extravaganter Kleidung die Schau zu stehlen zu versuchen. Allein ein wenig Schmuck läßt noch auf den vergnüglichen Charakter des Festes hindeuten, und als sie auf die Brautleute zuschreitet, gilt auch Aelius Quarto ein freundliches Nicken zur Begrüßung.


    "Salve, Vespa, Prudentius Balbus, ich möchte euch alles Gute zur bevorstehenden Vermählung wünschen - und dass ihr diesen ersten Tag eures künftigen, gemeinsamen Lebens als so glücklich und freudvoll erlebt, wie ihr euch eure kommenden Jahre wünscht," spricht sie ruhig und bedacht, als sie das Paar erreicht hat - mit ein wenig Unbehagen hat sie schon registrieren müssen, dass sie die erste ist von den Gästen, eine Position, die ihr etwas unangenehm ist - wenngleich ein leichter Akzent verrät, dass sie in den letzten Jahren nicht in Rom gelebt haben kann. Auch wenn ihr die Brautleute persönlich nicht bekannt sind, so gehört doch die Braut zur Familie, und der Bräutigam wird es bald - und ihre Wünsche sind dadurch aufrichtig gemeint.

    Die Augenbrauen der Aelierin ziehen sich leicht auf der Stirn zusammen, und es ist durchaus zu sehen, dass ihr die Jagdmethode dieses besagten Senators nur wenig zusagt. "Das kann man doch nicht mehr Jagd nennen, wenn einem die Tiere nur zugetrieben werden und man bequem das ein oder andere aus einer Menge heraus abschießt - vor allem, wenn jene einigermaßen zahm sind. Geht dabei nicht die ganze Herausforderung der Jagd an sich verloren? Es ist traurig, wieviele Männer und Frauen im beginnenden Alter jegliches Maß verlieren und auf Leib und Seele nicht mehr achten." Kurz gleitet ihr Blick abermals über Quartos Gestalt - weit weniger missbilligend, als ihre Worte geklungen haben, offensichtlich findet er vor ihrem Geschmack Gnade. "Ich bin froh, Dich nicht als einen dieser sehen zu müssen. Wenig gibt es, das ich unverständlicher finde als einen solch eklatanten Mangel an Selbstdisziplin, was Genüsse angeht." Dass Menschen Genüsse schätzen, ist die eine Seite der Münze, dass man aber nicht stets genießen kann, die andere, allzu leicht verliert sich der Reiz des Besonderen.
    "Alexandria ist vor allem anders als Rom. Hier herrscht, auch durch die Baumaßnahmen der letzten Jahrzehnte, durch den Willen unserer vergöttlichten Kaiser und deren Visionen, eine gewisse Form der Ordnung, der Klarheit, ohne langweilig zu wirken oder gleichförmig. Alexandria scheint mir an manchen Ecken zu geplant, zu künstlich, man vergisst eigentlich niemals, dass es eine geplante Stadt ist, und die dortige Ordnung erscheint oft kühl - die Menschen jedoch ist wiederum anders als jene, die in Rom leben, scheint mir, vergnügungsbereiter, noch mehr dem Luxus verhaftet. Der Süden kann ein erschreckender Ort zum Leben sein, wenn man die Gelegenheit hat, alles zu bekommen, was man will." Sie hielt inne, zum ersten Mal unsicher wirkend, dann schüttelt sie leicht den Kopf. "Nein, ich habe ihn leider nicht kennen gelernt, mein Gemahl war kein Freund der Stadt und wir haben nur wenige Feste besucht, als er noch lebte." Und in Trauer schickte es sich ohnehin nicht für eine Römerin aus guter Familie, feiern zu gehen.

    "Von jedem ein wenig - ich möchte gerne probieren, was Deine Küche zu bieten hat," sagt sie und nickt dem Sklaven dankend zu, der ihr den Weinbecher überreicht, bevor sie sich die Lippen und Zunge mit einem Schluck des Rebensafts benetzt. Offensichtlich findet der Wein ihr placet, denn abermals neigt sie leicht den Kopf, dabei ein vages Lächeln auf den Lippen offenbarend.
    "Datteln müssen nicht unbedingt sein. Von allen Dingen, die man in Rom zu speisen vermag, sind wohl Datteln das letzte, das ich essen müsste, in den letzten Jahren habe ich wohl derer zu viele gegessen und gerochen. Wahrscheinlich wünscht man sich bei den Speisen doch vor allem das, was man nicht haben kann - und ich habe oft Sehnsucht nach den einfachen Gerichten der italischen Küche gehabt, die in Aegyptus nie zu bekommen waren."
    Sein Bericht über den Senator mit seinem Wildgehege scheint sie nicht zu erstaunen, aber doch zu amüsieren. "Jagt er die Tiere denn auch, wenn sie im richtigen Alter sind, oder werden sie einfach den Herden weggeführt, um sie zu schlachten? Ich kann mir diese stolzen Tiere nur schlecht in einer Zucht vorstellen." Seine Frage lässt sie den Becher wieder abstellen, während ihr Blick zu ihm zurückkehrt. "Das ist richtig - ich habe die letzten Jahre, wie es mein Gemahl wünschte, in Alexandria gelebt. Genauer gesagt, ein Stückchen vor der Stadt - die Stadt selbst ist einfach zu laut und zu lärmend auf Dauer."

    "Meine Herrin hat viele Jahre in der provincia Aegyptus an der Seite ihres Gemahls verbracht," erklärt der Sklave auf die Frage des Aureliers hin mit einem gewissen Stolz in der Stimme, wenngleich er die Beschwerde ob des Bogenschießens geflissentlich überhört hat - was sollte er denn auch darauf sagen, im Grunde hätte wohl jede Antwort die Geduld des verletzten Magistraten nur weiter strapaziert.
    "Jetzt, da sie verwitwet ist, ist sie zu ihrer Familie nach Rom zurückgekehrt und wird sich wohl noch einige Zeit hier aufhalten, um neue Bekanntschaften zu knüpfen." Wie genau sie nun mit dem Kaiser verwandt war, überlässt der Sklave gekonnt der Interpretation seines Gegenübers und umgeht damit auch eine direkte Beantwortung dessen Frage. "Wenn Du mir bitte folgen willst?" Ein quaestor steht also vor der Herrin des Sklaven, und dieser Rang, der ein gewisses politisches Durchhaltevermögen offenbart, hat ihn auch den gesellschaftlichen Stand seiner Herrin darlegen lassen - irgendwann würde sie neu heiraten müssen, und ein Aurelier, der zudem politisch tätig war, mochte sich wohl auf dem Markt der Interessenten bewegen. Nicht, dass seine Herrin in irgendeiner Form solche Gedanken geäußert hätte - sie hätte sie wohl eher weit von sich gewiesen - aber ein kluger Sklave musste auch an die Zukunft denken und Weichen stellen, wenn es seine Herrin nicht tat.


    So bewegen sich der Magistrat und der Sklave auf die Bogenschützin zu - in etwas geringerer Entfernung bittet der Sklave den Aurelier zu warten, eilt zu seiner Herrin hin, flüstert ihr etwas zu, wonach sogleich Bewegung in ihre Begleitung kommt - sie klatscht in die hände, befiehlt, zwei Stühle aufzubauen, Klappexemplare, die wohl zum ausruhen dienen, aber besser als nichts sind, und der Sklave kehrt zu Aurelius Ursus zurück, um ihn endgültig zu seiner Herrin zu bitten.
    "Salve, Aurelius Ursus," spricht sie in melodiösem, leicht von einem fremdartigen Akzent beherrschten Latein, welches ihre Zeit in der provincia verrät. "Bitte, setze Dich, dann will ich mich Deiner Wunde annehmen. Es erfüllt mich mit Bedauern, dass ich Dich verletzt habe, und ich hoffe, Du kannst mir diesen Unfall nachsehen, ich war mir sicher, dass sich niemand in der Umgebung befindet, sonst hätte ich den Pfeil nicht von der Sehne gelassen." Sie winkt einen der anderen Sklaven herbei, der eine kleine Holzschachtel mitbringt, sie aufklappt und den Blick auf ein schmales Messer samt Verbandsmaterial enthüllt, anscheinend ist diese Aelierin, so exzentrisch ihre Freizeitbeschäftigung auch sein mag, durchaus auch auf andere Eventualitäten vorbereitet. Ihr Blick liegt ruhig auf Aurelius Ursus, aber im Gegensatz zu anderen Frauen scheint sie weder flatterhaft nach seiner Aufmerksamkeit zu suchen noch sich besonders zu präsentieren.

    Das Wechselspiel zwischen dem Herrn und seinem Sklaven verfolgt die Aelierin schweigend, aber mit der Andeutung eines Lächelns auf ihren Lippen - sie ist erleichtert, sich nicht irgendwo sonst in der Stadt ein Quartier suchen zu müssen, nicht zuletzt, weil sie sich in Rom nicht mehr auskennt, so vieles hat sich in den jetzten Jahren anscheinend grundlegend verändert. Die ruhige und freundliche Art Quartos lässt ihn ihr zudem sympathisch erscheinen, dass er auch eine entfernte Verwandte großmütig aufnimmt, spricht für ihn.
    "So will ich mein mögliches tun, um etwas Leben in diese Hallen zurückzuführen, auch wenn ich kein Kind mit mir bringe und mein Mann diesen Weg nicht mit mir antreten konnte. Ich wünsche mir sehr, dass mein Bruder alsbald wieder nach Rom zurückkehrt, denn wir haben uns zu lange nicht mehr gesehen, aber er hat das Reisen stets geschätzt und ich bin mir sicher, er wird seinen Betrachtungen der Welt wertvolles hinzufügen wollen, ohne sich zuviel Hast auszusetzen, bei der man das Wesentliche oft übersieht," spricht sie, leise und bedacht, um ihm den Blick zuzuwenden, als der Sklave aus dem Raum gegangen ist. "Ich danke Dir, dass ich unter Deinem Dach eine Zuflucht finden kann, zu vieles scheint mir anders geworden, da ist ein Ruhepunkt mit bekannten Gesichtern ein willkommenes Geschenk."


    Ohne Hast erhebt sie sich, seiner Einladung folgend. "Sehr gerne, ein kleiner Happen wäre mir jetzt sehr willkommen. Mit Politik kannst Du mich nicht so leicht langweilen, sorge Dich deswegen nicht - mein Gemahl war leider kein Freund der Politik, und so blieb dieses Thema unerfreulich oft unerwähnt, sodass ich mich auf diesem Gebiet geistig schon so ausgetrocknet fühle wie eine Pflanze in der Wüste. Du kannst mir also eine große Freude damit machen, wenn Du mir davon berichtest, was sich derzeit in Rom politisch tut." Sachte legt sie die schmale, kühle Hand auf seinen Arm, wie es gebräuchlich ist unter Verwandten, und lässt sich in das triclinium führen.

    Mit einer sanften, fast vorsichtig wirkenden Geste reicht sie ihm die Hände zur Begrüßung und nun ist es ein echtes Lächeln, das die schmalen Züge erhellt. Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, dass sie ihn das letzte Mal gesehen hat, und er scheint ihr noch würdiger geworden zu sein als zuvor. Seine Schmeichelei scheint sie zumindest gefreut zu haben, auf den Wangen liegt die zarte Andeutung einer Rötung.
    "Ich danke Dir, Quarto ... heute bin ich Witwe und meine Eltern sind nicht mehr unter uns - man will es kaum glauben, wie schnell die Zeit verrinnt, wenn man sie nicht festzuhalten vermag. An manchen Tagen, wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, denke ich, dass jene Tage voller Ewigkeit waren, voller Vertrauen in die Zukunft, als könnte alles so bleiben, wie es ist. Und nun, einige Jahre später, hat sich alles verändert. Ich habe gehört, dass Du geheiratet hast und Dein Stern ebenso leuchtend erstrahlt wie der unseres Kaisers - wenn ich Dich betrachte, so scheint mir dies zutreffend zu sein."


    Wieder folgt ein leichtes Lächeln, dann jedoch schöpft sie Atem und lässt ein weitaus schwerwiegenderes Thema für sie folgen.
    "Heute muss ich Dich um eine Gunst bitten, da mein Elternhaus nicht mehr bewohnt, mein Bruder offensichtlich auf Reisen ist und mich nichts mehr dort hält, wo mein Gemahl gelebt hat - ich hoffe, ich kann für eine Weile ein Mitglied Deines Haushaltes hier werden. Nach all den Jahren in der südlichsten unserer provinciae sehne ich mich nach vertrauten Klängen." Zumindest einen Hang zu allzu viel Drumrumgerede hatte sie nie besessen und offensichtlich besitzt sie die Fähigkeit, schnell auf den Punkt zu kommen, noch immer. Zudem - sollte er ihr sagen, dass es keinen Platz für sie gäbe, galt es, baldmöglichst eine passende Unterkunft zu finden und sich nicht zuviel mit Gesprächen aufzuhalten, bis die Unterkunftsfrage geklärt war.

    Der Sklave beäugt die Wunde des magistratus soweit, wie es ihm überhaupt möglich ist - der Blutfleck indes kann ihm kaum entgangen sein, ebensowenig, dass sein Gegenüber ungehalten ist und sich seine Laune kaum in der nächsten Zeit bessern wird. Gute Sklaven hatten stets einen Vorteil - sie wussten genau, wann es Zeit war, zurück zu treten und ihren Besitzern die Angelegenheit zu überlassen, ohne dass diese das Gefühl bekamen, einen Scherbenhaufen aufkehren zu müssen. Und der hochgewachsene, breit gebaute Nubier ist ein guter Sklave, der die Launen seiner Herrin schon lange durchschaut hatte - letzten Endes war sie auch bei weitem nicht so schwer zu verstehen wie andere. So läßt er sich denn auch von dem Fremden erst einmal abkanzeln (es ist sicherlich der bessere Weg, als sich mit einem Amtsträger anzulegen, soviel Überlebensinstinkt schlummert in jedem Sklaven) und neigt dann abermals, nachdem es aussieht, als wäre sein Gegenüber fertig mit den Äußerungen seines Unmuts, höflich den Kopf.
    "Meine Herrin, Aelia Caenis, ist alleine hier, um eine solch frühe Zeit trifft man selten genug jemanden an, sodass sie ihren Übungen ungestört nachgehen kann." Dass diese Worte durch seine Verletzung ad absurdum geführt werden, ist offensichtlich, dennoch spricht der Nubier sie ruhig und vor allem überzeugt aus.


    Er blickt zu ihr hinüber, die noch immer den Bogen hält, als wolle er stumm eine Erlaubnis einholen, und erst, als sie ihren Bogen an einen der anderen Sklaven weitergibt, sieht er zu Aurelius Ursus zurück. "Meine Herrin wird sich selbstverständlich um Deine Wunde kümmern. Wenn Du mich bitte begleiten würdest? Das Verbandsmaterial befindet sich im Gepäck der domina. Und, wenn Du es möchtest, kannst Du Dich dort auch setzen, dominus." Natürlich würde sie sich niemals die Blöße geben, über die Wiese gerannt zu kommen, um einen Unbekannten zu verarzten - mit einem kleinen Kunstgriff mochte es gelingen, den Fremden zu dem Weg zu ihr zu bewegen. Zudem, sie entstammte der gens Aelia, die den Kaiser stellte - dass seine Herrin nur über sehr viele Ecken überhaupt mit dem Kaiser verwandt war, musste der Fremde nicht wissen, die Namensnennung reichte oft genug aus, um genug Prestige aufzubauen.


    "Wen darf ich der Herrin melden?" Der Sklave ist wirklich höflich, und es spricht einiges dafür, dass er einmal eine gute Stange Geld gekostet haben musste, wenn er nicht gleich im Haushalt der Aelier aufgewachsen war - normalerweise züchteten die hohen Familien ihre Sklaven nach, wenn sie in dem einen oder anderen lobenswerte Eigenschaften sahen. Bis zu diesem Moment hat sich jedenfalls seine Herrin kaum gerührt, nicht gerufen, nicht gesprochen - ihre Ähnlichkeit mit einer Diana-Statue war zumindest in den Momenten, in denen sie den Bogen gehalten hatte, durchaus frappierend gewesen.

    Zitat

    Original von Caius Aelius Archias
    Melde mich anwesend, werde morgen loslegen.
    Danke an alle, die nicht wie Caenis abgehauen sind. :P


    Pah! Komm Du mir nochmal unter die Augen, Cousin! :D *mit Bogen abschieß*


    Und: Am Wochenende nicht da.

    Der Blick der jungen Frau folgt dem Flug des Pfeiles, nicht zum ersten Mal hegt sie dabei den Wunsch, dem Pfeil gleich fliegen zu können, egal wohin, einfach das Gefühl des starken Windes im Haar zu haben, der dem Gesicht wuchtig entgegenschlägt, und doch zu triumphieren. Eine solche Macht konnte Leben beenden, verändern - doch bevor sie noch tief ausatmen kann, befriedigt darüber, dass der Pfeil sein Ziel traf, vernimmt sie den Schmerzeslaut aus der Ferne und muss feststellen, dass das vermeintliche Ziel das absolut falsche war und sich als Fremder mit feiner Kleidung entpuppt, der vorhin noch nicht mitten im Weg gestanden hatte. Sie lässt den Bogen sinken, für einen Moment lang mit sich selbst hadernd, dass sie ihn nicht hat kommen sehen, letztendlich hatte sie sich doch genug umgeblickt, um genau solches zu vermeiden - aber nun ist es passiert. Auf die Ferne kann sie nicht genug sehen, ob er wirklich ernsthaft versehrt ist, und so gibt sie dem hühnenhaften schwarzen Sklaven an ihrer Seite einen Wink - sofort setzt sich der massige Leib in Bewegung, der schon so manchen Dieb abzuschrecken vermocht hat, und nähert sich mit langen, energetischen Schritten dem Magistraten, um vor ihm zu verharren. Nicht einmal der Atem des Nubiers scheint schneller zu gehen, er blickt dem Römer offen entgegen.


    "Salve, dominus!" spricht er höflich, den Kopf neigend, als er die Kleidung des Fremden als die eines amtierenden magistratus erkennt - selten sind gewisse Streifen praktischer platziert gewesen - und wirft einen forschenden Blick auf den Aurelier. Zumindest aufrecht kann er sich noch halten, und er schreit nicht vor Schmerzen, der Pfeil steckt auch nicht in seinem Leib, das würde sich vielleicht noch ohne Ärger regeln lassen. "Meine Herrin möchte wissen, ob Du Dich ernsthaft verletzt hast und ob wir Dir helfen können, die Wunde zu versorgen." Auch wenn Caenis diese Worte nicht ausgesprochen hat, weiss der Nubier doch, dass sie sie ausgesprochen hätte - wäre er nicht gewesen - oft genug ist er die Stimme seiner Herrin, die ihre Lust zu sprechen mit den Jahren verloren hat, eingekerkert sind ihre Worte in einem Kopf, der schnell gelernt hat, wann es besser ist zu schweigen. "Sie bedauert den Vorfall natürlich zutiefst und hat Dich nicht mit Absicht verletzt." Auch das spricht er aus, wohl wissend, dass sie ähnliches gesagt hätte. Ihren letzten Satz ahnt der Sklave nicht, und jenen würde sie auch niemanden bitten, für sie zu sagen. Wollte ich Dich tot sehen, wärst Du es längst.


    Als ihr der kahlköpfige Sklave - dessen Name Nakhti lautet, was sie aber nicht wissen kann - den Weg in das Innere des oecus weist, nickt die junge Frau ihrem hühnenhaften nubischen Leibwächter nur zu, ohne ein Wort zu sagen, und sogleich tritt dieser beiseite, um an Ort und Stelle Wache zu stehen - wohl auch, bis sie wieder zurückkehren würde, um ihm etwas anderes zu sagen. Erst dann folgt sie der Einladung und betritt den Raum, in dem außer einem Mann gesetzten Alters niemand zu sehen ist. Sein Senatorenring verrät, dass er wohl derjenige sein muss, mit dem sie sprechen will, auch wenn sie sich an sein Gesicht nicht mehr so richtig erinnern kann - auf einer Familienfeier hatte sie ihn wohl ein- oder zweimal gesehen, aber diese Zeit lag so weit zurück, dass es ihr schwer fiel, sie überhaupt genau zu fassen. Dennoch, er hatte die aufrechte Haltung eines ehrenhaften Mannes, und den klaren Blick eines Menschen, der den Dingen auf den Grund ging - das reicht ihr vorerst, um nicht zu bereuen, um ein Gespräch mit ihm gebeten zu haben.


    "Salve, Aelius Quarto," spricht sie mit leiser, melodisch klingender Stimme, die allerdings für eine junge Frau recht matt erscheint. "Ich hoffe, ich störe Dich nicht bei wichtigeren Dingen, denn eigentlich hoffte ich meinen Bruder Callidus hier anzutreffen - man verwies mich allerdings an Dich als den Hausherrn, und so hoffe ich, dass wir unsere alte Bekanntschaft wieder erneuern können." Ihr Latein offenbart geschliffene Formen, aber doch einen leichten Akzent - wohl eine Folge der verbrachten Jahre in der Provinz, ebenso ist es für eine römische Dame mehr als ungewöhnlich, gebräunte Haut zu haben, wie sie es tut. Alles andere ihrer Erscheinung jedoch entspricht voll und ganz dem einer sittenstrengen Dame aus gutem Haus, nicht zuviel Schmuck, nicht zuviel Farbe im Gesicht, und respektable Kleidung aus edlem stoff.

    Der Akzent des Sklaven scheint der jungen Frau nicht einmal aufzufallen, sie reagiert nur wenig überhaupt auf das Gesagte - als Nakhti sie bittet, ihm zu folgen, neigt sie nur leicht das Haupt und - nach einem letzten, flüchtigen Blick, der die Gestalt des Prätorianers streift - geht sie ihm leise, nahezu lautlos hinterher, während der hühnenhafte, schwarzhäutige Sklave sich wiederum an die Fersen seiner Herrin heftet, sodass sie alsbald im Inneren des Wohntrakts der Aelier verschwinden. Zurück bleibt nichts als der vage, kaum wahrnehmbare Hauch eines teuren, aegyptischen Parfums, in dem das Versprechen langer Tage und verheißungsvoller Nächte liegt...

    Es ist nicht die junge Frau, die antwortet, sondern der breitschultrige, dunkelhäutige Nubier, der den Kahlköpfigen ruhig anblickt und mit tiefer Stimme kundtut:
    "Meine Herrin, die domina Aelia Caenis, Schwester des Aelius Callidus, wünscht mit dem consul Aelius Quarto zu sprechen, so er zugegen sein sollte." Währenddessen mag sich der Sklave an der Türe durchaus von ihrem Blick berührt fühlen, ein kurzes, knappes Mustern, aber noch immer kein Wort.


    Eine exclusive Adresse ist es, ein kleiner, überschaubarer Park, von klarer Hand und ruhigem Sinn erdacht und geplant. Strikt wurden die achaischen Vorstellungen eingehalten, die sich mit den römischen mischten und nun Gärten und Hausinnerstes bestimmen, so auch die horti Cornelii, einst erbaut, um die Sinne des Sulla zu zerstreuen, dann lange vergessen nach seinem Sturz, und heute im Besitz eines wohlmeinenden Philantrophen, der bisweilen Feste darin feiert und ansonsten durch einige Sklaven darauf achten lässt, dass kein unnötiger Dreck in seinen Besitz geschleppt wird - ansonsten kann ein jeder, der sich nach einem ausgedehnten Spaziergang sehnt, sich hier verlustieren. Im Grunde ist dies eine Einladung für Paare, die sich zuhause nicht blicken lassen können, die auch des Nachts häufig genutzt wird (sehr zur Freude des Besitzers, dessen Vorliebe für das Beobachten hier gestillt wird), am Tage jedoch tollen allerhöchstens Kinder über die zwischen hohen Bäumen liegenden gepflegten Wiesen, ab und an lässt sich gar ein reicher Würdenträger hierhin tragen, um der Enge der Stadt zu entfliehen. Die Sklaven, die an den Eingängen des Parks herumlungern, achten jedenfalls darauf, dass die Besucher anständig gekleidet sind - und freuen sich ansonsten eines recht lauen Lebens.


    An diesem Tag indes, ein kühler Morgen, der schon eine Andeutung eines bevorstehenden, kälteren Winters mit sich trägt, wird eine reich verzierte Sänfte in den Park getragen, der einige schwarzhäutige Sklaven folgen - nichts zu ungewöhnliches für Rom, aber doch ungewöhnlich für diese frühe Stunde. Die Sklaven am Eingang halten ein Gespräch mit jenen, welche die Sänfte begleiten, dann setzt diese den Weg ins Innere fort, macht schließlich bei einer Baumgruppe im Zentrum der Anlage Halt und entlässt dort eine schlanke, junge Frau mit leicht gebräunter Haut aus dem Inneren, die auf einem mitgebrachten Hocker Platz nimmt und vor deren Augen der Reigen an Sklaven sowohl einen Tisch mit einigen erfrischenden Köstlichkeiten darauf aufbauen, wie auch in etwas weiterer Entfernung mehrere Zielscheiben. Dass sie kurz darauf eine kleine lederne Armschiene an ihrem rechten Arm schnallt und sich einen Bogen aushändigen lässt, den sie zudem noch höchstselbst spannt, passt ebenso zu diesem exotischen Bild wie die Tatsache, dass die Sklaven mit einer Selbstverständlichkeit agieren, als seien sie dies alles gewöhnt. Für einen Beobachter dürfte es jedenfalls ein seltsames Bild abgeben, da sie die stola einer respektablen Römerin trägt, das Haar hochgesteckt wie eine matrona.


    Aelia Caenis tritt langsam bis zu jenem Punkt hin, den sie sich als Abschussposition gewählt hat, und lauscht dem leisen Rauschen des Windes in den Bäumen. Hier scheint der Winter so viel näher, denkt sie bei sich und lächelt vage, ohne einen Grund dafür zu haben. Es war ganz anders als Alexandria, und das war das gute daran. Italia hatte sie fast vergessen, ebenso wie die provincia wohl auch Caenis vergessen hatte. Die Dinge haben sich geändert. Sie fröstelt, aber eine schnell gehobene Hand hindert den Sklaven daran, zu ihr zu treten und ihr ein warmes Tuch für die Schultern zu reichen. Stattdessen nimmt sie einen Pfeil aus dem Köcher, betrachtet ihn kurz, nach Mängeln forschend, um dann den Bogen zu heben. Niemand außer ihnen scheint hier zu sein, und die Stille des Morgens scheint vollkommen, nicht einmal das sonst so laute, geschäftige Rom mag sich in diesen Augenblick drängen.
    Bedächtig legt sie den Pfeil auf ihren Zeigefinger auf, greift mit den Fingern die Sehne und beginnt, sie zu spannen, dem Zug des Bogens entgegen, das Holz, obgleich flexibel, bewegt sich ungern in die vorgegebene Richtung, sie muss ihre Kraft einsetzen, und ihre Übung, um den Bogen ruhig zu halten. Das Ziel in der Ferne anvisierend, erlebt sie den letzten Augenblick vor dem Flug des Pfeils bewusst, so still, so kühl, ein klarer Morgen - wusch! - der Pfeil schießt von der Sehne, dem Ziel entgegen ...


    Sim-Off:

    Reserviert.


    Dem wachhabenden Prätorianer folgend, schreitet eine junge Dame, in deren Schlepptau sich wiederum ein hochgewachsener, muskulöser schwarzer Sklave befindet, bis vor die porta des domus Aeliana, und dankt schließlich dem jungen Soldaten mit einem höflichen Neigen des Kopfes - das Sprechen allerdings überlässt sie dem Sklaven.
    "Meine Herrin dankt Dir für die freundliche Hilfe. Mögen die Götter auch Dir einen Dienst erweisen!" Dann tritt der Sklave vor und klopft mit einem gewissen Schwung vernehmlich an die wuchtige porta, die wohl auch noch einen mittleren Barbarenansturm abgehalten hätte - generell aber eher repräsentativ kund gibt, dass hinter ihr eine wichtige Familie residiert. Die junge Frau indes zupft mit einer eleganten, leichten Geste ihre palla zurecht, bis sie wieder perfekt fällt, und bleibt schweigend stehen, abwartend, ohne dass ihr allzu große Unruhe anzusehen wäre.

    "Natürlich," sagt der Sklave, auch wenn sich seinem dunklen Gesicht nicht ansehen lässt, was er zu einer solchen Maßnahme denkt - aber das war in einem solchen Augenblick auch weniger von Bedeutung. Der Tanz von eben schien sich zu wiederholen, der Sklave neigt den Kopf höflich zu dem Wachhabenden, wendet sich dann ab, beugt sich an der Seite der Sänfte herab und flüstert in das Innere der Sänfte hinein, dann ist es einige Momente lang still. Schließlich erscheint eine schlanke, leicht gebräunte Hand und zieht den blickdichten, zarten Stoff beiseite, der Nubier hilft seiner Herrin beim Aussteigen, und als die schlanke, nicht unbedingt groß gewachsene junge Frau neben ihm steht, wirken diese beiden wie ein strikter Gegensatz - der muskelbepackte, schwarzhäutige Hühne und die wesentlich kleinere, schlanke Frau, deren Gesicht, wie es einer römischen Frau ankommt, mit einer palla umhüllt ist, welche das hochgesteckte Haar fast gänzlich verbirgt und nur die klaren, harmonischen Gesichtszüge offen lässt. Nur kurz huscht der Blick aus ihren Augen zu Quintilius Valerian, ein flüchtiges Mustern, ohne allzu lange auf seiner Gestalt zu verharren - nichts an diesem Moment lässt sie anders als eine vornehme Frau erscheinen, die es nicht gewöhnt ist, sich viel außerhalb eines Anwesens zu bewegen.
    "Wenn Du bitte voran gehen würdest, damit meine domina folgen kann?" bittet der Schwarze freundlich, während die anderen Sklaven bei der Sänfte Aufstellung nehmen, um das Gefährt selbst, den Packkarren und das beigefügte Gepäck zu bewachen. Strikt dem alten Brauch folgend ist es auch, dass sie den ihr fremden Mann nicht anspricht, und erst mit einem gewissen Abstand folgt, allenfalls ein sehr flüchtiges Lächeln auf den geschwungenen Lippen dankt Quintilius Valerian für seine Mühen.

    Die höfliche Antwort des Wachhabenden scheint keine nennenswerte Reaktion in der Miene des Sklaven auszulösen, allenfalls die Augen schimmern etwas wärmer und freundlicher nun. Dann allerdings neigt er den Kopf und sagt: "Entschuldige mich, ich muss dies meiner domina sagen."
    Im gleichen Augenblick wendet er sich ab, tritt zur Sänfte zurück und bleibt bei den Vorhängen stehen, neigt sich hernieder und flüstert ihr einige Worte zu, welche wohl von den unveränderlichen Tatsachen künden sollten - auch wenn die Reisende jene sicherlich bereits schon vernommen haben musste, als Quintilius Valerian sie ausgesprochen hatte. Einige leise Worte aus dem Inneren der Sänfte folgen, dann richtet sich der nubische Hühne wieder auf und tritt zu Quintilius Valerian zurück.
    "Meine Herrin möchte dann mit consul Aelius Quarto sprechen, so er denn zugegen ist und für sie Zeit findet." Ob sie einfach nur dekadent ist, um sich nicht vor der Öffentlichkeit zeigen zu wollen, oder ob es einem tief empfundenen moralischen Handeln entspringt, vermag man beim prächtigen Anblick der Sänfte nicht zu sagen, allenfalls dürfte zumindest eines gewiss sein: Dass diese Besucherin vieles ist, nur nicht alltäglich. Schon die nubischen Sklaven - kein einziger mit heller Haut findet sich in ihrer Begleitung - sprechen für einen sehr speziellen Geschmack, der wenig Abweichung von der selbst gewählten Norm duldet.


    Eine Sänfte ist es, die sich langsam und mit einigem Anhang auf den palatium Augusti zubewegt - Anhang in Form eines Karrens gehobener Qualität, dicht bestückt mit diversen Gepäckstücken, aber auch in Form einiger Sklaven, deren dunkle Haut glänzt, als seien sie am frühen Morgen mit Öl eingerieben worden. Zudem, der Goldschmuck, der ihnen um Hals und Arme liegt, lässt auf einen reichen Herrn deuten (oder zumindest einen Herrn, der gerne reich erscheinen will). Als die Sänfte die Treppen und damit auch die Wachhabenden erreicht, bietet sich ein vielleicht nicht ganz alltäglicher Anblick - es ist eine schön gestaltete Sänfte, mit vielen verzierten Schnitzereien, die dem Auge eine Möglichkeit geben, sich in den Details zu verlieren. Schließlich teilen sich die hauchzart wirkenden, aber blickdichten weißen Vorhänge an einer Seite, ein schlanker, leicht gebräunter Arm kommt dazwischen zum Vorschein und winkt einen der Sklaven heran, die der Sänfte gefolgt sind, und jener tritt an die Seite, um sich die leise gesprochenen Anweisungen von innen anzuhören, nickt dann und wendet sich in die Richtung der Wachhabenden.


    "Salve!" spricht der schwarzhäutige Hühne ruhig, mit tiefer Stimme, und blickt sein Gegenüber direkt an, jenes Gehabe ist eindeutig nicht das eines duckmäuserischen Haussklaven, sondern das eines Sklaven, der um seinen Wert für seinen Herrn weiss. "Meine Herrin, die domina Aelia Caenis, ist hier, um mit ihrem Bruder Aelius Callidus zu sprechen. Weisst Du, ob er sich derzeit in Rom im domus Aeliana aufhält?" Wohl ist dieser Sklave ein gutes Stück größer als durchschnittliche Römer, und sein ruhigen, bedächtigen Bewegungen lassen auf viel zurückgehaltene und kontrollierte Kraft schließen.


    Das Schiff war glücklich über das mare internum angekommen, und nun strömen die vielfältigen Gerüche Italias über das Deck der 'Columba', die so viel der aegyptischen Waren mit sich trug. Unter anderem auch eine Passagierin samt ihres kleinen Anhangs aus nubischen Sklaven und deutlich mehr Gepäck - wie junge Frauen heutzutage eben zu reisen pflegen - und neben dem Ausladen der Waren müssen die Seeleute auch vorsichtig und bedacht all jene Dinge an Land bringen, welche die junge Frau als unerlässlich für ihre Bequemlichkeit erachtet. Dass dazu auch ein edles Reitpferd gehört, hat auf der Reise für einiges Getuschel gesorgt, zudem für Unmut über achtlos abgelassene Pferdeäpfel, die das Tier mit den langen Beinen und schlanken Fesseln in überreichlicher Anzahl abzusondern schien (was allerdings weniger am Pferd denn an der einseitigen Ernährung und mangelndem Auslauf auf der Überfahrt liegt). Und während das Gepäck bereits auf einen Wagen geladen und nach Rom verbracht wird, steigt die junge Dame in eine bereits gemietete Sänfte und lässt sich in das Innere der Stadt tragen, um schließlich den Weg nach Rom einzuschlagen, jener Stadt, die seit jeher über viele Schicksale zu entscheiden imstande war.
    "Salve, Roma," flüstert sie leise in ihre palla hinein, wohl wissend, dass niemand ihren Gruß vernehmen wird, und sie in der ewigen Stadt nur eine unter vielen ist, mit ihren eigenen Träumen, Sehnsüchten und Wünschen. Sie hatte einen Abschnitt ihres Lebens hinter sich gelassen, und blickt nun einem neuen entgegen.

    Leise klatscht das Wasser im Hafenbecken an den Rumpf des Schiffes, welches sich stetig, wenngleich eher gemächlich, vom Anlegeplatz entfernt. Ein wenig Schaum scheint auf dem Wasser zu liegen, wohl durch die Hitze bedingt oder durch Seifenwasser, das in das Becken gegossen wurde, aber die Passagierin der 'Columba' verliert daran keinen Gedanken.
    Wie seltsam das Leben spielt, denkt sie sich und blickt zurück auf die vertrauten Umrisse Alexandrias, die sie hassen und lieben zugleich gelernt hat. Wie gerne wäre sie dorthin entflohen, hätte sich in die Menge gemischt, unter die Menschen, die in ihr nur eine Frau gesehen hätten, hätte sich stundenlang durch die Bibliotheken bewegt, um sich ganz ihren Betrachtungen zu überlassen, aber ihr goldener Käfig war zu eng gewesen, hatte sie so gut gefangen, dass eine Flucht nicht im Bereich des möglichen gelegen hatte. Und nun entfernt sich dieses Alexandria unerreichbar, und unaufhaltsam aus ihrer Nähe, während der Geruch des Meeres sie umfängt, sie hält wie eine verheißungsvolle Umarmung. Bald wird sie nur mehr das Meer sehen, sich zwischen Land und Wasser bewegen wie eine der ewig segelnden Möwen, wohl wissend, dass sie an das Land gebunden ist, zurückkehren wird, sich dennoch einige schöne Stunden auf dem Wasser stehlend.


    "Vale, Aegyptus," spricht sie in den aufkommenden Wind hinein und weiß noch nicht, ob es ein Abschied für immer sein wird. Sie wünscht diesem Land nichts schlechtes, und doch ist sie nicht traurig darüber, gehen zu können, neuen Herausforderungen entgegen, und sei es nur jene, sich selbst wieder zu finden. Ein Lächeln ziert ihre geschwungenen Lippen, der Wind beginnt an ihrem Haar zu zerren, als sich das Schiff auf die See hinaus schiebt, und sie kann es fühlen, dieses lange vermisste Gefühl der Freiheit, alle Bitterkeit, alle Unsicherheiten zurücklassend für ein kleines Stück Zukunft ... hinein in das Blau, hinein in die Ungewissheit, doch ohne Furcht, mit Zuversicht segelnd wie alle Entdecker, auch wenn sie weniger Weltbewegendes finden wird, so ist es doch ein ganz eigenes Abenteuer. "Rom, ich komme!" ruft sie in den Wind, während einige Seeleute zu ihr blicken und insgeheim den Kopf schütteln über diese überspannte Römerin in den feinen Gewändern. Frauen eben. Sie bemerkt die Blicke nicht, und selbst wenn sie diese bemerkt hätte, es wäre ihr gleich gewesen, den Blick voraus gerichtet, sieht sie nicht mehr zurück.


    Blauer Himmel wölbt sich über geschäftigem Treiben, die Schreie der Möwen bilden einen leisen, aber vorhandenen Klangteppich für die Flüche der Träger und Seeleute, immer wieder schiebt sich ein Schiff in den Hafen der Metropole Alexandria, während ein anderes ihn verlässt. Am Kai finden sich abertausende Kisten und Bündel gestapelt, die Waren aus der ganzen bekannten Welt beinhalten, aber auch viele Tonamphoren, in denen Getreide in die wohl hungrigste Stadt von allen transportiert wird - nach Rom.
    Fast ein wenig verloren wirkt sie, die junge Frau im Kreise breitschultriger, schwarzhäutiger Hühnen, die wohl ihrem Schutz dienen sollen und durch grimmige Blicke immer wieder Neugierige abhalten. Kleiner als jene ist sie in jedem Fall, das schwarze Haar hochgesteckt, züchtig unter einer palla verborgen, die sie als Römerin verrät, ausweist, vielleicht gar brandmarkt im allfälligen Getuschel und Geschwätz der Menschen von so unterschiedlicher Herkunft. Sie hört die zotigen Worte, die Seeleute den umherwandernden Dockarbeitern zurufen, sie betrachtet die Frauen in ihren grellbunten Gewändern, die sich am Tage zeigen, damit die Männer wissen, wonach sie in der Nacht verlangen sollen und wo sie dies finden. Und doch, sie scheint wenig Anteil daran zu haben, beobachtet nur, ohne Hast, während ihr Gepäck eingeladen wird.


    Schweiß rinnt den Trägern über die Stirn, der Tag ist heiß, obwohl sich in langsamen Schritten der Winter nähert, doch sie scheint davon wenig berührt. Andere Reisende gehen an Bord des Handelsschiffes, in dessen Bauch Nahrung und Waren nach Rom geschafft werden, und an Deck ist sie nicht viel mehr als eine weitere Ware, die sich auf einem ganz anderen Markt irgendwann wiederfinden wird.
    Werde ich dies vermissen? fragt sie sich still, den Blick schweifen lassend, dann ist endlich die letzte Kiste an Bord getragen, einer der Schiffsoffiziere - falls man bei einem Kauffahrer überhaupt von so etwas sprechen darf - kommt auf einen ihrer Sklaven zu und bedeutet diesem, dass ihre winzige Kabine nun bereit wäre. Leichten Schritts setzt sie sich in Bewegung, den Blick auf die Stiege gerichtet, über welche ihre Füße schreiten, damit sie nicht fehltritt, dann ist sie an Bord, kann sogleich das leichte Wogen des Meeres fühlen, das sich unter ihnen ausbreitet, die immerwährende Bewegung, welche die Menschen noch ewig überleben wird, vielleicht alles andere auf der bekannten Welt sogar.
    "Domina, es ist alles bereit. In zwei Stunden wird das Schiff auslaufen," spricht sie ihr Leibsklave leise an, unglaublich, dass ein so kräftiger Mann eine so sanfte Stimme haben kann, ohne dabei lächerlich zu wirken. Caenis nickt, und wieder richtet sich der Blick in den Himmel. Werde ich dies vermissen?