Sorgsam wickelt die nubische Sklavin eine hauchdünne Vase aus grünblauem Glas in weiche Tücher, um sie dann in einer passend geformten Kiste zu verstauen, ein besonders schönes Stück, welches nicht nur das Auge zu erfreuen weiss, sondern auch durch die auf der Glasoberfläche spielenden Lichtreflexe die Seele für einen Augenblick von trüben Gedanken zu erleichtern imstande ist. Kleinode, die ihr Gemahl in den letzten Jahren gesammelt hat, eines von den vielen, das auch ihr Herz erfreuen konnte - diese Vase wird sie begleiten, wie auch einige andere Kleinigkeiten, alles andere würde verkauft werden, und ohne Bedauern kann sie sich von all dem trennen, was sie selbst oft genug als wertlosen Plunder betrachtet hat.
Als ob es sie ersticken würde, das ganze Gold, der Marmor, die exquisiten Statuetten, die Schnitzereien, Malereien, Verzierungen, alles muss weg, darf in ihrem neuen Leben keinen Platz mehr einnehmen, und je schneller, desto besser. Für eine Römerin hat sie erstaunlich wenig Gepäck, auch Kleidung ist verkauft worden, nicht zu wenig davon, denn auch bei ihren Gewändern ist ihr Geschmack ein anderer geworden, als jener, den ihr der Gemahl über die Jahre hinweg aufoktroyiert hat. Befreit, ja, beschwingt fühlt sie sich nun, als sie die Reihe der Kisten entlang geht, in denen sich ihre Besitztümer befinden, und je leerer die Residenz wird, desto reicher fühlt sie sich. Alles, was an ihn erinnert, wird Stück für Stück weniger, als könnte sie auch seine Existenz in ihrer Erinnerung Stück für Stück zerstören.
Inzwischen hallen die Schritte der Sklaven in den geleerten Räumen wider, sind deutlich zu vernehmen auf dem glänzenden Marmorboden, streifen über die flachen Steinplatten des Innenhofs wie ein beständiger Wind, der niemals abzuflachen imstande ist. Sie lauscht diesen Klängen und schmunzelt über das sichere Wissen, wie sehr sich ihr Gemahl geärgert hätte über diese Geräusche, denn nichts anderes wollte er dulden als Musik nach seinem Geschmack und das leise Stöhnen der Lust, welche ihm bereitet wurde. Vorbei, alles vorbei, frohlockt es in ihrem Inneren, und sie reibt sich die Arme, als müsse sie sich dadurch daran erinnern, dass es real ist, dass es wirklich geschieht. Schweigend blickt sie sich um und geht dann hinaus, durchquert das atrium einmal mehr, in die Richtung ihres cubiculums streifend, und dann ist die kühle Nacht einmal mehr ihr Gefährte, als sie in den eingefriedeten Garten betritt, sorgsam gepflegt, damit kein wildes Getier die Füße der Herrschaft bedroht. Schön fand sie es hier nie, aber vergessen wird sie diesen Ort ebenso nicht, der ihr Schmerz und Reife zugleich vermittelt hat. Andere wären zerbrochen, sie hat eine innere Stärke genährt, die nun endlich leben darf.
"Meinen Bogen - und Silentia - beide kommen mit," befiehlt sie gelassen, und der Nubier hinter ihr neigt stumm den Kopf, bevor er sich umwendet. Ihre tänzelnde, schwarze Stute war ihr von allem Spielzeug stets das Liebste. Ob man in Rom reiten kann? Es scheint so ewig lange her.