Ein Teil von Axilla wollte laut 'JA' brüllen, als Imperiosus meinte, er könne die Decima auch wieder rausschmeißen. Ein Teil von Axilla wollte sie an den Haaren von Sklaven herausgezerrt wissen – oder sie selbst hinauszerren – und mit einem gekonnten Tritt auf die Straße in den Dreck befördert wissen. Aber der größere Teil von Axilla wusste, dass das wohl das einzige wäre, was noch schlimmer wäre, nun, nachdem der Ianitor die Decima schon reingebeten hatte.
Und dann kam Imperiosus zu ihr rüber. Axillas Griff um sich selbst verstärkte sich, schon in Befürchtung der Dinge, die da kamen. Sie woltle von ihm nicht umarmt werden. Sie wand sich in seinem Griff, wollte ihn wegdrücken, knurrte ihn sogar an, setzte ihre Ellbogen ein, aber er ging nicht weg. Axilla wollte nicht von ihm jetzt umarmt werden. Er hatte sie verraten und gegen sie gestellt, sie wollte ihn hassen. Sie wollte jetzt allein sein, mit sich. Allein konnte sie es stumm ertragen. Allein konnte sie es in sich hineinfressen und vergraben, weg zu den vielen anderen Dingen, die dort vergraben worden waren unter Mauern aus Einsamkeit und Pflicht. Da konnte sie dann mit den Gefühlen umgehen, da konnte sie sie wegignorieren und weitermachen.
Aber Imperiosus ließ sie nicht. Er umarmte sie, hielt sie fest, bis Axilla schließlich schluchzte und weinte. Wenn er sie so hielt, konnte sie nicht in stiller Wut bleiben. Wenn er sie so hielt, fühlte sie seine Nähe, roch seine Haut, spürte seine Wärme. Hörte sein Herz. Da konnte sie ihn nicht so hassen, wenn er der einzig konstante Punkt in einer bebenden Welt war. Uns so zerbrach ihr Widerstand weinend, und sie hielt sich an ihm fest, ließ das Gefühl zu und machte sich für einen Moment nichts daraus, dass sie doch stark und wütend und souverän sein wollte.
Sie wusste nicht, wie lange sie da saß und heulte, allzu lange konnte es nicht sein. Irgendwann wäre sicher ein Sklave gekommen, um den Hausherrn zu fragen, ob man dem Gast schon was auftischen sollte. Da aber keiner kam, waren es wohl nur ein paar Minuten, bis sie sich wieder beruhigt hatte, um auf seine Frage antworten zu können. Er wusste das alles ja gar nicht. Vielleicht sah er es anders, wenn er es wusste.
“Die Decima, sie... sie...“ Axilla atmete einmal lang und hörbar durch. Sie hatte keine Stimme für das, was sie sagen wollte. Und gleichzeitig schämte sie sich auch für einen Teil.
Es war seltsam. Erst hasste sie Imperiosus und wollte nicht, dass er sie anfasste. Aber jetzt hatte sie weit mehr Angst davor, dass er sie loslassen könnte, wenn er von Axillas Schwangerschaft von Archias erfuhr. Zum Glück waren sie einander so nah, dass sie sein Gesicht nicht sehen konnte, und er nicht ihre verheulten Augen.
“Ich war von Archias schwanger, bevor... als er noch mit ihr verlobt war. Er... wir... Er hat mich geliebt, weißt du. Und... ich wollte das nicht, dass das passiert. Aber... ich hab dann auch versucht, das Kind weg zu machen, weil ich es so nicht bekommen durfte. Und ich bin zu einem Heiler gegangen, um Kräuter dafür zu holen. Ich wusste nicht, dass der Heiler für die Decima gearbeitet hat, aber er hat. Und es hat nicht funktioniert. Ich hatte starke Schmerzen, und Leander, mein Leibsklave, er hat den Heiler dann nochmal geholt. Das Kind ist in mir geblieben, aber... ich war sehr schwach.
Danach war da diese Hochzeit bei den Aureliern. Von Aurelius Ursus und der Tiberia. Ich bin mit Duccius Vala dahin gegangen, und Archias war so eifersüchtig, so unendlich eifersüchtig, dass er... er hat ihm eine Schüssel mit Essen über den Kopf geleert, obwohl die Decima daneben stand. Kurz danach hat er auch die Verlobung gelöst und kam zu mir, und ich hab ihm das mit dem Kind auch gesagt. Und er hat sich so gefreut darüber, und wollte mich heiraten.
Aber... ich bin überfallen worden, auf dem Weg zu ihm. Leander hat sich zwischen mich und den Angreifer geworfen, und er wurde dabei getötet. Wäre nicht ein Passant zur Hilfe gekommen... Aber das Kind, es... es ist trotzdem... ich hab es verloren...“ Axilla sank bei den Worten immer mehr in sich zusammen. Es war so unlogisch, um ein Kind zu trauern, das sie nie gehabt hatte und erst gar nicht hatte haben wollen. Aber was wäre alles anders gewesen, wenn es geboren worden wäre? “Ich hab mir damals nichts dabei gedacht, aber heute... der Heiler hat seiner Herrin sicher nach dieser Sache bei der Hochzeit und der neuen Verlobung mit mir erzählt, dass ich ein Kind von Archias erwarte. Das war kein zufälliger Überfall, es waren dutzende Menschen auf der Straße, und der Angreifer ist direkt zu mir gekommen. Direkt zu mir.“
Axilla starrte auf den Boden, wollte Imperiosus Blick nicht sehen. Wollte keinen Ekel und kein Abscheu sehen, wenn er sie ansah, und sie fürchtete sich wahnsinnig, eben das in seinem Blick zu finden. Oder schlimmer, dass er sie für verrückt hielt und glaubte, das sei alles Einbildung.
“Und da ist noch mehr. Ich... ich hab geschworen, nichts davon zu erzählen, aber... da ist eine Sache, wegen der ich die Decima auch vor einigen Wochen dann zur Rede gestellt habe. Ich wollte nur, dass sie aufhört, mehr nicht, aber... sie hat mir gedroht, hat gesagt, dass sie alle Iunii zu Fall bringen will, hat uns hier gedroht, Atticus... Ich hab sie geschlagen deswegen, da ist sie abgehauen. Und sie hat gesagt, dass das wegen Archias ist. Ihr Bruder hat mir auch schon einmal gedroht, das war bei einem Gladiatorenkampf, als wir uns zufällig getroffen haben. Er hat mich wegen Archias beleidigt und... aber jetzt gehen sie weiter! Sie greifen meine Gens an, Gaius, meine Familie. Das ist nichts, was man verzeihen kann. Jetzt gibt es keine Gnade mehr.“ Axilla konnte da nicht anders. Ihre Gens war das einzig wirklich wichtige für sie, mit allem, was dazugehörte.