Beiträge von Artomaglos


    Acanthus blickte erstaunt zum Kleinen hin, als jener anfing, loszustammeln. Er wartete auf einen Gruß, jenes Warten sollte vergebens sein. Er seufzte. Normalerweise hätte er den Kleinen unter schallendem Gelächter zurückgewiesen. Aber er brachte es nicht übers herz. Nochmals seufzte er, als er sich anhörte, was der Kleine zu sagen hatte.
    „Also gut.“, meinte Acanthus nach langem Überlegen. „Wenn ich dich jetzt schnell reinlasse, dann erzählst du es niemanden! Also, ganz leise sein!“, wisperte er dem Kleinen zu. „Und ich schicke dir jemanden mit.“ Acanthus drehte sich um.
    Hinter ihm kam ein gewaltiger Hüne zum Vorschein. Hände wie Teller. Arme wie Baumstämme. Groß wie eine Säule. Artomaglos, der neue norische Sklave. Hmm, was hatte der hier zu suchen? Egal. Acanthus kannte den Sklaven noch kaum, und dachte sich, er sollte ihm wirklich einmal eine solche Aufgabe übergeben. Eine Vertrauensaufgabe. Auf seinem Gesicht bildete sich ein leichtes Lächeln.
    „Artomaglos! Der junge Herr hier hat seinen Ball verloren. Hilf ihm doch bitte beim Suchen. Und pass auf, dass er dir nicht entwischt.“, meinte er noch, es klang wie dahingeworfen, doch es offenbarte den wahren Zweck eines „Mitsuchers“ – jener sollte den Eindringling im Auge behalten.


    Artomaglos blickte den Ianitor erstaunt an. Er sah zuerst aus, als ob er widersprechen wollte, doch dann fiel sein Blick auf den kleinen Jungen. Wieso kau ma so klane Kinder nix obschlougn?, dachte er sich. Den kau ma douch net wegschick’n... so ein liaba klana Wutz. Er blickte vorwurfsvoll zu Acanthus hin, doch dann nickte er. Sein Blick senkte sich wieder auf den Jungen.
    „Oiso, daunn gemma’n Boi suach’n. Oba soug niamaundn wous! Du woast net hia, waunn di jemaund frougt!“, schärfte Artomaglos dem Kleinen ein, packte ihn gan, ganz vorsichtig, aber trotzdem noch immer fest genug, an der Hand, sodass der Kleine nicht entkommen konnte, und fragte: „Jou, wou is’a dia iba d’Maua gflougn?“


    Sim-Off:

    Im Falle der Verständnislosigkeit: „Also, dann gehen wir den Ball suchen. Aber sag niemanden etwas. Du warst nicht hier, wenn jemand fragt!“ und „ Ja, wo ist er dir über die Mauer geflogen?“ ;)


    Oh, die Freuden der göttlichen Erkenntnis. Oh, die Erkenntnisse, die man durch Freuden gewinnt. Oh, die Meditation. Ja, Acanthus war heute wieder in höchst spirituellen Fahrtgewässern unterwegs, was der Grund war, wieso er das erste Klopfen nicht hörte. Doch das zweite drang viel deutlicher zu ihm durch.
    Er mühte sich auf, wuchtete sich selber zur Türe hin und machte sich daran, die Türe aufzumachen. Er wollte schon zu seinem Sprüchlein ansetzen, in einem üblichen gelangweilt-routinierten Tonfall, da fiel ihm auf, dass vor der Tür kein Klient der Flavier oder ein Dienstbote stand, sondern ein kleiner Wicht. Nun, Acanthus hatte schon immer ein Herz für Kinder gehabt. Er beugte sich zum Burschen hinunter und brummte gutmütig: „Salve, Kleiner. Was kann ich für dich tun? Suchst du jemanden? Ist dir ein Ball über die Mauer geflogen?“

    Die beiden Schwachmatikerflüsterten sich gegenseitig irgendeinen Stuß zu, als Artomaglos zu ihnen hinkam, aber es schien nicht über ihn zu sein, also war ihm das wurscht. Er nahm nicht an, dass Pisos Hand besonders ausdauerhaft war, also drückte er sie nicht wie wild, sondern fasste sie nur sehr, sehr leicht. Trotzdem schien dem Flavier ein ordentlicher Schmerz zu durchfahren, was dieser zwar zu verkneifen versuchte, aber dabei scheiterte. Nicht nur genug damit, dass er eine Hackfresse zog wie ein Arschkappelmuster, nein, motzen musste der Wappler auch noch. Ein Name wurde ihm entgegengebellt, und Artomaglos versuchte ihn auszusprechen. „Pissero“, meinte er, ziemlich stolz auf sich selber. „Ouda woat, na. Pissgroß! Vü bessa, jo.“, grinste er, zufrieden mit sich selber und der Welt, und konnte nicht umhin, Piso wegen der mickrigen Stimme, die er zur Schau stellte, etwas zu bemitleiden. „Oiso, Villa Flavia, Quirinal? Ich kennt net sougn, dass i waaß, wo des is. I froug mi afouch um.“, meinte er. Dann erpackte er den Flavier an den Schultern – hörte er da ein Quäken? Nein, das musste ein Windlüftchen sein.
    „Wieso i des tua? Froug mi net.“, meinte Artomaglos kurz angebunden. Er hatte wenig Lust, über seine sämtlichen Beweggründe zu sprechen. Vor allem nicht vor einem Römer. „I tua‘s afouch. Fia di!“, lächelte er den Patrizier an und dachte sich: Mit dia wea i no a Freid houm, jo bei meina Ehr! Er schüttelte den Kopf, leise lachend, und wandte sich dann an Cassivellaunus.
    „Und du kummst a mit, Watschengfriass.“, meinte Artomaglos zum kleinen Sklaven, der noch immer am Boden saß. Jener rappelte sich auf und blickte Piso und dann seinen neuen Sklaven benommen an. „Jetza gemma amoi zur Villa Flavia. Des is do driam, ouda?“, meinte er, zeigte in eine Richtung, und als er ein Nicken von Piso vernahm, packte er die beiden, herrn und Sklaven, wiederholt an der Schulter und zerrte sie weg von diesem Ort, zum Quirinal, was nun sein neues Zuhause werden würde.

    Raus aus der Taverne! Nichts wie raus! Die Ausgangstür aufgerissen. Den Römer und den Britannier durchgeschubst. Die Tür zugeknallt. Und rennen, was das Zeug hält. So a Schererei mit der Remer, dachte er sich missmutig. In seinem Rennen wurde er erheblich dadurch gerhindert, dass er Cassivellaunus und Piso, Mitreisende wider Willen, mitschleifte.
    Einen Moment. Wous hoit mi davon ob, dass i jetz abhau? Ich kennt die beiden den Mob hinwerfen. Und daunn die Fliagn mochn. Der Gedanke war verlockend. Aber er führte ihn nicht durch. Es wäre das Todesurteil für die Zwei, in die Fängen des wütenden und besoffenen Mobs zu geraten.
    Also zog er sie weiter, in eine Hintergasse. Er blickte sich kurz um, die meisten hatten die Verfolgung abgebrochen, bis auf zwei, die sich besonders toll vorkamen.
    Artomaglos blieb stehen und schubste seine beiden Schützlinge nach vorne. Dann drehte er sich um und breitete seine Arme aus, als wollte er die beiden umarmen statt ausser Gefecht setzen.
    Es waren ein Dünner, Grosser und ein Dicker, Kleiner, die noch dahergelaufen kamen. Der Grössere war schneller, selbstverständlich.
    Der Große lief voller Elan dem Kelten aus Noricum entgegen. Gerade wollte er ansetzen zum Angriff. Mit der Faust direkt ins Gesicht. Genau. Das würde dem Aufsässigen eine Lehre erteilen.
    Doch unvermittelt fühlte er sich in die Höhe gehoben. Was das war, das würde er vermutlich sein ganzes Leben nicht mehr feststellen. Die Welt machte eine unvermutete 90-Grad-Drehung. Sein Körper schlug auf etwas auf. Und dann auf eine zweite Sache. Was das Erste war, dass wusste er nicht, aber das Zweite war ein alter Bekannter – das kalte und harte Kopfsteinpflaster Roms.
    Nun zum Zweiten, zum Dicken. Auch er rannte. Zum Kelten hin. Er war etws verwundert, als sein Freund vor ihm eine seltsame Bewegung machte. Durch sein Hirn schoss ein Gedanke: schon kurios, wie die Leute heutzutage in die Luft schießen, sich dann in der Luft herumdrehen und auf dich mit einer Mordsgeschwindigkeit zuschießen – nun, dies war sein letzter Gedanke, bevor er bewusstlos zusammensackte.
    Artomaglos hatte den ersten gepackt, ihn hochgehoben und ihn als Keule benutzt, um seinen Freund niederzustrecken. Dann warf er ihn beiseite, wie ein nutzloses Stück Holz. 15 Fuß entfernt traf der Erste am Boden auf und war fürs erste auch einmal entsorgt.
    Dann blickte er zu seinem Herren hin und kratzte sich am Kopf. Jetzt könnte er gehen! Gefahr gebannt, Herr nicht fähig, dich zu verfolgen. Aber, auf der anderen Seite, wie weit würde er kommen? Zu den Toren der Stadt. Dann würde man ihn aufgreifen. Und zu Manlius Vulso bringen. Nein. Er würde fürs erste einmal hier bleiben.
    Vielleicht wäre er geflohen, hätte er gewusst, dass sein alter Besitzer sich weder an den Namen noch das Aussehen seines ehemaligen Sklaven noch dem Kerl, der ihm ihn abgeluchst hatte, erinnern können würde, sosehr er auch sein Hirn zermartern würde.
    Er reichte Piso die Hand. „I bin der Artomaglos. Und du bist der Pisskopf. Nett, di zum Treffen.“, meinte er mit tiefer Stimme. "Wous nun, ha? Wou is dei Casa?"

    Der Kerl ging ihm auf die Nerven. Es war direkt unglaublich. Gerade vor 2 Tagen wurde er von dem Burschen für einen gewaltigen Batzen Geld vom alten Tranquilus, oder wie der hiess, gekauft. Und er hatte nicht gezögert, ihn, den Riesen aus den Alpen, wie man ihn nannte, herzuzeigen. Wie diese Dumpfbacke hieß, irgendwie Luzifer Mandelfuß Vulgär, konnte Artomaglos nicht im Kopf behalten. Es ist entsetzlich. Wos fiar a Grattler, dachte er sich und schüttelte wiederholt den Kopf, als er herumgezeigt wurde. In irgendeine Taverne in einem ganz miesen Viertel waren sie. Keine Berge in Sicht. Da kau ma jo Plotzaungst krieg’n. Teilnahmslos nahm er die Eisenstücke entgegen und verbog sie zu witzigen Figuren. Die Augen waren da, der Mund bewegte sich, aber seine Gedanken waren schon längst nicht mehr hier. Sie waren zuhause, auf der Alm. Wie sehr er es vermisste. Aber etwas anderes hatte er sich nicht verdient.
    In jenem Moment zog ihn Vulgaricus, oder so, zu ihm hin. „Siehst du den Typen da drüben? Dem, hicks, nehme ich den Sklaven ab. Und du hilfst mir dabei.“ Jo supa, das Nudlaug hot scho wieda an Tulliö, und i muass des ausbaden. Na servus, Majestät. Unwillig trottete Artomaglos dem Manlier nach und hörte der Konversation zu. Der Kerl war komplett besoffen, wie er sich anhörte, und dem anderen war überhaupt nicht wohl. Der wird wui hoffentlich aufsteh’n und si schleichen, dachte sich Artomaglos. Aber weit gefehlt. Der Mann – was war sein Name? Genau! Jaulus Flaschius Pisskopf. Netter Name. Er nahm die Würfel und würfelte, obwohl man 2 Sechser und einen Vierer nur schwerlich überbieten kann.. Mumm hot a jo. Und boid kan Sklaven mehr.
    Um so größer war seine Erstaunung, als er sah, was Pisskopf gewürfelt hatte. Nicht schlecht, dachte er sich. Der Fremde gewann eine ordentliche Farbe zurück und zeigte ein belämmertes Grinsen, welches aber an Beknacktheit sicher nicht an das seines Sklaven herangelangte. Vulzifulzi oder wie der hieß war kalkweiß geworden.
    Plötzlich stand sein Herr auf und zog einen Dolch, den er an seinem Gürtel hängen hatte. Diesen setzte er mit einer blitzschnellen Bewegung, noch bevor der Flaschier reagieren konnte,jenem unter die Nase. „Ich, hicks, kann nicht verlieren! Ratzoflagus! Erschlage ihn!“
    Des is zuvü. Mein Naumen konnst da no immer net merken. Des gibt Saures, des sog i da.„Ratzofratzus! Ich verlange, dass...“ Dies waren seine letzten Worte, bevor er am nächsten Morgen mit einem Brummschädel aufwachen würde. Artomaglos hatte einen Stuhl genommen und jenem den Manlier auf den Schädel gehaut. Es machte einen Kracher, als das Holz splitterte, und Vulso verdrehte seine Augen.
    Der eine junge Patrizier sackte mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck zusammen, der andere blickte Artomaglos fassungslos an. „Nenn mi nie wieder Ratzodingsbums. I bin Artomaglos.“, brummte der Noriker zum bewusstlosen Vulso hin und blickte dann Piso an. „I glaub, du bist jetzat mei neicher Herr.“
    Vor 10 Jahren oder so hätte so ein Vorfall den meisten Gästen ein müdes Lächeln abgerungen. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Jetzt war dies eine noble Hütte. Und dies manifestierte sich darin, dass Artomaglos, als er seitlich aufblickte, in Duzente von aufgebrachten Augenpaaren schaute. Ja, Vulso hatte einige Freunde, die nicht gerade erfreut waren über Piso oder Artomaglos. „I glaub, mir suin uns zupfen.“, machte Artomaglos deshalb ruhig, packte Piso und Cassivellaunus am Kragen und zog sie langsam mit sich.

    Lasst’s mi rein.
    Bitte.
    Ich tu ja nix.
    Wos? Red lauter, i versteh nix!
    Wie? Mein Name? Jo, i bin der Artomaglos.
    Artomaglos, sog, hast Bohnen in die Ohren?
    Wos? Wer i... was i bin? Jo, Sklave. Leider.
    Mei, red lauter! I... wie? Wem? Wem i g‘hör?
    No guat. I hab da so ein Taferl.
    Da steht der Name oben. Jo, na, i kann net lesen! Lies es du!
    Wos sagst du? Was steht da oben?
    Du sogst... wos? Aulus Flavius Piso?
    Aha. Jo, dann, in dem Fall, bin i wohl der Sklave von dem Burschen, von Aulus Flavius Piso. Jo. Guat.
    Und jetzt lasst’s mi rein, ihr Faulpelze!