Beiträge von Decima Amaesia

    Zitat

    Original von Duccia Venusia


    Mein treuer Begleiter! Das ich nicht lachte! Da blieb mir doch die Spucke weg! Wie konnte Mutter mir nur so etwas antun? Ich würde ihr einen gesalzenen Brief schreiben! Ach was, ich würde ihr erst einmal gar nicht schreiben! Mutter könnte bis in alle Ewigkeit warten, bis sie wieder von mir hörte!
    Ich hatte mir doch schon alles so schön ausgemalt, wenn ich erst einmal hier war. Und Castor wieder über alle Berge war. Nun würde er auch noch für länger hier bleiben und konnte es einfach nicht lassen, sich ständig in alles einzumischen! Die Welt war ja so ungerecht! Wie sollte ich das nur aushalten?
    Doch wenigstens meinte es die Matrona gut mit mir, indem sie die "rechte Hand meiner Mutter" vor die Tür setzte. Dagegen konnte Castor nun gar nichts machen, außer ganz schön pikiert aus der Wäsche zu schauen. Man hatte ihn zu tiefst gekränkt!
    "Wie du wünschst, domina!", antwortete er doch sehr angebunden und verschwand.


    Hörbar atmete ich auf, als er endlich gegangen war. Es war nur zu hoffen, Venusia würde meinen Plänen und wünschen mit etwas mehr Offenheit und Toleranz begegnen, auch wenn es meine eigene Mutter und ihr verlängerter Arm es nicht taten.
    "Vielen Dank! Seit meine Mutter ihm die Verantwortung über mich erteilt hat, lässt er nicht mehr los. Er glaubt, er müsse mich mit seinem Leben beschützen. Aber ich glaube, wenn´s mal richtig erst wird, hat er die Hosen voll", antwortete ich grinsend.
    So, wo war ich denn stehengeblieben? Ach ja richtig! Was ich wollte.
    "Also, bevor ich heirate" Oh Schande, wie sich das anhörte! "Also, ich würde gerne erst einmal etwas lernen oder vielleicht auch den Göttern dienen. Meinst du, das wäre ein guter Anfang?"

    Wie mich dieser Castor nervte! Ständig musste er sich als mein großer Beschützer aufspielen und selbst jetzt, wo es eigentlich nichts mehr zu beschützen gab, hörte er nicht auf. Ich zählte schon die Minuten, bis er endlich wieder aus meinem Leben verschwand. Morgen, spätestens aber Übermorgen...äh...
    "Wie Wie bitte? bitte?", echote es fast zeitgleich aus zwei Mündern, meinem und Castors. Wir hatten ja beileibe nicht viel gemeinsam, Castor und ich. Und dafür war ich auch den Göttern unendlich dankbar. Doch genau jetzt hatten wir mehr gemein, als uns lieb sein mochte. Ungläubig schauten wir beide zu der Matrona, deren Kommentar noch unheilschwanger in unserem Gehörgang widerhallte. Auch unsere beider Gesichter hatten sich reichlich deformiert. Augen und Münder waren noch des Schreckens wegen aufgerissen. Abscheu spiegelte sich in ihnen wider. Das konnte doch nicht der Ernst meiner Mutter sein! Wie konnte sie nur zu so etwas fähig sein?
    Castor dachte wohl das gleiche. All seine Träume von einer geruhsamen Heimreise und einem noch geruhsameren Lebensabend waren mit einem Mal geplatzt, wie eine Seifenblase. War echt blöd, Sklave zu sein!


    Wenn ich gewollt hätte, wäre ich nun schadenfroh gewesen. Aber ersten wollte ich nicht und zweitens hatte ich auch gar keinen Grund dafür, denn mit Castor im Schlepptau, würde das Leben in Rom ganz schön hart werden. Da wurde es endlich Zeit, die Zügel selbst in die Hand zu nehmen, nachdem mir meine Mutter eine solche Bürde aufgehalst hatte!
    Na bitte, Castor hatte schon die Matrona für sich gewonnen. Sie sah ihn an, als sie fragte, was aus mir werden sollte. Dabei ging es doch um mich und nicht um Castor! So Amaesia, jetzt bist du am Drücker! Trau dich und mach was drauß!
    "Ja, also äh, ich würde gerne..." Weiter kam ich leider nicht, denn Castor hatte wieder zur Sprache zurück gefunden und da Venusia ihn nun angesprochen hatte, glaubte er auch, antworten zu müssen.
    "Die domina wünscht sich, dass ihre Tochter in Rom einen guten Ehemann findet. Das ist ihr Hauptanliegen!" Castors Worte klangen gefasst, aber man spürte deutlich seine Enttäuschung. Nicht nur ich war in jederlei Hinsicht reingelegt worden, auch er.
    Meine Mutter hatte mich also nur zum Heiraten nach Rom geschickt! Na prima, das konnte ja noch richtig lustig werden!

    Meine Augen glänzen wie am Saturnalientag. Das war ja alles so aufregend! Und dann die Freundlichkeit, mit der ich willkommen geheißen wurde! Das übertraf all meine Erwartungen. Ich setzte mich auf einen der Stühle, meine Augen aber streiften weiterhin durchs ganze atrium, um jede Kleinigkeit zu entdecken.
    Die Freude aber wich sofort, als Venusia ihr mir ihr Beileid bekundete. Meine Schüchternheit trat wieder zu Tage. Hilfesuchend schaute ich zu Castor, der ein wenig abseits stehengeblieben war. Was sagte man darauf? Eigentlich hatte ich meinen Vater ja erst im letzten Abschnitt seines Lebens kennengelernt. Ich war ja auch traurig gewesen, als er gestorben war und hatte auch einige Tränen verdrückt, als sein Leichnam den Flammen übergeben wurde, aber tief innen drin war das für mich nicht wirklich ein schmerzlicher Verlust. Dafür hatte ich ihn einfach nicht gut genug gekannt.


    Die Matrona sprach weiter und fragte logischerweise, weshalb ich nach Roma gekommen war. Ich war schon drauf und dran auf ihre Frage zu antworten. "Ähm äh…" Klar, damit würde ich im Leben keinen Blumentopf bei einem Rhetorik-Wettbewerb gewinnen. Aber bevor ich richtig loslegen konnte, pirschte Castor aus der Versenkung nach vorne und übernahm das Antwortgeben für mich.
    "Domina, mit Verlaub. Domina Saenia Rufina, die Mutter der jungen Amaesia hat mir ein Schreiben mitgegeben. Wenn du erlaubst?" Castor begann hektisch in seiner Tasche herumzukramen. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Es war doch immer das gleiche mit diesen Taschen! Das, was man suchte, befand sich immer ganz unten, so dass man es kaum zu fassen bekam. Endlich zog er es mit einem erleichterten prusten heraus und übergab es der Duccia.



    Salve Decimus Mattiacus!


    Seit dem allzu frühen Dahinscheiden deines lieben Bruders, meines geliebten Gatten vor einigen Monaten, habe ich mich mit dem Gedanken getragen, meine Tochter Amaesia, deine Nichte nach Rom zu schicken. Amaesia ist ein liebreizendes Mädchen, welches dir sicher viel Freude bereiten wird. Sie hat eine gute Erziehung genossen und besitzt gute Umgangsformen. Für sie ist es an der Zeit, endlich auch ihre Familie in Rom kennenzulernen. Außerdem hat sie dort weitaus bessere Bildungschancen und eine vorteilhaftere Aussicht auf eine gute Heirat, als in der hispanischen Provinz. Daher bitte ich dich, sie unter deine Fittiche zu nehmen.
    Zu ihrer Unterstützung stelle ich ihr Castor, den altgedienten Sklaven ihres Vaters an ihre Seite. Er hat die letzten Monate als ihr Lehrer fungiert und hat ein wachsames Auge auf sie. Deshalb wäre es nur von Vorteil, wenn er sie auch weiterhin unterweisen könnte.
    Ich hoffe, dir mit meiner Bitte nicht allzu sehr zur Last zu fallen.


    Mögen die Götter stets über dich wachen.


    Vale
    Saenia Rufinia


    Der gute Castor hatte eine genaue Vorstellung davon, was in diesem Brief stand. Den genauen Wortlaut jedoch kannte er nicht.

    Sim-Off:

    T´schuldigung, erst übersehen und dann wenig Zeit gehabt! :( ;)


    Dass nun Castors Ansprechpartner nicht da sein sollte, stürzte den Griechen in eine scheinbar tiefe Krise. Auf dem Weg zum atrium versuchte er auf die Schnelle zu improvisieren. Nun ja, mit älteren Damen, wie meiner Mutter zum Beispiel hatte er ja seine Erfahrungen. Und keine Frage, ich stellte, mir Duccia Venusia tatsächlich als ältere Dame vor, denn eine Matrona war doch nicht mehr ganz frisch. Oder irrte ich mich da? :D
    Im Gegensatz zu Castor war ich ganz entspannt. Ich schaute mich beim Vorbeigehen um und freute mich, endlich jemanden hier in Rom kennenzulernen, der zu meiner Familie gehörte. Und worauf ich mich am meisten freute, war, dass ich spätestens in einigen Tagen den guten Castor los war. Wenn der endlich auf der Rückreise nach Hispania war, dann fing mein neues Leben an. Es war schon ganz schön nervig, wenn man ständig überwacht und ermahnt wurde.


    Im atrium erwartete besagte Duccia Venusia uns bereits. Donnerwetter, soo alt war die ja gar nicht! ;) Glücklicherweise tat ich mein Erstaunen nicht vorlaut kund. Das wäre wieder superpeinlich für Castor gewesen.


    "Salve, domina! Ich danke dir, dass du uns empfängst. Dies ist Decima Amaesia, die Tochter des Marcus Decimus Nepos, der leider schon von uns gegangen ist. Und ich bin der bescheidene Sklave ihrer Mutter, domina Saenia Rufina." Castor hatte sich vor der Matrona tief verbeugt und hatte wie immer die richtigen Worte gefunden. Wobei ich bescheiden etwas für übertrieben hielt und grinsen musste.
    Noch stand ich direkt hinter dem Sklaven, doch dann trat er zur Seite, so dass ich nun direkt Venusia gegenüber stand. "Äh, Salve", rief ich unbekümmert. Den Götter sei Dank, winkte ich nicht noch dazu.

    "Du wirst sehen, es wird sich lohnen, domina!" Castor hatte mich den ganzen Weg über bequatscht, obwohl das gar nicht notwendig gewesen wäre, denn ich wollte mich ja anmelden.
    "Jaja, ich weiß." Das hatte ich jetzt garantiert schon an die zehnmal gesagt. Aber offensichtlich wirkte ich dem griechischen Sklaven gegenüber nicht sehr überzeugend.
    Zum Glück waren wir endlich da. Wie ein Hund, der darauf wartete dass jemand sein Stöckchen warf, bleib Castor vor mir stehen. In Castors Fall war das ein recht beleibter, um nicht zu sagen, dicker Hund. In solchen Fällen stellte sich dann heraus, was alles in ihm schlummerte. "Soll ich dich eintragen, domina? Ja? Ja?"
    "Ja, von mir aus", antwortete ich entnervt, damit ich endlich Ruhe hatte. Kaum hatte ich das gesagt preschte er, hast du nicht gesehen, davon und trug mich in die ausliegende Liste ein.

    "Huhu!", rief ich und winkte zu allem Übel auch noch, wie eine durchgeknallte Pupertierende. Ich fand einfach, auch Sklaven hatten ein nettes Hallo verdient. Besonders dann, wenn sie so nett waren, wie der leicht angegraute Türsklave der Casa Decima, der wesentlich sympathischer aussah, als Castor, der in einem fort schwitzte. Seine Freundlichkeit setzte sich auch in seiner herzlichen Einladung fort. Ich war tatsachlich angetan von so viel Zuvorkommen, denn das hatte ich gar nicht erwartet. Castor konnte sich wirklich ein gutes Stück
    abschneiden von seinem Kollegen!


    Castor, dessen Puls sich allmählich wieder normalisierte, traute seinen Ohren kaum. Seine Kinnlade folgte der Gravitation, was nicht besonders ästhetisch wirkte. Grund dafür war, dass der Bruder meines Vaters, in dessen Obhut ich übergeben werden sollte, gar nicht in Rom weilte. Tja, wer da wohl nicht seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte?!
    "Oh!", damit und nur damit kommentierte er die Misere und lief zu dem auch noch rot an. Die Namen, die der Türsklave nannte, sagten mir alle reichlich wenig. Hätte ich auf Castor gehört, und die Schiffsreise dazu genutzt, um den Stammbaum meiner Familie auswendig zu lernen, wäre ich jetzt voll im Bilde gewesen. So wurde das zum spannenden Familieraten "Wer bin ich?" Mir gefiel es aber, von einer Frau empfangen zu werden. Duccia Venusia, aha! War das eine meiner Tanten? Ich hatte keine Ahnung. Aber ich würde es rausfinden!

    Das Bild, das mir nun bot, bekam man nicht alle Tage zu Gesicht. Grund genug, um die Plauderei mit dem Aelier für einen Moment zu unterbrechen. Leise kichernd, damit er nicht Wind dsavon bekam, folgten meine Augen der schwabbelnden Fettmasse, die sich keuchend und schnaufend, mit einem olympiareifen Elan an uns vorbei drängte, um garantiert als erster die Tür zu erreichen. Ja, was konnte man da noch sagen? Castor hatte zum Endspurt angesetzt! Und würde, aufgrund seiner unmotivierten Mitstreiter, den großen Lauf zur Casa Decima auch gewinnen. "Toll, Castor! Du schaffst es!" Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen. Natürlich würde er es mir später wieder aufs Brot schmieren, wie undankbar ich doch manchmal war. Aber das war es mir wert. Außerdem waren die Tage des guten Castors ja gezählt! Spätestens morgen oder übermorgen war er wieder auf dem Heimweg nach Hispania. Dafür musste ich unbedingt noch den Göttern danken! Am besten gleich heute noch oder morgen. Zuerst hieß es aber mal ankommen!


    Castor, völlig abgehetzt und schwitzend, stand wartend vor der Tür. Aber nicht lange, wie sich herausstellte, denn in Windeseile öffnete sich die Tür. Ein Sklave mit grauem Haar, etwa in Castors Alter nur wesentlich dünner, trat hervor.
    "Salve! Meine Herrin, die junge Decima Amaesia aus Tarraco bittet um Einlaß. Ihre Mutter hat mir auch ein Schreiben mitgegeben, welches für ihren Onkel Decimus Mattiacus bestimmt ist."

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    Castor


    Der altgediente griechische Sklave, den Amaesias Mutter ihr zum Schutz mit gesandt hatte, schnaufte erleichtert und für alle Beteiligten hörbar auf, als die Casa Decima endlich in Sichtweite rückte. Nur noch wenige Schritte trennten ihn von seinem Ziel, welches er, so pedantisch wie er nun einmal war, genau nach den Wünschen von Amaesias Mutter zu Ende führen wollte. Insgeheim träumte er schon davon, sich nach erledigter Arbeit wieder auf ein Schiff zu begeben und gen Hispania zu segeln. Doch zuvor stand noch die Übergabe seiner Schutzbefohlenen bevor und dabei konnte ihm dieser aufgeblasene Aelier nicht mehr die Show stehlen!
    Mit sich selbst zufrieden schritt er aus dem Hintergrund hervor und eilte zur Tür. Dabei nahm er jede Anstrengung in Kauf, seinen beleibten Körper, kurzatmig und schwitzend in Bewegung zu bringen, um seine Aufgabe zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Dezent klopfte er an, um danach darauf zu warten, bis das sich die Tür öffnete.

    Castor, dieser aufgeblasene Speichellecker, war bereits schon wieder im Begriff, sich aufzuplustern und gegen meine freundliche Bitte, die ich Archias gegenüber geäußert hatte, zu wettern. Aber dann ließ ihn wohl die Kreativität im Stich. Oder waren es die düsteren Blicke des Aeliers. Immerhin schwieg er nun, auch wenn es ihm sichtlich schwer fiel. Ich jedenfalls lachte aus Schadenfreude still in mich hinein. Geschah im recht, diesem alten Querulanten!
    Aber weder zur Schadenfreude noch zu der verpassten Gelegenheit, die römischen Märkte kennenzulernen nachzutrauern, blieb wenig Zeit. In Nullkommanichts packte mich Archias und zog mich mit sich. Deswegen war auch ein überraschtes "Huch!" meinerseits unvermeidlich gewesen. Castor, mein miesepetriger Aufpasser und Benimmlehrer folgte uns. Was blieb ihm auch anderes übrig? Zeitweise hatte er richtiggehend Schwierigkeiten, mit uns mitzuhalten. Es wäre ja ein Jammer gewesen, hätte ich ihn schon wieder verloren. Wenigstens aber führte mich der Aelier aus dem Wirrwarr der Menge heraus.
    "Wo? In Hispania?" fragte ich unnötigerweise. "Äh, ja, wenn du das sagst, denn wird es wohl so sein." Ich war zwar eine Decima, aber alleine diese Tatsache erfüllte mich noch lange nicht mit dem nötigen Hintergrundwissen über meine Familie. Im Grunde wusste ich nur, wer mein Vater gewesen war und dass dieser noch zwei Söhne hatte, die sich derzeit in Italia aufhielten. Mit größter Wahrscheinlichkeit erregte ich nun mit dieser wahnsinnig geistreichen Antwort noch mehr Aufmerksamkeit bei dem Aelier. Eigentlich hätte ich ihm gleich gestehen können, dass meine Eltern nicht miteinander verheiratet gewesen waren und ich ein Kind der Liebe gewesen war. Und genau deshalb hatte mir auch meine Mutter dies all die Jahre verschwiegen. Aber letztlich hatte mich mein Vater doch noch als seine Tochter anerkannt und mir nichts dir nichts wurde aus mir eine Decima. Wenn das kein schönes Happy End war?!

    Sein Vetter! Meine Güte! Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Einem Vetter des Kaisers begegnete man ja auch nicht alle Tage, jedenfalls nicht da, wo ich gerade hergekommen war.
    "Nein?! Wirklich, du bist wirklich sein Vetter?!" Ja, ja, man konnte mich relativ leicht beeindrucken. Da brauchte es gar nicht viel. Castor jedoch ließ das alles ziemlich kalt. Er glaubte dem Aelier kein Wort. Für ihn war er nur einer von den vielen Scharlatanen, vor denen er mich auf dem Schiff ständig gewarnt hatte. Und jetzt lief ich, seiner Meinung nach, direkt einmem solchen in die Arme. Da ich ihm aber einen Maulkorb verpasst hatte, hielt er sich vorerst noch zurück. Als er jedoch Markt hörte, wurde er hellhörig. Das musste er sofort unterbinden!


    "Och ja, warum nicht!" antwortete ich auf Archias´ Frage. Wie es hieß, sollte es ja alles Mögliche auf den Märkten in Rom geben. Da gab es doch auch etwas für mich! Castor war da ganz anderer Meinung. "Stopp, halt, nein!!!", rief er empört. "Das geht nicht! Wir sollen uns umgehend bei deiner Familie melden. Sofort!" Das stimmte zwar nicht, aber das wusste ich auch nicht.
    So ein Mist! Ich sah schon den erhobenen Zeigefinger meiner Mutter vor meinem inneren Auge. Sie hatte mir ausdrücklich gesagt, ich solle meiner Familie keine Schande bereiten und keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Wenn ich jetzt nicht spurte, dann verpetzte mich Castor mit größtem Vergnungen bei meiner Mutter.
    Eigentlich wollte ich mich noch dafür bedanken, dass er meinen Namen so schön fand. Aber das konnte ich jetzt knicken.
    "Tja, also ich glaube, das mit dem Markt verschieben wir einfach auf später. Aber nichtsdestotrotz würde ich mich freuen, wenn du mich bis zur Casa Decima begleitest. Im Übrigen, ja, ich bin neu in Rom und ich komme auch aus Tarraco." Eigentlich aus einem Vorort, aber das braucht niemand zu wissen.

    Castor einmal ohne Worte zu sehen, das hatte schon was! Und als ob es noch nicht genug gewesen wäre, ignorierte der Fremden ihn auch noch völlig, was ebenfalls stark an seinem Ego kratzte, obwohl doch der Sklave kaum zu übersehen und noch weniger zu überhören gewesen war. Castor wollte schon zum Gegenschlag ansetzen und mich und nicht zuletzt auch den Aelier dezent darauf hinweisen, dass ER die alleinige Verantwortung für mich hatte, wenigstens bis er mich erfolgreich bei meiner römischen Familie abgeliefert. Aber dazu kam es nicht mehr, denn ich, Decima Amaesia, schlappe 16 Jahre alt, aufgewachsen in einem Kaff nahe Tarraco in Hispania, wagete es, erneut meine Stimme zu erheben, und als wäre Castor nur Luft gewesen, dem Aelier zu antworten.
    "Echt? Du bist ein Aelius?", fragte ich ziemlich naseweis und naiv. Da kam wieder voll das Landei durch. "Die sind doch mit dem Kaiser verwandt, oder?" Also hatte es doch etwas Gutes gehabt, dass ich mir immer die Klatschgeschichten meiner Mutter anhören musste, die sie aus der Acta hatte. Und jetzt wollte mich doch tatsächlich einer von denen nach Hause bringen! Wenn ich das meiner Mutter schrieb! Die würde vor Neid platzen oder unglaublich stolz auf mich sein, oder vielleicht auch beides.
    "Aber gerne doch! Das würde mich freuen!", antwortete ich.
    Der arme Castor explodierte beinahe. Sein dickliches Gesicht lief schon ganz rot an und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Fetzen flogen. Aber da ihm eh keiner mehr beachtete, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zurückzuhalten und, verächtlich den Kopf zu schütteln und dabei leise vor sich hin zu grummeln.
    "Oh, na klar! Ich heiße Amaesia, Decima Amaesia." Mit einem gesunden Maß an Stolz lächelte ich dabei den Aelier an. Zu dem Namen war ich wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Da lebst du über zehn, elf Jahre mit deiner Mutter zusammen und erfährst sozusagen über Nacht, dass der, den man jahrelang Papa genannt hatte, gar nicht derjenige welche war, sondern ein ganz anderer. Anfangs war das nicht einfach für mich gewesen. Aber dann war ich doch froh gewesen, die letzten Jahre mit meinem richtigen Vater gemeinsam verbringen zu können.

    Hoffentlich hatte ich jetzt nicht schon zu viel verraten, denn Castor hatte mir unter anderem in den nicht enden wollenden Stunden während der Überfahrt immerzu wieder gepredigt, wie ich mich zu verhalten hatte, in der großen Stadt. Eine seiner Thesen lautete: Verrate keinem Fremden deinen Namen oder deine Adresse. Jetzt hatte ich es doch gemacht und ich bekam deswegen richtige Gewissensbisse. Glücklicherweise hielten die nicht lange an, denn erstens war Castor weit und breit nicht zu sehen oder zu hören und zweitens war ich einfach zu erstaunt, um mir noch langer ein schlechtes Gewissen einreden zu können. Der Fremde kannte doch tatsachlich meine Familie und wusste sogar, wo sie wohnten!
    "Ist nicht wahr!", entfuhr es mir einfach so. Voller Ehrfurcht schaute ich nun den Fremden an, dessen Namen ich nicht einmal wusste. Das war auch so eine typische Marotte von mir! Ich konnte stundenlang mit irgendwelchen Fremden quatschen, ihnen alles über mich erzählen und hinterher wusste ich über sie rein gar nichts. Und wenn ich etwas erfahren hatte, dann vergas ich die Hälfte wieder.
    "Ja gerne, äh, entschuldige, wenn ich so neugierig bin, äh, aber wie heißt du eigentlich?" Kaum hatte ich dem Fremden gegenüber meinen Willen bekundet, da ließ mich ein lautes durchdringendes Rufen mich aufhorchen.
    "Mist!", zischte ich leise zwischen den Zähnen hevor, das war Castor! Der hatte mich doch tatsächlich gefunden und nicht nur mich, auch mein edler Retter, war ihm nicht ganz entgangen.


    [Blockierte Grafik: http://img16.imageshack.us/img16/7472/castordo.jpg]
    Castor


    "Beim Zeus! Da bist du ja, domina Amaesia! Hatte ich dir nicht deutlich und in aller Klarheit mitgeteilt, du sollst immer in meiner Nähe bleiben! Stell dir vor, ich hätte dich nicht wieder gefunden! Und dann??!! Was hätte wohl deine Mutter dazu gemeint? Und wer ist das hier überhaupt?" Castor, das donnernde Abbild des griechischen Göttervaters, lenkte seine Aufmerksamkeit unausweichlich auf den Fremden, den er sofort mit einem sehr scharfen Blick bedachte.
    "Und du, lass gefälligst die Finger von ihr, hörst du! ICH ganz allein bin für das Wohl der domina verantwortlich und nicht so ein dahergelaufener..."
    "Das reicht jetzt, Castor!", hörte ich mich rufen. Ich wusste gar nicht, dass ich zu so etwas fähig war. Aber ich war es wirklich und was noch viel besser war, es wirkte tatsächlich! Wenigstens für kurze Zeit hatte ich den Sklaven zum Schweigen gebracht. :]

    Aussichtslos, Castor in der Menge wieder zu finden. Nicht einmal der Fremde, der ja gut ein ganzes Stück größer war, als ich, schaffte das. Entmutigt seufzte ich. Dass immer nur mir so etwas passieren musste. Ich zog eine Katastrophe nach der anderen magisch an. Wenn jetzt in der Straße ein Haus einstürzte, dann war das bestimmt meine Aura, oder so etwas in der Art.
    Den Worten des Fremden folgend späte ich hinüber zur anderen Straßenseite, natürlich ohne Erfolg. Castor konnte sonst wo sein...
    "Ja, äh genau. Hier habe ich ihn verloren. Er ging voraus und ich..." ...war ihm die ganze Zeit wie ein braves Lämmchen hinterher getrottet. Nein, das war so nicht ganz richtig! Ich hatte geschmollt und hatte deshalb ein wenig Abstand zu Castor gehalten. Ich hatte mich nämlich an den Ständen umsehen wollen und mein Sklave, ja, richtig mein Sklave hatte es mir verboten und mir erzählt, wir hätten dazu keine Zeit. Er müsse mich unverzüglich abliefern. Da frage ich mich doch, weshalb man überhaupt einen Sklaven hat, wenn man nicht einmal selbst bestimmen darf. Ja, ja, ich weiß, das war alles einmal wieder meine Schuld! Weil ich so dickköpfig war. Klar doch!


    Der Fremde dachte angestrengt nach, worüber eigentlich? Das war doch alles sonnenklar. Ich war verloren und das schon gleich an meinem ersten Tag in Rom. Das konnte ja noch heiter werden!
    Ich stellte mir schon die schlimmsten Horrorszenarien vor, wie ich bettelnd und völlig abgerissen in der Gosse saß und um mein Überleben kämpfte. Aber dann, ich zuckte mal wieder zusammen aber diesmal ohne Huch zu sagen, richtete meinen Blick auf den Fremden, der sich tatsächlich als kleines Genie entpuppte.
    "Oh, äh, wäre schon möglich. Aber ich habe dummerweise die Adresse vergessen. Wenn ich dir den Namen meiner Familie sage, dann weißt du sicher nicht, wo sie wohnen." Kunststück, wie auch! In so einer riesigen Stadt konnte man unmöglich jeden kennen, es sei denn, man kannte ihn zufällig.
    "Also ich, äh wir wollten zur Casa Decima." Zum Glück hatte ich meinen Familiennamen nicht vergessen, sonst hätte ich ganz schon in der Tinte gesessen.

    Ich machte in zweites "Huch!", als ich an meinem Handgelenk geschnappt wurde und mich dann am Straßenrand, mehr oder weniger in Sicherheit wieder fand. Der fremde machte es einem aber auch nicht leicht, tendierte ich eben noch zu nett gleich wirklich nett, kam ich jetzt wieder ins schwanken und überlegte mir, ob er doch nicht sooo nett war. Aber ich war nicht entführt worden. Ich stand jetzt nur nicht mehr mittenauf der Straße, was durchaus ein Anfang war.
    "Ähm, mein Begleiter? Ja, äh der ist..",… klein, dick hässlich und mit - äh ohne Haare. Castor war wirklich keine Augenweide, was auch nicht weiter schlimm war, denn erstens hätte er locker mein Großvater sein können und zweitens musste ich ihn auch nicht heiraten. Das war auch einer der Gründe, weshalb meine Mutter ihn ausgewählt hatte und nicht einen großgewachsenen, gutgebauten jungen Sklaven, den wir ohnehin nicht hatten. Schade!
    "..ungefähr so groß wie ich, vielleicht noch ein Stückchen größer, ist ziemlich korpulent und trägt eine Glatze." Mutter hatte mir erklärt, ich solle dicke Menschen nicht als dick bezeichnen. Das würde sie beleidigen. Dicke Menschen sind nicht nur dick, sie sind auch korpulent. Auch wenn sie Sklaven sind und Castor heißen. Aber gerade dann, wenn sie Sklaven sind und Castor heißen, sollte man es sich mit ihnen nicht verscherzen.

    "Huch!" Zugegeben, das war nicht besonders geistreich. Aber dieser Mann hatte mich ganz schön erschreckt, also er so plötzlich vor mir stand und mich um ein Haar umgerannt hätte. Jetzt grinste er und war eigentlich auch ganz nett. Für Castor wäre er mit Sicherheit eine Spur zu nett gewesen. Bereits auf dem Schiff hatte er es mir mit erhobenem Zeigefinger eingeimpft. Hüte dich vor fremden Männern! Nicht alle die nett scheinen, sind es auch tatsächlich.
    Ich fragte mich nur, wie man das rausbekam, wann einer nett war und wann einer nur so tat, als sei er nett. Dazu hatte Castor nichts verlauten lassen und ich hatte mich nicht getraut, danach zu fragen. Jetzt hatten wir den Salat! Hätte ich mich mal nur echtzeitig informiert!
    "Oh, äh ja! Ich habe meinen Begleiter verloren." Besonders selbstsicher klang ich ja nicht gerade. Aber das mit dem Begleiter fand ich gut. Musste ja nicht jeder gleich wissen, dass ich einen Anstandssklaven mit dabei hatte, auch wenn der sich momentan ganz schön rar gemacht hatte.
    Das Angebot dieses scheinbar netten Mannes klang ja ganz verlockend. Ich kämpfte richtig mit mir, ob ich nicht laut a bitte schreien sollte, oder weiß nicht sagen sollte. Was würde da eine feine junge Dame tun, fragte ich mich und stellte mir vor, was Castor darauf antwortete. Aber irgendwie klappte das nicht. Castors Gedankengänge waren absolut nicht kompatibel mit meinen. Von daher war es schwierig, darauf eine sinnvolle Antwort zu finden.
    "Ich, äh, ich weiß nicht", sagte ich, weil ich ja irgendwas sagen musste. Es war ganz schon schwer, nicht durchblicken zu lassen, dass man ein Landei war. Das bedeutete, ich musste noch ganz schön viel lernen und üben. Fing ich am besten gleich hier an, mit einer praktischen Übung am lebenden Objekt. :D

    Ich war verlassen und verloren! Castor, der treue Sklave meines Vaters war wie vom Erdboden verschwunden. Oder war ich ihm verloren gegangen? Je nachdem, welcher Sichtweise man sich bediente, konnte man es so sehen - oder auch ganz anders. Allerdings half mir das auch nicht weiter. Nur nicht in Panik geraten! Das sagte ich mir immer fort. Ich gab mir auch die größte Mühe, aber – leider war ich nicht sehr erfolgreich.
    "Castor? – Äh, Castor?! – Castor!" Ich kam mir vor, wie das süße kleine schwarze Kätzchen aus dem letzten Frühlingswurf unserer Hauskatze, das eines Tages seiner Mutter abhanden gekommen war. Völlig hilflos stand es da und miaute herzerweichend bis seine Mutter kam, es im Genick packte und forttrug. Aber Castor mit meiner Mutter zu vergleichen, das war einfach zu viel! Schon auf der ganzen Reise, seit wir Tarraco verlassen hatten, war Castor nicht besonders gesprächig gewesen. Wenn er mit mir sprach, dann waren es Ermahnungen. Eine feine junge Dame tut das nicht eine feine junge Dame tut dies nicht. Auf die Dauer war das nicht besonders lustig. Castor fand es bestimmt auch nicht besonders zufriedenstellend, mich begleiten zu müssen. Und außerdem, ich war nicht unbedingt das, was man schlechthin eine feine junge Dame nannte. Eigentlich war ich ein Landei. Gut behütet und wohlerzogen, aber ein Landei. Und was noch viel schlimmer war, ich war manchmal ein richtiger Unglücksrabe, weil ich die besondere Gabe besaß, fast immer zielsicher den Fettnapf zu treffen. Deswegen war es eigentlich jetzt vollkommen normal, dass ich hier mutterseelenallein herum stand und nicht mehr weiter wusste. Ich fand mich ständig in solchen Situationen wieder und eigentlich hätte ich ganz locker lässig damit umgehen müssen, weil ich es ja schon gewohnt war. Es war aber auch wirklich zu dumm, dass ich die Adresse vergessen! Manchmal war ich aber auch ein Schussel! Aber deswegen hatte ich ja auch Castor dabei. Nämlich was hätte es mir genutzt, wenn ich die Adresse noch gewusst hätte? Gar nichts! Ich kannte mich hier nicht aus und mein Orientierungssinn war gleich null. Die besten Voraussetzungen also, für eine Reise in eine große Stadt. In die größte Stadt der Welt!
    Weil ich schon immer so vergesslich war, machten sich früher die Jungs aus der Nachbarschaft immer einen Spaß daraus und verunstalteten meinen Namen. Aus Amaesia wurde dann Amnaesia. Ich fand das nicht besonders lustig! Das waren so die Momente, in denen ich mir einen großen Bruder gewünscht hätte, der mich verteidigt hätte, wenn nötig mit seinen Fäusten. Später hatte ich dann erfahren, dass ich sogar zwei große Brüder hatte, die das übernehmen hätten können. Aber da nannte mich niemand mehr so.
    Ich überlegte jetzt angestrengt, was ich jetzt tun sollte. Hier stehen bleiben und warten, oder jemanden fragen, oder einfach auf eigene Faust die Stadt erkunden. Letzteres hätte mich ja schon in den Fingern gejuckt, denn ich war zum ersten Mal in Rom und auch zum ersten Mal in einer richtigen großen Stadt. Aber dann fielen mir gleich wieder Castors mahnende Worte ein, ich solle bloß immer bei ihm bleiben und keine Alleingänge wagen. Die Großstadt sei wie ein wilder Dschungel, hatte er mir gesagt. Zu dumm, ich hatte keinen Schimmer, was ein Dschungel war. Wo ich herkomme, gibt es keinen Dschungel.
    Wie gesagt, ich war noch nie weit von daheim weggekommen und so eine richtige Schiffsfahrt, wie sie hinter mir lag, hatte ich auch nie gemacht. Meine Güte, war mir schlecht gewesen! Schon die kleinste Welle färbte mein Gesicht grün. Castor hatte die ganze Fahrt über nur mit stoischer Ruhe zugesehen, wie ich mich quälte. Wo er jetzt nur steckte! Wahrscheinlich suchte er mich schon ganz aufgeregt und wenn er mich dann fand, dann konnte ich mich auf eine Standpauke gefasst machen. Vielleicht machte er sich aber auch einen schönen Tag. Nein, nicht wirklich! Castor war nicht der Typ dazu. Er war der Inbegriff an Zuverlässigkeit. Deswegen hatte meine Mutter ihn mir auch mitgeschickt.
    Wie bestellt und nicht abgeholt, blieb ich einfach an dem Flecken stehen, an dem ich jetzt stand und wartete. Nebenbei beobachtete ich die Leute, die an mir vorbei hasteten. Die schienen es alle ganz schön eilig zu haben. Ohje, was wenn Castor mich nicht wieder fand? Ach, der würde schon wieder kommen! Fragte sich nur, wann...



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