Catiena nickte zustimmend auf Calvenas Worte Macer betreffend und lächelte. Ja, die Germanica hatte Recht, eine Nachricht an ihren Verwandten in Rom konnte kaum zum Schaden sein. Und mehr der Sorgen als notwendig wollte die junge Römerin ihrem Verwandten nicht auferlegen. Dieser würde er vermutlich ohnehin genug haben bei seinem beständigen Aufstieg an der politischen Karriereleiter.
"Ich danke Dir", sagte die Octavia daher und ihr Gesichtsausdruck unterstrich ihre Worte, hielt jedoch nur einen Moment an, bis Calvena ihr noch etwas zu trinken anbot. Ohne zu zögern nickte Catiena und nahm ihren leeren Becher wieder zwischen ihren Schenkeln empor. "Ja, bitte. Der Würzwein war wirklich ausgezeichnet und ein weiterer Becher wird mir gut tun." Schnell fügte sie noch hinzu: "Das soll dann aber auch reichen für heute." Ein amüsiertes Grinsen zog sich um ihre Lippen und sie ließ ein leises Kichern vernehmen.
"Ich glaube nicht, das mir an diesem Ort langweilig werden wird", setzte sie schließlich an und drehte ihren Becher zwischen den Händen hin und her. "Es gibt doch sicher sehr viel zu entdecken, nicht nur in Mogontiacum, auch in der Umgebung. Schon den Regen zu beobachten, seine dicken Tropfen, das ist sehr ungewöhnlich und ich kann mir nicht vorstellen, diesem Anblick alzu bald überdrüssig zu werden. Neben den kulturrellen Gepflogenheiten!" Die Stimme Catienas nahm einen verschwörerischen Unteron an. "Und ich habe von Ritualen gehört die sehr inspirierend sein sollen. Von Magiern und Priestern, die zur Stunde des vollen Mondes geheime ekstatische Tänze aufführen. Vielleicht finde ich Zeit, einem solchen Ereignis beizuwohnen." Die Augen der Octavia begannen zu leuchten, als sie von ihren Vorhaben berichtete, die zu einem nicht unbedeutenden Teil ihrer römischen Naivität entsprangen.
"Reiten?", fragte sie schließlich. "Nun, ich weiß, wie man auf ein Pferd steigt", antwortete sie ausweichend und schmunzelte. "Und prügeln sich Gladiatoren nicht auch? Ein Kampf auf Leben und Tod, ob dieser nun in der Arena mit dem Gladius und dem Dreizack oder auf der Straße mit der Faust geführt wird, ist doch nicht entscheidend", fügte sie ein wenig verwirrt hinzu.
Beiträge von Octavia Catiena
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"Ja, es geht ihm ausgezeichnet", bekräftigte Catiena zustimmend und unterstrich die Worte mit einer Geste ihrer Hand. "Er ist nur in letzter Zeit ein wenig abwesend. Dienstliche Angelegenheiten, ich habe nicht gefragt, es ziemte sich nicht - und vermutlich würde ich davon auch nichts verstehen."
Die junge Römerin lächelte und trank den verbliebenen Rest ihres Würzweins aus, solange dieser noch warm war. Inzwischen fühlte sie sich deutlich besser, das Getränk hatte sie gewärmt und die Seele beflügelt. Auch die Erschöpfung war ein wenig gewischen angesichts der Unterhaltung mit Calvena und die Aussicht auf ein Zimmer in der Casa, von welchem aus sie ihre Erkundungsstreifzüge unternehmen konnte, weckten die Lebensgeister in ihr.
Den leeren Becher nunmehr locker in der Hand haltend, lauschte sie den Worten ihrer Freundin und nickte hin und wieder, wenn sie etwas wiedererkannte. Besonders bei der Erwähnung ihrer Eltern verzog Catiena für einen Augenblick das Gesicht, was sich jedoch dank ihrer Haltung nur in einem Funkeln der Augen und einigen Fältchen entlang der Schläfen zeigte. "Im Hause meiner Eltern wäre es unterträglich langweilig. Und noch bin ich jung, ungebunden und kann tun und lassen, wonach mir der Sinn steht. Das sollte ich auskosten, später könnte das einmal nicht mehr so sein." Ein verschmitztes Lächeln folgte Catienas Worten, das kurz darauf von einem leichten Ausdruck des Ernstes abgelöst wurde. "Selbst ich, die kaum etwas vom politischen Leben in Rom erfahren hat, kenne diesen Namen inzwischen. Ich habe aber den Eindruck, Du kannst Vescularius Salinator im Besonderen nicht leiden."
Für einen Augenblick zog Catiena in Erwägung, das Thema zu vertiefen, um ein wenig mehr über die aktuelle Politik zu erfahren, doch sie gab Calvena im Stillen Recht, das dafür ein anderes Mal noch Zeit wäre. "Eine kleine Auseinandersetzung?" Die Octavia schlug verzückt die Hände aneinander, nachdem sie ihren Becher zwischen die Oberschenkel geklemmt hatte. "Also sozusagen ungeplante Gladiatorenkämpfe? Das muss ungeahnt aufregend sein!" -
Catiena nickte auf die erste Frage Calvenas zustimmend, ein wenig zu hastig, sodass sich eine Haarsträhne aus dem von Arsinoe provisorisch gefertigten Knoten löste und ihr quer über das Gesicht fiel. Mit einer schnellen Bewegung ihrer Hand schob die junge Römerin die widerspenstige Strähne zur Seite und hinter ihr Ohr, wo sie für einige Momente nicht stören würde, dann antwortete sie: "Ja, ich habe Macer natürlich eine Nachricht zukommen lassen. Also..., so halb jedenfalls"; sie geriet einen Augenblick ins Stocken, bevor sie mit fester Stimme fortfuhr: "In der Casa Octavia in Rom erwartet ihn eine Nachricht von mir, die er keinesfalls übersehen kann. Er ist jedoch ein vielbeschäftigter Mann, da ist stets die Frage, wie bald er sie lesen wird und so Jupiter will kommt vielleicht ein verspäteter Brief noch hier an, der meine Ankunft ankündigt."
Die Vorstellung, dass dies tatsächlich passieren könnte, amüsierte Catiena derart, dass sie begann, breit zu grinsen. Sie hob ihren Becher und nahm wieder einen Schluck des Würzweins, der, wie sie überrascht feststellte, sofort eine nicht unwesentliche Wirkung entfaltete. Eine Kombination aus Anstrengung, Wärme und nicht zuletzt Entwöhnung, wie sie vermutete.
"Mitnichten habe ich mich mit ihm zerstritten. Macer steht mir nach wie vor sehr nahe, es war nur das Rom, das mich ein wenig mehr gefordert hatte, als ich es zu Beginn erahnt hätte. Und dann war da diese Hitze. Auf dem Land war mir nicht bewusst, wie berückend der Geruch eines heißen Sommertages in der Stadt sein würde." Deutlich sichtbar rümpfte Catiena ihre Nasenspitze und tippte mit den Fingerspitzen gedankenlos rhytmisch gegen ihren Becher. Derweil lächte sie Calvena erfreut an. "Das erleichtert mich. Ich hätte wohl auch eine Unterkunft in einer Taverne gefunden, so ist es jedoch ungleich angenehmer. Sag mir, wie lebt es sich in Germanien? Sind die Barbaren hier wirklich so wild, wie man berichtet in Italia?" -
Catiena folgte dem Ianitor in das Innere der Casa Quintilia. Diese war nicht ganz so prachtvoll wie die Häuser in Rom und auch der Stil der Ausstattung war ein anderer - absolut römisch, ohne Zweifel, doch mit Motiven verziert, die einen Hauch des Einflusses von Germanien verrieten. Ein geübtes Augen vermochte dies zu erkennen. Der Gesamteindruck war indes einladend und sprach sowohl für einen Kenner römischer Kultur, wie auch für jemanden, der ein Gespür für die Feinheiten der Innenarchitektur besaß. Keine Sekunde zweifelte Catiena, das Calvena ihre Finger hierbei im Spiel hatte. Das die Germanica im Haus war, trotzdem sie unangemeldet fast schon hereingestürzt kam, war ein kleiner Segen und in Gedanken beschloss sie, den Göttern für ihre Gunst ein Opfer im örtlichen Tempel zukommen zu lassen. Auch dafür, dass sie sie unbeschadet durch die finstren Wälder dieser Welt geführt hatten.
Das der Sklave ihre Zofe Arsinoe und das Gepäck außer Sichtweite brachte, störte die junge Octavia nicht weiter. Sie ging mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass sich die Haussklaven des griechischen Mädchens annehmen würden und diese im Anschluss dem gemeinsamen Gepäck, wobei der Anteil der Römerin der weitaus überwiegendere war. Kleidung, ein wenig Schmuck, und ein Gastgeschenk, das allerdings wohl noch warten musste.
Dankbar nahm Catiena, als sie nun im Tabulinum saß, den heißen Würzwein an sich, umschloss den Becher mit beiden Händen und wärmte zunächst einmal ihre feingliedrigen Finger, bevor sie einen Schluck nahm und das heiße Getränk wohltuend ihre Kehle hinab ran. Unwillkürlich lief ein Schauer über ihren Rücken, gefolgt von einer Gänsehaut.
Langsam rutschte sie tiefer in dem Korbstuhl, beinahe ihre Gravitas vergessend, bis sie sich selbst ermahnte, dass sie nicht in einem Bett lag und in wenigen Augenblicken ihrer Freundin gegenüberstehen würde. So richtete sie sich wieder auf, öffnete ihren Reisemantel und zupfte an ihrer weißen Tunika mit dem gelben Saum herum, bis sie mit deren Sitz einigermaßen zufrieden war. Gegen die zahlreichen Flecken, hervorgerufen durch Spritzwasser, Erde und Gestrüpp, konnte sie im Moment wenig tun, außer sie durch einige Falten zu kaschieren. Einen missbilligenden Blick warf sie zuletzt noch auf ihre Füße, die in den Sandalen nicht mehr sonderlich sauber aussahen.
Letztendlich trank sie noch einen weiteren, diesmal deutlich größeren Schluck, als sie auch schon näher kommende Schritte vernahm. Schon wollte Catiena sich aufrichten, doch ihre Beine versagten ihr im ersten Augenblick den Dienst und dann erschien sie: Germanica Calvena. Es war einige Zeit her, das Catiena sie erblickt hatte und trotzdem sie Calvena als Frau in Erinnerung hatte, die Aphrodite wohl Konkurrenz machen konnte, wurde die Germanica von Mal zu Mal ansehlicher. Ob eine Hochzeit der Schönheit zuträglich war? Womöglich...
Catiena erwiderte das Lächeln fröhlich, als Calvena sich ihr gegenüber niederließ und stellte ihren Becher in den Händen haltend auf ihrem Schoß ab, die Beine fest zusammen geschlossen. "Salve, Calvena. Deine Überraschung verwundert mich nicht, ist mein Besuch doch nicht angekündigt. Er ist wie mein Auftauchen in Rom damals, ohne langes Vorhaben, ein schneller Entschluss und ein Aufbruch. In Rom war es heiß und stickig und ich fühlte mich ein wenig fehl am Platze. Ich dachte, wenn sich jemand über einen Besuch freut, dann Du und so bin ich nun hier." Catiena legte eine kurze Pause ein und fuhr dann, die Stirn ein wenig zur Sorge gerunzelt, fort: "Ich hoffe, ich komme Dir nicht ungelegen?" -
Catiena hob überrascht die Augenbrauen, als sie den ersten Blick auf den Ianitor erhaschte, welcher die Pforte zur Casa Quintilia öffnete. Er sah so gar nicht aus wie ein Türwächter, der in einer vornehmen Villa römischer Bürger seinen Dienst versah. Auch einen Halsring mit Kette konnte die Octavia nicht erkennen. Offenbar schien er sich recht frei im Haus bewegen zu können.
Die junge Römerin schob ihre Überraschung vorerst zur Seite. Wie konnte sie die Gepflogenheiten in Germanien beurteilen, sie war kaum hier angekommen und das Äußere des Sklaven ihr gegenüber stand dem ihren in Nichts nach, eingefangen in den Folgen eines Wolkenbruchs - ebenso wie es ihrer Zofe Arsinoe erging.
Diese war es auch, welche scheinbar den überwiegenden Teil der Aufmerksamkeit durch den Ianitor erhielt. Catiena öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann jedoch wieder und schielte hinter sich, um zu beobachten, wie das griechische Mädchen mit einem roten Stich auf den Wangen ihre Zehen begutachtete. Das war der Octavia Warnung genug, sich vorzunehmen, darauf zu achten, wo sich Arsinoe in den kommenden Tagen und Wochen herumtreiben würde. Nicht, dass sie der Griechin grundsätzlich ihren Spaß untersagt hätte, aber nicht auf Kosten ihrer eigenen Bequemlichkeit.
Ein kaum sichtbares Schmunzeln glitt über das Gesicht Catienas, als sie schließlich doch die Stimme des Sklaven vernahm. Arsinoe war eine schüchterne Person, zurückhaltend und nur dann ein wenig forscher, wenn sie genau ausgekundtschaftet hatte, was sie tun konnte und was nicht. Ein wenig sah die Octavia in ihrer Zofe einen Spiegel. Vielleicht hatte Macer sie deswegen auserwählt, um Catiena vor Augen zu führen, das ein wenig Direktheit nicht immer zum Schaden ihrer selbst war.
"Mein Name ist Octavia Catiena aus dem Geschlecht der Octavier, Tochter von Aulus Octavius Avitus und Furia Fausta", setzte sie schließlich an und zählte nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme ihre Abstammung auf. "Ich möchte zu Germanica Calvena."
Ihre Zofe stellte die junge Frau noch nicht vor. Sie war sicher, das würden der Ianitor und Arsinoe selbst nachholen. Und außerdem..., es waren Sklaven. Man stellte Möbelstücke schließlich einander nicht vor, wie sinnlos. -
Catiena hatte nicht für möglich gehalten, was sie bei ihrer Einreise in der Provinz Germanien erblickt hatte. Eine Welt aus Bäumen und Bergen, so geheimnisvoll und fremd, wie sie es nur sein konnte, wenn man endlose, bis zum Horizont reichende Felder aus Getreide und Olivenplantagen gewöhnt war. Natürlich hatte die junge Römerin zuvor bereits einen Wald gesehen, auch in Italia zierten dichte Ansammlungen von Bäumen ganze Täler und Landschaften, doch im Vergleich zu den Wäldern Germaniens erscheinen sie wie eine Karikatur, nur ein vages Abbild der wahren Wildnis. Hier, fernab der Heimat, war sie unberührt, von keiner Hand des Menschen in die Knie gezwungen, nur den Launen der Götter unterworfen.
Der Führer der Händlerkaravane, ein rauher Gallier mit einem breiten, aber gepflegt wirkenden Bart, hatte sich während der ganzen Reise ausgiebig um seine einzige, zahlende Kundin gekümmert und nicht nur dafür gesorgt, dass sie vor den Söldnern, welche die nicht unbeträchtlich wertvollen Waren schützten, sicher war, sondern auch, dass sie einen Einblick in jenes Land erhielt, das für die kommende Zeit ihr Aufenthaltsort sein sollte. Wie lange, das wusste Catiena noch nicht. Aber eben diese Ungewissheit war ein Charakterzug an ihr, der sie bereits in das große Rom getrieben hatte, raus aus dem behüteten Hort ihrer Kindheit - vor noch gar nicht so langer Zeit.
Einer der wohl nachhaltigsten Eindrücke ihrer Ankunft in Germanien war der Nebel und die Dunkelheit. Trotzdem auch hier die Sonne Wärme und Licht spendete, ganz dem Sommer verfallen, mutete die Welt im Norden ungleich finsterer an als das helle Italia. Die dichten Wipfel der Bäume, welche die Straßen überragten, brachen das Licht und warfen tanzende Muster auf die dunkelbraunen, von feuchtem Moos überzogenen Stämme. Und einen jeden Morgen, besonders, wenn man gezwungen war, die Nacht außerhalb einer Siedlung zu verbringen, lag die Welt in einer Wolke eingedeckt, die wie ein zarter Schleier alles einschloss, was Catienas Augen fassen konnte. In diesen Augenblicken schloss die junge Frau, die man fast noch ein Mädchen nennen konnte, ihren langen Reiseumhang fest um sich, als Schutz gegen die Kälte des Morgentaus und wohl auch gegen die mitunter lüsternen Blicke der aus aller Herren Länder stammenden Söldner.
Der Vorteil dieser wüst aussehenden Männer war es indes, dass sie ein tröstliches Gefühl der Sicherheit verliehen, besonders in jenen Stunden, da sich die Karavane ihren Weg durch schmale Täler suchte, eingezwängt zwischen Bäumen und Gestrüpp, wo ein jeder Schritt von der Vorahnung begleitet wurde, das jeden Augenblick Horden wilder germanischer Barbaren hervorsprangen, um zu plündern, morden oder gar noch Schlimmeres.
Catiena gelang es während der ganzen Reise, ihre Gedanken von dieser Vorstellung abzulenken, auch, da sie sich als haltlos erwiesen. Bis auf einige Begegnungen mit unheimlich aussehenden Reisenden, gab es keine besonderen Vorkommnisse auf dem Weg nach Mogontiacum, der Hauptstadt der Provinz Germanien. Entgegen der Ruhe ihrer Herrin verlor sich Arsinoe häufig in ihrer Furcht vor den Geistern, den Barbaren und anderem Gesindel, welches die junge Griechin hinter jedem größeren Stein zu erahnen glaubte. Das Mädchen im Alter von 15 Jahren war seit knapp zwei Wochen als Sklavin im Besitz von Catiena und diente seither als ihre Zofe - trotzdem sie tatsächlich ein Mädchen für alles war, im Sinne der Bedeutung des Wortes. Von schmächtigem Körperbau fiel sie vor allem durch ihre lockigen, blonden Haare und ihrem mit blassen Sommersprossen um die Nase gestaltetem Gesicht auf. Immer wieder musste Catiena das völlig verängstigte Mädchen zum Weitergehen anstacheln, nicht selten mit der Drohung vor dem Flagrum. Tatsächlich einsetzen würde sie dieses wohl nie - aber es war gut, wenn Sklaven glaubten, man würde es tun.
Wie lange die Reise genau gedauert hatte, vermochte Catiena nicht mehr zu sagen, als sie ihr Ziel letztendlich erreicht hatten. Sie war sich nur der Erschöpfung bewusst, die sich in ihren Gliedern breit machte, da sie die Dächer und die Stadtmauer Mogontiacums von einem Hügel aus erblickte. Mit einem Mal wurde ihr deutlich, wie anstrengend und fordernd eine solch lange Reise sein konnte. Und wie unerwartet das Wetter einem mitspielen konnte. Erst vor wenigen Stunden hatte der bärtige Gallier noch betont, wie nahe man der Stadt sei und das sie nun nichts mehr aufhalten könne - seine Worten schienen jedoch die Götter erzürnt zu haben und ein Wolkenbruch war die Folge gewesen. Die junge Römerin hatte den Eindruck gehabt, ein Meer würde sich aus dem Himmel ergießen und selbst der rettende Sprung in einen der Wagen war ein hoffnungsloser Versuch gewesen, sich dem Wasser zu entziehen. Nun, nachdem der Regen aufgehört hatte und erste Sonnenstrahlen durch das Grau der Wolken brachen, war Catiena noch immer durchnässt, ebenso wie Arsinoe, die zitternd neben ihr saß, in eine nun schmutziggelbe Tunika gewickelt.
"Ist es hier immer so kalt und nass?", wimmerte sie, deutlich ihren Unmut präsentierend, wie ungerne sie hier her kam. Andererseits war sie ausgesprochen zutraulich gegenüber Catiena, schon wenige Tage, nachdem ihr Cousin Macer ihr das Mädchen geschenkt hatte. Warum, war der Römerin auch schnell klar gewesen, als sie die zahlreichen, feinen Narben einstiger Züchtigungen auf dem Rücken Arsinoes gefunden hatte. Wer immer ihr Vorbesitzer gewesen war, hatte eine Leidenschaft für das Flagrum besessen.
"Ich weiß es nicht", antwortete die Octavia wahrheitsgemäß und drehte sich halb herum, sah die gepflasterte Straße hinab, die sich von dem Hügel in einer langen Kurve hin zur Stadt schlängelte. "Meine Sorge ist ganz anderer Natur."
Welche Sorge ihre Herrin meinte, fragte die junge Griechin nicht nach, sondern begann sich einmal mehr damit zu beschäftigen, das lange, braune Haar Catienas nach dem Regen wieder in eine annehmbare Form zu bringen. Ein Unterfangen, das angesichts des Gesamtzustandes der Römerin nur ein Tropfen auf einem heißen Stein erschien. Aber sie wusste, das Catiena die kämmenden Bewegungen mochte, während sie auf einem Wagen sitzend gen Mogontiacums polterten.
Es sollten noch fast zwei Stunden und viele Fragen und Verabschiedungen - einschließlich bedauernder Blicke der Söldner, wobei sich Catiena nie sicher war, ob diese ihr oder ihrer Sklavin galten - brauchen, bis die beiden jene Pforte erreicht hatten, die schon beim Aufbruch in Rom das Ziel markiert hatte: Der Eingang der Casa Quintilia.
"Du bist sicher, wir sind hier richtig?", fragte Arsinoe argwöhnisch, die das große Haus misstrauisch musterte und offenbar nach der langen Zeit noch nicht recht glauben konnte, das man angekommen sein sollte. "Nein, ich bin nicht sicher", erwiderte Catiena und ein Lächeln, das Vorfreude ausstrahlte, legte sich über ihre weichen Gesichtszüge. "Ich weiß es. Ich hoffe nur, Calvena ist zuhause."
Diese Sorge hatte sie die ganze Reise über begleitet. Und es war fast schon leichtsinnig gewesen, keinen Boten voran zu schicken, aber so war es einfach ihre Art. Die Octavia hatte nie zu jenen Menschen gehört, die weit voraus planten. Sie verließ sich auf Fortuna und die - wie sie glaubte - am Ende immer gute Wendung des Schicksals. Mit dieser Überzeugung, ihre mit dem Gepäck beladene Zofe Arsinoe hinter sich wissend, die nun wohlweislich ihren Mund schloss und jedes Aufbegehren aus den Augen verbannte, hob Catiana ihre Hand und pochte mit den Knöcheln gegen die hölzerne Tür... -
Catiena nickte auf die Worte des Mannes hin und ergriff wieder ihren Becher mit dem gewässerten Wein, nahm einen kleinen Schluck davon. Eigentümlicherweise wirkte das Getränk in diesem Augenblick stärker als gewohnt, sodass die Octavia dem Eindruck unterlag, ein leichter Schwipps würde sich bereits jetzt ihrer bemächtigen. Doch in Wahrheit wirkte weiter die Aussicht auf Germanien in ihr nach, die eine leichte Benommenheit mit sich brachte. So war sie auch kaum in der Lage, Macer ihre Freude wirklich mitzuteilen - welches sie sicher getan hätte in einer stürmischen Umarmung. Was sie jedoch mitbekam, waren seine Beschwichtigungen. Ein wenig kamen ihr seine Worte relativierend vor. War es ein Angebot aus Höflichkeit? Wollte er sie gar wirklich dabei haben? Unerwartet war sich Catiena sehr unsicher. Bemüht, dies nicht zu zeigen, verbarg sie ihre Gedanken hinter einem strahlenden Lächeln und nickte eifrig. "Das werde ich, sei Dir dessen gewiss. Halte mich nur auf dem Laufenden. Und sollten die Götter keine Einwände haben und auch Fortuna nichts anderes vorsehen, so wird mich wenig davon abhalten können, Dich in diese fernen Gefilde zu begleiten."
Auch Catiena stand nun auf, blieb jedoch stehen, nicht wie ihr Cousin auf und ab gehend. War er nervös?
Schließlich streckte sie einen Arm aus und deutete auf einen Gang jenseits des Atriums. "Ja, mir wurden mehrere Zimmer zur Wahl gegeben. Ich habe mich für eines entschieden, jedoch noch wenig eingerichtet. Mir war nicht bewusst, wieviele Freiheiten in der Gestaltung ich besitze." -
Catiena war nicht zur Gänze in der Lage, Macers Augenzwinkern zu deuten. So sah sie ihn einen Augenblick lang verwirrt an, einen fragenden Schimmer in den Augen, der jedoch ebenso einen Hauch der Dankbarkeit ausstrahlte. Denn die Aussage, "vermittelt zu werden", enthielt für die junge Römerin im besonderen eine Aussage, die ihr ein Gefühl der Geborgenheit verlieh: Sie war nicht allein, vielmehr hatte sie in Macer einen Verwandten gefunden, auf den sie sich verlassen konnte - selbst in solch intimen Angelegenheiten wie der Liebe.
Die Fähigkeit, die Gedanken ihres Gesprächspartner zu erahnen, war der Octavia indes nicht gegeben. Die Erkenntnis, mit einem Vieh verglichen zu werden, dessen Wert man auswog und in gleicher oder vorteilhafter Weise tauschte, hätte sie wahrscheinlich nicht wirklich schockiert, aber zumindest doch ein wenig angestoßen. So jedoch war ihr jeder Gedanke in dieser Richtung ferner denn je - und womöglich hätte sie nach einiger Überlegung sogar mit ihrem Cousin darüber gelacht.
Doch all dies wurde verdrängt von etwas weitaus Bedeutungsvollerem. Zumindest war es das in Catienas Augen. Er bot ihr tatsächlich an, ihn nach Germanien zu begleiten. "Germanien", ließ die Octavia sich das Wort leise auf der Zunge zergehen. Ein Ort, so weit entfernt, dass er jede Verlockung nach Abenteuer förmlich auf sich zog. Eine Welt entdecken, die fremdartiger und unterschiedlicher zu ihrer Heimat kaum sein konnte. Selbst Griechenland oder Hispanien fiel im Vergleich zu Germanien in seiner Bedeutung ab.
Catiena sah Macer an und schluckte, um wieder ihre Stimme zu finden, die ihr für einen Augenblick ob der Aussicht verloren gegangen war. "Nein, lasse Dich von mir keinesfalls von Deiner Pflicht abhalten. Der Dienst am Staat geht immer vor, besonders in jungen Jahren. Der Hingabe zur Familie kann man auch später noch frönen." So ungewöhnlich diese Worte auch sein mochten für eine junge Frau, Catiena meinte sie völlig ernst. "Ich..., würde mich mehr als geehrt fühlen, könnte ich mit Dir reisen. In das ferne Germanien. Aber sag, ist es dort nicht rauh und sehr gefährlich?" -
Die Art, wie die anwesenden Damen über diesen Minos sprachen, verursachte ein Kribbeln entlang der Wirbelsäule Catienas, sodass sie unwillkürlich schauderte. Anzügliche Bilder schossen ihr durch den Kopf, die sie in Selbstermahnung wieder in ihre Tiefen verbann, aus welchen sie aufgestiegen war. Nunmehr gelöst von beinahe jedem Vorbehalt lauschte die junge Octavia den Tischgesprächen, stets ein Lächeln auf den Lippen, das mehr und mehr zu einem beständigen Lachen wurde. Besonders, als Prisca bekräftigte, dass die Einladung in die Privatthermen der Gens Aurelia auch ihr galt, strahlte Catiena über das ganze Gesicht. Sie fühlte sich einfach wohl in dieser Runde und nickte auch zugleich eifrig auf die Worte Priscas hin. "Ich kann es fürwahr kaum erwarten, diesen Minos kennen zu lernen. Wenn solcherart von ihm gesprochen wird, muss seine Fingerfertigkeit fantastisch sein!" Und was er mit diesen Händen wohl noch anzustellen vermochte? Wieder schauerte es Catiena und erneut zwang sie die Bilder zurück in ihr Unterbewusstsein.
Fast schon froh war sie daher über die Ablenkung, als die neben ihr sitzende Calvena ihre kleine Cousine Sabina ansprach. Die Octavia lenkte ihre Aufmerksamkeit zur Gänze auf ihre Freundin und lauschte ihren Worten, wobei sie nicht umhin kam, ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht entstehen zu lassen. "Früh übt sich?", fragte sie mit einem kichernden Lachen. "Man sollte doch nie den Einfluss einer Frau auf das Gemüt und die Entscheidungen eines Mannes unterschätzen, selbst in solch jungen Jahren." Catiena versuchte sich zu erinnern, ob sie gleichermaßen Einfluss auf ihren Vater gehabt hatte, musste jedoch feststellen, dass dem nicht so gewesen war und sich bis heute nicht geändert hatte. Dies lag allerdings weniger an der Strenge des Mannes - denn dies war ihr Vater nicht - als vielmehr an ihrer Anspruchslosigkeit. Sie hatte nicht gewusst, was sie begehren sollte, da sie nicht wusste, dass es überhaupt existierte.
Catiena war so in Gedanken versunken, dass sie fast nicht mitbekam, was um sie herum geschah. Erst als ein eifriger Tumult entstand, gefolgt von Rufen des Erstaunens und des Schreckens, die jäh wieder abbrachen, sah die junge Octavia auf und erhaschte noch einen kurzen Blick auf den Kuss, den Serrana von einem fremden Mann erhielt, bevor das Geburtstagskind zurücktaumelte und direkt in den Armen von Prisca landete. Sprachlos vor Erstaunen riss Catiena die Augen auf. "Was ...?", stieß sie leise hervor, doch weitere Töne brachte sie nicht hervor. Sofort griffen auch die beiden rüstigen Sklaven in das Geschehen ein und der Fremde war binnen Augenblicken in sichere Entfernung gebracht, was Catiena nun deutlich machte: Dies war zweifellos kein Ereignis von beiderseitigem Einverständnis, wohl eher eine Wette - oder eine Mutprobe. Der Römerin stellten sich unwillkürlich die Nackenhärchen auf und sie sah zu Serrana, besorgt um die nächste Reaktion, welche diese zeigen würde. -
Catienas Wangen färbten sich augenblicklich in einem hellen Rotstich, als Macer sie auf eine mögliche Hochzeit ansprach. Sie sah einen Augenblick zu Boden und hob ihren Becher mit dem gewässerten Wein an die Lippen, ohne jedoch wirklich einen Schluck daraus zu nehmen. Sie wollte nur das Schweigen irgendwie durchbrechen mit dem Anschein, etwas zu tun und nicht ob Betroffenheit oder gar Peinlichkeit die Worte zu verlieren. Schließlich hob sie ihren Blick wieder und richtete ihre Augen auf Macer. Ein Lächeln legte sich auf ihre weichen Gesichtszüge, insbesondere getragen von seinen Komplimenten. Tief in ihrem Inneren Rangen indes Wahrheit gegen Verlegenheit, bis schließlich Ersteres seinen Triumph erzielte und die junge Frau förmlich mit ihrer Antwort herausplatzen ließ. Noch während Catiena zu sprechen begann, schüttelte sie langsam den Kopf: "Ich danke Dir vielmals für Deine Worte, aber um es zu gestehen, bisher habe ich nicht an eine Hochzeit gedacht, nein. Mein Vater teilte mir unmissverständlich mit, dass ich dann verheiratet werde, wenn die Familie eine Entscheidung diesbezüglich treffen würde." Sie unterstrich ihre Worte mit einer Handbewegung, um die Ernsthaftigkeit ihrer Bedeutung zu bekräftigen. "Ich war und bin ein Pfand für politisches Kalkül, sodass ich mir nie besondere Gedanken über einen Mann gemacht hatte oder über eine Hochzeit." Plötzlich lachte Catiena leise. "Wenn man von den Schwärmereien und Träumen eines jungen Mädchens absieht. Ich hoffe, ich enttäusche Dich mit meinen Worten nicht. Natürlich mag sich dies alles in naher Zukunft ändern, das vermögen nur die Götter abzuwägen, ich selbst jedoch kann wenig dazu sagen."
Die junge Römerin sah ihren Cousin entschuldigend an. Eine Hochzeit war ihr selbst ein noch viel zu abstrakter Begriff, etwas, mit dem sie sich nie hatte auseinandersetzen müssen. Noch während diese Gedanken durch ihren Kopf glitten, wurde ihr bewusst, wie oft sie sich in der letzten Zeit mit dieser Thematik beschäftigt hatte. Ein Grund dafür war sicher die bevorstehende Hochzeit ihrer Freundin Calvena. Wie rasch Dinge sich doch zu verändern in der Lage waren.
Catiena umschluss ihren Becher mit beiden Händen, unerwartet wieder von der Vorstellung beseelt, das eine Hochzeit auch bedeuten würde, dass sie nicht allein in der Casa verweilen würde, doch dies war nun ein Gedankengang der deutlich zu weit ging, weswegen sie ihn rasch wieder von sich schob. Stattdessen sah sie Macer schier ungläubig an. Hatte sie soeben richtig gehört? Erneut rief sie sich seine Worte in ihr Ohr, doch sie war sicher, ihn nicht missverstanden zu haben. "Ich kann nicht sagen, Rom sofort zwingend verlassen zu wollen. Es gefällt mir hier und ich bin ja auch erst kürzlich eingetroffen. Doch..., Du deutest doch nicht etwa an, dass ich Dich...", Catiena ließ den Satz unvollendet, um sich noch einmal zu vergewissern, dass sie Macer wirklich richtig verstanden hatte. Ihr Zeigefinger wanderte dabei deutend zwischen beiden hin und her. -
Catiena schenkte Centho ein höfliches und zugleich ernst gemeintes Lächeln, als sie die an Macer und sich gerichtete Einladung vernahm. Dankend senkte die junge Frau ihren Kopf, wobei eine Haarsträhne sich löste und nach vorne fiel, sich weich auf ihre roten Lippen legte und sanft ihre Nasenspitze kitzelte, was beinahe ein Niesen zur Folge hatte. In einer ebenso eleganten wie schnellen Bewegung hob Catiena ihren Arm und schob die ausgebrochenen, braunen Haare zurück hinter ihr Ohr, bevor sie den Blick wieder vollends auf die beiden Männer richtete.
"Ich danke Dir vielmals", antwortete sie mit leise klingender Stimme, bevor sie sich besann, dass dieser Augenblick trotz der Nachricht eines verstorbenen Verwandten keineswegs ein Moment der Andacht war, sondern vor Pragmatismus nur so troff. Nicht, dass sie hierbei eine Ausnahme machte. "Ich werde der Einladung mit Freude folgen. Wenn nicht in Begleitung meines verehrten Cousins", bei diesen Worten richteten sich die bernsteinfarbenen Augen Catienas auf Macer, in ihnen den Schimmer der Bewunderung, die sie für ihn hegte, "so auch allein, und sei es nur, um Deine Gesellschaft genießen zu können."
Die junge Frau faltete ihre Hände wieder in ihrem Schoß und schloss die Beine fest zusammen, wobei sie unauffällig eine Falte aus ihrer Tunika strich. "Auch ich bin froh, dass diese Angelegenheit so rasch abgeschlossen werden kann. Der Streit um Erbe ziert eine Familie nicht. Doch gestatte einer Unwissenden noch eine Frage", bat sie und sah direkt zu Centho, "wie wird dies alles formal von sich gehen? Werde ich Verträge unterzeichnen müssen?" -
Catiena ließ sich von Macer kurzerhand durch die Gesellschaft führen, vorbei an Senatoren, Magistraten und anderen Persönlichkeiten beiderlei Geschlecht, alle in Festtagsstimmung und ebenso gekleidet. Weiterhin ließ die junge Frau ihre Augen über die Dekoration und die Kleider der anwesenden Damen wandern, ohne diese jedoch sondlicher kritisch zu bewerten. Natürlich hatte die Octavia ihren eigenen Geschmack und so manches Detail würde sie womöglich anders machen, aber am Ende war es doch die Gesamtkomposition, die stimmte, sodass sie nichts fand, woran sie sich effektiv hätte stoßen können - nicht, dass sie das überhaupt wollte.
Schließlich erreichte sie, ihren Arm bei Macer eingehakt, einen Mann, dessen Haupthaar bereits ein wenig der Zeit gewischen schien, der aber dennoch einen selbstsicheren und insbesondere erfahrenen Eindruck bei ihr hinterließ. Wie sie vernommen hatte, wer er der Patron von Macer, also nicht nur ein Freund, sondern auch eine wichtige Person im Leben ihres Cousins. Seine ersten Worte indes ließen ihr die Schamesröte ins Gesicht schießen, anders als bei Macer, der laut zu lachen begann. Schließlich, nach einem Augenblick, fiel Catiena leise mit ein und schüttelte sanft den Kopf, das einige der Locken entlang ihrer Ohren langsam mitschwangen. Die Erklärung Macers ließ ihre Röte wieder weichen und sie begann zu schmunzeln. "Es ist mir eine Freude, Deine Bekanntschaft zu machen", sagte sie zu Sedulus und verneigte den Kopf höflich begrüßend vor dem Patron Macers. "Calvena ließ mir eine Einladung zukommen noch am Tage meiner Ankunft hier in Rom und so habe ich die Möglichkeit, zur Zierde - wie ich hoffe - Macer zu dieser Festlichkeit zu begleiten."
Sie lächelte strahlend, von den Gedanken ihres Verwandten ob einer guten Männerpartie für sie nichts ahnend, und freute sich über den scheints offenen Umgangston, der hier gepflegt wurde. -
Catiena sah Centho unverwandt an und rührte sich eine Weile nicht. Wieder war ein Verwandter gestorben. Für einen Augenblick fragte sie sich, ob die Gens der Octavier sich einem Ende zuneigte, doch war dies ein mehr als irrsinniger Gedanke, sodass sie ihn zugleich dem Elysium überantwortete - jener Ort, an den auch der Senator gegangen war.
Anders als bei dem Selbstmord in der Casa ließ sie diesmal die Nachricht jedoch erstaunlich kalt. Sie empfand Bedauern darüber, das jemand gleichen Namens verstorben war und er wohl Familie und Freunde hinterlassen hatte, die um ihn trauerten, jedoch..., es war am Ende nur ein Name, dem sie nicht einmal ein Gesicht zuordnen konnte.
So lächelte die junge Octavia leicht und neigte den Kopf dankend gen Centho. "Ich danke Dir. Es ist immer ein schmerzlicher Verlust, wenn ein Octavier seinen letzten Atemzug tätigt."
Mehr musste sie glücklicherweise nicht sagen, denn in diesem Augenblick schaltete sich Macer in das Gespräch mit ein, wogegen Catiena keinerlei Einwände hatte. Sie hörte ihm aufmerksam zu und zog ihre Beine noch etwas enger zusammen, während sie nachdachte. Das sie Geld erhalten sollte, klang zunächst natürlich verlockend, aber die Betriebe - sie hatte nicht den Hauch einer Ahnung von der Führung eben solcher oder gar der Wirtschaft. Andererseits war es eine Aufgabe, der sie sich stellen konnte.
"Du hast sicher Recht", setzte sie an und hielt dann wieder einen Augenblick inne. "Ja, das klingt vernünftig. In der Familie sollten wir es so verteilen, wie es für alle am Besten ist." -
Catiena hob sofort abwehrend die Hände, als Macer von Calvena sprach und schüttelte leicht den Kopf. Sie hatte sich scheints ein wenig missverständlich ausgedrückt, was, als sie ihre Worte rekapitulierte, tatsächlich der Fall gewesen war. "Nein, nein", erwiderte sie daher hastig und lachte leise, insbesondere über sich selbst und ihr Unvermögen sich einwandfrei auszudrücken. Die Schule der Rhetorik war ihr nie zuteil geworden.
"Calvena sagte dies nicht, es war mein Vater, als er gelegentlich über die Politik berichtete, an welcher er einst teilgenommen hatte, bevor es ihn auf das Landgut zog. Und Du musst mir verzeihen, ich verstehe nicht sehr viel vom Cursus Honorem und seinen einzelnen Ämtern. Ich arbeite mich gerade erst in die Gesellschaft und das Leben in dieser Stadt ein."
Ihr Lachen wurde zu einem leisen Lächeln, welches jedoch bei Macers weiteren Worten wisch und einem enttäuschten und traurigen Ausdruck in den Augen Platz machte.
"Oh", sagte sie schließlich und trank einen weiteren Schluck aus ihrem Becher, um sich zu fassen und die richtigen Worte zu finden. Germanien. Kalt sollte es dort sein. Kalt, nass und dunkel. Eine Welt voller Berge und so dicht bewaldet, das man seine Hand nur austrecken brauchte und sie verschwand hinter einem Gebüsch. So lauteten zumindest die Gerüchte. "Das ist weit entfernt von hier." Die junge Octavia rang sich ein Lächeln ab. Die Tatsache, das sie nicht die Gelegenheit erhalten würde, ihrem Verwandten zu helfen, betrübte sie dabei ebenso wie die Aussicht, das Macer erneut lange Zeit fort sein würde. Aber sie verstand es natürlich sehr gut. Pflichten standen stets an erster Stelle. "Du wirst mir doch sicher schreiben, oder?"
Catiena schob ihre Enttäuschung beiseite und auch jeden Gedanken daran, die Casa wieder verlassen vorzufinden. Stattdessen begann sie über sich zu berichten: "Ich weiß gar nicht recht, wo ich anfangen soll", kicherte sie. "Ich komme von einem Landgut etwa zwei Tage den Tiberis hinauf. Mein Vater ist Aulus Octavius Avitus und meine Mutter Furia Fausta. Sie beide haben sich entschieden, sich der Verwaltung des Hofes zu widmen. Warst Du je dort? Die Landschaft ist wundervoll und all die vielen Olivenbäume." Catiena geriet ins Schwärmen bei der Erinnerung an ihre Kindheit und drehte den Becher langsam zwischen ihren schlanken Fingern, darauf achtend, nichts zu verschütten. "Aber Rom zog mich an, dieses Zentrum der Welt. Ich möchte hier Erfahrungen sammeln. Wie genau, das weiß ich noch nicht. Zunächst einmal werde ich mich natürlich um die Casa kümmern, doch ich hatte auch gehofft, der Familie irgendwie helfen zu können, eine Aufgabe zu bekommen vielleicht." -
Huhu
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-
Catiena war aufgeregt. Fast fühlte es sich an, als würde sie zu ihrer eigenen Hochzeit gehen, doch so weit wagte sie nicht einmal zu denken. Viel zu fern lag diese Vorstellung.
Ganz anders war es mit ihrer Vorstellung, wie sie sich zu solch einem Anlass zu kleiden hatte. Bereits am Tage zuvor hatte sie in der Casa Octavia begonnen, erste Pläne zu schmieden, was sie zu tragen gedachte und beinahe die ganze Nacht über dem Schmuck gesonnen. Nicht nur ihre Zofe musste sie für des Verstandes beraubt halten, sondern auch sämtliche Bedienstete des Hauses. Ihr war es egal. Am Ende hatte sie jedoch alle Pläne wieder fallen gelassen und sich für das denkbar Einfachste entschieden, was ihr für eine Hochzeit einfiel, sie aber dennoch für angemessen hielt: Ein langes Kleid in heller, gelber Farbe - überhaupt trug sie sehr häufig Gelb. Das braune Haar war von den in dieser Kunst gut ausgebildeten Händen ihrer Zofe erneut zu feinen Locken verarbeitet worden, die nun mit silbernen Spangen gehalten ihren Hinterkopf zierten. Auch der restliche Schmuck an ihrem Körper, ein Paar Ohrringe und eine Kette, waren von feiner Qualität und gefertigt aus Silber. Um den Kontrast nicht zu stark werden zu lassen, hatte sie bis auf ein volles Rot auf ihren Lippen auf Kosmetik weitesgehendst verzichtet.
Am Ende waren all ihre Maßnahmen zweierlei Dinge geschuldet gewesen. Zum einen wollte sie selbst nicht übermäßig auffallen - die Furcht vor der Gesellschaft war ihr mit dem Näherkommen der Stunde des Aufbruchs immer deutlicher geworden - und sie wollte den Bräuten in keinster Weise die Blicke stehlen. Nicht, dass sie erwartete, dies überhaupt tun zu können.
Am meisten zu leiden hatte unter ihren Vorbereitungen wohl ihr Verwandter Macer, den sie zu der Hochzeit ihrer Freundin Calvena begleiten würde. Auch Iuna Serrana war Catiena von dem Jungesellinnenabschied in der Taverna Apicia her gut bekannt, doch die Germanica hatte die Einladung ausgesprochen, damals, als sie in Rom angekommen war. Damals, als ob es lange her wäre, dachte die Octavia und schüttelte innerlich den Kopf.
Dies geschah in jenem Augenblick, als sie zusammen mit Faustus Octavius Macer die Casa Iuna betrat. Überwältigt von dem Anblick, der sich ihr bot, blieb Catiena fast augenblicklich stehen und ihre Finger schlossen sich unwillkürlich um den Unterarm ihres Cousins. Welche Pracht sich hier bot. Die Säulen, festlich geschmückt, Blumen, Tücher in perfekter Kombination zur Architektur. Was dies gekostet haben musste ...? Doch kein Preis wog den Wert eines solchen Tages auf.
Ein Lächeln überfolg die Lippen der jungen Römerin und sie wandt sich an Macer. "Eine wundervolle Dekoration, nicht wahr?", schwärmt sie. Und zugleich streckte sie ihren zweiten Arm aus und vollzog eine kurze, aber umfassende Geste über all die Anwesenden. "Und so viele Gäste. Kennst Du sie und kannst Du mich vielleicht einigen vorstellen? Oh, ich kann es immer noch kaum begreifen, wirklich dabei sein zu dürfen."
Mit kurzen, aber zielstrebigen Schritten zog sie ihren Verwandten durch den Eingangsbereich tiefer in das Atrium hinein, den Blick nach bekannten Gesichtern umher schweifen lassend. Sie erkannte zwischen einigen Köpfen das Gesicht von Tiberia Septima und auch Aurelia Prisca entging ihr nicht. Beide sahen fantastisch aus und die Octavia versuchte, sie dezent mit einem Winken zu begrüßen, da durch die Menge kaum ein Durchkommen zu erhoffen war. Diese Menge war es auch, die ihr zu ihrem Leidwesen den Weg zu den Bräuten versperrte - oder ihr auch nur einen Blick gönnte. Ungeduldig seufzte Catiena und sah wieder zu Macer, kurz vorbei an ihm, doch die Bräutigamme zu sehen, gab sie binnen Augenblicken wieder auf. Sie wusste ja nicht einmal, wie sie aussahen. "So viele Leute und einer edler als der andere", fügte sie schließlich noch leise hinzu. -
Auf die Einladung Macers hin ließ sich Catiena in einer geschmeidigen Bewegung auf der Bank nieder, die in einem leichten Schwung einen Platz vor einem leise plätschernden Brunnen einrahmte. "Danke sehr."
Einige Blumenbeete zierten die Umgebung und verliehen ihr den Eindruck einer gewissen Unberührbarkeit, sodass jede schlechte Nachricht an diesem Ort abprallen musste. Es erinnerte Catiena ein wenig an ihre Heimat, jenen Hof auf dem Land. Trotz der Aussicht auf Worte, welche ihre Stimmung womöglich zu trüben vermochten, lächelte sie Macer und Centho an, in den Augen ein ernst neugieriges Funkeln. -
Aufmerksam lauschte Catiena den Erzählungen ihres Verwandten und nickte gelegentlich, um zu unterstreichen, dass sie zuhörte. Sie war erstaunt, wie weit Macer schon herum gekommen war - Griechenland - und welche Ausbildungen er genossen hatte. Ein Anflug von Neid erfasste sie, doch sie schob das Gefühl zur Seite. Es lag nun einmal in der Natur der Dinge, dass man nicht alles tun konnte im Leben.
Das Lächeln auf ihren Lippen blieb, während sich ihr Mund vor Staunen etwas öffnete, begleitet von einem offenen Glitzern in ihren Augen. "Du bist schon weit umher gekommen", meinte sie schließlich, als Macer verstummte. Catiena sah ihn neugierig an. "Calvena berichtete mir von dem Tribunat in Mantua. War es ein sehr antrengendes Amt? Ich hörte, ein Tribun darf seine Tür nicht schließen, um für das Volk zu jeder Zeit verfügbar zu sein."
Ein Schauer durchlief die junge Frau bei der Vorstellung, das ein jeder Bürger in ihrem Haus ein- und wieder ausgehen konnte, doch sie vermied es, dies allzu deutlich zu machen. Stattdessen öffnete sie ihre gefalteten Hände und nahm den Becher mit gewässertem Wein von dem Sklaven entgegen. Sie nahm sofort einen kleinen Schluck. Er war stärker verwässert, als sie es gewohnt war, doch war dies in diesem Augenblick von besonderem Vorteil, sprach ihr Verwandter doch etwas an, dass sie seit ihrer Ankunft in Rom täglich beschäftigte: "Deine nächste Kandidatur. Welches Amt strebst Du an und...", Catiena sah ihn hoffnungsvoll fragend an, "vermag ich Dir zu helfen?" -
Die Welt um sie herum war der Schwärze gewischen. Catiena empfand nichts mehr, nur die Ruhe der Ohnmacht, ausgelöst von der Erschöpfung der Reise und dem Schrecken ob eines Selbstmords in der Familie. Vor ihrem inneren Auge, in ihren Träumen, sah sie groteske Figuren umherwandern. Ohne zu wissen, wer diese Wesen waren, wusste die junge Römerin dennoch, dass es sich um Götter handeln musste - oder gar Dämonen aus der Unterwelt. Sie hatten ihr ein Zeichen geschickt, dass sie in Rom nichts zu suchen hatte, dass es ein Fehler gewesen war, die Heimat zu verlassen.
All diese Gedanken wurden durch den Schleier der Bewusstlosigkeit derart verstärkt, dass Catiena daran zu glauben begann. Es würde sich auflösen, in das Schattenreich der Vergessenheit geraten, wenn sie wieder erwachen würde, doch bis zu diesem Zeitpunkt sollten noch viele Stunden vergehen.
Die Octavia nahm nicht wahr, wie sie sanft angehoben und in ein nahe gelegenes Zimmer getragen wurde. Auch, wie ein Sklave Calvena in einen angrenzenden Raum führte, blieb ihr verborgen. Catiena würde sich bei ihr entschuldigen für ihre Schwäche, wenn die Leiche aus dem Haus entfernt und ihre Spuren beseitigt waren. Wer würde sich um die Beerdigung kümmern, wer um den Nachlass? Sie wusste es nicht - doch sie befand sich auch an einem Ort, wo sie vermeintlich überhaupt nichts wusste.
Vorsichtig auf ein Bett gelegt, nahm sich die Sklavin Catiena an und begann zunächst, sie vom Schmutz der Reise zu befreien und auch die Kleidung zu wechseln, bevor wenig später eine Decke ihren Körper umschloss. Die Sklavin blieb im Zimmer, auf die junge Frau achtend, deren Atem fast unhörbar durch die Stille schnitt. Sie war in Rom... -
Lucius Centho von den Iulia, wiederholte Catiena in Gedanken den Namen des Mann, der sich ihr soeben vorstellte. Der Gensname war ihr durchaus vertraut, doch in ihrer Erinnerung fand sie niemanden gleichen Namens, der ihr bekannt war. Dies schmälerte jedoch nicht die Offenheit, mit welcher die Octavia dem Manne gegenüber trat. Sie nickte zustimmend, um anzudeuten, das sie seine Vorstellung angenommen hatte und lauschte seinen weiteren Worten, in welchen er sein Amt darlegte und den Zweck seines Hierseins.
Eine dienstliche Angelegenheit? Welcher Natur diese sein mochte, erschloss sich Catiena noch nicht, konnte sie sich doch nicht vorstellen, welch offizielles Anliegen sie betreffen könnte. Vergeblich versuchte sie, das Amt des Decemvir in Verbindung mit ihrer Frage zu bringen, doch es gelang ihr nicht. Sie wusste lediglich, dass es sich bei den Decemviri um eine Kommission mit der Stärke von zehn Mann handelte. Dies war jedoch zu Zeiten der Republik gewesen. Ein Richter, schoss es der Octavia durch den Kopf und unwillkürlich fragte sie sich, ob sie sich etwas hatte zu schulden kommen lassen, schob aber den Gedanken weit von sich.
Ihre Augen richteten sich auf Macer und hatten für einen Moment einen hilfesuchenden Ausdruck inne, bevor sie wieder zu Centho sah. "Leider, sagst Du? Das hört sich nach schlechten Nachrichten an."